Gottfried Keller

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Briefe, Traumbuch Sonstige Dokumente
Briefe von Keller Aus dem Tagebuch von Julius Rodenberg
Briefe an Keller Kellers Attacke auf Lassalle
Aus dem Traumbuch 1846 Anzeigen
  Politischer Aufruf (Uster)

Briefe, Traumbuch

 

 

Briefe von Keller

 

25. 6. 1855 Keller an Hermann Hettner

<ZB: Ms. GK 77 Nr. 15/22 - GB1, S. 413>
 

[...] aber ich weiß kaum, wie ich die Zeit bis dahin durchbringen soll, und vorzüglich ist es mir in meiner Wohnung nicht bequem und gemüthlich wegen einer etwas aufgelaufenen Rechnung. Wenn Sie mir daher, lieber Hettner, trotz meines schlechten Verhaltens mit dem Früheren, noch vor dem 1t. Juli etwa 70 Thaler leihen könnten gegen das bestimmte Versprechen, daß sie dieselben bis zum 15t. Juli wieder pünktlich zurückhaben, so würden sie mir eine große Erleichterung gewähren können. Ich würde das Geld vor allem anderen einpacken und auf die Post thun. Das früher Geliehene im Betrag von 103 Thaler müßte freilich in ein oder 2 malen gegen den Herbst hin bezahlt werden. Doch betrachten Sie diese Bitte ja nicht als den geringsten moralischen Zwang oder Mißbrauch unserer Freundschaft und denken Sie nicht, daß im Fall der Unmöglichkeit der mindeste Schatten einer schlechten Laune oder Undankbarkeit in mir aufsteigen würde. Ich könnte hier an einem halben Dutzend Orten vorsprechen, ohne daß man es mir abschlagen dürfte, allein an jedem dieser Orte würde ich meine unbefangene Stellung ruiniren und in eine abscheuliche Klatscherei hineingerathen.

Hettners Antwort vom 27. 6. 1855:

Inliegend, mein lieber Keller, schicke ich Ihnen fünfzig Thaler. Mehr ist mir bei dem besten Willen nicht möglich, da mich Umzug u Krankheit sehr stark derangirt haben und ich in Schulden bis über die Ohren stecke. Nehmen Sie diese Sendung als ein Zeichen meines guten Willens. Hoffentlich reißt Sie diese Summe wenigstens aus den dringendsten Verlegenheiten.


17. 10. 1855 Keller an Mutter und Schwester

<ZB: Ms. GK 78 Nr. 1/46 - GB1,127>
 

[...] Liebe Mutter und Schwester!


Ich bin leider noch nicht im Stande, heimzukommen, obgleich ich ganz gewiß darauf gerechnet hatte; denn ich habe viel Aerger und Zerwürfnisse mit den Buchhändlern gehabt. [...] Wenn ich so einen ganzen Winterabend zu Hause bin, so kostet derselbe, damit Ihr seht, wie theuer es ist, folgendes: für etwa 3 Groschen Oel, für 6 Groschen Thee, Butterbrod und etwas schlechte Wurst, für 2 Groschen Holz, welches zusammen 11 Groschen macht oder 1 Franken und 3 Batzen. Wenn ich freilich 6 Stunden nacheinander schreibe, so habe ich für 8 bis 10 Thaler geschmiert, aber das kann man nicht so Tag für Tag nehmen. Doch genug von diesen Lumpereien; Ihr seht wenigstens, daß mir endlich etwas Geld durch die Hände geht und daß die Zwischenräume immer kleiner werden, wo ich keines habe, und somit wird es wohl bald anders kommen.

[...]


17. 08. 1843 Keller an Julius Fröbel

<ZB: Ms. GK 78t - GB 4, S. 11> 

Hochgeehrter Herr! 

Sie werden mich gewiß nicht abweisen, wenn ich in einer Angelegenheit, die mir viel Unruhe macht, und in welcher ich mich in meiner Isolirtheit an niemanden wenden kann, als gerade an einen Mann, der durch sein Wirken und seinen Ruf mir alle Aufmunterung dazu gibt, zutrauensvoll an Sie wende, und mich um Ihren gütigen Rath bewerbe!

