Gottfried Keller

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Aufsätze zu Kellers Leben und Werk

Peter Stamer: Tanz/Legende
Zur Diskursivierung von Tanzmotiven im 'Tanzlegendchen'

Originalbeitrag

Inhalt

Text Anmerkungen
Einleitung Zum Text
1. Die Legende als Leseanweisung zum Tanzlegendchen: die Erzählung über den Tanz Zum Verfasser
2. Das Tanzlegendchen als Libretto einer Choreographie  
3. Ausblick  
 

Text

 

 

Einleitung

 

Gottfried Kellers 'Tanzlegendchen' scheint in der literaturwissenschaftlichen Forschung eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, vergleicht man die Analysen in Zahl und Fülle der Problemstellungen mit jenen, die zum Roman 'Der Grüne Heinrich' oder auch zur Novellensammlung 'Die Leute von Seldwyla' erschienen sind: dem 'Tanzlegendchen' haftet der Status eines Nebenwerks an.[1] Der Großteil der wenigen Arbeiten, die entweder direkt zum Tanzlegendchen erschienen sind oder sich innerhalb einer größer angelegten Interpretation des Kellerschen Werkes damit befassen, versuchen die Novelle[2] hauptsächlich unter biographischen, werkgeschichtlichen oder poetologischen Aspekten zu behandeln. Diese drei Schwerpunkte werden motiviert von der These, das Tanzlegendchen sei von einem Bruch dominiert, der sich erzählstrategisch und kompositorisch durch den Texte ziehe. Diese 'Leitperspektive des Bruchs' - wie sie hier genannt werden soll - betrachtet zwar den Text aus drei unterschiedlichen Richtungen, ihr wesentliches Merkmal ist aber, die Novelle als Abweichung von Kellers Werkkontinuität und Weltanschauung zu behandeln wie sie auch als Deviation vom Realismusprogramm zu betrachten.[3]

Im Gegensatz zu dieser leitperspektivischen Triade versucht der vorliegende Aufsatz, den Tanz und das Tanzen als zentrales Motiv des Tanzlegendchens zu interpretieren und der Analyse zugrunde zu legen. Obwohl die Novelle in Stoff und Motivik von Tanzbezügen durchzogen ist, fanden diese in den bisherigen Analysen nur marginale Behandlung; das ist insofern erstaunlich, als sich - wie diese Arbeit zu zeigen versucht - gerade über die analytische Einbeziehung des Tanzdiskurses im 19. Jahrhundert weiterführende interpretatorische Perspektiven ergeben. Im 'Tanzlegendchen' werden Motive, Bilder und Muster aufgerufen, die an den Bühnentanz des vorvergangenen Jahrhunderts zurückgebunden werden können. Durch diesen analytischen Zugriff, der die Tanzmotive als Semiotisierungen, als zu Zeichen erklärte (Text-)Figuren[4] auffaßt, wird eine Interpretation denkbar, die über eine Analyse des Textes als Bruch, als Abweichung hinausgeht. Dieser interpretatorische Vorschlag hat zudem das Potential, das Tanzlegendchen nicht nur als einen von Tanzdiskursen besetzten Text zu lesen, sondern die Novelle selbst (in Erzählstrategie wie auch Stilistik) als eine Diskursivierung von Tanz zu betrachten, die den Text als in Schriftform, als Libretto vorliegendes Tanz-Stück zu deuten erlaubt.

 

 

1. Die Legende als Leseanweisung zum Tanzlegendchen: die Erzählung über den Tanz

 

Kellers Text selbst liefert die Legende im Sinne einer Leseanweisung mit. Die Diskursivierung des Tanzes wird insofern zur dominanten Leserichtung, als den Tanzmotiven selbst die 'Legende als Zeichenerklärung' eingeschrieben ist; in diesem Zusammenhang schreibt die Novelle ihre Legende kartographisch mit und erstellt damit eine subtextuelle Lesekarte. Diese (tanz-)kartographische Rezeptionsperspektive nimmt die in der Novelle beschriebenen Tanzphänomene als Semiotisierungen wahr, was diese nicht nur zu, sondern auch in ihrer Eigenschaft als 'Zeichen erklärt'. Die Legende im Sinne der (kartographischen) Zeichenerklärung gibt damit nicht nur die Interpretationsstrategie vor (der Tanz als leitendes Analyseparadigma), sie markiert als Semiotisierung den Tanz als Zeichen und zieht damit eine Reihe von Diskursformationen auf, die im Text historisch und ästhetisch wirksam werden. Der Tanz steht somit nicht als literarischer Stoff im Vordergrund, sondern als semiotisches Zeichen(konzept), das, semantisch doppelt aufgeladen, über seine Motivik hinausweist. Die Literarisierung von Tanz in Kellers Novelle wird somit als rhetorische Figur lesbar, auf dessen paradigmatischer Achse der Textanalyse über das 'Buchstäbliche' hinausgehende Bedeutungen eingesetzt werden können. Diese Rhetorizität eines gleichsam literarisierten Tanzes markiert innerhalb des 'Tanzlegendchens' drei Leitdiskurse, wie sie für die Tanzästhetik des 19. Jahrhunderts dominant sind. Es handelt es sich hierbei um die Diskurse der Affektdarstellung, Transzendenz und Weiblichkeit innerhalb des Kunst-Tanzes.

