Gottfried Keller

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Der grüne Heinrich

Materialien Besonderes
Personen Äußerungen Kellers zur neuen Fassung
Inhaltsangabe Der Grüne Heinrich bei andern Dichtern
Verfilmung Historisch-Kritische Gottfried Keller-Ausgabe
 

Materialien

 

 

Personen

 


 

Männer

Frauen

Nebenpersonen

Gegenfiguren

Jugendgeschichte

 

 

 

 

Stadt

Vater ( Lee)

Mutter

   

 

 

Frau Margret + Vater Jakoblein (Trödler)

 

Meretlein

 

Habersaat

 

Meierlein

 
 

Römer (Maler)

 

Brieffreund

 

Land

Oheim + Familie

Judith

 

 

 

Schulmeister

Anna

 

Schlangenfresser (2. F.)

 

 

Großmutter

 

Albertus Zwiehan (2. F.)

Hauptteil

Erikson + Rosalie

 

 

 

 

Lys (Ferdinand)

Agnes

Reinhold (Gottesmacher)

 
 

Professor (Anthropologie)

Hulda (2. F.)

Schmalhöfer (Trödler)

 

 

 

(Mutter)

Landsmann

 

 

Graf

Dortchen Schönfund

Kaplan

Peter Gilgus (2. F.)

Schluß

 

Judith (2. F.)

Nachbarn

 

 

 

Inhaltsangabe

 

Roman in vier Bänden (neben Martin Salander Kellers einziger Roman)

1. Fassung, entstanden 1849-1855 in Heidelberg und Berlin, publiziert 1854/55 im Vieweg-Verlag, Braunschweig

2. Fassung, erschienen 1879/80 im Göschen Verlag, Stuttgart

Der bedeutendste Entwicklungsroman des sogenannten poetischen Realismus ist ein Jugendwerk Kellers, wurde aber für die 2. Auflage überarbeitet und wesentlich verändert. Das Werk schildert den Werdegang des jungen Kunstmalers Heinrich Lee, der seiner stets gleichfarbigen Kleidung wegen der grüne Heinrich genannt wird, und gliedert sich in zwei Teile, da es eine abgeschlossene, als autobiographisches Manuskript des Helden fingierte Jugendgeschichte in sich aufnimmt, die über die Hälfte des Romans ausmacht.

(1. Teil: Jugendgeschichte)

Der Ich-Erzähler der Jugendgeschichte schildert, wie er als Kind eines früh verstorbenen Handwerkermeisters in einfachen Verhältnissen unter der Obhut seiner treusorgenden Mutter aufwächst. Wegen eines Schülerstreiches von der Schule verwiesen, versucht Heinrich, sich als Landschaftsmaler auszubilden. Von entscheidender Bedeutung sind für ihn mehrere Aufenthalte bei Verwandten auf dem Lande, wo sich zwischen ihm und der ätherischen Kusine Anna eine zarte Jugendliebe entwickelt, gleichzeitig aber die reife und lebensvolle judith in sein Leben tritt, die die erwachende Sinnlichkeit des Jünglings herausfordert. Annas früher Tod veranlaßt ihn, der Entschlafenen lebenslange Treue zu geloben und der Verbindung mit Judith zu entsagen. Die Jugendgeschichte ist als Lebensmodell zu verstehen, denn sie bietet eine Reihe kindlicher Erlebnisse, die sichtbar machen, daß die Kindheit schon ein Vorspiel des ganzen Lebens ist und bis zu ihrem Abschlusse schon die Hauptzüge der menschlichen Zerwürfnisse im kleinen spiegelt.

