Historisch-Kritische Gottfried Keller-Ausgabe (HKKA)        HG_09

 

Schreibbuch Ms. GK 9

 

Nr. 201*

Trät' ein fremder Wandergeselle

Schimpfend über unsre Schwelle,

Früg' ich ihn voll Zorngebrauses,

Wie er solchen Frevel wage? –

aber Ich, als Kind des Hauses

Hab' das Recht zu Spott und Klage.

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 202*

Und fern mir, wie die Meeresfluth,

Geht deines Herzens Schlag

den innerlich in stiller Nacht

Ich lauschend hören mag!

 

Es ist dein Herz ein Spiegel,

Von Erdluft überhaucht

darein Gott oft beschaulich

doch leicht sein Auge taucht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 203*

Februar 45.

Ballade vom dürren König.

 

Es war ein dürrer König, der hatt' ein Land am Meer;

Er fuhr an seinen Küsten brandschatzend hin u her.

So oft im Maienscheine erglüht sein Felsenhaus,

Zog er mit Schiff u Knechten und leeren Seckeln aus.

 

Wo helle Fenster blinkten entlang dem Meeresstrand,

Da klopft er an die Thüren mit seiner Knochenhand;

Und wo ein Speicher lachte, da that er einen Griff

Und füllte unersättlich sein weitgebauchtes Schiff!

 

Er konnte Alles brauchen und Allem war er hold,

der Linne wie der Wolle, dem Silber wie dem Gold

Im Topf nahm er den Honig, die Gerste, wie das Korn,

Den Weizen mit der Spreuer, den Ochsen sammt dem Horn!

 

Die Sau mit ihren Ferkeln, das Huhn mit seinem Ei –

Bis jedesmal das Fahrzeug glich einer Meierei:

Daheim hatt' er zwölf Junge und eine Königin

Und eine Königin Mutter, die harrten all' auf ihn!

 

Die fraßen, was er brachte, und klagten sich noch sehr

Und jagten stets aufs Neue den Dürren auf das Meer!

Und gaben ihm dann schmählich auf seinen Wellenritt,

Und allen seinen Mannen, ein Fäßlein Zwiebak mit!

 

So fuhr er einst bedächtig am klaren Morgen aus,

doch noch an selbem Tage, da kam ein Saus und Braus!

Ein Saus und Braus am Himmel und auf den Wassern her,

Bald hinter Schaum und Regen sah man kein Ufer mehr!

 

Es trieb das Schiff in's Weite und auf die hohe See;

Und als der Sturm verflogen, ward es den Schiffern weh'.

Sie kannten keine Gegend, s' war nur ein blaues Rund,

Wo sie den Anker warfen, da faßt er keinen Grund!

 

Und weiter, immer weiter verirrte sich die Fahrt

Und länger, immer länger der Zwieback ward gespart

O weh da half kein Sparen, am Ende ging er aus

Und grinsend saß der Hunger im engen Bretterhaus!

 

Drei Tage lang zu fasten ein jeder Mann vermag

Doch wird das Ding verdrießlich schon mit dem vierten Tag

Was sagt ihr zu sechs Tagen? Vermaledeiter Brauch!

Das fand der dürre König mit seinen Knechten auch.

 

Drum nehmen sie drei Würfel u würfeln um den Tod:

Sein Blut muß Einer lassen, sein Fleisch u Blut so roth!

Kaum hat ein armer Teufel den kleinsten Wurf gethan,

Hebt man ihn gleich zu braten u zu verspeisen an!

 

Und als man solchen Braten mit Grauen hat verdaut

Und wieder ein par Tage die Finger sich zerkaut

Da ging es an den Zweiten, den Dritten und so fort

bis endlich nur der König u noch ein Mann an Bord.

 

Man hatte ihm das Knöcheln erlassen aus Respekt,

Doch hatt' ihm drum die Mahlzeit nicht minder wohl geschmekt

Ja er fand ganz in Ordnung u trefflich diesen Schmaus

Und gafft', ein Liedlein pfeifend, dumm auf das Meer hinaus!

 

Und windstill ruhte weitum des Meeres klare Brust

Und öffnet ihre Tiefen dem Sonnenschein mit Lust

Der König pfiff noch immer, indeß der andre Mann,

Verdächtig nach ihm schielend, kühn auf Verschwörung sann.

 

Dann fing er an: Herr König! Wollt gnädigst Ihr geruh'n,

Mit Eurem letzten Knechte auch einen Wurf zu thun?

Doch Jener maß ihn starrend vom Haupte bis zum Fuß

Denn das war ihm ein fremder u ungewohnter Gruß!

 

Drauf schwang er zähnefletschend den Kolben auf den Knecht,

Der aber praktizirte ein nagelneues Recht:

Schlug ihm die Kron' vom Kopfe, riß ihm den Purpur ab

Und schrie: Paß' auf mein Magen wird nun ein Königsgrab!

 

Zog schnell ihm durch die Kehle sein Messer scharf u krumm,

Und wüthender vor Hunger wandt er ihn um u um –

er mußte liegen lassen den Leib mit Haut u Haar,

Weil er auch gar zu zähe und ungenießbar war!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 204*

Februar 45

Technisches.

1.

 

Ich bringe viele meiner Lieder

Mit lautem Sing und Sang zur Welt;

Mein Kämmerlein hallt klingend wieder,

Wenn mir ein Verslein wohlgefällt

Dann schaut die Sonne durch die Scheiben

Verwundert meinem Jubel zu

Und manchmal stört mein tolles Treiben

Den Nachbar aus der Mittagsruh!

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 205*

Im Nordland, wo die Augen blau

Und alle Herzen bieder sind! – – – –

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 206*

April 45.

     Geibel.

 

Wohl nur den leichten Schaum vom Dichterleben:

Guitarren-, Becherklingen, Mondscheinthränen,

Hysterisch-krankhaft Kammermädchensehnen

Will uns der Bursch als Kern und Seele geben!

 

Und keine Spur von einem tiefern Streben,

Als sich auf einem Lotterbett zu dehnen

Und dabei noch ein dumm' u eitel Wähnen,

Als wollt' er mit im Einen Herzschlag beben!

 

Und dann sein Schmerz! Verscholl'ne Dichterlaunen,

Ein eigensüchtig, weichlich, grundlos Wimmern,

Und über alles noch so frech servil!

 

Fürwahr, man wird ihn einstens erst bestaunen,

Wenn er an seinem rechten Platz wird schimmern:

Als weinerlicher Hofnarr im Exil!]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 207*

     Körner.

 

Und wieder rauschen alte, starre Eichen,

Der Morgen graut, u längs dem Rheine schreitet,

Indeß es Sturm von allen Thürmen läutet,

Ein Kriegerzug mit finstern Fahnenzeichen

 

Voran der Schaar auf luft'gem Pferde reitet

Ein schwarzer Reitersmann mit todesbleichen

doch schönen Zügen. In des Rosses Weichen

Drückt er den Sporn, indem die Schaar er leitet!

 

Schon hat er die Kokarde abgerissen

Seht, wie er zornig seine Klinge zieht!

Doch schmilzt der Spuck am ersten Strahl der Sonnen.

 

Fahr wohl nach deines Grabes Finsternissen!

Die Krieger aber han ein altes Lied:

«Das Volk steht auf, der Sturm bricht los!» begonnen.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 208

    Brentano, Kerner.

 

«Was sind das für possirliche Gesellen

In blut'gen Lacken u mit Räucherpfannen?

Als wollten Schätze sie und Geister bannen,

So lassen sie gar sondre Töne gellen!

 

Sahst Du dem Einen rothes Blut entquellen,

Indeß dem Andren stille Thränen rannen?

Sie huschten leicht u geisterhaft von dannen

Auf dieser Zeiten brausend wilden Wellen!

 

Auch scheinen sie ein hölzern Schwert zu tragen

Und um die Stirn ein üppiges Geflecht,

Wo zwischen Stroh die schönsten Rosen ragen?»

 

Sie ziehen gen die Sonne in's Gefecht;

S' sind Dichter, Freund! so laß sie ungeschlagen

Denn Dichter, weißt du, haben immer Recht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 209*

Sallet.

 

Jüngst trat ich in die deutsche Dichterhalle,

Als Lehrling schüchtern dort mich umzuschauen

Und in den Nischen rings mit heilgem Grauen

Sah ich die hohen Marmorbilder alle!

 

Auch Harfen ruhten da von gutem Schalle,

Wovon die Meister sich beim Thee erbauen

Ein par Lebendige mit finstern Brauen

Erblickte ich, den Mund voll Zorn u Galle!

 

Und warm noch auf die Harfe hingefallen

Lag eine schöne Sängerleiche da,

Die mit gebrochnem Aug' gen Morgen sah!

 

Ich hörte noch sein letztes Lied verhallen;

So habe ich das größte Herz im Land

Mit seinem letzten Schlage noch erkannt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 210*

Nov. 44.

Die Eine und untheilbare Freiheit.

 

«Fortschritt, der nie stille stehet, doch gemäßigt, doch bescheiden,

Dieses ist, wozu wir uns ja auch bekennen voller Freuden;

Doch von jener tollen Freiheit ohne Ziel und ohne Schranken,

Die die Exaltirten singen, halten fern wir die Gedanken!»

 

Also sprechen alle Falschen, alle Halben, alle Schwachen;

Das gerade sind die Schlangen, die man da muß überwachen!

Ja – vielleicht vor wenig Jahren glaubten wir noch an die Mähre,

Aber trefflich sorgen selber sie für eine beßre Lehre!

 

Freiheit kennt kein Wenn und Aber, ganz will ihren Mann sie haben,

Und der Mann soll auch vollkommen sich an ihrem Urquell laben!

Sie ist eine Himmelskuppel, die sich selber wölbt und bauet

Und nach eigenen Gesetzen in sich ihren Schlußstein schauet!

 

O ihr habt es überwartet und verpaßt, ihr schnöden Thoren!

Und der Unterhandlung Faden habet ihr nun schon verloren;

Keine Conzessionen wollen wir mehr nehmen oder geben,

An die untheilbare Freiheit geht es nun auf Tod und Leben!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 211

Dezember

Der Freiheitsbaum.

 

Ein Tannenbaum im Schwarzwald steht,

Der wächst schon manches Jahr;

Sein Wipfel hoch in's Blaue geht,

Drin fliegt sein grünes Haar.

 

Die Wurzel hat den Erdengrund

Gar innig angefaßt,

Und darum bleibt der Baum gesund,

Wie auch der Nordwind ras't!

 

Und Alles, was auf Erden ist

Muß haben seine Zeit;

Der Tannenbaum zu seiner Frist

Zum Fällen ist bereit!

 

Dann schmückt man ihn, dann führt man ihn,

Den hellen Rhein entlang,

Bis mitten in die Stadt Berlin

Mit lautem Sang und Klang!

 

O Maienlust! o Freiheitsbaum,

So jugendlich und grün!

Wie wirst du, alter Menschentraum!

Dann ewig, ewig blüh'n!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 212*

Dezember 44

Lied der Zerrissenen.

 

Sie nennen uns die Zerrissenen

Von trauriger Gestalt!

Gott tröst' uns! Wir haben der Ahnen viel,

Und unsre Zunft ist alt!

 

Der Hutten schläft im Zürichsee,

Der Platen am blauen Meer;

Und beiden war das große Herz

zerrissen und gar so schwer!

 

Auch Herder war ein Zerrissener

Und Schiller ein Lumpenhund,

Sie glauben es, ob sie's auch nicht gestehn,

In ihres Herzens Grund!

 

Und Chamisso, der Herrliche,

Sang mehr von Schmerz, als Lust!

Und mehr, als Ein zerrissen Lied

Entströmte seiner Brust!

 

Ha, Byron, Byron, du Bettelmann,

Zerfetztes Dichterherz!

Und du, Torquato von Sorrent

mit deinem lausigen Schmerz!

 

Und du da drüben am Seinestrand,

Du wunderschönes Weib!

Dir hat ja auch die arge Welt

Zerrissen Seel und Leib!

 

Es lebe, was zerrissen ist,

In Lumpen hängt und zerfetzt!

Das Vaterland und das Dichtergemüth,

Und jeder Purpur zuletzt!

 

Der Heimathlose im Aehrenfeld,

Der Lord mit seinem Spleen,

Der blasse, schäbige Communist,

Der heilige Rock zu Trier!

 

Da humpelt noch der Freiligrath

Mit seinem klaffenden Riß

Willkomm! du rother Schottenbrand,

In unsre Finsterniß!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 213*

Weihnachten 44.

Basellandschäftler-Lied.

 

Hellauf und frisch bei Tag und Nacht,

Laß dich es nicht gereuen!

Steh' immer munter auf der Wacht,

Du junger Bund von Freien!

Gott grüße dich vor Allen,

Dich schütze seine Hand!

Du keckes, wohlgemuthes Volk,

Mein kleines Baselland!

 

Als einst den alten Lellenkopf

Der Teufel hat geritten,

Da hast du ihm den Wickelzopf

Im Sturme abgeschnitten!

Und biff! baff! buff! Juheißa!

Da lag er in dem Sand

Du aber hast dich frei gemacht,

mein kleines Baselland!

 

Und seitdem hast du immerfort

Im Vorderglied gestritten

Mit frohem Sinn, mit freiem Wort,

Mit unverdrehten Sitten!

Mit derbem Schlag der Rechten,

Verschmähend allen Tand,

Trifft stets den Nagel auf den Kopf

Mein kleines Baselland!

 

Du bist ein neues Licht im Haus

Und sollst es immer bleiben!

Der Freiheitsbaum schlägt wieder aus,

Wo solche Knospen treiben;

Und sind die alten Perlen

Vergraben all' im Sand,

Glänzt uns ein neuer Edelstein,

Mein kleines Baselland!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 214*

Die Luzerner u die Walliser Flüchtlinge

 

Mel. Auf auf! ihr Brüd<e>r u seid stark!

 

Wenn man ein Schweizerreislein macht

So kann es nun gescheh'n,

Zur Winterszeit, bei Schnee u Eis,

Daß Mann u Weib und Kind und Greis

Zerlumpt am Wege steh'n!

 

Und fragt man, wer sie Alle sind,

So heißts, daß Gotterbarm:

'Sind Schweizer vom Luzernerland,

'Sind Schweizer von der Rhone Strand,

Geplündert, nackt und arm!

 

Und während sie nun heimathlos

Durchziehn das Vaterland,

Verprasst die Jesuitenbrut

Zu Hause ihnen Hab u Gut

Zu unser Aller Schand'

 

Das wäre mir die rechte Art

Wenn's also müßte geh'n!

Potz alle Welt und Erdengrund!

Potzschwerenoth und Schweizerbund

Da wollen wir 'mal seh'n!

 

Uns, uns gehört das Schweizerland

Mit seinem Kräuterduft!

Mit Berg u Thal und Alphornsklang,

Mit Land u See u Freiheitssang,

Mit seiner Himmelsluft!

 

Und Wir, die freie Kinder all'

Der freien Mutter sind,

Wir sollten aus dem Lande zieh'n

Und vor des Satans Garde flieh'n,

Vor wälschem Blast und Wind?

 

Brich auf wie ein Lawinenfall

O Volk mit ganzer Macht!

zu Hülfe dem bedrängten Freund!

Hinaus! Hinaus den bösen Feind,

Der solchen Schimpf gebracht!

 

Und aber unser Losungswort

Und unser Wahlspruch sei:

«Was römisch pfäffisch gleißt u beißt,

Was jesuitisch ist u heißt,

Ist und bleibt vogelfrei!»

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 215*

Dezember 44.

Lied der Freischaaren.  Melod: Frisch auf zum fröhlichen Jagen.

 

Auf ladet euere Büchsen

Mit Pulver und mit Blei!

Wir wollen jagen und suchen,

Wo unsre Freiheit sei!

 

Wir wollen ein Mal spazieren

Im schönen Vaterland!

Und wer uns d'ran will hindern

Muß fallen von unsrer Hand

 

Allauf und über die Berge,

Durch Wälder und über die See'n!

Hei! wie so frisch und schneidig

Die Schweizerlüfte weh'n!

 

Wie steigen die Silberhörner

Noch immer zum Himmel auf

Es wallen die Silberflüsse

Noch immer den alten Lauf!

 

Vom Jura bis zum Splügen,

Vom Rhodan bis zum Rhein

Muß doch noch wo zu finden

Die alte Freiheit sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 216

Fahnenlied.

 

Die Fahne, der ich folgen muß,

Ist purpurroth und weiß,

Wie blutigrother Morgengruß

Auf reinem Gletschereis!

 

In Fetzen hängt sie hoch und stolz

Und peitscht die Hi?elsluft!

Doch unten um das Fahnenholz

Steigt auf ein Leichenduft!

 

Es streiten zwei Partheien sich,

Es ringen Tag und Nacht;

Sie steh'n und schlagen bitterlich

Sich um die Fahnenwacht!

 

O Freiheit mein! O Fahne mein!

Wann Du mußt untergeh'n,

Dann sollst die letzte Stunde sein

Und Niemand aufersteh'n!

 

Dann treff' uns des Vergessens Fluch

Und unser schlecht' Gebein!

Dann sollst du unser Leichentuch

Und unser Grabhemd sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 217*

``Drei Narren unter einem Hut¨

 

Es schwebt ein breiter, schwarzer Hut

Dicht ob den Schweizergauen

Darunter man mit Staunen thut

Ein feines Kleeblatt schauen!

 

Herr Siegwart ist ein Ehrenmann,

Landauf- und ab der Beste!

Und mancher Baum im grünen Tann

Hat schrecklich leere Aeste!

 

Im Osten sitzt Herr Gartnerbaum

Ganz traurig und verlassen!

Er sieht den gold'nen Bischoffstraum

Schon jämmerlich erblassen.

 

Herr Bürgermeister ex in spe

Sitzt bei geleerten Flaschen,

Wirft Seife in den Zürchersee,

Die Schlappe abzuwaschen!

 

Es ist ein Knistern überall

Als thät man Kugeln gießen,

Und überall mit wildem Schall

Blutroth die Brünnlein fließen.

 

Die Drei dreh'n fast die Augen aus

Und schielen nach den Grenzen,

Ob wohl nicht bald vor Hof u Haus

Östreich's Kanonen glänzen (??????)

 

«B'hüt Gott uns vor ung'rechtem Gut

Und alle böse Wege!

Gang, Vetter! läng mer jetz de Hut!

I Glaub', es chunt e Rege!»

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 218*

Dr. Brenner.

 

Es ist uns wahrlich ein lustiger Spaß

Ganz frisch in die Ohren gekommen:

Dem Brenner in Basel haben sie das

Aktiv-Bürgerrecht genommen!

 

Warum? Weil er neulich zu Felde zog

Als gefährlicher Bundsrevoluzzer,

Weil er den Luzernern zu Hülfe flog

Mit Pulverhorn u Stutzer!

 

Wir müssen ihn wieder zu Ehren ziehn,

Ansonsten vergeht er vor Schande:

Er soll der aktiveste Bürger syn

Im ganzen Schweizerlande!

 

Aktiv! Aktiv! ja das ist das Wort!

Das brennt wie glühende Kohlen!

Wer nicht handelt u wandelt nun fort u fort,

Den soll der Guguk holen!

 

Es zieht ein Komet mit feurigem Schweif

Und will an der Sonne rütteln:

Ich merke, die Herren von Basel sind reif,

Man muß sie nächstens schütteln!

 

 

Nr. 219*

Schlosser Münch in Basel.

 

[...]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 220*

Die Jesuiten in Luzern eingezogen.

 

So ist der schöne Traum verflogen

Von freier kühner Männerthat

Und sie sind wirklich eingezogen,

Die Schlangen, in der Bundesstadt?

So haben sie das Gift getrunken,

Die Brüder, das den Tod verbürgt,

Und wieder wär' ein Glied gesunken,

Aus unsern Reihen hingewürgt?

 

Es ist ein Sterben aller Enden:

Erst Wallis, nun Luzern vorbei!

Der schwarze Tod! im nächsten Mai?

Sei's drum! Es komme das Verderben

Wir wollen Alle untergeh'n

Wir wollen miteinander sterben

Und, wie die Sonne, aufersteh'n!