                 

    Ich habe mich nämlich, von der Zeit heftig angeregt, diesen Sommer mit anliegenden Dichtungsversuchen beschäftigt. - Da nun aber einerseits meine Verhältnisse mir nicht gestatten, mich mit absichts- und zwecklosen Tändeleien herumzutreiben, anderseit's ich aber über die Tauglichkeit dieser Versuche und überhaupt über meine Fähigkeit dazu in einem trostlosen Dunkel bin: so nehme ich mir die Freiheit, Ihnen, verehrtester Herr! einen Theil dieser Gedichte zu übersenden, mit der etwas unbescheidenen Bitte, dieselben, so weit es Ihre Zeit erlauben dürfte, gelegentlich durchzusehen, und mir dann, wenn ich Ihnen so viel Mühe machen darf, durch ein Par Worte zu berichten, ob und wann ich die Lieder mit Ihrem Urtheile bei Ihnen abholen dürfe?

                 

     In dem Falle, daß Sie mir nichts Tröstliches darüber sagen können, werden Sie es gewiß nicht übel nehmen, wenn ich Sie innigst ersuche, die Sache mit Stillschweigen zu übergehen?

     Verzeihen Sie mir indessen, hochgehrter Herr! diese Belästigung, und genehmigen Sie
meine vollkommene Hochachtung und Ergebenheit!

Zürich d. 17t. Aug.                Gottfried Keller
                    1843.
                                            Rindermarkt No 325. 

 

 

Briefe an Keller

 

8. 8. 1850 Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 111> 

Braunschweig, 8 Aug 1850.

Geehrter Herr!

Ich muß jetzt dringend um Einsendung von Mst. zu Ihrem Romane bitten; mit den wenigen Bogen kann ich den Anfang nicht füglich machen lassen und doch darf jetzt kein Tag mehr verloren werden.

Mit aufrichtiger Hochachtung
Ihr
ganz ergebener
Eduard Vieweg.

 

Keller hatte am 28. Februar 1850 die ersten Manuskriptseiten für den Grünen Heinrich an Vieweg übersandt, "damit der Druck endlich bald beginnen kann". Nach Viewegs Mahnung übersandte Keller am 23. August 1850 wiederum "etwas Manuskript" (bis dahin insgesamt 54 Seiten), mit der Bitte, "den Druck nun unverzüglich anfangen zu lassen". Der Roman sollte im November 1850 erscheinen. In der Folge begann das jahrelange Hin und Her zwischen Autor und Verleger. Die ersten drei Bände wurden schließlich Ende 1853, der vierte Band im Mai 1855 ausgeliefert.

 


Friedrich Nietzsche an Gottfried Keller, 1. 5. 1883           

Hochverehrter Herr,

als Antwort auf Ihren gütigen Brief und zugleich als Bestätigung Ihres darin ausgesprochnen Gedankens - daß der große Schmerz die Menschen beredter mache als sie es sonst sind -: möchte sich Ihnen das beifolgende Büchlein empfehlen, das den Titel trägt

"Also sprach Zarathustra."

Seltsam! Aus einem wahren Abgrunde von Gefühlen, in die mich dieser Winter, der gefährlichste meines Lebens, geworfen hatte, erhob ich mich mit Einem Male und war zehn Tage lang wie unter dem hellsten Himmel und hoch auch über hohen Bergen.

Die Frucht dieser Tage liegt nun vor Ihnen: möge sie süß und reif genug sein, um Ihnen - einem Verwöhnten im Reiche des Süßen und Reifgewordnen! - wohlzuthun!

Von Herzen Sie
verehrend
Prof Dr Nietzsche

 

 

Aus dem Traumbuch 1846

 

Nacht vom 5 auf d. 6t. August.
1846

Ich legte mich um 11 Uhr etwas unwohl zu Bette und glaubte einiges Fieber zu haben; es war sehr schwül. Kaum war ich eingeschlafen, so weckte mich die Feuerglocke; vom Mondschein und dem gerötheten Himmel war die Kammer seltsam erhellt, ich stieg aber zu oberst unter das Dach hinauf, um das Feuer zu sehen. Es war auf dem Lande; in der Gegend der Limmat stieg die rothe Rauchsäule feierlich zum Himmel. Die Luft war lau und das Mondlicht fast wie berauschend; von der unmittelbaren Säule hinweg sammelte sich der Rauch in eine horizontale Schicht und trieb wie eine große Streifwolke weit gegen Westen hinaus oder vielleicht gegen Osten her, ich weiß es nicht mehr, wenigstens hing er am westlichen Himmel. Nachdem ich das Zusammenstürzen des Daches, welches sich immer durch ein letztes gewaltiges Auffahren von Rauch und Gluth auch in der Ferne bemerklich macht, vergeblich hatte abwarten wollen, ließ ich Feuer und Mondnacht und eilte wieder hinunter in's Bett. Befangen und aufgeregt und unwohler als vorher, fürchtete ich, daß mir die noch immer fortwährende Feuersbrunst in Schlaf und Traum hineinbrennen und eine schlimme Nacht verursachen möchte. Ich hatte gegen Morgen folgenden Traum: [...]