(2. Teil)

Der handlungsärmere, dafür an weltanschaulichen Reflexionen reichere zweite Teil bestätigt den Modellcharakter der Jugendgeschichte durch zahlreiche Motiventsprechungen, die beide Hälften kompositorisch verbinden. Der zweite Teil führt den Helden in eine große deutsche Kunststadt (gemeint ist München), wo er seine Malerausbildung zu vollenden und eine Existenz als Künstler zu begründen hofft. Der Teil schildert im wesentlichen Heinrichs vergebliche Bemühungen, sein Talent aus dem träumerischen, phantastischen Stil der jugendlichen Versuche herauszuentwickeln und einem an der Wirklichkeit und am Lebendigen orientierten Kunstideal anzunähern, zugleich aber auch sich materiell auf eigene Füße zu stellen. Neben den Problemen der Kunst umkreisen Heinrichs Gedanken Fragen philosophischer und religiöser Art, des menschlichen Zusammenlebens und der politisch-gesellschaftlichen Ordnung; er betreibt anatomische Studien und beschäftigt sich mit Literatur. Doch gelingt es ihm nicht, die erhoffte finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Verarmt und heruntergekommen verläßt er endlich die Kunstmetropole, um zu seiner Mutter zurückzukehren, die schon lange nicht mehr in der Lage ist, für den Unterhalt und die Schulden des Sohnes aufzukommen, und zu der er aus Scham über sein Versagen auch den brieflichen Kontakt verloren hat. Er unterbricht aber seine Heimreise, als er zufällig das Schloß eines ihm bereits bekannten Grafen erreicht, der ihn nicht nur seiner materiellen Not enthebt, sondern auch sein künstlerisches Selbstbewußtsein wiederherzustellen weiß. Für Dortchen, des Grafen Pflegetochter, erwacht in Heinrich eine leidenschaftliche Liebe, die er jedoch nicht zu zeigen wagt. Seine endliche Heimkehr fällt mit dem Tod der Mutter zusammen, deren Lebenskräfte von Armut und Gram um den verloren geglaubten Sohn aufgezehrt waren. In der Urfassung bleibt Heinrich einer trostlosen inneren Leere überlassen, bis ihn nach kurzer Zeit eine tödliche Krankheit ereilt. In der Spätfassung findet er hingegen eine selbstgenügsame, dem öffentlichen Wohl gewidmete Existenz als Oberamtmann. Er begegnet der aus Amerika heimgekehrten Judith wieder, die nun 20 Jahre lang bis zu ihrem Tod seine Lebensgefährtin bleibt, ohne daß eine äußere Bindung zwischen beiden eingegangen wird.

Die Urfassung erzählt den zweiten Teil des Romans in der Er-Form, die Spätfassung gleicht ihn der Jugendgeschichte durch Einführung der Ich-Form an. Das Werk darf insofern als negativer Entwicklungsroman bezeichnet werden, als es nicht von der Verwirklichung eines Persönlichkeitsideals, sondern vorn Lebensgang eines am Ende gescheiterten und gebrochenen Helden berichtet, auch wenn die Spätfassung diese Konzeption mildert, indem sie Verzweiflung und Tod in tätige Entsagung verwandelt. Die Dichtung will kein Künstlerroman im traditionellen Sinne sein; vielmehr ist die Künstlerexistenz als Modell der menschlichen Existenz schlechthin, als Exempel menschlicher Weltbegegnung und Lebensreise zu verstehen. Einflüsse des Wilhelm Meister (Goethe), der Erzähltechnik Jean Pauls und der Philosophie Feuerbachs sind spürbar.


Diese Zusammenfassung ist dem Lexikon der Weltliteratur, hrsg. von Gero von Wilpert, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, Bd. 3, S. 511f. entnommen.

 

 

Besonderes

 

 

Äußerungen Kellers zur neuen Fassung

 

Zwei Dinge waren vor allem Gegenstand der Kritik an der ersten Fassung des Romans:

  • Die Unproportioniertheit zwischen der eingeflochtener Jugendgeschichte (2½ Bände in Ich-Form) und dem übrigem Roman (1½ Bände in Er-Form)
  • Der zu wenig motiviert scheinende Tod der Hauptfigur am Ende

Beides versuchte Keller 25 Jahre danach in der vollständig überarbeiteten zweiten Fassung zu ändern:

Da mein ärmster grüner Heinrich fortwährend in literarhistorischen und theoretischen Büchern als Exempel eines Romanes aufgeführt wird, wie er nicht sein soll, so drängt es mich endlich doch, eine umgearbeitete neue Auflage etwas zu beschleunigen, um jenen Philistern zu zeigen, mit wie wenig Zügen man ein gutes Buch draus machen kann. Ich nehme daher die Sache, die ich seit letztem Frühjahr habe liegen lassen, wieder auf.