 

Wir wollen aus dem Lethe trinken

Vergessend all' das alte Leid!

Wir wollen in die Gräber sinken

Als ein zerrissen Fastnachtskleid

Doch wann dann auf der Muttererde

Des neuen Lenzes Düfte wehn,

Mit Einem Schilde, Einem Schwerte

Und Einem Wappen auferstehn!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 221*

[Antijesuiten-Verein.

 

Nun auf! u schlaget Hand in Hand

Von Ost bis West von Nord bis Süd

Und schlingt ein starkes Männerband

Das weit das ganze Land durchzieht!

 

Und in die Mitte nehmt den Feind,

den schwarzen Jesuitentroß,

Und drauf u dran auf ihn vereint,

Bis wir gesprengt den schweren Kloß!

 

Wir ruhen nicht und ruhen nicht

Und lassen nicht von dem Gewehr,

Bis daß der Feind im Staube kriecht

Kein Jesuit im Lande mehr!

 

Kein Stein soll auf dem andern sein,

Wo ihre Drachenhöhlen steh'n!

Laßt Salz uns auf die Stätten streu'n

Die Asche soll der Wind verwehn!

 

Und froh dabei und wohlgemuth

Mit Jubelsang und Cimbelschlag

Für uns ist ja der Sonne Gluth,

Mit uns der fröhlich heitre Tag!

 

Dann sagt die Welt: Potz Stern u Kreuz!

Schaut her, die in den Bergen liegt,

Die kleine, doch die freie Schweiz,

Hat uns das große Thier besiegt!]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 222*

[Kugelgießen.

 

Wie glimmen doch die Kohlen

so düster und so roth!

Gott, dir sei anbefohlen

All' unsre schwere Sorg und Noth!

 

Wie gleißet in der Kelle

Das Blei mit blassem Schein!

Du heiße Todesquelle

Sollst unsre letzte Hülfe sein!

 

Und haben wir getragen den langen Tag,

Gelitten u getragen die alte Plag'

So lassen wir's am Abend uns nicht verdrießen

Und wollen flink u rüstig noch Kugeln gießen!

 

Du schwerer Kugelsaame, du blanke Saat,

Sollst uns die Frucht gebären, die kühne That!

Das Brachfeld ist lebendig, doch schwarz und schaurig,

'Sind Jesuitenherzen verkohlt und traurig!

 

Aus jedem Saamenkorne, das wir da säe'n,

Soll eine Lebensrose für uns ersteh'n

Sie haben es erzwungen mit starrem Sinne,

Wolan, so soll erblühen die Todesminne!

 

Wie glimmen doch d...

 

Und ist kein Blei mehr da, so reiche dein Zinn,

Die Kannen, Schüsseln, Teller, Frau Hauswirthinn!

Auch schlagt die Fensterlein ein, die alten blinden,

Die Sonne wird nur besser den Eingang finden!

 

Was soll der Silberpokale eitler Tand?

Im Felde trinkt man besser aus hohler Hand;

Das Silber schmelzen wir ein, den Fluch der Erden,

Es soll ein Nothpfennig uns in Kugeln werden!

 

Und dann entgegen dem Feind mit sichrem Arm!

Sind Vaterlandssöhn' u Brüder, daß Gotterbarm!

Jedoch für jede Kugel, die wir verjagen,

Woll'n wir die eig'ne Brust entgegentragen!

 

Verglommen sind die Kohlen

So düster u so roth!

Gott, dir sei anbefohlen

All' unsre schwere Sorg u Noth!

 

Die schweren Kugeln rollen,

Nun sammelt alle ein!

Die Wohlgerath'nen sollen

Nun uns're blanke Baarschaft sein!

 

Es funkelt uns ein Becher mit Fall u Sieg,

Ein bittrer Wermuthbecher, der Bürgerkrieg

Und kann's nicht ander's sein, ihr Feinde u Brüder,

Wohlan, faßt an den Becher u trinkt ihn nieder!

 

Ihr wollet Nacht und Dunkel – Wir Tag und Licht!

Ihr wollet Schmach u Schande – Wir aber nicht!

Das Land jedoch ist klein und es wird nicht reichen:

Entweder muß die Freiheit – die Knechtschaft weichen!

 

Schwingt Ihr des Pabstes Fahne – Wir schwingen mit Macht

Das weiß u rothe Banner in seiner Pracht

Nun Bruder gegen Bruder – es ströme das Blut

Das Auge darf nicht seh'n, was die Rechte thut!]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 223*

Januar 45.

 

Es schleichen fahle Gesellen

Im blühenden Lenze herum,

Vom Tode angefressen

Im Verwesungsdelirium!

 

Fort mit den Vogelscheuchen,

Fort, wo sie gehn und steh'n:

Das trächtige Vieh im Grünen

Könnt' sich an ihnen versehn!

 

Thut auf die Katakomben

Voll Moder und Leichenduft!

Hinunter die wandelnden Leichen,

Hinab in die Todtengruft!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 224*

Februar 45.

    An Ronge und Czerski.

 

Grüß' Euch mit vollem Glanz das Licht der Sonnen,

Das lebt u webt ob allem deutschen Land!

Fließ' Euch mit frischem Quell der heil'ge Bronnen,

Der da seit Luther wieder trocken stand!

Der goldne Tempelbau, der einst begonnen,

Blüh' freudig wieder unter Eurer Hand!

Wollt all die blauen deutschen Augen fragen:

Sie schauen hoffend nur auf Euer Wagen!

 

Du deutsches Pfäfflein, Ronge! hast zerrissen

Die Vogelscheuche, die im Garten hing,

Im grünen Eichengarten! Hast zerrissen

Den Lappen, d'rin der Aar sich fast verfing!

Den tollen Faschingsrock hast du zerrissen,

Darin der dumme Teufel sich erging!

Das lohnt dir Gott mit seinem Gottessegen

Und Jener auch, der einst am Kreuz gelegen!

 

Du Deutsches Pfäfflein, Czerski! hast geschnitten,

Ein silbern Blümlein aus des Pabstes Kleid!

Und krampfhaft zuckend nur hat ers gelitten,

Und litt noch lange nicht sein größtes Leid!

Bald steht vielleicht, den Gärtner in der Mitten

Der ganze Himmelsgarten uns bereit.

Mit seinem Rosenglanz, mit seinen Reben:

Die alten Deutschen Pfäfflein sollen leben!

 

Seht, wie sie jucken, wie sie ängstlich toben,

Die röm'schen Pfäfflein mit gebrochnem Muth!

Und jene, die aus Schwarz u Grau gewoben,

die after-luther'sche Zelotenbrut,

Wie sie mit saurem Lächeln muß beloben,

Was ihr in Wallung jagt das weiße Blut!

Es überläuft sie Alle nur Ein Schrecken,

Weil längst sie unter Einem Mantel stecken!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 225

März 1845.

Liebesspiegel.

 

An die Freiheit.

 

Die in den Sternen strahlt, auf Meeren ruht,

Im Schmetterling von Blum' zu Blume schwebt

Und heiß aufathmet in des Aetna Glut!

 

Die wagend mit dem Aar zur Sonne strebt

Die feurig in des Jünglings Adern wallt

Und sehnend in der Jungfrau Busen lebt!

 

Von meiner Heimath Bergen freudig schallt,

Wenn auch im Thal die wilden Stürme toben,

In Deutschlands Eichen leise wiederhallt

 

Die unablässig alle Völker loben,

Und schmählich doch verrathen jeden Tag,

Jedoch von Gott getreulich aufgehoben,

 

Bis Dich einst jedes Herz erfassen mag,

O Schönste Dame, die ich nicht will nennen,

doch der da zittert meines Blutes Schlag:

 

Ich will vor Dir ein Myrthenreis verbrennen,

Ein Abgedorrtes aus der Jugendzeit

Dir meinen zarten Morgentraum bekennen!

 

Wem hätt' ich besser auch dieß Lied geweiht,

Als Dir, du Gotteskind, das man mit Recht

dem Lieblichsten, den Frauen, angereiht?

 

Nicht weiß ich wahrlich, ob der Frau'n Geschlecht

Dich zieret, oder Du Ihm Zierde bist:

Doch bin ich immer euer beider Knecht.

Und Euch vereint mein Lied gesungen ist!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 226

I.

 

Ich will spiegeln mich in jenen Tagen,

Die wie Lindenwipfelweh'n entfloh'n

Wo die Silbersaite, angeschlagen,

Klar, doch bebend, gab den ersten Ton!

Der mein Leben lang,

Erst heut' noch, wiederklang,

Ob die Saite längst zerrissen schon!

 

Wo ich ohne Tugend, ohne Sünde,

Weiß wie Schnee, rein vor der Sonne lag,

Wo dem Kinderauge noch die Binde

Lind verbarg den schmerzlich hellen Tag!

Du entschwundne Welt,

Klingst über Wald und Feld,

Hinter mir, wie ferner Wachtelschlag!

 

Wie so fabelhaft ist hingegangen

Jene Zeit voll zarter Frühlingspracht,

Wo, von Mutterliebe noch umfangen

Schon die Jugendliebe leis' erwacht'

Wie von Sonnenschein

Durchspielt ein Edelstein,

Den ein Glücklicher an's Licht gebracht!

 

Und, die weiße Rose in der Mitte,

That sich auf der ganze Blumenflor,

Blühte und erstarkte jede Sitte

Und die Hoffnung stand am Lebensthor

Alles wundert' sich,

Ich aber freute mich,

Bis ich das Geheimniß selbst verlor

 

Leichter Geist, wenn du auf deinen Fahrten

Sternenhin u wieder wirst durchziehn,

Wird dir nicht im ew'gen Gottesgarten

Ein vertrauter Schein entgegenglüh'n?

O die Welt ist weit,

Kann nicht die Jugendzeit

Irgendwo noch einmal für mich blüh'n?

 

Träumerei! Was sollten Jene hoffen,

Die nicht sahn der Jugend Herrlichkeit!

Die ein unnatürlich Loos getroffen,

Frucht zu bringen ohne Blüthenzeit!

Ach was man nicht kennt,

Darnach das Herz nicht brennt

Und bleibt kalt dafür in Ewigkeit!

 

Ja, s' gibt Lücken in den Lebensringen

Die das Menschenherz durchwandern muß!

Blindlings muß der Eine überspringen,

Das den Andern lokt mit heißem Kuß

Und was rückwärts steht,

Das hat der Wind verweht!

Fahre wohl, du Jugendmaiengruß!

 

In den Waldeskronen meines Lebens,

Säusle fort, du kühles Morgenwehn!

Leuchte mir, o Sonne meines Strebens,

Laß mich treu in deinem Scheine gehn!

Rankend Immergrün

Soll meinen Stab umblüh'n

Doch noch Einmal will ich rückwärts^seh'n!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 227

Von heißer Lebenslust entglüht

Hab' ich das Sommerland durchstreift;

Drob ist der Tag schön abgeblüht

Und zu der schönsten Nacht gereift!

Ich trete auf des Berges Rücken

Einsam in's off'ne Waldesthor

Und beuge mich mit trunknen Blicken

hoch in die stille Landschaft vor!

 

Am andern Hügel drüben steht

Im Sternenschein das liebe Haus,

Aus seinem off'nen Fenster weht

Ein Vorhang in die Nacht hinaus!

Das ist fürwahr ein luftig Gitter,

das mir mein Fräulein dort verschließt!

Nur Schade, daß mir armem Ritter,

Der Thalstrom noch dazwischen fließt!

 

Zieh' du für mich, mein leichter Sang,

Hinüber in der Liebsten Brust!

Vielleicht trägt ihr dein ferner Klang

Zu Herzen meine Dichterlust!

Ja ich will ihr ein Ständchen bringen,

Das weithin durch die Lüfte schallt!

So spiele du zu meinem Singen

O Sommernacht, auf Thal und Wald!

 

Dein Saitenspiel im Thale liegt,

Die feinen Silberbächlein all'!

Den Tann, der auf den Höh'n sich wiegt

Laß rauschen mir, wie Orgelschall!

Das Elfensummen und das Kosen

Das schwellend alle Kelche regt

Vereine mit des Stromes Tosen,

Der seine Wogen thalwärts trägt!

 

Im Süden zieht ein Wetter auf,

Schnell werb' ich's für mein Ständ'chen an;

Doch nehm' es fernhin seinen Lauf,

Daß ich es übertönen kann!

Die Mühlen sind die Hakbrettschläger

Zuhinterst in des Thales Grund,

Die Sterne meine Fackelträger,

Die leuchten mir im weiten Rund!

 

Nun will ich singen überlaut

Vor allem Land, das grünt und blüht!

Es ist kein Baum so hoch gebaut,

Darüberhin mein Sang nicht zieht.

Will eine Liederbrücke schlagen,

Aus meiner Brust in ihre Brust!

Herz, wandle drauf, bis es will tagen,

Und wecke Sie zu gleicher Lust!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 228

O Leib meiner Dame, du köstlicher Schrein,

Wo Gott seine köstlichste Perl' legt hinein!

Nun ruhst du u schläfst du, doch in dir erstrahlt

Die träumende Perle im sonnigsten Schein!

Den zartesten Liljengeist bergender Kelch,

Des reinsten Gedankens still blühendes Sein

O wär' ich, du Kleinod, dein Schatzmeister nur,

Dürft' ich mich, du Blume, zum Gärtner dir weih'n!

Mit Liebe umschließen dich innig u fest,

Wie treu schützend Gold einen funkelnden Stein!

Dann trüg' ich die Erde, den Himmel, die Welt

Beisammen als Herzschmuck, geläutert u rein!

Dann tränk' ich die klareste Seele aus dir,

Du zierlicher Becher, wie perlenden Wein!

Schlaf sanft und schlaf' selig du köstlicher Leib,

Indessen ist träumend die Seele ja mein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 229

Es bricht aus mir ein bunter Faschingszug

Und zieht dahin mit tönendem Gepränge!

Thalüber wallt im luftigen Gedränge

Ein Bilderreigen mein Gedankenflug!

 

Wie spielend sie die Luft hinüber trug,

So ranken sich, ein üppig Laubgehänge

Bis auf zum Giebel meine Nachtgesänge

rings um ihr Haus, ein zauberischer Trug!

 

Es rauscht u schwillt und bricht in's Schlafgemach

Und singt u klingt die reine Seele wach

Betäubt fällt sie in meine Blumenschlingen!

 

Nun ist es Zeit, mein Herz! mach' dich hinzu!

Nachtwandelnd weiß sie's nicht u lauscht in Ruh:

Kannst Alles, Alles ihr zu Ohren bringen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 230

Hör' an, mein Kind! was ich Dir kosend sage

Wie mich ein Traum betrog so wunderbar:

Es war an einem stillen Feiertage,

Als ich mit Dir bei Gott im Himmel war!

Er schaute eben noch vom Taubenschlage

Aus in die Sonntagswelt, so weit und klar

Und ob dem fernen Glockenklang allmählig

entschlief er auf ein Stündchen sanft u selig.

 

Man hörte kaum die Menschen unten singen,

Im Himmel aber ward es still und leer

Nur an der Sternenuhr das Pendelschwingen

Klang langsam und gemessen hin und her

Und mäuschenstill, in seligem Umschlingen

Sah ich in deines Aug's urtiefes Meer

Da hatte plötzlich ich den Muth gefunden:

Bath um den ersten Kuß Dich unumwunden!

 

«"Um dreie von den Sternen, die dort schweben,

Geb ich Dir, Lieber, meinen ersten Kuß!"

So sagtest lächelnd du, mein süßes Leben.

Ich aber eilte, schon im Vorgenuß,

Die Gold'nen aus den Angeln zu erheben

Und brachte sechse dir zum Ueberfluß

Du aber drauf: Wie mich die Dinger laben,

Um noch zwölf andre sollst den Kuß du haben!

 

So ging es fort; verdoppelt immer wieder

erhöhtest Du den theu'ren Liebespreis

Und zwiefach dürstend holte ich hernieder

Dir Stern um Stern aus ihrer Brüder Kreis

Du schmücktest emsig deine schönen Glieder,

Verlachend heimlich meinen heißen Fleiß!

Und zu erkaufen meine höchste Wonne,

Blieb mir am Ende nur noch Mond und Sonne!

 

Ich brachte sie; und um die Stirne hingest

Die helle Sonne du mit stolzer Lust

Mit Sternen du den Schwanenhals umfingest,

Der Mond erstrahlte mild an deiner Brust

Dann Himmelauf- und ab du dich ergingest,

All deiner Schönheit siegreich dir bewußt

Von dir allein nun strömte alle Helle

Ich lag vor dir, als vor des Lichtes Quelle

 

Der Himmel ruhte noch im tiefsten Schweigen

Wie vor dem jüngsten Tag ein stilles Grab!

Und eben wolltest du dich seelig neigen

gerührt, bezwungen, sanft auf mich herab,

Die süße Gunst mir endlich zu erzeigen,

wofür ich Sterne, Sonn' u Mond dir gab:

Da brach ein Angstschrei durch des Himmels Hallen,

Als wollt die Welt aus ihren Fugen fallen.

 

Indem ich dir den Sternenschmuck errungen

Hatt' ich die Welt um Licht und Zeit gebracht

Deß' hatte sich die Klage aufgeschwungen,

Und schreiend lag die Erde in der Nacht

Der erst so friedlich in den Schlaf gesungen,

Gott Vater ist da zornig aufgewacht

Verweisend mir an meiner Schulter rüttelnd

Du flohst davon, den Schimmer von dir schüttelnd!

 

Du flohst davon und lachtest mit Behagen,

Indessen ich mit saurem Schweiß begann

Die Sterne wieder alle fort zu tragen,

Und sie zu ordnen mühsam mich besann

So hatte sich der Handel schon zerschlagen

Von welchem ich so bösen Lohn gewann.

Heut ist an dir das Träumen und das Dichten

Willst du mir nun die süße Schuld entrichten?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 231

Ich ging am grünen Berge hin, wo sich der Weih im Aether wiegt

Und reisemüd' der Sonnenstrahl ausruhend auf der Quelle liegt,

Wo wilde Rosen einsam blüh'n, die Föhre hoch den Gipfel kränzt

Und drüberhin noch eine Burg von weißen Sommerwolken glänzt.

 

Ich dacht' an Dich, mein süßes Kind, an unsrer Herzen stillen Schlag,

An unser heimlich Liebesband und was daraus noch werden mag!

Ich dachte noch gar mancherlei, was sehnend mir die Brust bewegt,

Und was auch jetzt im Traum vielleicht dein spiegelklar Gemüth erregt.

 

Und wie in solcher Weihezeit mein Gott schon manchmal zu mir trat

Erschien er jetzo in des Berges jugendgrüner Eichensaat.

Der jungen Stämme schlanke Schaar umwankte säuselnd seine Kniee,

So groß und herrlich ging er her vor meiner regen Phantasie.

 

Sein Haupthaar war wie Morgengold und wallte gar so reich u schwer

In den kristallnen Augen ruht' ein ätherblaues Liebesmeer

Ein Regenbogen zog um ihn als Gurt die edle Farbenlust

Er trug 'nen weißen Blüthenstraus von jungen Linden an der Brust!

 

Es traf mich seines Auges Strahl wie warmer Sonnenschein im Mai

Und als Er meinen Namen sprach, erhob mein Haupt ich stolz u frei.

Ich wuchs und blühte rasch empor, daß ich mir selbst ein Wunder schien

Und wandelte mit leichtem Schritt an Gottes hoher Seite hin!

 

Und plaudernd nun erzählte ich Gott all' mein irdisch Thun u Sein;

Doch alles dies besteht ja nur aus dir, aus dir, du feines Kind,allein!

Aus vollem Herzen sprach ich drum von dir, von dir die ganze Zeit,

Er aber spiegelt' lächelnd sich in meiner frohen Seligkeit!

 

Dann trug ich I<h>m auch klagend vor, wie ich so gar ein armes Blut,

Und bat darauf um Haus und Hof, um Bett und Schrein, um Geld u Gut

Um Garten, Feld u Rebenland, um eine ganze Heimath traut,

Darin ich Dich empfangen könnt als reichgeschmückte werthe Braut!