1.1 Die Darstellung von Affekten 

Musa, die "Tänzerin unter den Heiligen"[5], ist von einer Art Tanzzwang befallen, der sie in allen Lebensbereichen begleitet.[6] Nicht nur, daß Musa immer dann tanzt, wenn sie nicht betet, ihr Tanz kann als Ausdruck ihrer Freude an Gott, als in Bewegung umgesetztes Gebet verstanden werden. Sie drückt diese göttliche Freude zunächst in solistischen Bewegungsfiguren aus, die dann von David zu einem Pas de deux ergänzt werden, so "daß beide zusammen den kunstgerechtesten Tanz begingen."[7] Musas Tanz wie auch das Duett mit David gestalten sich als Körperbewegungen, die dem choreographischen Muster der Affektdarstellung entsprechen, wie sie im (tänzerischen) Solo und Pas de deux des zeitgenössischen Ballett im 19. Jahrhundert paradigmatisch vorliegen. 

Sowohl der solistische Tanz der Tänzerin als auch der Pas de deux sind im romantischen Ballett[8] affektiv hoch aufgeladen. So hat das Solo im Ballett die Funktion, analog zur Opernarie[9], die Gefühle, Emotionen der Hauptfigur dar- und auszustellen; das Tanzsolo steht somit als Zeichen für den subjektbezogenen Gefühlsausdruck. Während die Solovariation als Affektdarstellung einer einzelnen Figur mit Hilfe von proxemischen Zeichen funktionalisiert ist, werden narrative Elemente, die die Handlung befördern sollen, mit Mitteln der Ballettpantomime dargestellt und damit auf gestische und mimische Zeichen beschränkt. Im Pas de deux des romantischen Balletts wiederum, der als Liebesduett angelegt ist, soll die Affektladung eines Partners auf den anderen übertragen werden, indem die jeweiligen Solovariationen der Partner am Ende der Szene zu einem Paartanz zusammengeführt werden; dieser Klimax bildet den affektiven Höhepunkt der romantischen Ballettaufführung. Das Solo und das Duett sind als Affektdarstellungen an die kanonisierten Bewegungsformeln des akademischen Tanzes gebunden, finden dort ihren höchsten Ausdruck als Versprechen übermenschlicher und -weltlicher Treue der beiden Liebenden. Es handelt sich hierbei um einen idealistischen Schwur auf einen von allem Erdenleid befreiten Affekt. Der Erfüllung dieses im Pas de deux manifestierten Begehrens wird auf der Bühne des romantischen Balletts jedoch nicht stattgegeben; die Befriedigung der Liebe wird delegiert an die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits, wo sich die Partner mit ihrem Liebeseid verabreden.

Vor diesem tanztheatralen Hintergrund betrachtet, gestaltet sich der Pas de deux von Musa und David wie ein Liebes- und Werbeduett des romantischen Balletts - wenn auch in Form eines ironisch-literarischen Kommentars. Musa gibt David ihr Ehrenwort, nicht mehr zu tanzen.[10] Die Belohnung für diesen Verzicht kann allerdings nur im Himmel erfolgen. Das im Pas de deux ausgelöste Begehren findet erst nach dreijähriger Entsagung durch den Sprung in den Himmel Erlösung; der auf Erden unbefriedigte Affekt findet nur mit höheren Mitteln Erfüllung, durch eine Macht der Transzendenz, die das Leben befreit: "Man sah noch, wie sie in den offenen Himmel sprang, und augenblicklich tanzend sich in den tönenden und leuchtenden Reihen verlor."[11] Auf der romantischen Ballettbühne senkt sich an dieser Stelle der Vorhang und entläßt den Zuschauer mit transzendenten Spekulationen. Keller freilich spinnt seinen Text weiter und läßt den Leser hinter die Kulissen und damit in das Geschehen im Himmel blicken.

1.2 Tanztendenz der Transzendenz

Das Motiv des Sprungs, das dieses Nachspiel im Himmel einleitet, zieht im Zusammenhang der romantischen Tanzästhetik eine Reihe von semantischen Feldern auf; der Sprung steht als metonymische Figur des 'pars pro toto' für einen metaphysisch ausgerichteten Tanzdiskurs.