(Keller an den Verleger Ferdinand Weibert, 14.12.1876)
 

Sie sehen, daß ich mir nicht mit einer Postkarte behelfe, um Ihnen für Ihren freundlichen Brief zu danken. Wenn ich von Ihrer Ueberschätzung des Grünen Heinrich alle billigen Abzüge mache, so bleibt doch genug für eine erfreuliche Ueberraschung übrig, welcher man doch zugänglich ist, wenn sie von berufener Seite zu kommen scheint, was man natürlich sofort constatirt.

Ihre Bemerkungen wegen der Zukunft des fraglichen Buches treffen zur rechten Zeit ein. Dasselbe ist vergriffen u soll in anderem Verlage neu erscheinen. Es wird dabei ungefähr um einen Band eingehen resp. um 1/4 mindestens kürzer werden durch Streichung der Reflexionen und unrepräsentabeln Velleitäten.

Die Oekomonie oder vielmehr Unökonomie belangend, so werde ich das, was nach der autobiographischen Jugendgeschichte in dritter Person weiter erzählt wird, ebenfalls der Autobiographie einverleiben mit den nöthigen Andeutungen und das Ganze als Manuskript in einer kurzen Einleitung auffinden lassen, welche den Tod des Helden als älteren Mannes erzählt, der irgendwo in der Stille stirbt und eben jenes Manuskript hinterläßt. So wird der unvermittelte jetzige Schluß vermieden. Verheirathen und behaglich werden lassen kann ich den Aermsten jetzt nicht mehr; es würde das einen komischen Effekt machen und vielleicht gerade bei den Freunden ein gemüthliches Gelächter hervorrufen. Wenn die Sache mit etwas Sorgfalt und hinreichender Motivirung behandelt wird, so kann eine elegische Grundlage dem sonst lebenswilligen Wesen des Buches durch den, allerdings zärter zu haltenden, Contrast nur nützen, um mich recht prosaisch auszudrücken; es ist aber nicht so gemeint.

(Keller an Julius Petersen, 4.6.1876)

Die umständliche Konstruktion mit dem hinterlassenen Manuskript ließ Keller später wieder fallen. Im Juni 1878 konnte er Theodor Storm von der nahezu endgültigen Form berichten:

Ich habe, was von dem Gedruckten, circa 2½ Bände, bleibt, jetzt durchcorrigirt und mit zahlreichen Streichungen verziert. Nun schreibe ich das, was in der dritten Person erzählt wird, um und lasse es auch von H(einrich) in erster Person erzählen bis zum Tode der Mutter; das zuletzt angeknüpfte Liebesverhältniß verunglückt auch; das Problem alles dieses Mißlingens wird klarer und ausdrücklicher motivirt als eine psychologisch-sociale Frage (aber nicht pedantisch). Heinrich lebt still und dunkel fort bei einer anspruchlosen aber geregelten Thätigkeit, ungekannt und in der Erinnerung lebend [...], alternd und durch einen Unfall der Hülfe und Pflege bedürftig. Hier tritt die Judith wieder ein, die als gemachte Person aus Amerika zurückkehrt, die den Teufel hat zähmen lernen, aber immer einsam geblieben ist. Sie erkennt den alten Heinrich an dem Lebensbuch das er geschrieben. Ihm ist sie das Beste, was er erlebt hat, nach Allem, eine einfache Naturmanifestation, und er hat ihr auch immer im Sinne gesteckt. So bildet sich noch ein kurzer Abendschein in den beiden Seelen.

Dieser Schluß notabene, vom Umfange weniger Bogen, würde nun an die Stelle des alten Einganges treten, sodaß dann die einheitliche Autobiographie ohne weiteren Abschluß folgen würde.

