Gottfried Keller

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Heidelberg 1849

Inhalt

Biographisches
Schöne Brücke, hast mich oft getragen

Biographisches

"Schöne Brücke, hast mich oft getragen" - Kellers unveröffentliche lyrische Huldigung an Johanna Kapp (1824-1883). Er hatte diese während seines Heidelberger Aufenthaltes 1848/49 kennengelernt und sich in sie verliebt. Sein briefliches Liebesgeständnis wurde von ihr zurückgewiesen, da sie in unglücklicher Liebe dem Philosophen Ludwig Feuerbach zugetan war, dem Keller selbst einen tiefgreifenden Wandel seiner Weltanschauung zu verdanken hatte.

Aus Johannas Antwortbrief vom 7.11.1849 (Kellers briefliches Geständnis ist nicht erhalten):

Ich bin so tief erschüttert, daß ich kaum weiß, wie ich es Ihnen schreiben soll, und doch drängt mich's dazu. Ihr lieber Brief hat mich furchtbar traurig gemacht, obgleich Sie mir's verbieten. Ich möchte Ihnen danken und tu's auch aus vollem Herzen; aber es kommt mir schrecklich traurig vor, daß ich so viel Unheil anrichte. Es ist mir oft ganz unbegreiflich. In den letzten Tagen hab' ich wohl gefühlt, daß Sie mich gern hatten; aber ich hielt es für eine schöne menschliche Teilnahme und hätte mich auch gefürchtet, etwas mehr zu glauben. Nun aber liegt der Reichtum Ihres schönen Herzens plötzlich vor mir in neuem Glanze, und ich hab' tief aufseufzen müssen! Ich hab's Ihnen schon gestern gesagt, daß ich ebenso glücklich wie unglücklich, weil ich getrennt bin, aber geliebt! [...] Der Mann, der Ihrem Kopfe ward, was Ihr edles Herz in mir fand, dieser herrliche Mann ist es, und der wundersame Zufall, der Sie uns beide zusammenstellen ließ, hat mich mit stürmischer Freude ergriffen. So mag Ihnen denn das Rätsel gelöst erscheinen, das meine in Schmerzen erblühte Liebe Ihnen sein mußte. Wie verwickelt dieses tragische Verhältnis ist, können Sie aber nicht ahnen; doch glaub' ich noch an eine Möglichkeit, die aber mit saurem Kampfe errungen werden muß und nach meinem Gefühl die einzige Versöhnung wäre für das herbe Leid, darunter viele leiden, am meisten die arme edle Frau, deren Glück ich zerstören mußte.

Die höchste Gabe, die der Mann einem Weibe bieten kann, ist seine Liebe, und für dies Geschenk muß ich Ihnen danken, so traurig mich's
auch macht. Ich hab' Sie wirklich lieb und glaube Sie zu verstehen in der tiefen Innigkeit Ihres Wesens ...

(Gesammelte Briefe, Bd. 2, S. 23)

 

 

Schöne Brücke, hast mich oft getragen ...

 

Das Gedicht ist nur in einer Handschrift überliefert (Zentralbibliothek Zürich: Ms. GK 20 Nr. 11). Trotz der darin vorgenommenen Korrekturen ist es von Keller nie publiziert worden. Die folgende Transkription verzeichnet die Korrekturvorgänge nicht.

 

Heidelberg 1849.


Schöne Brücke, hast mich oft getragen
Wenn mein Herz erwartungsvoll geschlagen
und mit dir den Strom ich überschritt.
Und mich dünkte, deine stolzen Bogen
sind in kühnern Schwüngen mitgezogen
und sie fühlten meine Liebe mit.

Weh der Täuschung, da ich jetzo sehe,
Wenn ich schweren Leid's hinübergehe
Daß der Last kein Joch sich fühlend biegt
Soll ich einsam in die Berge gehen
und nach einem schwachen Stege spähen
der sich meinem Kummer zitternd fügt?

Aber sie, mit anderm Weh und Leiden
und im Herzen andre Seligkeiten:
Trage leicht die blühende Gestalt
Schöne Brücke, magst du ewig stehen
ewig aber wird es nie geschehen
daß hinüber eine Bessre wallt!

 






[mit] <in>
[Schritten] <Schwüngen>
[Freude] <Liebe>



[Ich] <Soll>

[meinen Schritten] <meinem Kummer>
[Sie indeß] <Aber sie>

[froh] <leicht>
[du magst¨] <magst du>

Daß ein beßres Weib hinüber wallt!

 

 


Alternativ-Variante (Bleistift):