Für den Balletthistoriker Gerhard Zacharias verkörpert der akademische Tänzer im Ballett symbolische Prinzipien.[12] Dies zeigt sich vor allem in den kanonisierten Bewegungsabfolgen; während beispielsweise das Prinzip des 'en dehors', das Auswärtsdrehen der Füße, die Selbstaufopferung des Tänzers repräsentiert[13], steht die 'arabesque'[14] als Sinnbild für jenseitige Hinwendung der sich transzendierenden Tänzerin[15]. Der 'saut', der Ballettsprung nach oben/vorne, verkörpert das dem Ballett eignende vertikale Prinzip der Vergeistigung des Körpers, indem sich der Körper von der Erde ablöst[16]. Die Sprungvariationen sollen den Eindruck der Schwerelosigkeit entstehen lassen, der perfekte Tänzer versteht mit seinem 'ballon', das Aufkommen auf dem Boden hinauszuzögern. Indem er in die Höhe strebt, ist dem Sprung die Transzendenz als Tanztendenz symbolisch eingeschrieben:

"Das Prinzip der Elevation strebt nach dem Paradox eines Augenblicks der gleichsam gedehnten Sekunde, in der die Bindung an die Schwerkraft aufgehoben ist und der Schein der Ewigkeit dieser (körperlichen) Freiheit für einen Moment aufleuchtet. Es ist dies ein Tanzideal gegen die physikalischen Gesetze der körperlichen Welt, es strebt über sie hinaus."[17]

Der Sprung, unterstützt durch den den Bodenkontakt auf eine minimale Fläche reduzierenden Spitzenschuh, verwandelt die Tänzerin in eine andere Gestalt, erhöht sie zum Zwitterwesen, noch nicht himmlisch, aber schon nicht mehr erdenschwer. Die choreographische Praxis erfindet hierfür die Figur der Sylphide, eine Tanzfee, die, weiß gekleidet und mit kleinen Flügelchen versehen, einem ätherischen, schwerelosen Raum der Flugwesen zu entstammen scheint. Im 'Tanzlegendchen' werden Anspielungen auf diese Praxis deutlich: Musa hat, kurz bevor sie in den Himmel springt, das Büßerhemd mit einem weißen Kleid getauscht und sich damit in eine andere Gestalt verwandelt. Das Kleid deutet hierbei nicht nur auf die in Unschuld angetretene Vermählung mit dem Himmel hin, sondern steht auch als bildhafter Verweis auf das Tanzkostüm der Sylphide, das in seiner  Transparenz Transzendenz und Elevation versinnbildlicht.[18]

Der zeitgenössische Tanzdiskurs verbindet das Aufwärtsstreben der Ballettänzerin darüber hinaus mit dem Attribut 'christlich'. So attestiert der Tanzschriftsteller Theophile Gautier in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts der Primaballerina Marie Taglioni, sie sei eine durch und durch christliche Tänzerin, eine Metapher, die sich auf Taglionis Fähigkeit beruft, den Eindruck vollkommener Schwerelosigkeit zu erzeugen:

"Wenn sie [die Taglioni, Anm. d. Verfassers] sich durch einen vorwärts strebenden Sprung bewegt, so scheint sie in der Luft aufgehängt zu sein, um schwebend wieder niederzusinken. Die gleich Stoßfedern wirkenden Knie werfen sie dabei gleichermaßen nach oben zurück. Die Elastizität ihre Knies und besonders ihres Fußgelenks scheint die Wirkung der Stoßkraft aufzufangen, so daß sie völlig lautlos niederspringt. [...] Mademoiselle Taglioni ist eine christliche Tänzerin, wenn es statthaft ist, diesen Ausdruck auf eine Kunst anzuwenden, die von der katholischen Kirche nicht anerkannt wird; sie schwebt wie ein Geist inmitten der Durchsichtigkeit ihres weißen Musselins, mit dem sie sich zu umgeben liebt. Sie ist mit einem seligen Schatten zu vergleichen, unter dessen rosigen Fingerspitzen sich die Gewinde der himmlischen Blumen kaum neigen."[19]

Musas Sprung in den Himmel überwindet die Gravitation der irdischen Welt durch ihre Glaubensfestigkeit wie auch gleichermaßen ihre Kunstfertigkeit. Sie bewegt sich schwerelos in einem den Menschen fernen Bereich des Dazwischens, in welchem Raum und Zeit, Dimension und Sukzession aufgelöst werden in simultane und raumübergreifende Erfahrung von Transzendenz. Diese Erfahrung bleibt den im Garten anwesenden Zuschauern, die als Zeugen von Musas Himmelfahrt  gekommen sind, verwehrt. Musa allerdings hatte schon während des ersten Pas de deux mit David eine Vorerfahrung mit der Kraft der Transzendierung machen können, die sie außerhalb ihrer eigenen, weltlich gebundenen Zeit- und  Raumwahrnehmung stellte. Auch diese erste Begegnung mit der 'Anderwelt' wurde von der Kunst des Tanzes ausgelöst:[20] der erste Pas de deux erscheint in dieser Beziehung gleichsam als präfigurative Vorwegnahme der späteren Himmelserfahrung[21] und stellt somit eine bruchlose Verbindung des Geschehens her, wie es auf der Erde und im Himmel stattfinden wird.