 

Es mußte doch einmal geschehn: drum schilt mich nicht u werd' nicht roth,

Hör' an, wie mir der Herr für dich gar eine schöne Mitgift bot!

Er sprach: Zu wenig u zu viel hast du verlangt, mein lieber Sohn

Drum thue ich noch viel dazu u nehm' ein wenig noch davon

 

Ich gebe Euch nicht Haus und Hof, doch meine ganze, reiche Welt,

Darinnen ihr Euch lieben könnt, wie's Euren Herzen wohlgefällt!

Zwei jungen Seelen ist zu eng das größte Haus, sei's noch so weit,

Doch finden sie noch eben Raum in meiner Schöpfung Herrlichkeit.

 

Der ganze Lenz soll Euer sein, so weit nur eine Blume blüht,

Doch nicht das allerkleinste Beet, um das sich eine Hecke zieht;

Ich gebe Euch kein Prunkgemach, kein Silberzeug, kein Kerzenlicht,

Weil Euch ob silbernem Bronnenschall sich Stern an Stern zum Kranze flicht.

 

Und Alles soll besonders blühn und schöner für Euch, wo Ihr geht,

Dieweil Euch für mein Paradies ein eigen Pförtlein offen steht

So führe deine junge Braut getrost in deine Heimath ein

Brautführer soll mein lieblichster und allerschönster Frühling sein!

 

Die Armuth sei die Ehrendam' bei deines Herzens Königin

Ihr hübscher, zarter Page sei ein immergrüner Jugendsinn

Zum Haushofmeister geb ich Euch ein leicht u fröhlich Gottvertrau'n,

Es ist ein klug erfahrner Mann, dürft auf ihn, wie auf Felsen, bau'n.»

 

Ist unser Haus nicht gut bestellt und auserlesen das Gesind?

So zaudre nun nicht länger mehr und folge mir, du blödes Kind!

Ich glaub', auf deinen Wangen spielt vom Morgenroth ein Widerschein:

So bald die Sonn' am Himmel steht, will ich als Freier bei dir sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 232

Die Sonne fährt durch's Morgenthor,

Goldfunkelnd über den Bergen.

Und wie zwei Veilchen im frühen Mai

Zwei blaue Augen, klar u frei

Die blühen auf ihren Wegen

geöffnet Ihr entgegen!

 

Glück auf! Mein Liebchen ist erwacht

mit purpurrothen Wangen!

Ihr Fenster glitzert im Morgenstrahl

Und alle Blumen in Garten und Thal

Erwarten Sie mit Sehnen,

Die Aeuglein voller Thränen!

 

Es ist nichts Schöneres in der Welt,

Als diese grüne Erde:

Wenn man darauf ein Schätzlein hat,

Ein Schätzlein, das da früh u spat

Still für mich lebt und blühet,

Ein heimlich Feuerlein, glühet!

 

Halloh! du schläfriger Jägersmann,

Wie reibst du deine Augen!

Ich hab' die ganze Nacht durchschwärmt

Und mich am Mondenlicht gewärmt

Und steige frisch und munter

Von meinem Berg herunter!

 

Mein Mädchen durch den Garten geht

Und singt halblaute Weisen!

Mich dünkt, ich kenne der Lieder Ton,

Was gilts, ich habe sie alle schon

Heut Nacht da droben gesungen?

Sie sind herüber geklungen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 233

Wie ein Fischlein in dem Netz

Hat der Dom mich eingefangen,

Und da bin ich fest gebannt,

Warum bin ich hingegangen?

Ach, wie unter Sonnenblumen,

Morgenfeucht ein Röslein blitzt

Zwischen breiten Bürgersfrauen

Dort mein feines Liebchen sitzt!

 

Die Gemeinde schläft u schnarcht,

Wie das Laub im Walde rauschet

Und der Bettler an der Thür

Wie ein Räuber auf sie lauschet.

Doch ein freundlich Wiesenbächlein

Murmelnd durch's Gebüsche flieht

So die lange, dünne Predigt

Schlängelnd durch die Kirche zieht!

 

Eichenbäume, alt und schlank,

All' die gothischen Pfeiler ragen

Hoch ein zierlich Blätterdach

Ihre breiten Aeste tragen

Drunter durch spielt hin und wieder

In den Dämmer der Sonnenschein

Wachend sind in dieser Stille

Meine Braut und ich allein.

 

Zwischen uns spinnt sich ein Netz

Buntgefärbter Sonnenstrahlen,

Die den Taufstein mitten drin

Feenhaft ganz übermalen.

Rosenketten, Liebesgötter

flattern um den alten Knauf

Und es wacht in unsren Herzen

Eine heiße Sehnsucht auf!

 

Weit hinaus, in's Morgenland,

Komm, mein Schatz, u laß uns fliehen

Wo die Palmen schwanken am Meer

Rosen hoch, wie Feuer glühen

Fluthend um die große Sonne

Grundlos tief die Himmel blau'n:

Angesicht's der freien Wogen

Frei u ewig uns zu trau'n!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 234

Schon war die letzte Schwalbe fort

Und längst seit vielen Wochen auch

Die letzte Lilje abgedorrt

Nach altem Erdenbrauch.

 

Es flimmerte der Buchenhain

Wie Rauschgold roth im Abendlicht.

Herbstsonne gibt gar sondren Schein,

Der manche Hoffnung bricht.

 

Da traf ich Sie im Walde an,

Nach der allein mein Herz begehrt,

Mit weißen Kleidern angethan

Vom rothen Schein verklärt

 

Sie war allein; doch grüßt ich Sie

Nur ehrfurchtsvoll im Weitergeh'n,

Weil ich Sie, seit ich liebte, nie

So still u schön gesehn.

 

Doch schaut aus ihrem Angesicht

Ein fremdes Etwas kalt hervor

Es lag vor ihrer Augen Licht

Wie leichter schwarzer Flor.

 

Es war, als ob dicht hinter Ihr

Ein Schatten schwebt' im Abendstrahl,

der gaukelnd, lachend gegen mir,

Ihr folgte durch das Thal!

 

«Mir ist ein Rival aufgewacht

Sprach ich u sah in's Abendroth,

Bis es erlosch und bis die Nacht

Die kalte Hand mir both!

 

Vergangen ist schon manches Jahr

seit jenem glühen Abendroth;

nun weiß ich, wer der Rival war:

Es war der blasse Tod!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 235

Ein lustiger Mediziner

War dazumal mein Freund;

Wir saßen bei vollem Glase

Um Mitternacht vereint.

 

Ich sprach ihm von meiner Liebe,

Indessen er zecht' u sang

Und meine Worte verhallten

Im wilden Gläserklang!

 

Doch sprach ich immer u stärker

Mit höherer Liebesgluth,

Ich wollte damit dämmen

Mein bange wallendes Blut.

 

Da wurde Er ungeduldig

Und sagte mit barschem Ton:

Ich kenne deine Geliebte

Und rathe dir ab davon!

 

Ich rathe dir ab, sonst bist du

Ein Wittwer im nächsten Mai,

denn dann liegt sie im Sarge

'ne Leiche, frank u frei!

 

Die Rosen sind eitel Hektik

Auf ihrem schmalen Gesicht

Ich hörte Sie heute husten

Und das gefällt mir nicht!

 

Wohl ist sie ein feines Wesen,

doch eben nur allzufein

Laß fahren den sterblichen Engel,

Sonst trift dich Kummer u Pein!

 

Die rohen Worte schnitten

mir tief in die Seele ein,

Und darum, weil leicht was Wahres

An ihnen konnte sein!

 

Jedoch mein armes Liebchen

Gewann einen Zauber mehr

Nein nein, sie kann nicht sterben,

Wir lieben uns gar zu sehr

 

Am Morgen ward ich ruhig,

Als die Sonne ins Zimmer fiel

Ich sah durch's Fenster fröhlich

Der jagenden Wolken Spiel

 

Ich rief: Er sprach's im Rausche

u ich war gestern ein Thor

Es lebe das rosige Leben

Und meine Liebe zuvor!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 236

Es schneit und eist schon manchen Tag,

Der Frost umfängt mich scharf und blank

Und wie ich mich gebehrden mag,

Nun liegt sie wirklich ernsthaft krank!

 

Verödet ist das Paradies,

Das sonst auf ihrem Angesicht!

Nur zitternd blieb und ungewiß

Der Augen mildes Sternenlicht!

 

Nur wenn ich alle Tag ein Mal

An ihrem Krankenlager bin

so fällt ein sichrer, klarer Strahl

Auf meine feuchten Augen hin.

 

Und wenn wir so beisammen sind,

dann lieb ich, still sie anzuschau'n

Und träumend um das liebe Kind

den Frühling wieder aufzubau'n!

 

Noch ziert den Mund ein leichtes Roth

und immer eines Kusses werth

Sie läßt's geschehen, weil die Noth

die Menschenkinder bethen lehrt!

 

«Ich lieb' nicht deinen Mund,

Nur deine Seele ganz allein,

Im Frühling wollen wir gesund

Und beide wieder fröhlich sein!

 

Und wenn der Arzt kommt, lügen wir

Ihn trostlich voller Hoffnung an

Doch hab' ich heimlich neben ihr

Zu Gott manch' heiß Gebeth gethan!

 

Das ist der erste Kummer, so

mir schwer u ernst in's Leben bricht

Wie werd' ich wieder leicht u froh,

Wenn ihm der Lenz das Urtheil spricht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 237

Ich habe Sie gesehen

Auf Blumen in einem Sarg,

das bleiche traute Antlitz

Ein weißes Tüchlein barg

 

Ich hob es in die Höhe,

Und legte meine Hand

Auf ihre dunklen Augen,

Auf ihre kalte Hand!

 

Auf ihre verschlossnen Lippen

Fahr wohl du blühendes Roth!

O weh mir! ich mußte sagen:

Nun wahrlich ist sie todt!

 

Da liegt die Sommerrose,

Die einst so purpur'n gelacht

Es hat ein fremder Künstler

Eine weiße aus ihr gemacht!

 

Da liegt sie so starr u traurig,

Als hätte sie nie gelebt!

Ach Gott! es nimmt mich wunder,

wo ihre Seele schwebt!

 

Kein Laut, kein Hauch, kein Ahnen,

kein Flüstern um mich her

Der Leib und ich in der Kammer

Und sonst so still u leer!

 

Ich habe gespielt mit dem Leben

Und habe den Tod verlacht

Nun ist er über mich kommen

ganz höhnisch über Nacht.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 238

Ich fahre mit den Winden

Die fächelnd vor dem Sommer wehn,

Wo Klang u Duft sich finden,

Kann man mich immer sehn!

 

Des Leben's süßes Schmeicheln

Gewann mich für den neuen Bund.

Nein, nein! ich mag nicht heucheln:

Ich fühle mich gesund!

 

Durch fremde Städt' und Auen

Trag ich mein Herz voll Sang u Klang

Die Blumen u die Frauen

Blühn mir den Weg entlang.

 

Die Blumen brech' ich gerne,

so oft mir's Eine angethan,

Doch sicher aus der Ferne,

schau' ich die Frauen an.

 

Ich lieb' sie in's Gemeine,

Wie einen vollen Rosenkranz

S'wär Schade, wenn ich Eine

entzöge solchem Glanz!

 

Doch fallen hin und wieder

Im Wind den Rosen Blätter ab,

die sinken in mich nieder

auf ein verborgen Grab.

 

Da liegt von welkem Schimmer

und Blüthenschutt ein dichter Flor

draus ragt das Grabmal immer

und lieblicher hervor!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 239

Durch's Frühroth zog das Wolkenschiff vor einem hellen Frühlingstag

Als ich, ein träumend Schülerkind, im morgenstillen Felde lag

Ein Falter streifte meine Stirn und vor mir eine Lilje stand,

Ich aber schaute drüber hin in's silber duft'ge Morgenland!

 

Das ganze Erdreich schwoll empor in tausendfacher Blüthenlust,

Doch mächtiger schwoll Traum an Traum u Bild an Bild aus meiner Brust

Das war die duftige Kinderwelt, an deren Scheide ich mich fand,

Die wie die erste Blüthe sich, am Lebensbaume, mir entwand!

 

Sie baute sich noch Ein Mal auf mit letztem Glanz, im letzten Flor,

Ein lieblich wunderlicher Bau, ein Feentempel stieg empor

von hundert Säulchen zart wie Glas, Altärlein, Nischen Bildchen drin,

Bepriestert war das Gotteshaus nach mystisch heilgem Kindersinn!

 

Und mitten in dem Tempel stand durchsichtig ein kristallner Sarg

Der eine rosenrothe Frau in blauen Liljen schlafend, barg.

Vier Riesen schliefen um den Sarg mit schlummernden Falken auf der Faust,

Sie nickten oft im Morgenwind, der ihnen um die Schläfe braust'

 

Da ging die Sonne flammend auf und schmolz den Tempel auf den Grund,

Nur in der wehenden Asche noch der Schrein mit seinen Wächtern stund

Worauf der wärmste Sonnenstrahl den Deckel von Kristall erschloß,

so daß der rosigen Schläferin der Tag sich in die Augen goß!

 

Und auch die Riesen wachten auf, die sandten ihre Falkenzucht

Aus in den goldenen Morgenschein nach aller Winde fröhlicher Flucht

Sie stiegen auf in's himmlische Blau u brachten in Einem Augenblick

der Dame vom kristalnen Sarg eine scheue weiße Taube zurück!

 

Mit Einem Wort: Es zog in mich die Jugendliebe strahlend ein

Das war die junge Taube wohl, die Dame mag die Sehnsucht sein

Die Riesen mit den Falken dann: der hohen Wünsche kühne Schaar

Die brachten meiner Sehnsucht bald ein zartes Wild zur Freude dar

 

Halb Kind, halb Jüngling, träumend noch, fand ich die Liebe im Morgenthau,

Ich trug sie singend in der Brust, heimkehrend von d. funkelnden Au'

Ein neuer Mensch, trat ich in's Haus u fand das lockige Mädchen da,

das schüchtern mir u ungewohnt, wegfliehend in die Augen sah.

 

O süße Stunde, die das Herz vom Herzen voller Sehnsucht reißt,

O Trennung, die schon im Entsteh'n auf schrankenlos Vereinen weis't!

Zieht ein mit eurem ganzen Hof, o Liebesweh u Seligkeit,

Zieht klingend <ein>, hier ist für Euch ein off'nes Feld u gute Zeit!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 240

Wohl ist die Lilje wunderbar,

Wenn stolz sie sich im Garten wiegt

In ihrem Kelche sonnenklar

langsam der Morgenthau versiegt;

Doch mag ich geh'n u wandern,

so weit nur Liljen stehn:

Ist keine vor der andern

Mit höherm Schmuck verseh'n

 

Von Glanz u Lust u Klarheit voll

Ist alle diese reiche Welt;

Weiß nicht, wo ich mich wenden soll,

Daß Schönheit nicht sich vor mich stellt

Nur du, nur du alleine

In all' der Zier u Pracht

Gleichst noch dem Mondenscheine

in heitrer Sternennacht

 

O lieblichste Vollkommenheit

Die niemand, als mein Herz, erkennt!

Wer hat dieß stille Licht geweiht,

Das nur für mich im Weltall' brennt?

Ich fühl es stärker immer

Daß dieser reine Strahl,

daß dieser eigne Schimmer

nicht ist zum zweiten Mal!

 

Das ist nicht Zufall, nicht Natur,

das aus den blauen Augen strahlt,

Das ist der Gottheit Sonnenspur,

Die sich in dieser Seele malt.

Ich ahn' es licht u lichter

Mein Herz, nun gieb es zu!:

Hier ist ein andrer Dichter,

u mächtiger, als Du!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 241

Mai 1845  Stoff vom Mai 44.

 

Feueridille  <ohne Follen-Korrekturen>

1.

Wild hallt der Schrei der Glocken durch die Nacht

Und Schüsse dröhnen von des Berges Wacht;

In allen Gassen tönt: es brennt! es brennt!

Und Jeder angstvoll an sein Fenster rennt.

 

Der erste Blick: Ist es in unserm Haus?

Der zweite mindert schon den Schreck und Graus,

Wenn weit, o weit die wunderschöne Glut

Behaglich dort am fernen Himmel ruht

 

Nun strömt der Neugier Bächlein ungehemmt

Und ungewaschen wohl und ungekämmt

Der ohne Strümpfe, Jener ohne Schuh'

Läuft alles nun dem seltnen Schauspiel zu.

 

Und manchem ehrlichen Philister bangt,

Es könnte enden, eh' er angelangt;

Auch der Poet, er watschelt mit hinaus

Und sendet seinen Kennerblick voraus!

 

Da wallt vom Berg mit ungebrochnem Lauf

Die Eine Flamme hell zum Himmel auf

Von Feuerliljen ein gewalt'ger Straus,

Wie eine Kerze brennt das alte Haus!

 

Es ist die allerschönste Maiennacht

Von Gold durchwirkt, tiefblau der Himmel lacht

Eng zwischen Gärten, voll von Frühlingsflor

Klimmt der Poet zum rothen Brand empor.

 

Da sitzt der helle Geist auf seinem Raub

Und macht den morschen Kram zu Asch' u Staub.

Umsonst belästigt ihn der Menschenschwarm,

Er wehrt ihn ruhig ab mit glühem Arm!

 

Es brennt der Hof dem reichen Bauersmann,

Der nie genug seh'n u erhalten kann.

Längst hat der Sohn ein neues Haus begehrt,

Wogegen sich der Alte stets gewehrt!

 

Nun steht er Da und schlottert jämmerlich

Weiß nicht zu rathen noch zu helfen sich

Doch Alle sind in guter Sicherheit

Kein Nachbarhaus gefährdet weit u breit.

 

Drum laßt uns keck ein wenig näher gehn,

Die heiße Wirthschaft besser zu besehn

Zu lesen in des Feuers Angesicht

Und was es heimlich zu den Sternen spricht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 242

II

Von Holz und Reisig eine hohe Wand

Seit langen Jahren um die Scheuer stand

Schon vieles ward vom Regen unbrauchbar

Doch jeder Herbst bringt neue Lasten dar.

 

Der letzte Winter brachte große Noth

Und manche arme Wittwe, frierend, both

Ihr armes Geld dem Mann für wenig Holz

Er aber gab's nicht her in seinem Stolz!

 

Nun flammt es auf im wilden Feuerflug

Mit Scheun' und Stall, Pferd, Wagen, Vieh u Pflug;

Die armen Weiber steh'n und schau'n es an

Und wärmen lächelnd ihre Hände dran.

 

Dieß Lächeln mag die bleichste Blume sein,

Die einstens ziert des Mannes Todtenschrein

Weh dem, der solchen Blüthenflor gesäet,

Wenn einst die Saat in reifen Knospen steht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 243

III

Seit alter Zeit her war des Hauses Wand

Von wuchernd dichtem Epheu überspannt,

Den liebt' der Bauer, sonst so liebeleer,

Weil er so gierig, alt und zäh', wie Er!

 

Nun brennt das dunkle Unkraut lichterloh

Und flackert in die Luft wie leichtes Stroh

Wer glaubte daß der alte schwere Kranz

So lustig hielte seinen Todtentanz?

 

Hei! Was fliegt da für Ungeziefer aus!

In ganzen Schwärmen flieht die Fledermaus;

Kreuzspinnen, Würmer, was da kriechen mag,

Kommt sterbend in der hellen Gluth zu Tag!

 

Was von Gespenstern u von Koboldsbrut,

Von alten Sünden auf dem Hause ruht,

Und was es sonst für Spuck u Sagen gab,

Brennt mit den alten Epheuranken ab!

 

[Den lange Nächte durch der Epheu trank,

Verscholl'ner Mondenschein schmilzt silberblank,

Ein alter Heidenschatz, von jedem Blatt,

Nun trinkt die wilde Gluth an ihm sich satt!]

 

Was mag wohl schimmern dort und seh' ich recht?

Was löst sich aus dem brennenden Geflecht

Und poltert da zu meinen Füßen her?