ZB: Ms. GK 5

Die Eintragung des Traumes erfolgte erst am 15. September des folgenden Jahres.

 

 
 

Sonstige Dokumente

 

 

Aus dem Tagebuch von Julius Rodenberg

 

Tagebuch, 29. 8. 1878

Gegen 6 Uhr kam Meister Gottfried Keller, welcher dießmal viel aufgeschlossener u. vertrauter war, | als vor einem Jahre. Wir gingen zusammen spazieren, nach dem Lindenhof, dann waren wir ein Stündchen in der Tonhalle am See, u. beschlossen den Abend in seinem Lieblingslokal, der "Meise", einem alten Zunfthause, in einem Saale mit dunkler Holztäfelung u. prachtvollem Plafond, bei zwei Flaschen Deidesheimer. Der ungewohnte Wein u. die ungewohnt späte Stunde - es war Mitternacht, als wir uns trennten - wirkte nicht besonders gut auf mich; ich hatte eine sehr schlechte, heiße Nacht u. auch der Morgen - bisher immer so herrlich in der Hochgebirgswelt - war Nichts weniger, als erquicklich. Doch die Erinnerung an diese sechs Stunden mit Gottfried Keller wiegt die Unbequemlichkeit der Civilisation wol auf; seine Treue, sein Festhalten an mir u. der "Rundschau", auch den neueren von Grote-Müller ausgehenden Versuchen gegenüber, sind eines solchen Opfers werth u. unvergeßlich wird mir bleiben, wie er uns am See den ersten Entwurf eines neuen Novellencyclus mittheilte.

Bei dem "neuen Novellencyclus" handelt es sich um das Sinngedicht, welches 1881 in Rodenbergs Deutscher Rundschau vorabgedruckt wurde.

  

Tagebuch, 31. 8. 1877

Gegen 2, nach einer gemüthlichen Mittags[...], kehrte ich heim, fuhr um 5 mit Justine u. Alice, um Gottfried Keller abzuholen, mit welchem wir zum Nägeli Denkmal fuhren, dann durch die alten Gassen der Stadt in der Abenddämmerung promenirten, das Haus Manesse's sahen u. später noch lang im Garten vor unserm Hôtel auf- u. abspazierten. Später gesellte sich Meyer-Ziegler auch zu uns u. gegen 9 Uhr schieden wir von einander u. die Abschiedsstimmung von so viel Lieben klingt noch in meinem Herzen nach. Ich scheide von mir liebgewordenen Orten u. von liebgewordenen Menschen. 

  
 

Kellers Attacke auf Ferdinand Lassalle

 