1.3 Weiblichkeitsmuster

Die Bühne des Kunsttanzes im Jahrhundert ist nicht nur ein Ort, der die vertikale Achse der metaphorischen Ersetzung in das horizontale Verfahren des choreographischen Enchaînements projiziert; Spitzentanz, ätherische Diesseitsabkehr sind ebenfalls verbunden mit einem Diskurs über das auf der Bühne darzustellende Weibliche. Tanzgeschichtlich beginnt mit dem Zeitalter des 'ballet blanc' auch die Vorherrschaft der Tänzerin als Primaballerina. Sie und ihre technischen und darstellerischen Meisterleistungen dominieren die Ballettbühne und degradieren den (männlichen) Partner zum Erfüllungsgehilfen für die eigene Selbstrepräsentation.[22] Die Darstellung der Frau auf der Bühne als feenhafte Sylphide ('La Sylphide'), als zurückhaltende Winzerstochter ('Giselle') oder als Automatenpuppe ('Coppélia') ist jedoch eingebettet in einen Diskurs, der die Körperlosigkeit, physische Unsinnlichkeit und Entsagung von irdischen Verführungen als Ideal propagiert. Die Primaballerina wird zu dem Paradox einer lebenden Statue diskursiviert, die marienähnliche Züge trägt. Ihr gesamtes Streben nach Verwandlung ins Körperlos-Jenseitige soll die Ballettaufführung in einen säkularisierten Gottesdienst transzendieren; die Bühne wird so zum Tanzplatz einer auf das Weibliche ausgerichteten Metaphysik. Die Kunstform des Tanzes, welche in diesem Zusammenhang maßgeblich vom Einsatz des weiblichen Körpers bestimmt  wird, transzendiert diese Frauenkörper aber auch gleichzeitig zu einem geschlechts- und libidolosen Etwas, auf welches männlich konstruierte Phantasmen projiziert werden.[23] Die Frau wird so zum Produkt des Männlichen diskursiviert und gleichermaßen als reines Sein ohne Zweckbestimmung außer sich mystifiziert:

 "Der Mann prägt sein Wesen darum im Werk, das außer ihm besteht; er ist Schöpfer. Das Weib dagegen ist vor allem Geschöpf, ihr Wesentliches und Höchstes bleibt in ihr selbst geschlossen."[24]

Diese Zuschreibung macht die diskursive Manifestierung des Bildes vom passiven, reaktiven 'Weib' deutlich. Auch Musas Verführbarkeit kann vor diesem Hintergrund gesehen werden. Die 'Tänzerin unter den Heiligen' willigt in die Transzendierung ihres Körpers auf eine männliche Aufforderung hin ein. Ihr Verzicht ist ein Lust- und Triebverzicht, der gleichzeitig hinsichtlich einer transzendenten Belohnung wiedergutgemacht wird. Ausdruck findet ihre Passivität in der Bewegungslosigkeit, zu der sie sich selbst verpflichtet. Nach ihrem Ableben reiht sie sich als Neuankömmling im Himmel in die himmlischen Tanzreihen ein und ordnet ihre solistischen, expressiven Fähigkeiten einem überirdirschen 'corps de ballet' unter: obwohl der Himmel zwar durch individuelle Anstrengung des (irdischen) Körpers erreicht werden kann, hat sich dieser aber dort dem Gesamtkörper einzugliedern. Die Auflösung von Musas (individuellem) Körper spiegelt sich auch in der Figurenführung Kellers. Nach ihrer Aufnahme in den Himmel hat sich Musas Integration so vollständig vollzogen, daß sie als eigenständige Figur der Handlung zunächst nicht mehr auftaucht; die Auflösung des irdischen Körpers zieht literarisch damit die Auflösung des Konzepts der Figur nach sich. Dennoch bleibt Musa als Projektionsfläche textuell präsent: nach Musas Himmelfahrt bestimmen zwar die neun Musen die Handlungsführung der Novelle, sie vervielfältigen Musa aber gleichzeitig als neunfaches 'musisches Prinzip'. Als dialektischer Gegenpol spiegeln die heidnischen Musen Musas christliches Streben nach himmlischer Jenseitigkeit in ihrem künstlerischen Bemühen, ebenfalls endgültig in den Himmel zu kommen[25]. Die Musen können damit als Fortführung des in Musa angelegten Begehrens nach Transzendierung aufgefaßt werden.

Der eingangs referierten 'Leitperspektive des Bruchs', wie sie zahlreiche Interpretationsansätze prägt, kann eine textanalytische Strategie entgegengesetzt werden, die auf den historischen und ästhetischen Tanzdiskurs als Analyseparadigma zurückgreift. Das Verfahren, welches die Diskurse zur Affektdarstellung, Transzendenz und Produktion des Weiblichen im Bühnentanz des 19. Jahrhunderts berücksichtigt, macht deutlich, daß die narrative Strategie des Textes nicht durch einen Erzählabriß, sondern von einer kontinuierlichen Erzählkonzeption gekennzeichnet ist, die stark von der Semiotisierung der Tanzmotive durchdrungen wird. Der Tanz ist damit selbst als  Figur motiviert, die in sich die Leseanweisung als Verweis auf ihre eigene Rhetorizität trägt und damit semantisch über sich hinausweist. Der Tanzdiskurs erschließt dabei den auf der Tiefenstruktur angesiedelten Subtext nicht nur als ein alternatives Analysemuster; der Subtext selbst tritt als Haupttext, als genuine Erzählung auf, wenn man die Legende als Leseanweisung eines Librettos versteht.