Ein tüchtig Kruzifix, von Golde schwer?

 

Einst riß der Ahn, vor manchem hundert Jahr,

Das Kreuz als Bilderstürmer vom Altar

Es blieb im grünen Rankenwerk versteckt,

Nun endlich hat's das Feuer aufgedeckt!

 

Zwar munkelt man, daß in verschlossner Brust

Die Enkel jederzeit davon gewußt

Sie hätten's nächtlich auf den Tisch gesetzt

Und sich an dem Geflunker oft ergetzt!

 

Nur Ein's reut mich: manch' zierlich Schwalbennest

hing traulich in den wirren Ranken fest

Wenn nun die liebe Schwalbe wiederkehrt

So findet sie ihr kleines Haus verheert!

 

Doch tröste dich; o Schwalbe zart u traut!

Ist erst der neue Giebel aufgebaut:

G'nug Winkel noch u Ecken findest du,

Daran du bauen kannst in stiller Ruh!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 244

4.

Da ist ein Buch, geschwärzt und halb verbrannt,

Wonach der Mann in Todesangst gesandt;

Ein Jüngling wagte dran sein junges Blut

Und trug's mit keckem Arme aus der Gluth.

 

Und gierig stürzt der Mann sich auf das Buch

Und – wirft es weg mit einem derben Fluch!

Sein dickes Schuldnerbuch hatt' er gemeint,

Nun – liegt die Bibel vor dem guten Freund!

 

Wie arg und undankbar ist diese Welt!

Wie schmählich nun der alte Mann sich stellt!

Erinnert ihn die Bibel nicht mehr dran,

Wie gütlich er sich oft an ihr gethan?

 

Wenn er am Sonntagabend vor ihr saß

Und schmunzelnd dann von dem Kameele las,

Dem Nadelöhre und dem Himmelreich,

Wie ward ihm das Gemüth da froh u weich!

 

Wie manchen Bettler, hungerig u matt,

Macht' er mit schönen Bibelsprüchen satt

Betheurend hoch und feierlich dabei

Daß dieß sein reichster Trost u Hausschatz sei!

 

Nun liegt das alte Buch zertreten hier

Geschmolzen ist der Ecken Silberzier!

Zerriss'nen Angesichtes liegt im Koth

Das einst so hoch gepries'ne Lebensbrot!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 245

5

Ich denke d'ran mit wehmuthsvollem Schmerz

Wie rettungslos ein königliches Herz

Indeß das Haus in Rauch und Schutt verfliegt,

Tief unter ihm in schnöden Banden liegt

 

Goldfarbner Löwe, seufzt' der edle Wein

Seit Jahr u Tag im dunklen Eichenschrein

Und ob ihm trampelte der graue Wicht,

ließ keinen Tropfen an das Tageslicht!

 

Wenn still der Sonnenschein das Haus umfing

Und singend ein Gesell vorüberging,

ein fröhlich dürstender, mit heißem Blut

Dann wallt' es unten auf mit süßer Wuth!

 

«O laßt mich an des Tages goldnen Blick

Ich bring' Euch Freiheit Freude Lieb' u Glück!

Laßt schäumend mich entgegensprüh'n dem Lied

das aus der hellen Menschenkehle zieht!»

 

Umsonst verhieß er reichen Minnelohn,

Gefesselt blieb der goldne Sonnensohn

Nicht wahr, Ihr Alle, die ihr Herrscher heißt:

Es ruht sich süß auf unterdrücktem Geist? –

 

Nun wankt und stürzt das morsche Sündenhaus

Doch unter seinen Trümmern athmet aus,

Verschollen, was so lang das Licht gesucht –

Heil unsrer jungen Reben süßer Frucht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 246

6.

Ein Apfelbaum in voller Blüthe steht,

Ein leichter West in seinen Zweigen weht

Er schaut verklärt vom blutig rothen Schein

Verwundert auf den wilden Brand herein!

 

Es ist, als ob der helle Glanz ihn freut',

Weil Blüthenblätter in die Glut er streut

Er athmet ein des Feuers heißen Hauch

Um seine Krone spielend zieht der Rauch!

 

Da plötzlich langt herüber aus dem Brand

In seine Aeste tief die Flammenhand

Zu Kohlen brennt der schöne Blüthenbaum –

Hin ist ein dichterlicher Lebenstraum!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 247

7.

Dort gegen Westen traulich unterm Dach

liegt hoch und abgeschieden das Gemach,

Das sich des Hauses Töchter jederzeit

Zum stillen Allerheiligsten geweiht!

 

Es ist ein eng und niedrig Kämmerlein

Mit runden Scheiben und uraltem Schrein

Drin Bänder, Kettlein, Herzchen aller Art

In manigfachen Kästlein wohlverwahrt.

 

Am Fenster steht das Spinnrad und davor

Der zartgepflegte bunte Blumenflor

Gelbveiglein Nelken Rosen ohne End'

Und wie man all' das liebe Zeug benennt.

 

Manch nächtlich Lied hat hier herauf^getönt

Und diese Fensterlein sind dran gewöhnt

Geräuschlos blinkend, heimlich aufzugeh'n

geöffnet ganze Nächte durch zu steh'n.

 

Und manche Leiter wurde aufgethürmt

Und auf die Liebeswarte kühn gestürmt;

Ob stets das Rosengitter widerstand,

Gehört zu den Geheimnissen im Land!

 

Auch jetzt ist eine Leiter angelegt

Die einen Schwarm geschwärzter Männer trägt

Im rothen Mantel stürmet in die Thür

Ein Freiersmann mit flammendem Panier!

 

Und vor ihm fährt ein Knäuel, wirr und kraus

Erschreckter Liebesgötter fliehend aus

Das flattert irrend in der Frühlingsluft,

Verfliegend wie verbrannter Ambraduft!

 

Das ganze Fenstergärtlein stürzt herab

Und findet in der Glut sein feurig Grab

Ob all' die stille schöne Liebeswelt

wohl rettungslos damit zu Asche fällt?

 

Mir ist nicht bang; ist neu das Haus erbaut,

Man sicher wieder dran ein Fenster schaut

Mit Rosen Gelbveiglein u Nelkenzier,

Denn solches muß man haben für u für!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 248

8.

Welch' lieblich Wunder nimmt mein Auge wahr?

Da fließt ein Brünnlein gar so frisch und klar,

Ein holzgeschnitzter Meergott gießt den Trank

Auf eine ausgehöhlte Eichenbank.

 

Der Westwind hat die Glut heran geweht

Der alte Gott in vollen Flammen steht

Und aus der Feuersäule springt der Quell

Des Wassers munter und krystallen hell!

 

Wie klingend springt der schöne Silberstrang

Gleich jenem Kleeblatt, das im Feuer sang

Du klares Leben, ew'ger Wellenschlag

Wer sendet aus der Tiefe dich zu Tag?

 

Ich glaubt', ein Brunnenhaus sei feuerfest –

Nun ist ein Häuflein Kohlen hier der Rest;

Die Quelle aber rieselt frisch und rein

Auch über Kohlen in die Welt hinein!

 

Wer weiß, wie lange schon der Bergquell springt,

Wer weiß wie lang er noch zum Lichte dringt?

Auf! schnitzelt einen neuen Brunnenmann,

Der wieder hundert Jahr' ihn fassen kann!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 249

9

Zu loben ist der Männer kühner Muth

Womit sie ringen mit der heißen Gluth,

Zu retten, was man irgend retten kann

doch ist nicht Redens werth, was man gewann!

 

Das Beste ist ein alter Todtenkranz

Erinnerung an hohen Jugendglanz

An irgend einen früh gestorbnen Sohn

An einen längst verhallten Harfenton!

 

Mit welken Blättern liegt er in der Au

Und auf ihn fällt der milde Maienthau

Die blassen Bänder wehn im Morgenwind

Daneben zitternd wacht ein schwaches Kind!

 

Wie leicht und dürr der alte Kranz mag sein,

Man wird ihm wieder eine Stelle weihn

Im neuen Bau, hoch an der Stubenwand

Als des Vergangnen letzten welken Pfand!

 

Da wird er still auf's junge Leben seh'n

Und dieses ehrend ihm vorübergehn,

Bis daß sein letztes leichtes Band zerstiebt

Und man den nackten Reif dem Feuer giebt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 250

10.

Der Flammenkelch ist endlich ausgeglüht

und drob die Himmelsrose aufgeblüht;

Sie glänzt auf Kohlen, wo die Wohnung stand,

Verschwunden ist das morsche Werk der Hand!

 

Woran der Mensch die Todtenhände legt

Und was er diebisch scheu zusammenträgt,

Hin ist nun Alles, was nach Richt und Maaß,

Gefügt, gebunden auf einander saß!

 

Doch Ihr erglänzet mir unwandelbar

Ihr Morgenlande, wonniglich und klar,

Ihr Berg' u Thäler voller Knospendrang,

Voll Quellenrauschen u voll Frühlingssang!

 

O Ueberfülle, die zum Lichte schwillt,

O Blüthenwirbel, der da überquillt

Und überwuchert, wo die Sünderhand

Ihr Maß will legen auf das reiche Land!

 

Das ist die Nachhuth, die den Rücken deckt,

Drum auf zum Werke, Menschheit, unerschreckt!

Bau auf, reiß' nieder u bau wieder auf,

Das Jahr geht immer seinen milden Lauf!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 251

Bei Dr. Steigers Befreiung und Ankunft in

Zürich. Freitags d. 20_t. Juni 1845.

 

Mit deinem Adelsbriefe wohl versehen,

Dem Todesurtheil mit dem argen Riß,

Sehn wir dich jugendlich und frisch erstehen

Aus deines Grabes kalter Finsterniß.

Des Unglücks Feuertaufe auf dem Haupte

Den letzten Kettenring noch an der Hand:

So schreitest du durch dieses jungbelaubte,

Und doch so tiefgebeugte Vaterland!

 

Und wo du gehst, da weckst du auf den Bergen

Die hellen Freudenfeuer ohne Zahl

Doch hinter dir, da stehn die röm'schen Schergen,

Geblendet noch von des Gerichtes Strahl,

Der Apostat, deß' Name nun zertreten,

Im Staube an des Volkes Sohlen klebt,

Indeß den Deinen es mit lautem Beten

Und dankbar kindlich zu den Sternen hebt!

 

Es grüße dich das goldne Licht der Sonne,

Dich grüßt die Freiheit und das Vaterland,

Es grüßen dich mit lautem Schlag der Wonne

Viel tausend Herzen freudig zugewandt

Nimm hin in vollem Maß des Volkes Liebe,

Und seinen Dank, den es den Helden zollt

Der Männer Lärm und jubelndes Getriebe –

Des Weibes Thräne, die im Stillen rollt.

 

Nimm hin die Lieder und die Festgesänge,

Es lauscht ein heilger starker Zorn darin

Die bittre Klage in dem Lustgedränge,

den Dorn, den diese Rose birgt, nimm hin

Denn was dem müden Volk das Herz durchzittert,

legts heimlich in die Grüße mit hinein;

Ob's nun in Freude oder Leid gewittert,

Es wird nicht minder ein Gewitter sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 252*

d. 18_t. Juli 45.

An Frau Caroline Schulz, als sie in den

Jahrbüchern d. Gegenwart eine etwas übertrieben lobende

Recension über meine ersten Gedichte ergoß.

 

Wenn aus dunkeln Tannenbüschen

kritisch lungerndes Gesindel

schäbig feige Wegelagrer,

Die in ihres Bettelsack's

bodenlosen schwarzen Gründen

nichts als schlechte Kupfermünze,

Krummen, dürre Käserinde

und dergleichen mit sich führen –

Auf den wandernden Poeten,

der da harmlos, geht und singt,

Ihre schlechten Witze senden,

Ihres Neides stumpfe Pfeile:

O dann nimmt er von der Straße

Nur den ersten besten Stein,

Werfend ihn nach dem Gesträuche,

Und das feige Pack verkriecht sich,

Schneutzt und reibt die wunde Nase,

Froh, daß man es nicht erkannt!

 

Aber wenn der gute Dichter

Nächtlich durch die Straßen wandelt

Träumerisch im Mondenlicht

Und von blumigem Balkone

Hinter Ros'- u Myrthenstöcken

Oder gar aus kleinem Fenster

Mit romant'schen Epheuranken

Lauschende verborgne Frauen

Ueberschwenglich ihres Lobes

Eine ganze Sündfluth gießen

Auf den Dichterling herab:

Rosenöhl und köll'nisch Wasser,

Mandelmilch und Limonade

Und dergleichen süßes Zeug:

Ach dann bleibt ihm gar nichts übrig,

Als den nassen Kopf zu schütteln,

Dumm verblüfft empor zu schauen,

Rufend: O ich bitte sehr!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 253

Glattfelden d. 27_sten Juli 1845.

Ein Winkel am Rheine

 

Da wallt das grüne Wogenband

des Rheines Wald und Au' entlang:

Jenseits mein lieb Badenserland

Und hier schon Schweizer Felsenhang!

 

Da zieht er hin aus tiefer Brust

Mit langsam stolzem Odemzug;

Und über ihm spielt Sonnenlust

Und Eichenrauschen, Falkenflug!

 

Kein Schloß kein Dom ist in der Näh'

Nur Wälder schauen in die Fluth

Von Deutschland schwimmt ein zitternd Reh

herüber, wo es auch nicht ruht!

 

Und in der Stromeseinsamkeit

Vergess' ich all den alten Span,

Begrabe den verjährten Streit

Und hebe hell zu singen an:

 

«Wohl mir, daß ich dich endlich fand,

Du stiller Ort am alten Rhein,

Wo ungestört und ungekannt

Ich Schweizer kann und Deutscher sein!

 

«Wo ich hinüber rufen mag,

Was freudig mir das Herz bewegt

Und wo der klare Wellenschlag

Den Widerhall zurück mir trägt!

 

«O steigt zum Himmel, Lied und Wort!

Schwebt jubelnd ob dem tiefen Rhein!

Hier ist ein stiller Freiheitsport

Hier sind wir mit dem Rhein allein!

 

Da raschelt's drüben und der Scherg

lauscht zweigefärbt durch's dunkle Grün

Ich fliehe schnell hinan den Berg –

du stiller Ort am Rhein – fahr hin!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 254

Den 30_st. Juli  Auf der Landstraße

 

Zieht eine arme Pilgerin,

Gebückt und schwach am Bettelstab

Zur gnadenreichen Jungfrau hin;

der Rosenkranz rollt auf und ab.

Obwohl er sie nicht hindern kann,

Auch ihres Leibes zu gedenken

Und auf den rüst'gen Wandersmann

Demüthig ihren Blick zu lenken.

 

«Mein junger Herr! erbarmet euch,

Wie Gott euch mög barmherzig sein

Er geb' euch einst sein Himmelreich

Un<d> seinen Segen obendrein»

«"Ich glaube nicht an deinen Gott

Für den dort deine Kugeln rollen

Drum schien es selbst mir arger Spott

Würd' ich dir eine Gabe zollen!"»

 

O Herr! geht immer euren Lauf

Auf eurer Straße, weltbestaubt!

Gott hebt euch seinen Segen auf,

Bis ihr allendlich an ihn glaubt.

Und dankend nimmt sie meinen Sold

Und bethet fort auf ihren Wegen!

Ich habe mich davon getrollt

Mit ihrem christkathol'schen Segen.

 

Bei allen Göttern dieser Welt

Leg' ich ein kleines Sümmlein an

Sagt, wenn dereinst der Würfel fällt,

Ob es mir wohl noch fehlen kann?

Und läug'nen Alle einst die Schuld,

Ich weiß gewiß, es hat mein Lieben

Der wahre Gott in seiner Huld

Mir zahlbar dann und gut geschrieben!

 

Ein schrankenloser Leichtsinn soll

In diesem Streit m<ein> Schildknapp sein!

So leb' ich muth u freudenvoll

So lang nur Herz u Sinne rein.

Ich lieb' es, so mir halb bewußt

Am offnen Abgrund hinzustreifen

Und über mir laß ich mit Lust

Das Aug' in's grundlos Blaue greifen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 255

August 1845

 

O Kirchhof, du erstarrtes Meer

Von blühenden Grabeswogen!

Manch Schifflein, freuden- und leidenschwer,

hast du hinabgezogen

Auf den Grund deiner wallenden, grünenden Fluth,

Wo der Tod, ein riesiger Kraken, ruht!

 

Ich sah ein Schifflein von Tannenholz

Mit Kränzen und Bändern gezieret

Drin lag eine Schifferin, bleich und stolz

Von schwarzen Delphinen geführet!

Wo ist nun die Well', wo das Schiff versank,

Der Sarg, wie die Leiche, so fein und schlank?

 

Ich kenn' sie am glühenden Rosenflor,

am rothen Korallenhaine,

Draus funkeln viel hundert Perlen hervor

Thautropfen <im> Morgenscheine

Sonst ruhten Korallen und Perl auf dem Grund –

Hier thun sie sich oben dem Lichte kund!

 

Ich senke mein Herz wie ein schweres Blei,

Ein Lootse, hinab in die Tiefen

Ich wandle, wie Christ, auf den Wogen frei,

Als die zagenden Schüler ihn riefen;

Doch lieber möcht' ich versinken drin,

Wie Petrus der Schwache mit zweifelndem Sinn!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 256*

M<ein> Liebchen liegt im Rasengrün

das arme schöne Kind

doch ist es nur b. Tage wohl,

daß wir geschied<en> sind

 

Bei Nacht schürzt es sein Leichentuch

Und steigt aus seinem Schrein

Dann können wir drei Stunden lang

Vergnügt be`i¿sammen sein

 

Dann schmink ich ihr die Wangen roth

Und flechte ihr gold'nes Haar

Dann mach' ich ihr die Augen auf,

So himmelblau und klar!

 

Wir spielen mit dem Lilienstraus

der ihr am Busen stekt,

Und mit dem weißen Rosenkranz,

Der seine Stirn bedeckt.

 

Und wenn bei Sang u Trinkgelag

Ich mich verspätet hab'

Läßt es zum Gruß die Augen mir

Zurück auf seinem Grab!

 

Es denkt: Ich brauche sie ja nicht

In meiner Grabesruh!

Daß drunten es der Tod nicht merkt,

Drückt es die Lider zu!

 

Siehst du die blauen Sterne dort,

die zwei, im grünen Kraut?

Das ist des Liebchens Augenpaar,

Das sehnend nach mir schaut!

 

Du lachst und sagst, es seien ja

Johanniswürmer zwei?

Du bist ein Narr, was man sich wünscht,

Das dichtet man herbei!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 257

An der Glatt.

 

Hell im Silberschaume flimmernd

Zieht und singt des Baches Welle

Goldengrün und tiefblau schimmernd

Küßt sie flüchtig die Libelle;

Und ein Drittes kommt dazu,

Eine Blüthe hergeschwommen;

Doch sie haben drauf im Nu

Heitern Abschied schon genommen!

 

Und die Esche beugt sich drüber,

Schaut in Ruh das holde Treiben,

Denkt: Ihr Lieben, zieht vorüber,

Ich will grünen hier und bleiben!

Und ich unterm Eschenbaum:

Was soll denn mit mir geschehen

In dem reizend leichten Traum,

Soll ich bleiben, soll ich gehen?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 258*

Um die Schönste der Wasserrosen

Schleicht der buhlende Sonnenstrahl,

Klagt ihr unter schmeichelndem Kosen

Sehnend seine brennende Qual

 

Endlich vermag er sie zu besiegen

Wiegt sich an ihrer weißen Brust,

Ist in sie hinab gestiegen

Und sie schließt sich mit stiller Lust.

 

Auf geheimen, grünen, feuchten

Wendeltreppen steigt der Strahl

Mit durchdringendem Liebesleuchten

In den tiefen smaragdenen Saal.

 

Liegen dort die gestorbnen bleichen

Sternenstrahlen sonder Zahl

Und auf den zarten Silberleichen

Schläft ein träumender Mondenstrahl.

 

Aber geweckt vom blendenden Scheine

Stirbt auch er in der höheren Gluth,

siegend der Sonnenstrahl alleine

Tief im Herzen der Blume ruht!