Der Amtsantritt geschah am 23. September unter einem ungünstigen Zeichen. Den Abend vorher, einem Sonntage - so erzählte Keller einst - war er in eine große Gesellschaft nach dem "Schwan" am Mühlebach geladen. Er fand da viel extravagantes Volk versammelt. Der große sozialistische Agitator Ferdinand Lassalle war der Gefeierte. An seiner Seite erschien die Gräfin Hatzfeld in roter Blouse und weißer Krioline. Herwegh, der einige Wochen später einen Ruf auf den Lehrstuhl für Litteraturgeschichte nach Neapel erhielt, seine Frau und sein Sohn [...] waren anwesend. Oberst Rüstow trug als Garibaldianer ebenfalls die rote Blouse. Auf dem Sofa lag eine russische Nihilistin, der die Herren eifrig den Hof machten. Ludmilla Assing sollte den neuen Herrn Staatsschreiber unter ihre Fittiche nehmen. Nach dem Thee begann ein Gelage, das bis in den hellen Morgen hinein dauerte, wobei die Frauen dem Champagner nicht lässig zusprachen und dicke Havannacigarren rauchten. Keller fühlte sich aufs äußerste angewidert, verhielt sich indessen stumm. Als jedoch in vorgerückter Stunde Lassalle seine Kunststücke als Magnetiseur und Tischrücker in schauspielerischer Weise zum besten gab, und eben seinen Hokuspokus über dem Haupte Georg Herweghs machte, um denselben einzuschläfern, fuhr Gottfried Keller wütend auf, schrie: "Jetzt ist's mir zu dick, Ihr Lumpenpack, Ihr Gauner!" ergriff einen Stuhl und drang mit dieser Waffe auf Lassalle ein. Eine unbeschreibliche Verwirrung entstand. Die Frauen brachen in heftiges Weinen aus, die Männer schimpften, und der Unhold wurde an die frische Luft gebracht. Um acht Uhr Morgens hätte er in der Kanzlei antreten sollen. Um zehn Uhr war er nochnicht da, der nächtliche Vorfall dagegen bereits ruchbar geowrden. Da eilte Regierungsrat Hagenbuch nach der Wohnung seines Schützlings, den Schläfer zu wecken. Ein ernstlicher Verweise wurde dem Säumigen nicht erspart. Es war der erste und letzte, den Keller entgegenzunehmen hatte. Seitdem war er die Pünktlichkeit und Pflichttreue selbst.

aus: Jakob Baechtold: Gottfried Kellers Leben. Seine Briefe und Tagebücher, Bd. 2, 4. Aufl., Stuttgart u. Berlin 1903, S. 320 f.  

 
 

Anzeigen

 

Todesanzeige von Kellers Schwester Regula

 


Todesanzeige von Gottfried Keller

 

 

 

 

25. 08. 1879 Neue Zürcher-Zeitung, Nr. 396

Ludwig Vogel.

Zürich, 23. Aug. 1879.

     Soeben kommen wir von dem Leichenbegängnisse des Meisters Ludwig Vogel. Unter den grünen Bäumen seiner Wohnung hatte sich ein Theil der Künstlergesellschaft, sowie ein kleines Häuflein Bürger versammelt, um dem Sarg und den Leidtragenden bis in die alte Predigerkirche das Geleite zu geben. Herr Pfarrer Bion hielt die Abdankung und verflocht eine kurze Würdigung des Heimgegangenen in origineller Weise in das liturgische Gebet. Ein Männerchor sang zwei schöne Lieder; ein Arbeiter an der im Bau begriffenen Orgel hämmerte während des ganzen Aktes. Die geringe Theilnahme der Bürger- oder Einwohnerschaft beruht wohl theils auf den veränderten Sitten und Gebräuchen, theils aber auch auf dem Worte: "Da kam ein neuer König auf in Aegypten, der wußte nichts von Josef!" In der That, wenn Einer über neunzig Jahre alt wird, so hat er Zeit zu gehen, wenn ihn überhaupt Jemand, der ihn noch gekannt hat, zu Grabe geleiten soll.    

     Indessen wird ein umfassender Rückblick und eine ausreichende Betrachtung von Ludwig Vogel's Leben und Bedeutung nicht ausbleiben. Die beste Grundlage, Wegleitung und Auffrischung dazu wäre eine möglichst vollständige Ausstellung seiner Arbeiten, was die schöne Aufgabe der mit der Künstlergesellschaft hiezu vereinigten Familie sein möchte. Der Hingeschiedene hat die erstere vor mehr als siebenzig Jahren ja stiften helfen. Eine solche Ausstellung würde so reichhaltig sein, daß es sich bald herausstellen würde: mit den umgehenden Schlagworten punkto Ludwig Vogel sei da nicht auszukommen, wenn man ihm gerecht werden wolle.

     Es sind nun gerade 80 Jahre her, seit der Meister - wie er zu erzählen pflegte - als 11jähriger Knabe in den Kosakenlagern bei Oerlikon die ersten malerischen Eindrücke empfing. Das ist eine lange Zeit und der Mann hat sie nicht verschlafen. Möge er nun um so gründlicher ausruhen!

 

 


 

Aufruf zu einer Volksversammlung in Uster 1860

 

An die Wahlmänner des Kantons Zürich!

Wir befinden uns in der seltsamen Lage, daß der Stand Zürich, während er in seinem Innern gewissenhaft und geschickt verwaltet wird, in den eidgenössischen Räthen zum guten Theil nicht auf eine Art vertreten ist, die ihm angemessen genannt werden kann.