 

 

2. Das Tanzlegendchen als Libretto einer Choreographie

 

Dem Literaturwissenschaftler Artur Henkel ist in seiner Analyse des Tanzlegendchens u.a. die Nähe von Kellers bildhafter Sprachverwendung zur Opernpraxis aufgefallen. So bezeichnet er Musas Sprung in den Himmel als einen "ins Zierliche übersetzten, barockisierenden Opern-Schluß"[26]. Die Parallelen zum Theaterschaffen beschränken sich aber nicht nur auf diese Szene; die gesamte Novelle ist mit einer Überfülle an Tanz- und Theaterbezügen ausgestattet.

2.1 Anspielungen auf den Aufführungsbetrieb

Schon zu Novellenbeginn geht Davids Charakterisierung über die des vortrefflichen Tänzers hinaus; als "Abgesandter" Marias[27] unterbreitet er Musa sein himmlisches Angebot und fordert sie gleichzeitig zu einem raschen Entschluß auf, "denn man habe im Himmel noch einige Tänzerinnen von nöten"[28]. David, der für sein himmlisches Ballett nach 'Ensemblemitgliedern' sucht, tritt hier wie ein Ballettimpresario auf und betätigt sich damit im doppelten Wortsinne als 'Agent des Himmels'. Ein kaufmännischer Handschlag besiegelt dann die erfolgreiche Anwerbung und bestätigt 'Musas Arbeitsvertrag' bei dem neuen Ensemble. Auch Musas Handlungen haben theaterpraktischen Bezug; ihr Tanzverzicht, eine Art 'elevenhafte Probezeit', wird mit dem herbeigesehnten irdischen Tod und damit dem Aufstieg in das eigentliche, himmlische Ensemble belohnt. Die Himmelfahrt bedarf eines geeigneten 'Kostüms'; entsprechend hatte sie "sich das dunkle Bußkleid ausziehen und mit blendend weißen Hochzeitsgewändern bekleiden lassen"[29]. Dabei scheint ihr eine 'Garderobiere' zur Hand zu gehen. Darüber hinaus weist die Schilderung der Gartenszene Analogien zu Premierenberichten auf: das (Tanz-) Stück, das im fulminanten Sprung in den Himmel sein furioses Finale hat, findet vor den Augen der "andächtigen Menschen"[30] statt, die als Theaterpublikum gekommen sind, um dieser barocken Himmelfahrt beizuwohnen. Die Musik beginnt zu spielen, die Szene verändert sich wie durch einen Bühnenbildwechsel[31] und "man sah noch, wie sie in den offenen Himmel sprang [...]."[32] Die anschließende Himmelsfeier mutet wie ein Premierenfest an, zu der die neun Musen eingeladen wurden, da "sie da Aushülfe leisteten".[33] Und auch diesem höllischen Extra-Chor wird mit festem Arbeitsvertrag versprochen, "für immer im Paradiese bleiben"[34] zu können. Die Dienst tuenden Musen allerdings bestehen ihre Probezeit nicht; sie üben den falschen Lobgesang ein, dessen mehrstimmige Aufführung am falschen Ort eine "merkwürdige Vokalmusik"[35] war. Diese Disharmonien führen zur endgültigen und fristlosen Kündigung: "[...] aber die armen neun Schwestern mußten ihn [den Himmel, Anm. d. Verfassers] verlassen und durften ihn seither nicht wieder betreten."[36]

2.2 Ikonographischer Stil

Die dem Theater abgelauschte Metaphorik verknüpft zum einen die analytische Herangehensweise, die den Text als Legende über den Tanzdiskurs präferiert, direkt mit der Erzählstruktur der Novelle und bindet dieses diskursanalytische Vorgehen an den Text zurück. Zum anderen macht diese theatrale Metaphorik die abrupten Orts- und Perspektivenwechsel, wie sie in der Novelle vorkommen, als Szenenwechsel, als Theateraufzüge lesbar. Die Beschreibung der Schauplätze folgt demnach theaterikonographischen Kriterien, die die Novelle in einen Wechsel von Bühnenbildern einbetten.