 

Und die Schönste der Wasserrosen

Um den nächtlichen Liebling weint,

Während des Siegers heißem Kosen

Sie sich ganz zu ergeben scheint!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 259

Waldesrauschen.

 

Ast in Ast und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen,

Heut' hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen.

 

Fern am Rand fing eine junge Eiche an sich sacht zu wiegen

Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen!

 

Kam es her in mächt'gem Zuge, schwoll es an zu breiten Wogen,

Wälzend her sich auf den Wipfeln kam die Sturmesfluth gezogen.

 

Und nun sang und pfiff es graulich in den Kronen, in den Lüften

Und dazwischen knarrt und dröhnt es unten in den Wurzelgrüften

 

Manchmal schwang die höchste Eiche gellend ihren Schaft alleine,

Donnernder erscholl nur immer drauf der Chor vom ganzen Haine!

 

Einer wilden Meeresbrandung hat das schöne Spiel geglichen

Alles Laub war weißlich schimmernd starr nach Süden hin gestrichen!

 

Und im tiefen feuchten Moose saß ich stumm in mich gekauert

Von den wunderlichen Weisen, mich umwogend, froh durchschauert.

 

Kein Gesang ist so erbaulich, wie des Waldes heilig Rauschen

Tage lang und dunkle Nächte könnt' ich seinem Tosen lauschen

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 260

Föhrenwald.

 

Aber auch den Föhrenwald

Laß ich mir nicht schelten

Wenn mein Jauchzen widerhallt

In dem sonnerhellten!

 

Heiter ist's und aufgeräumt,

Und der hohen Föhren,

Wenn die Luft in ihnen träumt,

Wanken schön zu hören!

 

Schlanken Königskindern gleich

Steh'n sie licht im Bunde

Jedes erbt sein Königreich

In dem grünen Grunde!

 

Aber oben eng verwebt,

Eine Bürgerkrone

Die Genossenschaft erhebt

Stolz zum Sonnenthrone!

 

Schmach u Gram umfängt sie nie,

Nimmer Lebensreue

Schnell und feurig wachsen sie

In des Himmels Bläue!

 

Oftmahls kreist ein junger Weih

Ob dem Wipfelwehen;

Hören kann man sein Geschrei,

Aber ihn nicht sehen!

 

Wenn ein Stamm im Sturme bricht,

Halten ihn die Brüder,

Und er sinkt zur Erde nicht,

Schwebend hängt er nieder

 

Weihrauchwolken ein und aus

Durch die Räume wallen;

Wie in einem Gotteshaus

Duftet's in den Hallen!

 

Wenn die Abendsonne ruht

Oben in den Aesten

Macht sich in der Purpurgluth

Föhrenwald am Besten!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 261

Der Rhein. – Rheingruß.  <1. Fassung>

 

Etwas graue Nagelfluh,

Ein par Dutzend Eichen:

Kann das Thal in seiner Ruh

Manchem andern gleichen.

 

Kommt der Rhein mit seinem Ruhm

Und den grünen Wogen

Durch das stille Heiligthum

Ernst und tief gezogen!

 

Und auf einmal ist es nun

Klassisch Land am Rheine,

Mag die Sonne auf ihm ruhn

Hell mit ihrem Scheine!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 262

Abendlied an die Natur.

 

Hüll' mich in deine grünen Decken

Und lulle mich mit Liedern ein!

Bei guter Zeit magst du mich wecken

Mit eines jungen Tages Schein!

Ich hab' mich müd in dir ergangen

Mein Aug' ist matt von deiner Pracht

Nun ist mein einziges Verlangen

Im Traum zu ruh'n in deiner Nacht!

 

Der Kinderaugen freudig Leuchten

Schon fingest du mit Blumen auf

Und wollte junger Gram sie feuchten:

Du legtest weiche Lindrung drauf!

Ob wildes Hassen, maßlos Lieben

Mich seither auch gefangen nahm,

Bin ich doch immer Kind geblieben,

Wenn ich zu dir in's Freie kam!

 

Geliebte, die mit ew'ger Treue

Und ew'ger Jugend mich erquickt

Du einz'ge Lust die ohne Reue

Und ohne Nachweh mich entzückt.

Sollt ich dir jemahls untreu werden,

Dich kalt vergessen ohne Dank:

Dann ist mein Fall wohl nah auf Erden,

Mein Herz verdorben oder krank!

 

O steh' mir immerdar im Rücken

Bin ich im Feld mit meiner Zeit

Mit deinen hellen Mutterblicken

Verfolge mich im wärmst`en Streit

Und sollte mich mein Stündlein finden,

Schnell decke mich mit Rasen zu!

O selig Sterben und Verschwinden

In deines Urgrunds tiefste Ruh!

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 263

Ich liege beschaulich

An klingender Quelle

Und senke vertraulich

Den Blick in die Welle.

Ich such' in dem Schäumen

Weiß selbst nicht, wonach?

Verschollenes Träumen

Wird in mir wach!

 

Da kommt es gefahren

Mit lächelndem Munde

Vorüber am klaren

und sonnigen Grunde!

Sein Aug' auf mich schaute

Mit tiefblauem Licht

Das alte vertraute

Weltangesicht!

 

Wohin ist's geschwommen

Im Wellengewimmel?

Woher ist's gekommen?

Vom blauenden Himmel:

Denn als ich in's Weben

Der Luft hab' geseh'n

Da sah' ich noch eben

es dort vergeh'n!

 

Ich seh' es fast immer,

Wenn's windstill u heiter,

Und stets macht sein Schimmer

Die Brust mir dann weiter!

Doch wenn sein Begegnen

Die Seele bedarf

Wird selbst es im Regnen

mir deutlich und scharf!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 264

Ein Fischlein steht im kühlen Grund,

Durchsichtig fließen die Wogen;

Und senkrecht ob ihm hat sein Rund

Ein schwebender Falk gezogen.

 

Der ist so klein u fern zu sehn

Ein Punkt im blauen Dome;

Er sieht das Fischlein ruhig stehn

Glänzend im tiefen Strome!

 

Hinwieder auch das Fischlein sieht

In's Blaue durch seine Welle –

Ich glaube gar, die Sehnsucht zieht

Ein's an des Anderen Stelle!

 

Wenn man so frei, so kühl, so hoch,

Wie ein Fisch oder Falk kann schweben,

Dann ist am End dies Sehnen noch

Der beste Theil vom Leben!

 

Doch wer mit lahm gebognem Knie

Wie ein Wurm im Staub muß liegen,

Der zähme seine Phantasie,

Lern' schwimmen erst oder fliegen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 265

Sieh! kaum glimmt des Stromes Spiegel

Silbern noch im Dämmerlicht!

Und schon schlägt die Sammetflügel

Mir ein Falter in's Gesicht!

 

Sieh den Abendstern dort blinken,

Ungewöhnlich schön und hell!

Lieblich ist und klar zu trinken

Dieser Nachtluft kühler Quell.

 

Komm heraus, du junges Leben!

Komm, so leis dein Fuß dich trägt!

Hoch in Lieb' und Traum zu schweben,

Wär' ich jetzo aufgelegt.

 

Und ich habe Dir zu Ehren

Einen guten Freund gebracht

Er will uns die Minne lehren

Durch die kurze Sommernacht!

 

Liebeslieder sollen schallen,

Die vor siebzig Jahren schon

Unsern Mütterlein gefallen;

Rein klingt ihrer Weise Ton.

 

Laß uns einmal rückwärts fliegen

In die Zeit, die still und fern!

Dieser Laune dich zu schmiegen,

Weiß ich, thust du zwiefach gern! –

 

– «Sie kommt nicht?» – fragt mein Begleiter,

«Und schon wird es morgenroth!»

«Ach s'ist wahr!» so sag' ich weiter,

Denn sie ist, wie du, schon todt!

 

«Armer Hölty, du kannst gehen,

Traurig such' dein kühles Haus!

Sieh, das graue Morgenwehen

Lacht uns alte Kinder aus!»

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 266

Sommer.  30_t. December 45

 

Mir ist, ich trag' ein grünes Kleid

Von Sammet und die weiche Hand

Von einer schweigsam stillen Maid

streicht es mit ordnendem Verstand

 

Wie sie so freundlich sich bemüht,

trag' ich die leichte Unruh gern

Indeß sie mir in's Auge sieht

mit ihres Auges blaue`n¿ Stern.

 

So deckt der weiche Buchenschlag

Gleich einem grünen Sammtgewand,

so weit mein Auge reichen mag,

das hügelübergoss'ne Land

 

Und sachte streicht darüber hin

mit weicher Hand ein leiser West,

der Himmel hoch mit stillem Glühn

sein blaues Aug drauf ruhen läßt

 

Uns beiden ist, dem Land u mir

so innerlich, von Grund aus, wohl –

Doch schau, was schleicht im Feldweg hier

Den Blick so scheu, die Wange hohl

 

Ein Heimathloser sputet sich

Waldeinwärts durch den grünen Plan –

Das Menschenelend krabbelt mich

wie eine schwarze Erdspinn' an!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 267

Sonntag d. 31 August 1845.

Ça ira!

 

«Es wird schon gehn!» ruft in den Lüften

die Lerche in den frühen Tag

«Es wird schon gehn!» rollt in den Grüften

ein lang nachhallender Donnerschlag

«Es geht!» rauscht es in allen Bäumen;

Und wie ein milder Flötenton:

«Es geht schon!» lispelt's in den Träumen

Der fieberkranken Nation!

 

Die Städte werden wach und munter,

«Es geht» erschallt von Haus zu Haus!

Schon steigt der Ruhm in sie herunter

Und wählt sich seine Kinder aus!

Die Morgensonne ruft: Erwache,

O Volk, und eile auf den Markt

Richt' auf ein Forum deiner Sache,

Im Freien nur ein Volk erstarkt!

 

«Trag' all' dein Lieben und dein Hassen

Dein Freud und Leid im Sturmesschritt,

Dein blutend Herz frei durch die Gassen,

Ja bring' den ganzen Menschen mit!

Laß strömen all' dein Sein und Denken

Und kehr' dein Innerstes zu Tag!

Die Kindheit braucht dich nicht zu kränken,

Wenn du ein Kind von gutem Schlag!»

 

Die Morgensonne ruft: Erwache!

klopft unterm Dach am Fenster an,

Steh' auf und schau' zu unsrer Sache,

Sie geht, sie geht auf guter Bahn!

Ich lege Gold auf deine Zunge!

Ich lege Feuer in dein Wort

So mach' dich auf, mein lieber Junge

Und schlag' dich zu dem Volke dort!»

 

«Es wird schon gehn» empfängt die Menge

Ihn donnernd auf dem weiten Plan,

Stolz trägt sein Kind das Volksgedränge

Zur Rednerbühne hoch hinan

Nun geht ein Leuchten und Gewittern

Aus seinem Mund durch jeglich Herz;

Durch goldne Sääle weht ein Zittern!

Es wird schon geh'n – schon schmilzt das Erz!

 

Die Bauern wollten Korn verkaufen,

Als sie die schmucke Wirthschaft sè¿h'n

Hei wie sie aus den Thoren laufen

Dorfzu: Heut' aber muß es geh'n!

Die Thürme fangen an zu schwingen

Und tönen; wie ein eh'rner Schild

Die Glocken fangen an zu klingen

Durch's Mittagstille Lenzgefild!

 

Und überall wird es lebendig

Das Land eröffnet seinen Schooß

Nun eher wär' ein Lied nothwendig:

«Das Volk steht auf, der Sturm bricht los!»

Und durch das Singen und das Lachen

Zieht kummervoll die «Truppenmacht»

Mit Gott, ihr Brüder! s' wird sich machen,

Es hat sich vieles schon gemacht!

 

Wie eine Braut am Hochzeittage,

So ist ein Volk, das sich erkennt!

Wie morgenroth vom heißen Schlage,

Vom Liebespuls, ihr Antlitz brennt!

Zum ersten Mal wird sie es inne,

Wie schön sie sei und fühlt es ganz

<So stehet in der Freiheitsminne

Das Volk mit seinem Siegeskranz.>

 

Ich hab' ein grünes Reis geschnitten

Von einem abgestorbnen Baum

Ich sah ein Volk, das heiß gelitten

Durch tausendjähr'gen schlimmen Traum

Ich hab' das selbe Volk erwachend

Im Morgenglanze drauf geseh'n

Und gründlich fest sein Tagwerk machend

Sang es dazu: Es wird schon gehn!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 268*

September 1845.

Rhein.

 

Jetzt noch zwei Schritte oder drei

Und fröhlich sind wir schon dabei;

Da lenkt er her die stolze Bahn,

Ein altes Städtlein klebt daran!

 

Es muß ein eigen Wandern sein

Am alten sagenreichen Rhein!

So oft er mir vorüber zieht,

läßt er erklingen mir ein Lied.

 

So mach ich ein Gelübde draus,

das halt ich ihm Jahr ein und aus:

So oft ich über ihn geh' oder fahr'

Will ich ihm bringen ein Verslein dar!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 269*

Auf hoher Bergeshaide jüngst ich ging;

Vor meinen Augen tanzt' ein Schmetterling;

In gleicher Richtung, ferne, schwebt' ein Aar,

Stellt' sich als Punkt am Horizonte dar!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 270*

2_t. Sept.   Auf den Hügeln von Eglisau.

 

Es ist ein wenig unbequem

doch nichts so schön und angenehm

Als Abendsonnenwärts zu gehen;

Wie blendend sie in's Aug' mir bricht,

Ich lieb', mit vollem Angesicht,

Rasch wandelnd, fest in sie zu sehen!

 

Sie überschüttet mich mit Gold,

Das mir von Haupt zu Füßen rollt

Und vor mir her auf allen Pfaden!

Wie herrlich ist's, mit Berg und Thal

Im Einen Meer, im Einen Strahl,

Im Einen Glanz mich satt zu baden!

 

O wenn einst Alles fehlen und

Mißlingen sollt' bis auf den Grund,

Ich wüßt' kein schöner End' zu finden

Nach so viel Täuschung, so viel Pein,

Als, sinkend in dem falschen Schein,

So an der Sonne zu erblinden!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 271

September 45.

 

Jüngst stand Ich mit dem ersten Frühlicht auf

Und nahm hinaus in's Freie meinen Lauf,

Wo silbergrau die Morgendämmrung lag,

Umflorend noch den rosenrothen Tag!

Mich einmal satt zu gehen auf den Feldern

Vom Morgen^früh bis in die Späte Nacht,

Ein bleibend Lied zu holen in d. Wäldern,

hatt' ich zum festen Vorsatz mir gemacht!

 

Rein war der Morgen, bald zum Tag erhellt,

Der volle Liebespuls schlug durch die Welt

Die Lüfte wehten und der Vogel sang

Die Eichen wuchsen und die Quelle sprang,

Die Blumen blühten und die Früchte reiften

Ein jeglich Gras that seinen Odemzug

Die Berge standen und die Wolken schweiften

Und fächelnd mich des Lebens Schwinge trug.

 

Ich schlenderte den lieben Tag entlang

Im Herzen schlummerte der Hochgesang

Es brach sich Bahn der Wachtel leichter Schlag

Jedoch mein Lied es rang umsonst zu Tag.

Es ward Mittag, ich lag an Silberflüssen

Und sucht' die Sonne in der klaren Fluth

Ich durfte nicht von Angesicht sie grüßen,

Der ich allein in all' dem Drang geruht!

 

Die Sonne sank und ließ die Welt der Ruh

Die Abendnebel gingen ab und zu

Ich lag auf Bergeshöhen matt und müd

Tief in der Brust das ungesung'ne Lied

Da nickten, spottend mein, die schlanken Tannen,

Und höhnisch sah der Steine Moos empor

Mit seinen Würmern, die darüber spannen,

Und lachend brach das Firmament hervor!

 

Von Osten wehte rein und scharf der Wind:

Was suchst du hier, armselig Menschenkind!

Du stumme Pfeife in dem Orgelchor,

Du Schlemihl, der da Raum und Zeit verlor!

Dir ward das Leichteste, das Lied gegeben,

Das, selbst sich bauend, aus der Kehle bricht,

Du aber legst dein unbeholfen Leben,

Wie einen Stein, ihm auf den Weg zum Licht.

 

So sprach der Wind? O nein so sprach der Schmerz,

Der mir wie Ketten hing um's dunkle Herz

Ein fremder Körper ohne Form und Schall

So, däucht' mir, lag ich im lebend'gen All!

Und Wind und Tannen, Gletscher, Moos u Sterne

Sie schlangen lächelnd ihren weiten Kranz

Wie an der Insel in der Meeresferne

Brach sich an mir der friedlich milde Glanz.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 272

2.   <1. Fassung>

 

Aber kommen wird noch die Zeit,

Wo ich den Tag muß wieder finden

Wenn ich die strahlende Ewigkeit

Werde durchsuchen in tiefsten Gründen!

 

Mach' o Seele, dir keine Pein,

denn es steht in den Sternen geschrieben,

daß kein Tag soll im Leben sein,

der verloren und unnütz geblieben!

 

Findest du nicht oft einen Klang

Wie zu früh herüber geklungen?

Also hat dein heutiger Sang

Heimlich sich hinüber geschwungen!

 

Nicht in weinender Seligkeit,

Werd' ich vor Gottes Throne liegen –

Nein! am starken Bande der Zeit

Leidend, schaffend, die Welt durchfliegen!

 

Werde suchen zu jeder Frist

Bis vom Auge die letzte Binde,

Und dann alles gefunden ist

Und ich den Anfang ruhig ergründe!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 273

October 45.

 

Wie sie sich da dreh'n im Tanze,

Puppen aus geschnitztem Holz

Eitles Volk im Kerzenglanze,

lebenheuchelnd, steif und stolz!

 

Schlüsselbeine, Schulterblätter

Stoßen schamlos hart mich an

Alte Tanten, grau vom Wetter

Klatschen längs der tollen Bahn

 

Die dem Tode längst verfallen,

Treibt der Wahnsinn hier im Kreis

Und ich schleiche durch die Hallen,

Einsam schlägt mein Herz und leis!

 

Dein gedenkt es, zarte Blüthe

O mein rosiger Morgentraum

Daß dich Gott mir treu behüthe

fern am grünen Wogensaum!

 

Fern am Wogensaum im Grabe

Schläft, was Lust und Leben war

Dieses Bechers Feuergabe

Bring' der Schläferin ich dar.

 

Wie ein Schild von frischen Rosen,

Wie ein Schwert von Sonnenstrahl

Schützt dein Bild mich freundeslosen

Hier vor dieser öden Qual!

 

Jung geblieben ist mein Lieben

Und noch heute rosenroth;

Auch mein Liebchen jung geblieben,

Dank dafür, du milder Tod!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 274

Sieben Jahre sind dahin,

Sind dahin geschwunden,

Und noch immer glüh'n und blühn

meine alten Wunden!

 

Wie ich fahr' in stiller Nacht

Auf den Silberwellen

Fängt mein Weh mit aller Macht

Wieder an zu schwellen.

 

Fast klingt es wie bittrer Hohn

Ich sei jung von Jahren,

Da so lang die Liebste schon

Mir dahin gefahren

 

Wohl ergeh' es, Engel, dir,

Werde licht und lichter

Ach, dein Knabe wurde hier

Unterdeß ein Dichter!

 

Muß nun reimen früh und spat

Um sein täglich Leben,

Willst du einen guten Rath

Dann und wann ihm geben?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 275*

1 Novebemer

Auch Leipzig's Todten!

 

Nicht der Scheiben höhnisches Klirren,

Nicht der Kugeln tödtliches Schwirren

Noch das Blut, das im Sand verglüht,

Nicht das Schrein und lärmende Treiben,

Das sich verdünnte in eckliges Schreiben,

Konnten mir stören Ruh und Gemüth!

 

Aber in all' dem tollen Gebahren

Ist dem Michel ein Zug entfahren,

Der, wie ein fröhlicher Hoffnungsstrahl

Ueber die deutsche Haide, die falbe,

Eine prophetische Erstlingsschwalbe

Sich in's gerührte Herz mir stahl!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 276*

2 Nov. 45

Nachträgliches Polenlied.