(Keller an Theodor Storm, 25.6.1878)

Und schließlich Kellers letzte Schlußvariante:

Verehrter Freund. Ich gebe heut endlich den Grünen auf die Post und wünsche ihm glückliche Reise und nachsichtigen Empfang. Daß die Judith am Schlusse noch jung genug auftritt, statt als Matrone, wie beabsichtigt war, hat sie Ihren derselben so gewogenen Worten zu danken. Ich wollte mich selbst nochmals am Jugendglanz dieses unschuldigen, von keiner Wirklichkeit getrübten Phantasiegebildes erlustiren. Gern hätte ich sie noch durch einige Scenen hindurch leben lassen; allein es drängte zum Ende und das Buch wäre allzu dick geworden.

(Keller an Julius Petersen, 21.10.1880)

 

 


Und eine typisch Kellerische Selbstbegutachtung:

Letztes Jahr war eine Frau aus München oder Stuttgart hier, die mit großem Spektakel bei mir einrückte und verkündete, sie habe ein Vierteljahr krank im Bette gelegen und endlich sich an meinem 4bändigen Grünen Heinrich gesund gelesen! Worauf sie behende weiter kugelte. Ich stand da, und war versucht, mich einen Augenblick neben Christum zu stellen, der mit einem Sälbchen von Koth den Blinden geheilt hat. Die Sache schien mir aber nicht geheuer zu sein mit meiner Wunderthätigkeit und ich ließ sie auf sich beruhen, ohne mich beim heiligen Vater um die Seligsprechung zu bewerben.

(Keller an Maria Melos, 19.7.1885)

 

 

Der "Grüne Heinrich" bei andern Dichtern

 

Im Zimmer las ich dann den Grünen Heinrich zuende. An einer kleinen Gipsfigur, die er nicht nachzeichnen konnte, merkte er, daß er sich bis jetzt nie richtig mit Menschen beschäftigt hatte. Er reiste nach Hause zu seiner Mutter, die ihn bis jetzt unterstützt hatte, und fand sie mit zitternden Wangen im Sterben liegen. Danach blieb er viele Jahre wie totgekocht, mürrisch und überdrüssig. Erst als aus Amerika die Frau zurückkehrte, die ihn geliebt hatte, weil sie ihn um seine Gedanken beneidete, fing er an, wieder aufzuleben. Nun wurde seine Geschichte ein Märchen, und als ich an die Stelle kam: "Fröhlich und zufrieden aßen wir im Herrenstübchen des Gasthauses zum goldenen Stern", mußte ich wegschauen, um nicht zu weinen. Dann weinte ich doch, ziemlich hysterische, aber ich vergaß die Zeit dabei.

aus: Peter Handke: Der kurze Brief zum langen Abschied. Frankfrut a. M.: Suhrkamp 1972, S. 171 f.

Auch Handkes Erzählung endet, wie Kellers zweite Romanfassung, mit einer Judith-Geschichte:

"Erzählt nun eure Geschichte!" sagte John Ford.

Und Judith erzählte, wie wir hierher nach Amerika gekommen waren, wie sie mich verfolgt hatte, wie sie mich beraubt hatte und mich umbringen wollte, und wie wir nun endlich bereit waren, friedlich auseinanderzugehen. (S. 195)

   
   

 

 

Verfilmung

 

Der grüne Heinrich, Spielfilm (1989/91) von Thomas Koerfer.

"Für Thomas Koerfer erschien es als künstlerisches Gebot, den Film verstehbar für jedermannn zu machen, so dass hinzu zum Schauen nicht noch das Wissen um Gottfried Kellers Roman und dessen Zeit nötig wäre.

Er hat das epische Gefüge des Romans umgekrempelt in einen Stoff von höchster dramatischer Intensität.

...es ist die Montage, die, beflügelt durch die Musik, das Drama vom Grünen Heinrich in seiner Art zu einer optisch überquellenden Oper macht. Das ist ein Glück."

So ein beschönigender Kommentar von Martin Schlappner. Für mich (W. M.) ist dieser Film allerdings ein weiteres Beispiel für eine bemühte Literaturverfilmung, die den Blick aufs Original mehr verstellt als öffnet.

Ausführlichere Informationen finden sich auf der Website von Thomas Koerfer.