Die in der Kirche versammelten Putten ordnen sich zu einem kleinen Blasorchester an, erscheinen aber als belebte Figuren aus dem Gesamtbild herausgelöst, dessen Bildarrangement vor allem durch die Spannung der vital-schalkhaften Putten zu den steinernen Engelsfiguren bestimmt wird.[37] Nach dem gleichen Konfigurationskonzept innerhalb der Bildanordnung erfolgt die Beschreibung des himmlischen Festmahls, zu welchem die Musen geladen werden. Auch wenn der Text hier mit Verweisen auf biblische Motivik[38] arbeitet oder sich in ironischen Anspielungen auf den nachmittäglichen bürgerlichen Kaffeetisch[39] ergeht, ist die dominante Beschreibungsstrategie dieser Szene in der Bildkomposition der Figuren zu finden. Die Figuren werden zu einem Bild zusammengestellt, das wie ein tableau vivant auf dem Theater arrangiert ist. Dieses Bilderstellen als Augenblick, als der zeitlichen Sukzession enthobener theatralen Praxis, läßt die Szene im Vorder- wie im Hintergrund zu einer einzigen Bildszene verschmelzen. Auf die Übernahme dieses (theater-)malerischen Verfahrens hat bereits Friedrich Theodor Vischer 1872 in seiner Besprechung des Tanzlegendchens hingewiesen:

 "Wenn die Malerei in unzähligen Kuppelbildern den Himmel wie einen rauschenden Tanzsaal dargestellt hat, warum sollte nicht die Poesie mit freiem, hellem, herzlichem Humor das grundvergnügte Bild auf ihre Art in Worten ausmalen?"[40]

Auch die Schilderung von Musas Himmelfahrt greift auf Techniken der Bildbeschreibung zurück, als würde diese Szene auf einem Bühnenprospekt aufgemalt sein.[41] Während im Garten die Menschen versammelt sind, öffnet sich der Himmel und gibt wie durch ein Fenster den Blick auf seiner Inneres frei:

"Da sah man viel tausend schöne Jungfern und junge Herren im höchsten Schein, tanzend im unabsehbaren Reigen. Ein herrlicher König fuhr auf einer Wolke, auf deren Rand eine kleine Extramusik von sechs Engelchen stand, ein wenig gegen die Erde [...]."[42]

Der Himmel erscheint als ein zum Greifen nahes und doch entferntes 'trompe l'œil', wie es aus der Tradition der Perspektivmalerei bekannt ist und in der Umsetzung auf Theaterprospekten Anwendung fand.

Die theatralen Bildtechniken des 'tableau vivant' als auch der perspektivischen Prospektmalerei werden als Beschreibungsstrategien in die Erzählung eingearbeitet. Wie auf dem Theater haben sie hier die Funktion, abgelöst von zeitlicher Sukzession und Handlungsabfolge, die Szene vor Augen zu stellen und somit den imaginierten Blick des Lesers wandern zu lassen. Der Handlungsfluß wird unterbrochen, die Erzählsukzession für die Momente der Bildbeschreibung aufgehoben. Mit dieser Erzähltechnik übernimmt Keller eine Theaterbildpraxis, wie sie auch auf der Ballettbühne des 19. Jahrhunderts gängig ist[43], und verdichtet damit die Erzählzeit zu Augen-Blicken. Somit findet neben dem Rekurs auf den zeitgenössischen Tanzdiskurs auch eine der Theaterikonographie entlehnte Bildsprache Anwendung, die damit direkt auf Textkomposition und -darstellung Einfluß nimmt.

  

 

3. Ausblick

 

Indem sich die Erzählung einer (tanz-)theatralen Metaphorik bedient und eine der Tanzbühne entlehnten Ikonographie in ihre Narrationsstrategie integriert, entstehen intertextuelle Bezüge, die über die Textgattung der Novelle hinausweisen. Sie stellt damit selbst eine Art Intertext dar, der über seinen Status als literarischer Erzähltext hinaus die Funktion eines Libretto zu erfüllen vermag. Als Tanz(be)schreibung hätte die Novelle sowohl den Status von Literatur wie auch eines Theaterszenarios, wäre also epischer und theatraler Text gleichermaßen. Dieser Intertext erscheint als ein Hybrid, dessen Doppelcodierung als literarische Erzählung und theatraler Text/Libretto eine wechselseitige Markierung bedeutet: nicht nur, daß die Novelle mit diskursiven Elementen zum Tanz durchsetzt ist, d.h. diese durch den Tanzdiskurs ihre spezifische Tiefenstruktur erhält (als Literatur über Tanz und den Tanzdiskurs), die literarische Umsetzung bedient sich der Form eines Ballettstücks, dessen Dramaturgie des Szenen- und Bühnenbildwechsels wie auch Bilderstellens die Erzählstruktur bestimmt. Diese Doppelcodierung macht so möglich, die Novelle als Tanz in drei Aufzügen (in Kirche, Garten, Himmel) für zwei Solisten und corps de ballet zu lesen - als eine Art Kellerschem Tanzstück.

 

 

Anmerkungen

 

 

Zum Text

 

[1] Dies könnte zurückzuführen sein auf die Länge des Textes (die Novelle umfaßt nicht einmal zehn Seiten) wie auch auf die Tatsache, daß der Text nur als Teil der 'Sieben Legenden' betrachtet und damit konzeptionell als der Novellensammlung untergeordnet eingestuft wird.