 

Ich schloß schon lang das arge Buch;

Die Wände hörten meinen Fluch!

 

Längst ist die Kerze abgebrannt –

Du unglückselig Polenland!

 

Ich steh' im Finstern, stumm und wach

Mein Herz schleicht jenem Scheusal nach.

 

Mein Herz bebt, wie die hohle See,

Von wannen kommst du, graues Weh?

 

Ich mach' das Fenster auf, der Tag

Bricht ein mit goldnem Wellenschlag.

 

Er überfließt von Sonnenschein

Und Freude soll auf Erden sein!

 

Und Rache soll auf Erden sein

Gerechtigkeit auf Erden sein!

 

Steckt vor die Brust ohn' Unterlaß

Ein Sträußlein blut'gen Russenhaß!

 

Das blüh'n soll, bis der letzte Zar

kalt, unbeweint, liegt auf der Bahr'!

 

Das soll verwelken erst zur Frist

Da lange frei schon Polen ist!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 277

4 Novemb 1845.

Antwort auf Just. Kerners Klaglied:

Unter dem Himmel.

 

Dein Lied ist rührend, stiller Sänger!

Doch zürne dem Genossen nicht,

Wird ihm darob das Herz nicht bänger,

Das, dir erwiedernd, also spricht:

 

Die Poesie ist angeboren

Und sie erkennt kein Dort und Hier,

Ja, ging' die Seele mir verloren,

Sie führ' zur Hölle selbst mit mir!

 

Inzwischen sieht's auf dieser Erde

Noch lange nicht so graulich aus;

Fast will mir scheinen, Gottes: Werde!

Ertön' erst recht dem «Dichterhaus».

 

Schon schafft der Geist sich Sturmesschwingen

Und spannt Eliaswagen an –

Willst träumend du im Grase singen,

Wer hindert dich, Poet, daran?

 

Ich grüße dich im Schäferkleide

Und lächle – doch mein Feuerdrach

Trägt mich vorbei, die dunkle Haide

und deine Geister schau'n uns nach!

 

Was deine alten Pergamente

Von tollem Zauber kund dir thun,

das seh' ich durch die Elemente

Im Geistes Dienst, verwirklicht nun!

 

Ich seh' sie keuchend sprüh'n und glühen,

stahlschimmernd bauen Land und Stadt,

Indeß das Menschenkind zu blühen

und singen wieder Muße hat!

 

Wenn einst vielleicht, nach fünfzig Jahren,

Ein Luftschiff voller Griechenwein

Im Morgenrothe kommt gefahren,

Wer möchte da nicht Fährmann sein?

 

Dann bög' ich, ein sel'ger Zecher,

Wohl über Bord, von Kränzen schwer

Und gösse langsam meinen Becher

hinab in's still verlassne Meer!

 

Ein Bischen Hunger wohl nähret

Vorher die schöne Phantasie,

Doch hat man uns nicht längst gelehret

der Hunger auch sei Poesie?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 278

Unter dem Himmel.

 

Laßt mich in Gras und Blumen liegen

Und schau'n dem blauen Himmel zu,

Wie goldne Wolken ihn durchfliegen,

In ihm ein Falke kreist in Ruh.

 

Die blaue Stille stört dort oben

Kein Dampfer und kein Segelschiff,

Nicht Menschentritt, nicht Pferdetoben,

Nicht des Dampfwagens wilder Pfiff.

 

Laßt satt mich schaun in dieser Klarheit,

In diesem stillen sel'gen Raum:

Denn bald könnt' werden ja zur Wahrheit

Das Fliegen, der unsel'ge Traum.

 

Dann flieht der Vogel aus den Lüften,

Wie aus dem Rhein der Salmen schon,

Und wo einst singend Lerchen schifften,

Schifft grämlich stumm Britannia's Sohn.

 

Schau' ich zum Himmel, zu gewahren,

Warum's so plötzlich dunkel sei,

Erblick' ich einen Zug von Waaren,

Der an der Sonne schifft vorbei.

 

Fühl' Regen ich beim Sonnenscheine,

Such' nach dem Regenbogen keck,

Ist es nicht Wasser, wie ich meine,

Wurd' in der Luft ein Oelfaß leck.

 

Satt laßt mich schau'n vom Erdgetümmel

zum Himmel, eh' es ist zu spät,

Wann, wie vom Erdball, so vom Himmel

Die Poesie still trauernd geht.

 

Verzeiht dies Lied des Dichters Grolle,

Träumt er von solchem Himmelsgraus,

Er, den die Zeit, die dampfestolle,

Schließt von der Erde lieblos aus.

 

Justinus Kerner.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 279

d. 6_t. Nov. 1845

Herbstlied.

 

Wo ist der schöne Blumenflor,

Den wir so treu gehegt?

Von Hoffen und vom Grünen sind

Herz, Garten rein gefegt!

Und wie in Einer Nacht ergraut

Ein unglückselig Haupt,

Hat sich heut Nacht mein Vaterland

Geschüttelt und entlaubt.

 

Der Rhein entführt in's Niederland

Die welke Sommerlust

läßt kahl und fahl die Felder uns,

den Frost in unsrer Brust!

Die Silberfirnen hüllen sich

In dunkle Nebel ein

Doch bald wird jeder Kehricht nun

ein blanker Schneeberg sein!

 

Und Alles wird so klein, so nah,

so dumpf und eingezwängt

Wie drückend dicht ob unserm Haupt

Der graue Himmel hängt!

Auf jedem Feldweg sitzt ein Feind –

Es ist ein harter Stand:

Mit Schurken athmen gleiche Luft

im engen Vaterland!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 280

Nov.

Liebeslieder.

 

Nun in dieser Frühlingszeit

Ist mein Herz ein klarer See

Drin versank das schwere Leid

Draus verdampft das leichtre Weh

 

Spiegelnd mein Gemüthe ruht

Von der Sonne überhaucht

Und mit Lieb' umgießt die Fluth

Was sich in dieselbe taucht.

 

Aber aus dem Grunde sprüht

Ueberdieß ein Quell hervor,

welcher heiß lebendig glüht

durch die stille Fluth empor

 

Und im Quelle badest Du,

Eine Nix' mit goldnem Haar

Oben deckt den Zauber zu

Das Gewässer glatt und klar.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 281*

d. 7_t. Nov 1845.

Prinz Schuster.

 

Auf seinem Dreibein sitzt und näht

Herr Fritze, der Geselle;

er hat den Pechdraht selbst gedreht,

mit kunstgerechter Schnelle.

Das ist gar zierlich anzuseh'n,

Wie er dann springt und hüpfet,

Im flinken Auf- und Niedergeh'n

den langen Zwirn verknüpfet!

 

Herr Fritze hat ein weich Gemüth

Und eine noble Seele

Von altem Sang und Sagen blüht

stets seine Schusterkehle

Und auch im äußern hat er sich

Von jeher distinguiret,

Sein Handwerkszeug ist wunderlich

Mit Wappen ausgezieret!

 

Und wenn am Abend auf sein Knie

Die Wasserkugel schimmert,

O wie's in seiner Phantasie

dann leuchtet, blitzt u flimmert!

Dann steigt gekrönte Herrlichkeit

Auf aus dem Strahlenmeere

Dann fällt in bittrer Seligkeit

Auf's Leder seine Zähre!

 

Im Lenz, da ist die Wanderzeit,

Da wird's den Schustern schwüle

Da wird auch ihm die Brust so weit

Von Sehnsucht und Gefühle

Dann zahlt er seine Waschfrau aus

Und bricht mit seiner Liebe,

Dann folgt sein Herz mit Saus u Braus

Dem ahnungsvollen Triebe!

 

So zieht er hin, mit leichter Zier,

Den Hut wachstuchumwunden,

Und eine Kron' von Goldpapier

Am Ränzel aufgebunden

So hebt er an, mit hellem Ton

Sein Wanderlied zu singen:

«Ich bin ein armer Königssohn!»

Daß Fels und Wald erklingen!

 

«O grüne Welt, du Freudensaal,

Ihr Hirschlein in den Wäldern,

Du Jagdschloß dort im stillen Thal,

Ihr Bauern auf den Feldern!

O weh', die Väter haben mir,

Von allem nichts gelassen,

Als meine Kron' von Goldpapier

Ein Spott auf allen Gassen!

 

O Mutter, Mutter Königin,

Du edle Würmerspeise!

So zieht dein jüngstes Kind dahin,

ein Schuster auf der Reise!

Wie triebet ihr das Ding so schlecht,

Drum blieb mir nichts zu erben,

Nun soll ich armer Erdenknecht

Das Himmelreich erwerben!

 

Doch weiß ich, was den König ziert,

Der Kummer und die Sorgen,

Sie lehrten mich, wie man regiert,

Und nichts blieb mir verborgen!

Ich fühle mich so klug, so gut,

Würd' meine Kron' zu Golde,

Vor allem wär' mein edles Blut

Den Schuhgesellen holde!»

 

Er pflückt ein gelb' Ranunkulein

Und steckt's vor seine Weste;

Er spricht: Du sollst mein Orden sein

Bei meinem Krönungsfeste!

Er setzt aufs Haupt bei Krone sich,

Beschaut im Teich ihr Blinken;

Im Mondlicht glänzen wunderlich

Die goldpapiernen Zinken!

 

Dieß Liedlein ist mir Knall und Fall

Beim Wein zur Welt gekommen;

Das haben mir die Schuster all'

Empfindlich aufgenommen!

Sie schämen sich, daß ihre Zunft

Den armen Schelm soll ehren.

Doch das ist eitel Unvernunft,

er muß sich doch ernähren!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 282

7_t. Nov 45.

Meergedanken.

 

O wär' mein Herz das tiefe Meer

und meine Feinde die Schiffe,

Wie schleudert' es sie hin und her

An meines Hasses Riffe!

 

Und endlich schläng' es unter sie,

hinunter in die Tiefe,

Daß drüber glänzend spät u früh

Der Meeresfrieden schliefe!

 

So aber ist's 'ne Welle kaum,

Von tausenden nur Eine,

Doch nagt u wäscht ihr leichter Schaum

am morschen Schiffsgebeine!

 

Wir Wellen brausen treu vereint

Und Eine folgt der andern!

Wir haben all' den gleichen Feind,

nach dem wir spähn und wandern

 

Das Unglück ist der Wirbelwind,

der peitscht uns, bis wir schäumen,

Und bis wir wach geschlagen sind

von unsern WasserTräumen.

 

Und endlich sinkt im Trümmerfall,

Was wir so lang getragen

Heil uns! wenn wir mit sattem Schwall

dann oben zusammen schlagen!

  

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 283*

d. 8_t. Nov.

 

Unsterblich bist du o Michel, dein Wesen wird immer bestehen!

Bis in die ferneste Zeit seltsam die Völker erbau'n!

Aber es scheinet mir fast, schon tauschen sich lustig die Rollen:

Michel, das Volk, nimmt den Stuhl, Michel, der Fürst, übt den Schwank;

Und, ich versprech' es, auch hierin wird er sich selbst übertreffen,

Launig, der alte Poet, spielen, was Gott ihm geruht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 284

D. 11_t. Nov.

Sonntagsjäger.

 

Es lässet sich mit aller Kraft

Ein Horn im Walde hören;

Ich krieg' ein altes Rohr beim Schaft

Und schlendre in die Föhren!

 

Der Wald, der macht mir vielen Spaß,

Er flunkert in der Sonnen.

Der Reif, der hat wie Jungfernglas

die Nadeln übersponnen!

 

Da hüpft ein junger Haas daher

Und spielt vor mir im Grase

Ich brenn' ihm wie von Ungefähr

mein Schrot ihm auf die Nase!

 

Es ist, als schrie er: Gott vergelt's!

mit klägliger Gebärde

Sein rothes Blütlein färbt den Pelz

Und macht sich in die Erde!

 

Was stierst du so, du Haidekind

Im Sterben immer Dümmer

Ich bin halt, wie die Andern sind

Nicht besser u nicht schlimmer!

 

Und als das Häslein überschnappt

hab' ich es heim getragen

doch hab ich schon genug gehabt

Von Weidmanns Heil u Jagen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 285

d. 11_t. Nov.

An Lenau.

 

Welk lag meines Herzens Garten

Und sein Springquell war versiegt.

Und das Liedervolk in Zweigen

Saß in dumpfen Schlaf gewiegt.

 

Starr und klanglos schien mir Alles

Und der frische Duft entfloh'n!

Selbst die fremden Lieblingsweisen

Hatten für mich keinen Ton!

 

Wie es oftmals geht im Leben,

Das so seltsam webt und flicht:

Längst schon kannt ich deinen Namen,

Aber deine Lieder nicht.

 

Und nun las ich sie; auf einmal

in so öder Winterzeit

ging mir auf ein neuer, reicher

Lenz in seiner Herrlichkeit!

 

Und in deinen Geistesblüthen

Warst du mir ein Nekromant,

Der für meinen eignen Zauber

Wieder mir das Schlagwort fand!

 

Rasch entfesselt sprang der Bronnen!

Alle Lauben voller Sang!

Und in den geheimsten Gängen

War es wieder Duft und Klang!

 

Damahls wünscht' ich, daß ich möchte

ein begabter Sänger sein,

Um dir recht ein weich und lindernd,

ein vergeltend Lied zu weih'n!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 286

d. 11_t.

Im Herbst.

 

Im Herbst, wenn sich der Wald entlaubt

Nachdenklich wird und schweigend

Mit Reif bestreut sein dunkles Haubt

Fromm sich dem Sturme neigend:

 

Da geht das Dichterjahr zu End',

Da wird mir Ernst zu Muthe

Im Herbst nehm' ich das Sakrament

In jungem Traubenblute!

 

Da bin ich stets beim Abendroth

Allein im Feld zu finden,

Da denk ich fleißig an den Tod

Und auch an meine Sünden.

 

Ich richte mir den Beichtstuhl ein

auf ödem Haidenplatze

Der Mond, der muß mein Pfaffe sein

mit seiner Silberglatze.

 

Und wenn er grämlich zögern will

Der Last mich zu entheben,

dann ruf' ich: Alter, schweige still

Ich hab' mir schon vergeben!

 

Ich habe heimlich mit dem Tod

ein Wörtlein schon gesprochen!

Dann wird mein Pfaff vor Aerger roth

Und hat sich bald verkrochen.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 287

D. 12_t. Nov.

Ghasel.

 

Seht den Poet, der immerdar erzählt von Lerchensang,

Wie er nun bald drei Dutzend schon gebratener Lerchen schlang!

Bei Sonnenaufgang, als der Tag in Blau und Gold erglüht,

Da war es, daß sein Morgenlied vom Lob der Lerchen klang

Und nun bei Sonnenuntergang mit seinem Gabelspieß

Er sehnend in die Liederbrust gebratner Lerchen drang!

Das heiß ich die Natur verstehn, allseitig, tief und kühn,

Wenn also auf und nieder sich sein Tag mit Lerchen schwang!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 288*

d. 12_t. Nov.

Sonntag.

 

Der Rundgesang der Glocken ist verklungen;

Hinzitternd tief in's reine Aetherblau

hat sich der letzte Ton hinauf geschwungen.

 

Fernab steh' ich auf grüner Sonntag'sau

Zur Seite ruht ein Pflug im stillen Feld,

Die Sonne trinkt vergnügt den Morgenthau.

 

Nun wird gepredigt rings in weiter Welt,

Von allen Kanzeln und vor den Altären

In stillen Klöstern und vor'm Lagerzelt;

 

Gepredigt wird in Schiffen auf den Meeren

Und wo das Elend sitzt auf hohem Thron

In Krankensäälen und auf den Galeeren!

 

Das Christenthum ist aus der Welt geflohn,

In alten Schutt, und wimmert dort im Staube,

Ich bin allein und höre nichts davon!

 

Ich bin im Freien. Süßer Sonntagsglaube!

Was mag denn wohl dein zart Geheimniß sein,

Das mich umrauscht, wie eine Blüthenlaube,

 

[...]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 290*

d. 12._t.

An Follen.

 

Wie du es liebst, mit hellem Reim und Klang

Laß mich ein üblich Klinggedicht dir zollen!

Nimm den Poetengruß, den achtungsvollen,

Folg' ich doch freudig meines Herzens Drang!

 

Stark, wie ein Quell, der Silberfirn entquollen,

Hast du gesungen meines Landes Sang

Ob der Verjährte  heut auch wieder sprang,

Mir sind drum jene Lieder nicht «verschollen»!

 

Wie geht dein Lebensstrom so voll und breit,

Der nur das Eine Schiff der Freiheit trägt,

Die grünen Flaggen poesiegeweiht,

 

der klar melodisch seine Wellen schlägt

Heil dir! der frei Gott und Unsterblichkeit

Im ewig jugendlichen Herzen hegt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 291*

d. 13_t. Nov.

Herbst.

 

Wie nun alles stirbt und endet

Und das letzte Rosenblatt

Müd' sich an die Erde wendet,

In die kühle Ruhestatt:

Senk' auch ich nach ihren Gründen

Mein Gedächtniß, tief bewegt,

Ob ich nichts mög' wieder finden,

Was für mich dort eingelegt?

 

Unter all' den Traumgestalten,

Die bald licht, bald schattenhaft

Mir des Schicksals düster Walten

Vorgeführt und weggerafft

Sind nur zwei mir klar geblieben,

Scharf getrennt und doch vereint:

Hier der Jugend Eines Lieben –

Einsam dort der Jugendfeind!

 

Beide aus den frühsten Jahren,

Zeit der Morgendämmerung,

Mußte sie das Herz bewahren

Gleich lebendig klar und jung

Ob die Pfeiler meines Lebens

Auf den beiden Gräbern stehn?

Ob als Sterne meines Strebens

Haß und Liebe vor mir geh'n?

 

Oft, wenn ich auf meinem Bette

Zwischen Schlaf und Wachen rang,

Schlummerschwer der Mond die Kette

Seiner Strahlen um mich schlang:

War's, als ob zu meinen Häupten

Liebchens Seele, warm und nah,

Und, daß sich die Haare sträubten,

Er zu Füßen auf mich sah!

 

War es dann, als ob sie stritten

Eifersüchtig um mein Herz

Und mein Leichnam in der Mitten

Zuckte ob des Kampfes Schmerz,

Und entweder dann am Morgen

Stand ich mild, versöhnlich auf,

Oder ließ ich ohne Sorgen

Schwarzem bittrem Haß den Lauf!

 

Ob mein Lieben auch beständig

Zu der rechten Zeit geblüht?

Ob mein Hassen unabwendig

Auch dem rechten Feind geglüht?

Dieses nur will ich erflehen,

Gott in Liebe und in Zorn!

laß mich klar und deutlich sehen

In der Wahrheit tiefen Born!

 

Reiner, weißer Schnee! o schneie,

schneie beide Hügel zu

Daß die Seele mir gedeihe

still und kühl in Winters Ruh!

Bald kommt jene Frühlingswende,

Die allein die Liebe weckt,

Daß der Haß umsonst die Hände

träumend aus dem Grabe streckt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 292

d. 18_t. Nov.

Poetentod.

 

Der Herbstwind zieht, der Dichter liegt am Sterben,

Die Wolkenschatten jagen an der Wand

An seinem Lager knie'n die zarten Erben,

Des Weibes Stirn ruht heiß auf seiner Hand.

 

Darin ein flücht'ger Abendstrahl ertrunken,

mit dunklem Purpurwein netzt er den Mund

Und wieder rückwärts auf den Pfühl gesunken

Thut er den letzten Willen also kund:

 

Die ich aus Wunderklängen aufgerichtet,

Vorbei ist dieses Hauses Herrlichkeit!

Ich habe ausgelebt und ausgedichtet

Mein blühend Lied, dich, meine Erdenzeit!

 

Das stolz und mächtig diese Welt regierte:

Es bricht mein Herz, mit ihm das Königshaus!

Der Gastfreund, der die edlen Hallen zierte,

Der Ruhm zieht mit dem Leichenzug hinaus!

 

Dann löschet meines Heerdes helle Flamme

Und zündet wieder stille Kohlen an

Wie's Sitte war bei meiner Väter Stamme

Eh' ich den Schritt auf dieses Rund gethan!