Es sind theilweise Unselbständigkeit der Gesinnung in den Angelegenheiten des Gesammtvaterlandes, theilweise Marklosigkeit und Verschliffenheit der Grundsätze, welche in dieser widersprechenden Erscheinung zu beklagen sind und nur durch die herkömmliche Theilnahmlosigkeit an den Wahlen ermöglicht werden.

Die Rede davon geht seit Jahr und Tag unter allen unabhängigen Leuten; aber seit dem Savonerhandel ist die hohe Wünschbarkeit einer theilweise neuen Vertretung im Nationalrathe dringlich an's Licht gebracht worden. Es handelt sich nicht darum, Personen von Talent, Thätigkeit und verdientem Ansehen aus dieser Vertretung zu beseitigen, sondern an Stelle jener müßigen Elemente Männer von ernstem und entschlossenem Charakter zu setzen.

Fünfzig Bürger aus verschiedenen Bezirken sind am 30. Herbstmonat in Zürich zusammengekommen, um die Möglichkeit und die Mittel einer solchen Erneuerung zu berathen und sie haben sich ermuthigt gefühlt, ihre Mitbürger zu einer weiteren Zusammenkunft auf Sonntag den 7. Weinmonat in Uster einzuladen.

Wir gehören nicht zu denen, welche im besagten Savonerhandel Ehre und Wohlfahrt des Vaterlandes schon verscherzt sehen. Diese Güter werden nicht über Nacht verscherzt, und es gehört allerdings eine gewisse Leichtfertigkeit dazu, sie bei jeder Gelegenheit ohne Weiteres für verloren auszugeben. Die Dinge haben vielmehr den Verlauf genommen, den sie einstweilen bei dem zu großen Vertrauen auf schweizerischer Seite und bei dem Mißbrauch desselben nehmen mußten. Denn das Schweizervolk beschreitet, nach langer Ruhe nach Außen, nur zögernd und bescheiden die gefahrvolle Bahn des handelnden Auftretens unter den fremden Gewaltmächten.

Jedoch der Tag, an dem es heißt: bis hieher und nicht weiter, kann schwerlich ausbleiben, und Angesichts dieses drohenden Tages können wir aus manchem Vorgefallenen und aus der ganzen Manier, wie von unserer Seite in Bern verfahren wurde, nicht das nöthige Vertrauen für die Zukunft fassen.

Angesichts dieses Tages gilt es, statt ferner zu einer kleinlichen Schlauheit, welche der notorischen Verschlagenheit des
gegnerischen Gewalthabers doch nicht gewachsen ist, unsere Zuflucht zu nehmen, diese vielmehr in das gute, altschweizerische Volksthum zu setzen.

Angesichts dieses Tages gilt es, unsern bisherigen Wortführern in der Bundesversammlung Männer an die Seite zu geben, welche ihrer Persönlichkeit nach befähigt und gesonnen sind, die Kraft dieses Volksthumes, das einzig wirksame Mittel, in die Wagschaale zu werfen.
      [...]

Wir sind wohl eingedenk des Spruches: Als Demuth weint und Hochmuth lacht, da ward der Schweizerbund gemacht! Aber es ist die Demuth, welche durch eine gerechte Sache stark wird, welche auch wir fort und fort der kleinen Zahl unseres Volkes innewohnend wünschen, es ist die Demuth, welche sich nicht aus Furcht in eine unzulängliche und thörichte Weltklugheit verwandelt.

Die Versammlung wahlberechtigter Züricher und Schweizerbürger wird am 7. dieß im Kreuz zu Uster, Vormittags 10 Uhr stattfinden, und wir laden Alle, welchen diese Sache am Herzen liegt, freundschaftlich zu zahlreicher Theilnahme ein.

      {Zürich}, den 2. Oktober 1860.
 
      Das von der Versammlung gewählte Komite:
 

Dr. Fehr, in Hottingen.

Gottfried Keller in Hottingen.

J. Fierz, Kommandant in Herrliberg.     

Dr. Lüning von Rüeschlikon.

Goßweiler, Sekundarlehrer in Marthalen.

Dr. F. Scheuchzer in Bülach.

J. Hauser, Procurator in Winterthur.

J. C. Sieber, Sekundarlehrer in Uster.

J. J. Homberger, Rathschreiber in Bauma.

Karl Walder, Kommandant in Unterstraß.