[2] Der Begriff der 'Novelle' wird in diesem Artikel nicht als programmatisch ausgerichtete Gattungsbezeichnung verstanden. Entsprechend dieser poetologisch absichtlich konturlosen Begriffsverwendung wird die Bezeichnung 'Novelle' im Laufe des Artikels immer wieder mit 'Erzählung' oder 'Legende' variiert, ohne dabei eine differenzierte Unterscheidung der Begrifflichkeit vorzunehmen.

[3] Gerade diese (defizitäre) Auffassung des Textes als Irregularität stigmatisiert die Novelle zum Nebenwerk.

[4] Der Begriff der Figur bezieht sich hier nicht auf die klassische anthropomorphe Figur, wie sie in der Literaturwissenschaft i.S. eines 'Personenkonzepts' aufgefaßt wird. Figur meint hier die Funktion des bildhaften Verweises, wie er in der Tradition der Rhetorik verstanden wurde. (Vgl. dazu auch Erich Auerbachs Ausführungen zu der Etymologie des Figura-Begriffs; Auerbach, Erich: Figura. In: ders.: Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie. Bern/München 1967. S. 55 - 92.)

[5] Keller, Gottfried: Das Tanzlegendchen. In: ders.: Sämtliche Werke. Historisch-Kritische Ausgabe. Bd. 7. Zürich 1998. S. 421 - 427. S. 421; im folgenden wird der Primärtext mit "TL, 'Seite'" abgekürzt.

[6]  Vgl. das Motiv des Tanzzwangs u.a. auch in Hans Christian Andersens Märchen 'Die roten Schuhe'. Hier muß die Hauptfigur Karen aufgrund ihrer Tanzverfallenheit tanzen bis an ihr Lebensende. (In: Brandstetter, Gabriele: Aufforderung zum Tanz. Geschichten und Gedichte. Stuttgart 1993. S. 105 - 111)

[7] TL, S. 422

[8] Die Bestimmung des Balletts als 'romantisch' ist nicht deckungsgleich mit den Kriterien der romantischen Literaturepoche, da die Semantik der Begriffsverwendung unterschiedlichen Konzepten gehorcht. 

[9] Interessanterweise findet die auf der Opernbühne etablierte Trennung in Arie und Rezitativ ihre Entsprechung auf der Ballettbühne des 19. Jahrhunderts (siehe hierbei z.B. das Ballett 'Giselle').

[10] "Voll Sehnsucht schlug sie ihre Hand in diejenige des Königs und gelobte das, was er begehrte." (TL, S. 423)

[11] TL, S. 425

[12] "Als Repräsentant eines prinzipiell unbegrenzten Bewußtseins wird er [der Tänzer, Anm. des Verfassers] in spezifischer Weise zu einem symbolischen Bilde des Göttlichen, zu einer Imago Dei." (Vgl. Zacharias, Gerhard: Ballett. Gestalt und Wesen. Die Symbolsprache im europäischen Schautanz der Neuzeit. Wilhelmshaven 1993². S. 19)

[13] "Im durchgängigen en dehors 'dreht' sich der Tänzer beständig aus seinem natürlichen Sein heraus. Symbolisch opfert er immer aufs neue seine ichbezogene Triebkraft und sein beschränktes Bewußtsein 'den Müttern'". (ZACHARIAS 1993², S. 25)

[14] Es handelt sich dabei um die Pose des Stehens auf einem Bein, während das Spielbein in einem Winkel von 90° nach hinten gestreckt wird und ein Arm nach vorne zeigt.

[15] "Die Arabesque tendiert [...] auf eine Überwindung des Diesseits hin, sie wird von der Bewegung zum Transzendenten bestimmt. [...] Der ausgestreckte Arm des Tänzers und sein ihm folgender Blick drücken die Sehnsucht nach dem Unendlichen aus, den Bezug des Menschen zur jenseitigen Welt." (ZACHARIAS 1993², S. 83)

[16] "Symbolisch gesehen ist die Höhe der Ort des Göttlichen als Geist. Die ihn erfüllende Luft ist nicht nur ein Element neben anderen, sondern Medium einer Gegensatzvereinigung." (ZACHARIAS 1993², S. 88) 

[17] Vgl. Brandstetter, Gabriele: Elevation und Transparenz. Der Augenblick im Ballett und modernen Bühnentanz. In: Thomsen, Christian W. (Hg.): Augenblick und Zeitpunkt. Studien zur Zeitstruktur und Zeitmetaphorik in Kunst und Wissenschaft. Darmstadt 1984. S. 475 - 492. S. 478

[18] Vgl. TL, S. 425

[19] Zit.n. Liechtenhan, Rudolf: Vom Tanz zum Ballett. Geschichte und Grundbegriffe des Bühnentanzes. Stuttgart/Zürich 1993². S.90; Fanny Elßler, die zur Gegenspielerin Taglionis hochstilisierte Charaktertänzerin, wurde aufgrund ihres 'Aplomb', ihrer großen Standfestigkeit und pantomimischen Ausdruckskraft mit dem Attribut der 'heidnischen Tänzerin' versehen.