 

Und was den Heerd in schönen Formen zierte,

Was sich an alter Weisheit um ihn fand,

Die heil'gen Schriften, die ich bei mir führte,

Streut in den Wind, gebt in der Juden Hand

 

Daß meines Geistes namenloser Erbe

Mit, klarem Aug', im leichten Schülerkleid

Auf off'nem Markt sich ahnungsvoll erwerbe,

Was ich in Sternennächten eingeweiht!

 

Nur meine Rosengärten lasset stehen,

Bis auch mein herrliches Poetenweib

Im nächsten Lenze wird zur Ruhe gehen

Den Blumen schenkend ihren schönen Leib!

 

Dann aber mäht die Rosenbüsche nieder

Und brechet meine grünen Lauben ab!

Der Boden trage Kohl und Rüben wieder,

Nur Eine Rose laßt auf meinem Grab!

 

Mein Lied wird siegreich durch die Lande klingen,

Ein Banner, von den Höh'n der Erde weh'n,

Doch ungekannt, mit mühsalschwerem Ringen

Wird meine Sippe dran vorübergeh'n!

 

Drum sollt ihr meinem Sohn das Leben gründen,

Gebt ihm ein Handwerk oder auch ein Schwert

Und meine Tochter laßt den Freier finden,

Der sie in Lieb und Treuen redlich nährt!

 

Gebt jenen Band verblichner Schrift den Flammen,

s'ist meiner Jugend greller Widerschein;

Die Asche und mein Lorbeerreis zusammen

Legt mir zu Häupten dann im Todtenschrein!

 

Arm, wie ich kam, soll man hinaus mich tragen!

Den Lorbeer nur will ich mit Zaubermacht

Als Wünschelruthe an die Sterne schlagen

Nach neuen Klängen aus der Strahlenpracht!

 

Noch überläuft sein Angesicht, das reine,

Mit einem Strahl das sinkende Gestirn –

So glühte eben noch im Rosenscheine

Nun starret kalt und weiß, des Berges Firn.

 

Und wie das Schneegebirg, erlischt, verblichen

Zum Himmel raget zwischen Tag und Nacht,

Der letzte Nachhall über's Thal gestrichen,

Dann tiefe Stille auf den Landen wacht:

 

Die ganze Größe dieses schönen Spieles

liegt in der engen Todtenkammer nun,

Wo Weib und Kinder, stumm, voll Wehgefühles,

Verlassen um die Dichterleiche ruh'n!

 

Und wie durch Alpendämmerung das Rauschen

Von eines späten Adlers Flügeln weht:

Ist in der Todtenstille zu erlauschen,

Wie eine Geisterschaar von hinnen geht.

 

Sie ziehen aus, des Seligen Penaten,

In reiche Prachtgewänder tief verhüllt

Sie geh'n, die an der Wiege schon berathen,

Was er in Liedern dann so schön erfüllt.

 

Voran, gesenkten Blick's, das Leid der Erde,

Verschlungen mit der Freude Traumgestalt,

Die Phantasie und endlich ihr Gefährte,

Der Witz, mit leerem Becher, stolz u kalt.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 293

Nov. 1845.

An einer Kindesleiche.

 

Er hat geweht, der Wind, den Niemand sieht

und niemand hört; er hat den Baum geschwungen,

Deß' Wurzelwerk die Erde überzieht,

In dessen Krone ich dies Lied gesungen.

Das jüngste Blatt, das gestern dran geblüht,

hat über Nacht sich leise losgerungen

Und fiel; und niemand gab wohl weiter acht,

Als ich, der da zunächst dabei gewacht.

 

So bist erlöscht du, lieblich junges Licht,

Das mir erquickend in das Herz gezündet?

Noch sprach drei Worte deine Zunge nicht,

Doch hat dein Lallen mir so viel verkündet!

Das Sehnen, das die feinsten Bande flicht

Es hat <mich> innig auch mit dir verbündet

Ja, vor viel Großem unter dieser Sonnen,

hab ich dich, Kleinen, werth und lieb gewonnen!

 

Ob ich gen Himmel sah in's blaue Meer,

Ob in dein Aug', es war das gleiche Schauen

Es leuchtete aus diesen Sternen her

Ursprünglich reines Licht von schönern Auen.

Wie oft senkt' ich den Blick, von Mühsal schwer,

erfrischend tief in dies verklärte Blauen

Wie war das Lachen deines Mund's so fein!

Wie heimlich unsre Freundschaft, still und rein!

 

Nie hab' an deine Zukunft ich gedacht,

Die Gegenwart war ja so schön und heiter!

Du hast wie eine Blume mir gelacht

Und an die Sommerfrucht dacht' ich nicht weiter;

Ob einst vielleicht ein Held in dir erwacht',

Wie hoch du steigest auf der großen Leiter:

Du lieblich Kind warst in dir selbst vollkommen –

Was sollte dir und mir die Sorge frommen?

 

Zu der du wiederkehrst, grüß mir die Quelle,

des Lebens Born, doch besser: Grüß das Meer

das Eine Meer des Lebens, dessen Welle

hoch fluthet um die dunkle Klippe her,

darauf er sitzt, der traurige Geselle,

der Tod – verlassen, einsam, thränenschwer

Wenn ihm die frohen Seelen, kaum gefangen,

mit lautem Jubel wieder auf die See gegangen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 294

Nov. 45.

Die Tellenschüsse.

 

Ob sie gescheh'n? das ist hier nicht zu fragen;

Die Zierde jeder Fabel ist der Sinn

Das Mark der Wahrheit ruht hier frisch darin,

Der reife Kern von allen Völkersagen.

 

Es war der erste Schuß ein Alleswagen,

Kind, Leib und Gut an köstlichen Gewinn:

Blick her, Tyrann! Was ich nur hab' und bin,

Will ich zum Kampf mit dir entgegen tragen.

 

Und du kommst leer und heillos, wie du bist,

Und lässest fühllos dir am Herzen rütteln,

Und spiegelst höhnisch dich in meinem Blut?

 

Und immer: Nein!? – Verlaufen ist die Frist

Verflucht sei deines Hauptes ewig Schütteln,

O zweiter, heil'ger Schuß, nun triff mir gut!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 295*

November

Meerwunder.

 

Ich lag im schwanken Bretterhaus

Auf meinem Bauch und schaute

Beim Bugspriet in das Meer hinaus

Wie's in der Tiefe graute.

 

Da ist mir drunten alsogleich

Ein Wunder aufgegangen:

Ich sah ein schwimmend Königreich

Von Fischen, Krebs' und Schlangen.

 

Die Seeschlang' saß als Königin

Auf dem Korallenthrone.

Sie trug, von Moos und Meerschlamm grün,

Triefend die goldne Krone.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 296

7 Dezember 1845.

 

Wo sich drei Gassen kreuzen, krumm und enge,

Drei Züge wallen plötzlich sich entgegen

Und schlingen sich, gehemmt auf ihren Wegen,

Zu einem Knäul und lärmenden Gedränge:

 

Die Wachtparad' mit gellen Trommelschlägen,

Ein Hochzeitzug mit Geigen und Gepränge,

Ein Leichenzug klagt seine Grabgesänge

Das Alles stockt, kein Glied kann sich mehr regen.

 

Verstummt sind Geiger, Pfaff und Trommelschläger

Der Dicke Hauptmann flucht, daß niemand weiche,

Gelächter schallet aus dem Hochzeitzug.

 

Doch oben auf den Schultern schwarzer Träger

Starrt in der Mitte kalt und still die Leiche

mit blinden Augen in den Wolkenflug.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 297

7 Dez.

 

Was ist das für ein Schrei'n und Peitschenknallen?

Die Fenster zittern von der Hufen Klang

Zwölf Rosse keuchen an dem straffen Strang

Und Fuhrmannsflüche durch die Gasse schallen.

 

Der auf den freien Bergen ist gefallen,

Dem todten Waldeskönig gilt der Drang

Da schleppen sie, wohl dreißig Ellen lang,

Die Rieseneiche durch die dumpfen Hallen.

 

Der Zug hält unter meinem Fenster an,

Denn es gebricht zum Wenden ihm an Raum

Verwundert macht der Pöbel sich heran

 

Und weidet sich an der gebrochnen Kraft

da liegt entkrönt der stille, todte Baum

Aus seinen Wunden fließt der frische Saft.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 298

7 Dez.

 

Reformation.

 

Im Bauch der Pyramide tief begraben,

In einer Mumie schwarzer Todtenhand

war's, daß man alte Weizenkörner fand,

Die dort Jahrtausende geschlummert haben

 

Und prüfend nahm man diese seltnen Gaben

Und säet' sie in lebendig Ackerland

Und sieh da, eine goldne Saat erstand,

An der sich Herz und Auge konnten laben!

 

So blüht die Frucht dem späten Enkelkinde,

Die mit den Ahnen schlief in Grabesschoß –

Das sterben ist ein endlos Aufersteh'n!

 

Wer hindert nun, daß wieder man entwinde

Der Kirche Mumienhand, was sie verschloß:

Das Wort des Lebens! wieder es zu sä'n?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 299

9_t. Dez.

Morgenlied.

 

Fahre herauf, du kristallener Wagen,

Klingender Morgen, so frisch und so klar!

Seidene Wimpel, vom Ostwind getragen,

Flattre, du rosige Wölkleinschaar!

 

Siehe die Meere, sie schaukeln und branden,

Fröhlich die Brise von Morgenland weht

Sühnend erfunkelt der Thau auf den Landen,

Weihbrunn zum heiligen Sonnengebet.

 

Tausendfach wollen die Blumen entriegeln

Aus ihrer Brust den gefangenen Gott

Doch die vergoldeten Kreuze bespiegeln

sich auf den Domen mit gleißendem Spott!

 

Singen nicht Lerchen dort hoch in den Lüften

Schwenkend und ziehend im freudigen Zug?

Nein, aber aufwärts^geschwungen aus Grüften

Sonnt sich ein kreischender Rabenflug!

 

Springt nicht ein Fischlein aus silberner Welle,

Das sich am lieblichen Lichte erfreut?

Ja, 's ist ein Hecht, der mit tückischer Schnelle,

Seinen täglichen Raub nur erneut!

 

Fahre hinüber auf klingenden Speichen,

Glänzender Morgen! noch ist es nicht Zeit;

Rosige Wimpel, und ihr mögt erbleichen!

Weh mir! schon weht ihr so blaß und so weit!

 

Fahre! – es träumet ein Riese auf Erden,

Dem es gar ahnend im Ohre erklingt.

Auf springt er einst, in den Zügel den Pferden,

Die zu stehn der Gewaltige zwingt.

 

Heißt dann die Freiheit dem Wagen entsteigen

Mit ihrer ganzen herrlichen Fracht.

Mag sich die Sonne nur heben und neigen:

Schön ist der Tag dann und glücklich die Nacht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 300*

d. 14_t. Dec.

An Freiligrath.

 

Das nenn' ich ein gesundes Träumen

Und einen unverdorb'nen Schlaf,

Wenn kaum aus rothen Wolkensäumen

Das Sonnengold sein Auge traf:

Der Dichter aus den Rosen springt,

Den guten Fiedelbogen schwingt

Und hell erwacht, in scharfen Reimen

Sein Lied dem Tag entgegen klingt.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 301

16_t. Dec.

Winterlied.

 

Wie zieht das finster thürmende

Gewölk so kalt und schwer!

Wie jagt der Wind, der stürmende,

das Schneegestöber her!

 

Wo sonst die Venus funkelte,

Ist es nun grau und todt;

Ich denk' in das verdunkelte

Westland das Abendroth!

 

Verschwunden ist die blühende

und grüne Weltgestalt

Es eilt der Fuß, der fliehende

Durch's Schneefeld naß und kalt.

 

Wohl dem, der nun zufrieden ist

und innerlich sich kennt,

dem warm ein Herz beschieden ist,

das heimlich loht und brennt

 

Wo, traulich sich dran schmiegend es

die stille Seele schürt,

Ein sprudelnd übersiegendes

Gedankensüpplein rührt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 302

16.

 

Der Winter ist eine ehrliche Haut

ein alter Poldrian,

Wie zornig er mir in's Auge schaut

Blick ich ihn wiederum an!

 

Sein Blut ist kühl und starr wie Eis,

doch nie seine Treue wankt

Wie oft hab ich mich nächtlicher Weis

mit ihm herum gezankt.

 

Da rüttelt er mir am Gartenthor

Und stampft auf den Beeten herum

Er schimpft mich einen sanguinischen Thor,

leichtgläubig und herzlich dumm!

 

Viel Hoffnungen zieh ich in Scherben auf

am kalten Sternenschein

Da ist er besonders versessen drauf

und stürmt auf sie herein.

 

Ich balge mich immer, so gut ich kann,

um jedes grüne Reis;

Er aber entrupft sie, der harte Mann,

den Scherben büschelweis.

 

Doch die mir der Alte stehen läßt,

Die sind erprobt und gefeit!

Die sind gelenzet und frühlingsfest

Und der Erfüllung geweiht!

 

O Polenhoffnung, du grünes Kraut

Wie lächelst du aus dem Schnee!

Es wächst wie eine Eiche gebaut,

Die deutsche in die Höh!

 

O Schweizerhoffnung, dünnes Gras,

O sauge dich mächtig an

Gott segne dich ohn' Unterlaß!

Du bist am schlimmsten dran!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 303*

d. 19 Dec 1845

An George Sand.

 

Ich denke oft an's große Meer

Und hab' es nie geschaut;

Und hab' ihm doch so lange schon

Mein kleines Leid vertraut!

Das macht: ich kenn es besser,

Als mancher Seemann wohl,

Wie man in seine Tiefe

mit Andacht schauen soll.

 

Und fern mir, wie die Meeresfluth,

Geht deines Herzens Schlag,

Den innerlich in stiller Nacht

Ich lauschend hören mag!

Es ist dein Herz ein Spiegel

Von Erdduft überhaucht,

Darein Gott oft beschaulich

Und tief sein Auge taucht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 304*

d. 20_t. Dec.

 

Offizielles Christenthum

 

O nennt mir eine einzige Tugend nur,

Die nicht ein guter Heide einst besessen!

Zeigt mir nur Einer Todessünde Spur,

Der sich nicht tausend Christen schon vermessen

Beweiset mir, daß grüner stehn die Auen,

Daß ehrlicher, die Staat und Acker bauen,

Daß schöner sind und treuer unsre Frauen,

So will ich meinen Zweifel gern vergessen,

Und gläubig mit euch auf zum Kreuze schauen!

 

Weh' uns, daß wieder es im Herrn entschlief,

Das zarte Weihnachtkindlein, kaum geboren!

Doch weg mit Scherzen! – denn ich fühl' es tief,

Welch' ungenossen Heil wir dran verloren!

Es war ein Leuchten ferner Herrlichkeiten,

Es war ein Lenzblick ew'ger Frühlingszeiten!

Da kamet Ihr, das Bahrtuch auszubreiten,

Das ihr zum Löschen zeitig schon erkoren

Nacht ward es wieder in der Erde Weiten

 

Glaubt Ihr ein letzt' Gericht? Weh über Euch!

Denn Gott wird euch an jenem Tage fragen,

Wie Kain einst: Wo ist mein Himmelreich? –

Was habt Ihr meinen Segen unterschlagen?

Ich hieß euch schenken an des Lebens Bronnen:

Kein Tropfen ist der durst'gen Welt geronnen

Das Wort war euer: Ihr habt nichts begonnen!

Weg, weg mit Euch, den schwersten Fluch zu tragen,

Den ihr im wüsten Herzen selbst ersonnen!

 

Ein grünes Reis noch schlägt der dürre Baum

In diesen Tagen und im deutschen Lande;

Noch ist's nur wie ein zarter Maientraum,

Der luftig schwebt auf gold'nem Wolkenrande!

Doch sollt' auch dieser letzte Sprosse sterben,

Soll' dieses letzte Blühen noch verderben –

Es wird, wenn eure Hände darum werben –

Dann wird der Baum gefällt, im todten Sande

Wird ihn der Wurm: Vergessenheit! ererben!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 305

d. 21_t. Dezember.

An Freiligrath, bei seinem Eintritt in die Schweiz.

 

Sobald ein Dichterkind mit holdem Siege

die Augen aufschlägt hier im Erdenthale

Steh'n schon zwei Genien an seiner Wiege.

 

Hell von Kristall hält dieser eine Schale

Voll bis zum Rand von feuergoldnem Wein,

belebt, durchwebt vom reinsten Sonnenstrahle.

 

Des Andern Schaal' ist dunkler Edelstein,

Rubin, und faßt des Mohnes dunkeln Saft

durchwoben von des Mondes Zitterschein.

 

In beiden Schaalen ruht die Lebenskraft,

Die ihm die treuen Genien rastlos schenken,

die ihn durchwallt und seine Lieder schafft.

 

Aus beiden Schaalen strömt sein Sein und Denken,

Sein Blühn u Sehnen, fließen Tag und Nacht!

Ein sonnig Schau'n, ein träumerisch Versenken

 

In seine Seele, wie sie träumt u wacht.

Und Preis dem Dichter, wenn die Lebensbecher

Ihm reich erfunkeln und in gleicher Pracht!

 

Doch Halbpoet nur ist der trunkne Zecher,

Der aus dem Einen überwiegend trinkt

Sein Herz wird krank, sein Lied wird täglich schwächer.

 

O wenn die Nacht mit ihren Sternen winkt,

Dann leer' die dunkle Schaale bis zum Grunde,

daß der uralte Zauber in dich sinkt!

 

Doch naht mit heil'gem Weh'n die Morgenstunde,

Laß dem Kristall den klaren Trank entquellen

Dann führ', wie sie, der Wahrheit Gold im Munde!

 

Thu' auf dein Aug des Lichtes goldnen Wellen

Laß liegen, die im tödtlichen Rausch versunken

Die ewig auch den Tag zur Nacht gesellen! –

 

So hast auch Du die Zauberfluth getrunken,

O Freiligrath, daß Berg und Thal erklungen,

Und sich die Elfen fröhlich zugewunken!

 

Vom Morgenland hast ahnend du gesungen

Denn als der Morgen leuchtend vor dir stand

da hast du aus den Rosen dich geschwungen,

 

frisch u gesund und sieh! das Morgenland

Lag ausgebreitet da zu deinen Füßen

Kameele, Tiger, Sclaverei u Sand!

 

doch mitten in der Wüste Finsternissen

erblüht' der «Morgen, und vom Rhein» erklangs

entgegen dir von hellen Freiheitsgrüßen,

 

Und jeder Mund im deutschen Lande sang's:

Der Freiligrath hat sich zu uns geschlagen!

Und jedes Ohr in fernen Gau'n verschlang's,

 

So weit die deutsche Kunde ward getragen!

Doch Manchem wohl erklang dein Taglied schrill

denn bald sah man die Schergen nach dir jagen.

 

Die sonst so nächtlich sanft und muckerstill,

Es brach die preußische Romantik los,

Die Mohn und Mohn und wieder Mohnsaft will. –

 

So grüß ich dich in dieses Landes Schooß!

Zwar eben ist's in unsern Bergen düster

bei heiterm Frühlingshimmel; heut noch floß

 

Ein blutig Rieseln, und ein Klaggeflüster

Durchzieht den Bergwald; es erdröhnt das Land

Vom wüsten Schrei der Pfaffen und Philister

 

Wir reichen dir die pulvergeschwärzte Hand

Der Trommelschlag verschlingt die Freundesgrüße

Und ringsum loht des Hasses rother Brand!

 

Auf starre Leichen stoßen deine Füße

Hier liegen sie mit ausgestochnen Augen,

Dort schiffen sie hinab die blauen Flüsse.

 

Sieh, wo dir mag ein stilles Plätzlein taugen,

Du trittst hier in der Freiheit Werkstatt ein,

Wo zornig ihre Essen sprühn und rauchen!

 

Doch mag hier noch der beste Boden sein,

<Wo> harrend du dir deine Warte baust,

Wallt doch nach deinem vielgeliebten Rhein

 

Ein jedes Wässerlein, in das du schaust

Da lasse deine Lieder abwärts schwimmen,

Da wirf hinein die Späne, die du haust!