[20] "Sie vergaß sich dabei so sehr, daß sie bloß zu träumen wähnte [...]. Über alles dies sich zu wundern, fand Musa nicht Zeit, bis der Tanz beendigt war, der ziemlich lang dauerte; [...]." (TL, S. 421f.)

[21] Daß dem Motiv des Tanzes auch in anderen Werken Kellers eine solche Funktion eignet, zeigt die Novelle  'Romeo und Julia auf dem Dorfe'. Hier hat der Hochzeitstanz von Vrenchen und Sali eine ähnliche präfigurative Aufgabe. Die Ausschaltung von Raum und Zeit wie auch die während des Tanzes vollzogene Absetzung der beiden aus dem sozialen Umfeld ist ein Vorverweis auf das spätere Ende, auf das im Fluß treibende (Hochzeits-) Floß. (Vgl. Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: ders.: Die Leute von Seldwyla. Erster Band. München 1978. S. 64 - 138)

[22] Bis heute ist das klassische und neoklassische Ballett stark auf die Tänzerin ausgerichtet. Auch wenn Startänzer wie Nurejev oder Baryshnikov eine starke Aufmerksamkeit genießen konnten, so besitzt das metonymische Diktum des Choreographen George Balanchine, "Ballet is woman", noch immer große Gültigkeit für die akademische Ballettpraxis.

[23] Das Ballett des 19. Jahrhunderts wird sowohl in der choreographischen Praxis als auch in der Rezeption von Männern dominiert. (Vgl. LIECHTENHAN 1993², S. 103)

[24] Fischer, Hans W.: Das Tanzbuch. München 1924. S. 36

[25] Während Musas Kunstverzicht allerdings durch die Aufnahme in den Himmel und damit mit der Teilnahme am ewig währenden himmlischen Reigen belohnt wird, bleibt den Musen, trotz ihrer kunstgerechten Anstrengungen, der Himmel versagt. (Vgl. TL, S. 426f.)

[26] Vgl. Henkel, Arthur: Gottfried Kellers 'Tanzlegendchen'. In: Schillemeit, Jost: Deutsche Erzählungen von Wieland bis Kafka. Frankfurt a. M./Hamburg 1966. S. 243 - 259. S. 249

[27] Vgl. TL, S. 422

[28] TL, S. 423

[29] TL, S. 425

[30] TL, S. 425

[31] Junges Grün, Myrten, Granaten, Blumen beginnen zu blühen (Vgl. TL, S. 425)

[32] TL, S. 425

[33] TL, S. 426

[34] TL, S. 426

[35] TL, S. 427

[36] TL, S. 427

[37] Vgl. TL, S. 422

[38]  Die Figur der emsigen Martha verweist auf ihre Vorlage der neutestamentarischen Martha von Bethanien, die Jesus als Gast bewirtet; auch Davids goldener Becher ruft eine Fülle biblischer Parallelen auf.

[39]  Vgl. die Motive wie Marthas Küchenschürze, den Rußfleck oder Maria, die sich "auf ein Stündchen" (TL, S. 426) dazu setzt.

[40] Vischer, Friedrich Theodor: Gottfried Keller. In: Kritische Gänge. Sechster Band. München 1922. S. 240 - 295. S. 285

[41] Christine Renz hat in ihrem Versuch, Kellers Erzähltechnik darzustellen, auf den Zusammenhang dieser Szene mit barocker Malerei und Bühnen- und Opernpraxis hingewiesen. (Vgl. Renz, Christine: Gottfried Kellers 'Sieben Legenden'. Versuch einer Darstellung seines Erzählens. Tübingen 1993. S. 240)

[42] TL, S. 425

[43] Die Schauplätze und Szenen, meistens idyllische Landschaften, werden mit Hilfe einer perspektivischen, dem Darstellungsrealismus gehorchenden Prospektmalerei pompös illustriert und laden so zum optischen Verweilen ein. Das corps de ballet, das während der Soli und Duette auf der Bühne regungslos, fast statuarisch verweilt, integriert sich als tableau vivant zum einen in die Bühnenlandschaft, indem es diese zum anderen belebt. 

 

 

Zum Verfasser

 

Peter Stamer war von 1993 - 1998 als Dramaturg und Co-Direktor des Balletts am Nationaltheater Mannheim engagiert. Während dieser Zeit hat Peter Stamer mit verschiedenen internationalen Choreographen zusammengearbeitet. Neben diesem Engagement zog ihn die International Ballet Consulting (IBC) als beratenden Honorarmitarbeiter für deren Projekte hinzu. Daneben arbeitete Peter Stamer mit einem Stipendium des Deutsch-Französischen Kulturrates als Gastdramaturg in Südfrankreich oder als Tanz-Kurator für die Ursula-Blickle-Stiftung. Zur Zeit promoviert der Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einer Arbeit zur zeitgenössischen Tanz-Ästhetik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Zudem ist der Dramaturg bei THE MOVE COMPANY (Berlin), ein zeitgenössisches Tanzensemble, tätig. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit tritt er auch journalistisch in Erscheinung.