 

Und hier, wie dort, die Hoffnungssterne glimmen;

bis du wirst drin den Tag der Heimkehr schauen

kannst du derweil zum Sieg die Saiten stimmen.

 

Mich dünkt, du wirst darüber nicht ergrauen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 306

Christtag 45.

Auf der Straße (Vom Ofen bis zum Fenster)

[…]

Ich bin ein ganzer Held! den Mantel umgeschlagen –

romantisch schwarzer Sammt erglänzt an Kleid u Kragen -

Stürm ich dahin in eitelm Wahn;

Ob Sammt? ob nur Katun? es war ein langes Zanken

Mit meinem Mütterlein; doch fest und ohne Wanken

erstritt ich Sammt und Niemand sieht mir's an!

 

Leichtsinnig, hohen Muth's mach ich die Morgenrunde

die Wintersonne scheint, Cigarro brennt im Munde,

den ich dem Kaufmann schuldig bin

Die Wintersonne scheint, kalt ist ihr Silberflimmer,

und kalt ist mir das Herz kalt meiner Augen Schimmer

und trüb, befangen immerhin.

 

Da treff' ich einen Freund auf meiner irren Bahn,

Wir halten mit Geklatsch ein halbes Stündchen an;

Wie wenn zwei alte Hexen schelten

So bricht von Bosheit nun und Neid ein ganzer Chor

Von Zoten, schlechtem Witz und Haß aus uns hervor

Daß mir verschämt die eignen Ohren gellten.

 

Da kommt ein Handwerksbursch, bleich, mit zerrissnen Sohlen,

Mütz' in der Hand, geduckt, ein Gäblein sich zu holen,

Mit einem Kreuzer wär' ihm wohlgethan.

Doch weil ich diesen nicht in leerer Tasche trage,

und doch nicht freundlich ihm es zu gestehen wage,

fahr' ich ihn rauh abweisend an!

 

Ob mir das kühle Herz in rascher Scham erglüht,

Ob auch ein blut'ger Schnitt mir durch die Seele zieht,

Man sieht es nicht in meinen Blicken

Ich habe ja gelernt, mit höhnisch leichtem Spiel

Den halberfrornen Lenz, das innere Gefühl,

wenn es erblühen will, zu unterdrücken!

 

O ich war treu, wie Gold, begeistert, klar und offen;

Ein Blatt um's andre fiel von meinem grünen Hoffen

Und taube Nüsse tauscht' ich ein!

Schmach über dich o Welt! du hast mich ganz beladen

Mit deinem Schlamm und Staub! o könnt' ich rein mich baden

im wilden Meer, sollt's auch ein Sterben sein!

 

Coquett ist dies Gedicht, Naivetät erlogen

Und nur das Schnöde wahr! ich hab' euch arg betrogen

Denn Zwei geworden sind mir Herz u Mund!

Ich bin ganz euer Bild, selbstsüchtig, falsch u eitel

Und unklar in mir selbst vom Fuße bis zur Scheitel

Ein europäisch schlechter Hund!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 307

d. 28_t. Dec.

 

Rauh geht der Nord, es dunkelt aller Enden,

Jetzt eben hinter jenen Wolkenwänden

Dort muß die Sonne untergeh'n!

Dort ist's nun abendklar und goldenhelle

Dort sind nun Lilje, Rosenhag und Quelle

Im Einen seligrothen Glanz zu seh'n!

 

Hier aber ist ein kaltes Wehn und Brausen,

in dunkler Luft die scheuen Wälder sausen

Die Bäche toben durch's Gestein

Dicht auf der Haide kühle Winde streichen

Asketisch beugen sich die ernsten Eichen

Die Nacht wankt finster in das Land herein

 

Ich kenne kaum den Grund zu meinen Füßen,

Doch hör' ich schon die Regenströme gießen,

Es weint das tief^verhüllte Land

In meinem Herzen tönt die Klage wieder

Und es ergreift mich, wirft zum Staub mich nieder

und meine Thränen rinnen in den Sand.

 

O reiner Schmerz, der in den Höh'n gewittert,

du heil'ges Weh, das durch die Tiefen zittert

ihr schloßt auch mir die Augen auf!

Ihr habt zu mir das Zauberwort gesprochen

und meinen Hochmuth, wie ein Rohr gebrochen

Und ungestillt strömt meiner Thränen Lauf.

 

Du süßes Leid hast ganz mich überwunden!

Welch' dunkle Lust, die ich noch nie empfunden

Ist glühend in mir angefacht!

Wie reich bist, Muttererde, du zu nennen!

Ich glaubte deine Herrlichkeit zu kennen,

Nun erst schau ich in deinen tiefsten Schacht!

 

Da leuchtet es in düsterm Strahlenkranze

da funkelt es von mildem Thränenglanze

Und tief der Wehmuth Gold erglüht!

Wie flimmern da der Sehnsucht blaue Kerzen

Und die Entsagung glänzt in harten Erzen

Ergebung sanft in feinen Adern blüht

 

Gebrochner Stolz klagt wie in Grabesklängen,

Doch Demuth wacht in den geheimsten Gängen

als mildes Grubenlicht entbrannt,

Die oben nicht zum Leben Raum gefunden,

O was für Liebe schläft und träumt da unten,

friert endlich ein zu hartem Diamant!

 

Und leise schallen hör' ich ferne Tritte

Es naht sich mir mit leichtbeschwingtem Schritte

durch die geheim erhellte Nacht

Weiß, wie entstiegen einem frischen Grabe,

so wandelt her ein schöner schlanker Knabe,

Einsamer Bergmann in dem stillen Schacht.

 

Willkommen, Tod! dir will ich mich vertrauen,

Laß mich in deine treuen Augen schauen

Zum ersten Male fest und klar!

Wie wenn man einen neuen Freund gefunden,

Kaum noch von der Verlassenheit umwunden,

so wird mein Herz der Qual u Sorge bar.

 

Tief schau ich dir in's Aug', das sternenklare,

Wie steh'n dir gut die feuchten, schwarzen Haare

Wie weiß ist deine kühle Hand

O lege sie in meine warmen Hände,

Dein heil'ges Antlitz zu mir niederwende!

Wohl mir! ich habe endlich dich erkannt!

 

Ob mir auch noch beglückte Stunden schlagen,

Ich will dich heimlich tief im Herzen tragen

Und wo mich einst dein Gruß ereilt:

Im Blüthenfeld, im schimmervollen Saale,

Auf stillem Bett, im schlachterfüllten Thale,

Ich folge dir getrost und unverweilt!

 

So wachet auf, ihr hellen Morgenlieder!

Ich aber leg' mir um die Stirne wieder

des Stolzes unfruchtbaren Kranz

Der Welt mit Weltsinn nun entgegen^gehen

will ich; doch innen blüht mir ungesehen

der Todesdemuth still verborgner Glanz!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 308

Den 28_t. Dec

An .....

 

Wie einst die Tochter Pharao's

Im grünen Schilf des Niles ging,

Deß' Auge hell, verwundrungsgroß,

Verliebt an ihren Augen hing

Wie sie ihr Haupt, das goldumreifte

Sehnsüchtig leicht fluthüberbog

Um ihren Fuß das Wasser schweifte

Und silberne Ringe zog!

 

So seh ich dich, du träumrisch Kind,

Am abendlichen Rheine stehn

Wo seine schönsten Borde sind

u seine grünsten Wellen geh'n

Schwarz ist dein Aug', schwarz deine Haare

Und deine Magd, die Sonne, flicht

darüber eine goldenklare

Krone von Abendlicht!

 

Reich ist der alte tiefe Rhein

An Wundern und Sagenlust

Der Nibelungenhort ist sein,

drum wandelt er so stolz bewußt

Doch deiner Augen reichem Glühen

Und innerlicher Herrlichkeit

Muß er verarmt vorüber ziehen

in stiller Bescheidenheit.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 309

d. 20_st. Januar

An einen Schulgenossen.

 

«Wohin hat dich dein guter Stern gezogen,

O Schulgenoß aus ersten Knabenjahren?

Wie weit sind auseinander wir gefahren

In unsern Schifflein auf den weiten Wogen!

 

«Wenn wir die Untersten der Schule waren,

Wie schwärmten wir, daß sich die Bänke bogen,

Wie haben wir erfindrisch uns belogen

Von Aventüren, Liebschaft und Gefahren!»

 

Da seh' ich just, beim Schimmer der Laterne,

Wie mir gebückt, zerlumpt, ein Vagabund

Mit einem Häscher scheu vorüber geht. –

 

So also wendeten sich unsre Sterne?

Und so hat es gewuchert, unser Pfund?

Du bist ein Spitzbub worden – ich Poet!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 310*

d. 19_t. Januar

 

Frühlingsahnung.

 

Welch' lieblich Lüftlein hat sich aufgemacht

Und will so listig mir das Herz bewegen?

Es weh't so lau durch's Fenster mir entgegen

Ich glaub', es regnete vergangne Nacht.

 

Und wie erstorb'ne Asche oft entfacht

Ein Hauch, daß bald sich helle Flammen regen:

Wird aus dem Schnee, der heute noch gelegen,

Dies Lüftlein wecken hohe Lenzespracht

 

Schon glüht die Kammer mir von Rosenlicht,

Schon spielt an weißer Wand der Sonnenschein

um's alte Fenster rankt es blüthenvoll. –

 

Ich freu' mich aber auf den Frühling nicht,

er wird für mich ein leer' Theater sein,

auf dem ich niemals, niemals spielen soll!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 311*

d. 18 Jan.

An mein Herz.

 

Du schauckelnde Welle, du glühendes Erz

Du weiches, empfängliches, flackerndes Herz

Willst du nicht erkalten? Du siehst, wie die Welt

Sich kalt und verschlossen entgegen dir stellt

O werde ein hartes gegossenes Erz

Nun endlich mein armes bewegliches Herz

 

Doch wenn sie dir tödtlich, die eiserne Ruh,

so fließe und woge ein Weilchen noch zu

so flackre, vom leisesten Hauche entfacht

die Welt wird am Ende noch gut über Nacht.

Wie wirst du dich freuen, wenn warm du noch schlägst,

dich Welle zum spiegelnden Meere dann trägst!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 312

Willst du nicht dich schließen

Herz, du offnes Haus,

Worin Freund' u Feinde

Stürmen ein und aus?

 

Schau' wie sie verletzen

dir das Hausrecht stets

fühllos auf u nieder

polternd lärmend geht's

 

Keiner putzt die Schuhe,

Keiner sieht sich um,

Staubig brechen Alle

dir in's Heiligthum

 

Trinken aus den gold'nen

Kelchen des Altar's

Stehlen Müh' u Segen

dir des ganzen Jahr's

 

Werfen die Penaten

Wild vom Herde dir

Pflanzen drauf mit Toben

Ihr zerfetzt Panier

 

Und wenn zu verwüsten

sie nichts finden mehr,

lassen sie im Scheiden

dich mein Herz, so leer!

 

Nein! und wenn nun Alles

Still u todt in dir

O noch halt dich offen,

offen für u für!

 

Laß die Sonne scheinen

heiß in dich herein,

Stürme dich durchfahren

und den Wetterschein.

 

Wenn durch deine Hallen

so die Windsbraut zieht,

laß aus deinen Glocken

schallen Lied um Lied.

 

Denn noch kann's geschehen,

daß auf irrer Flucht

eine treue Seele

bei dir Obdach sucht.

 

Dann ist's Zeit, zu schließen,

endlich Thür u Thor

Dann blüh' dir im Innern

neu der Lenz hervor!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 313

d. 18_t. Januar 1846

An Lem

 

Ich sehe dich mit lässig sichrer Hand

den feinen Nacken einer Göttin schreiben,

dazu den Hohn um deine Lippen treiben:

«s'ist ist nichts dahinter» oder «eitler Tand!»

 

Seh' dich zuhinterst an der Schenke Wand

Bis Mitternacht bei den Gesellen bleiben

Dein Schwarzaug sucht dem Witz die breiten Scheiben

Jedoch dein schöner Mund des Bechers Rand.

 

Du schlenderst heim, ein leichtes Liedlein pfeifend,

drückst in die Kissen deine dunkeln Locken,

indeß der Traum dir einen Schwank erzählt.

 

Zeigt er dir mich, in wachen Träumen schweifend,

enthusiastisch bei den Büchern hocken? –

Hast du am End den bessern Theil erwählt?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 314

d. 17_t. Januar

 

Es ist nicht Selbstsucht und nicht Eitelkeit,

Was sehnend mir das Herz Grabüber trägt;

Ich glaub', was mir die schöne Brücke schlägt,

ist wohl der Stolz, der mich vom Staub befreit.

 

Sie ist so kurz, die grüne Erdenzeit,

Unendlich aber, was den Geist bewegt

s'muß wenig sein, was ihr im Busen hegt,

da ihr hier gar so satt vergnüglich seid.

 

Und wenn auch einst die Freiheit ist errungen,

die Menschheit hoch wie eine Rose blüht,

Auch nicht vom kleinsten Dorne mehr umschlungen:

 

So ist's ein Funke nur, der ärmlich sprüht,

Vom Feuer der Unsterblichkeit bezwungen,

das in des Kindes kleinem Herzen glüht.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 315

d. 16_t. Jan.

 

Wer ohne Schmerz, der ist auch ohne Liebe,

Wer ohne Leid, der ist auch ohne Treu'

Und dem nur wird die Sonne wolkenfrei,

der aus dem Dunkel ringt mit heißem Triebe.

 

Bei Euch ist's nichts, als lärmendes Geschiebe,

In wildem Tummel trollt ihr euch herbei

Und meßt das Erdreich ohne heil'ge Scheu,

Als ob zu hoffen kein Kolumb mehr bliebe!

 

Euch ist der eigne Leichnam noch nicht klar

Ihr kennet kaum den Wurm zu euren Füßen

Die Blume nicht, die sproßt aus eurem Grab.

 

Doch hüpfet ihr und krönt mit Stroh das Haar

Gedankenlos als Götter euch zu grüßen

Der Zweifel fehlt und das bricht euch den Stab!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 316

d. 16_t. Jan. 46.

 

«Ich mach' die Seelen selig, Ich allein!»

Spricht Rom; lang hielt ich diesen Jammerspruch

für das Erbärmlichste, was je in's Buch

der Sünde schrieb das Erdenelend ein.

 

Da kommet Ihr, euch würdig anzureih'n,

und sagt: ein Ende macht das Leichentuch!

der Jenseitsglaube ist ein dürrer Fluch

hier laßt uns Hütten bau'n, hier ist gut sein!

 

Auch ich glaub' wandellos: Hier ist gut wohnen!

Auf! laßt uns seh'n, wie wir zurecht uns finden:

Die Menschenseele ist zum Glück bestimmt!

 

Was aber ward aus all' den Millionen,

die bleich und siech von hinnen mußten schwinden? –

Wie unvernünftig euer Lichtlein glimmt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 317

d. 15_t. Januar 1846.

Winterabend.

 

Schneebleich lag eine Leiche, und es trank

Daneben ein Geselle unverdrossen,

Bis endlich ihm der Himmel aufgeschlossen

Und er berauscht zu ihr auf's Lager sank.

 

Von rothem Wein den Becher voll und blank

Bot er dem Todten; bald war übergossen

das Grabgesicht und purpur'n überflossen

das Leichenhemd; so trieb er tollen Schwank.

 

Die trunkne rothe Sonne übergießt

im Sinken dieses schnee^verhüllte Land,

daß Rosenschein von allen Hügeln fließt

 

Von Purpur trieft der Erde Grabgewand;

doch die verblasste Leichenlippe schließt

sich kalt u starr des Sonnenbechers Rand.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 318

d. 14 Jan. 1846.

Subjektives Dichten.

 

Erst wollte Ich mit vieler Mühe flechten

'Ne lange Schnur von schläfrigen Terzinen,

Mit breitem Klatsch die Kläffer zu bedienen,

Die mit dem Ich in diesen Liedern rechten

 

Der Teufel aber möge das verfechten,

Was solchen Langgeöhrten krumm erschienen

Und feige wär's, nach jedes Narren Mienen

zu drehen sich und gar das Lied zu knechten!

 

Ein wunderlicher Kauz ist der Poet,

Der Das, was alle Andern bloß empfinden,

Mit wunderlichen Worten sagen kann.

 

Wenn's unter seinem Namen besser geht,

Wie möget Ihr ein Aergerniß da finden,

Ihr nüchternes Geschlecht: Er, Sie, Es, Man?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 320*

d. 6_t. Januar 1846.

 

Als jüngst Kaiser Nikolaus in Rom war und

der Papst ihn umarmte zur Aussöhnung

wegen der Katholikenverfolgungen in Polen

 

Fiebernacht.

 

Ist's nicht bald Morgen? O wer nennt

Die Stunde mir? das Lager brennt

mich wund, ich habe ganz durchwacht

die lange, stumme, dunkle Nacht

Und immer nur den Stundenschlag

Qualvoll verträumt – ist's noch nicht Tag?

 

Gott nahm die Blumen aus der Welt

Die Sterne drauf vom Himmelszelt

Und schloß sie höhnisch in einen Schrein

Und sprach: Mein sind sie und nicht dein!

 

Ich ging auf einem öden Plan

Und steckte meine Pfeife an

Da kam er wieder mir die Quer

Und bot mir seine Pfeiffe her

Ich gab ihm Feuer zu selber Frist

Und bat: Nun sag' mir, wer dur bist!

 

Da lachte er recht widerlich

Und drehte auf dem Absatz sich

Er drückte den Schwamm auf den Tabak

Und zog und sog mit Wohlgeschmack

Rauchend über die Haide geh'n

Hab' ich ihn verschwinden dan<n> geseh'n!

 

Ich ward darüber aufgestört

Und hab' noch einen Schlag gehört,

Doch weiß ich nicht, war's Eins, war's Zwei?

O wär' doch diese Nacht vorbei!

 

Nun streckt der Mond die Zunge heraus,

Die Sonne sticht ihm sein Auge aus

Die Bäume heben die Wurzeln empor

Und kehren das faule Mark hervor

Ich wandle auf gefrornem Gras,

Das schneidet mich, wie zerbrochnes Glas

 

Ist's nicht genug des Gräßlichen?

Mir träumte, mit einem häßlichen

Grabnachbar süße Buhlschaft trieb

im Grabe mein gestorbnes Lieb!

 

O unerhörter frecher Trug:

Im Traum ich meine Mutter schlug!

 

Nun wird es wahrlich mir zu heiß,

Von meiner Stirne strömt der Schweiß!

Ist meine Schuld noch nicht gesühnt?

O Gott, woran hab' ich verdient,

daß du mir solche Träume gabst?

O Wasser! seht, nun hat der Pabst

Den Russenkaiser – wer erbarmt

sich meiner? – grinsend umarmt! –

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 321

d. 31_st. Dec. 1845.

 

Ich sah eine junge Welle,

Die durch Alpenrosen floß

und sich freudig mit der Quelle,

lebensfroh in's Thal ergoß

 

Schien der Himmel drin versunken

Und war doch so leicht und klar

Und ich hab davon getrunken:

Wie so frisch u rein sie war!

 

d. 4_t Jan. 1846.

Bin dann auf dem Meer gelegen,

Wo das Kreuz am Himmel steht;

Nicht konnt unser Schiff sich regen

windstill war's, kein Lüftlein weht'!

 

Ich schaut' in die Wasser nieder

in die Tiefen unverwandt

Und sah meine Welle wieder,

aus den Bergen, wohlbekannt.

 

Von dem heißen Strahl durchzittert

Ja es war sie, deutlich, nah!

Und versalzen und verbittert,

still und muthlos lag sie da!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 9

Nr. 322*

Du mit dem Kopfe voll Erbsen, o langer und redlicher Heinzen!

Saug' aus dem Rugeschen Buch nicht zu viel Wasser in dich;

Denn, wie du weißt, es zerspringen die Nähte an jeglichem Schädel,

Wenn er mit Erbsen gefüllt, die unter Wasser gesetzt!

 

  


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