Historisch-Kritische Gottfried Keller-Ausgabe (HKKA)        HG_04

 

Schreibbuch Ms. GK 4

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 104*

d. 7_t. März 1844.

O wer die Maienluft noch athmen mag,

die niederthaut einst auf die welken Lande!

Wer noch vernimmt den Morgenglockenschlag,

Der klingend sprengen wird einst Gruft und Bande!

 

Ich möchte ruhn mit lindem Liebestande

In Mägdleins Arm im dichten Rosenhaag

Einhüllen meinen Zorn in Festgewande

Vergessen mich im wilden Trinkgelag!

 

Doch wenn der Schlag erzittert durch die Felder

Die Thürme rüttelt all' der grauen Städte

und wieder^hallet durch die grünen Wälder:

 

Dann schleudert' weit ich von mir Harf' und Becher,

Ich spräng' empor vom weichen Rosenbette

Und stürzt' berauscht mich in die Schaar der Rächer!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 105

Oktober 1844.

An die Sistematiker

2.

 

Nein! – zwischen uns soll Friede sein!

Ich stell' die weiße Fahne auf,

daß in geharnischtem Verein

wir fahren Einen Siegeslauf!

Voran! Voran! ihr Bittern

in fegenden Gewittern!

Wir aber ziehen hintendrein

mit klar gestimmten Cithern!

 

Ihr seid die feuerschwangre Kraft,

die Luft u Erde reinigt,

sprengt den entlaubten Eichenschaft

der dorrend überm Abgrund steht

Doch funkelnd aufgezogen

sind wir der Regenbogen

der nach dem Sturm am Himmel lacht

wenn aller Dunst verflogen

 

Ihr seid des Winters kalter Graus

verjagt das schwüle Heidenthum,

ihr jätet Dorn u Distel aus

u pflügt den starren Acker um!

Doch wir auf Lenzesschwingen

mit Spielen u mit Singen

wir müssen in die Furche dann

den neuen Samen bringen!

 

Ihr seid die Vorhut u die Wacht,

die sengt u brennt in Feindes Land

und ihr durchkreuzt die schwarze Nacht

mit gleißend rothem Fackelbrand

Von der Posaunen Schallen

Ist Jericho gefallen

Vor eurem Hauche stürzen selbst

des Himmels hohe Hallen!

[…]

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 106

d. 12_t. März 44.

An die Systematiker

1.

 

Wohlan! ihr neunmal Weisen!

Ich fordre euch heraus!

Baut ihr aus Stein und Eisen

Und Marmor euer Haus:

Bau' ich aus Rosendüften

Und Mondschein mir ein Schloß;

Drinn biethe ich euch Allen Hohn

Und Eurem Schülertroß!

 

Die goldnen Sonnenstrahlen

Sind meine Lanzen scharf;

Die Blumen in den Thalen

sind all' mein Schießbedarf!

Die Blumen auf den Bergen

Sind meine Wächtersleut

Des Himmels Sterne allzumal

mein glänzend Heer zum Streit.

 

Mein Oberfeldzeugmeister

ist meine Phantasie;

Denn ihre guten Geister

Verließen mich noch nie.

Und meine Kriegeskasse

Der Quellen Silberschaum

Mein lustig säuselnd Lagerzelt

Des Waldes grüner Baum!

 

Und meine Siegsstandarte

die ist das Morgenroth!

Und meine Feldherrnkarte

die ist das Abendroth!

Mein Tambur ist der Donner,

der in den Bergen rollt!

Trompeter ist der wilde Sturm

der auf den Meeren grollt.

 

Die Wolken sind Trabanten

die meine Stimme ruft;

Und meine Adjutanten

die Adler in der Luft!

Die fliegen und die spähen

hinaus in alle Welt.

Mein Dichterherz ist Feldmarschall,

das ist ein guter Held.

 

Heraus ihr Streiter alle

mit Herzen hart wie Stahl!

Ich bring euch doch zu Falle

Noch vor dem Morgenstrahl!

Ich werde lassen spielen

Mein duftendes Geschütz

Und euer Eis vergehen soll

an meiner Waffen Blitz!

 

Gott hat zu seinem Zeugen

erschaffen den Gesang,

der wird nun nimmer schweigen

die Ewigkeit entlang!

In seinen Zauberwellen

versinkt der letzte Spott!

So lange noch ein Dichter singt,

so lange lebt auch Gott!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 107*

d 19_t. Aprill 44.

Räthsel.

 

Ich weiß ein kleines Wort von schönem Klang;

Wie ich auch wähle zwischen zwei Vokalen:

Es bleibt ein Schatz, mit Gold nicht zu bezahlen

Ein süßer, zaubrischer Sirenensang!

 

Aus ehrenloser Knechtschaft dumpfen Qualen

Weckt es den Mann zu heißem Thatendrang;

Wallt still mit ihm den dornbesäten Gang

und lacht ihn an mit warmen Liebesstrahlen!

 

Doch wer mit krummem, peitschgewöhntem Rücken

Das Wort mit E nicht stolz im Wappen führt

und scheu vor jedem Schurken sich muß bücken:

 

O dem auch nicht das Wort mit a gebührt!

Sein milder Laut soll nimmer {ihn} entzücken,

den nicht der erste Klang mit Macht gerührt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 108*

den 23_sten Aprill. 1844.

Russisches Heimweh.

 

O daß ich hier, o daß ich hier, in dem verdammten Sonnenbrand,

dem widerlichen Himmelblau, dem unerträglich schönen Land

in Wein und Rosen lungern muß! Wie schleicht mein Blut so dick und schwer,

Denn viele Monden schon berührt' den Rücken keine Knute mehr!

 

Der Flintenlauf so rostig ist: und Niemand speit mir in's Gesicht!

Kein Knopf der Uniform ist blank: doch kümmert es den Hauptmann nicht.

Und was ich treibe mit Bedacht, der langen Weile zu entgeh'n:

In dem vertrackten Rebenland will Niemand auf mich Armen sehn!

 

Dort reitet jubelnd der Kosak und drangsalirt den Bauersmann,

Wohl ihm, daß er sich lustig noch die Stunden so vertreiben kann!

Ich bringe es nicht über's Herz, an dieser muntern Menschenbrut

Zu kühlen meinen frostigen und ärgerlichen Sklavenmuth.

 

Wenn ich nur tief im Norden wär', in die Kolonne eingepreßt,

Wo jeder Fleck am Lederzeug mit Blut mir meinen Rücken näßt!

Wo man auf ödem Stoppelfeld leis zittert, Mann an Mann gezwängt,

Wenn hoch zu Roß der schlanke Zar mit grimmem Blick vorübersprengt.

 

Auch wollt' ich, daß im kühlen Schnee ich, plötzlich umgefahren läg'

Und donnernd dann der schwere Park mir rasselt' über's Herz hinweg!

Und daß ich mit gebroch'nem Aug noch meinen Bruder weinen säh',

Der, fürchtend vor der Knute sich, verschweigen müßt' sein tiefes Weh!

 

O flöge eine Kugel her! Ich ließ' sie mir zu Herzen geh'n,

So würd' ich in drei Tagen doch in Rußland wieder aufersteh'n!

Ich wickelte behaglich mich in's kalte Elend wieder ein,

Statt daß ich hier nun krabbeln muß im hellen warmen Sonnenschein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 109*

d. 26_st April

 

Ich ging am grünen Berge hin, wo sich der Weih im Aether wiegt,

Und reisemüd der Sonnenstrahl ausruhend auf der Quelle liegt,

Wo wilde Rosen einsam blüh'n, die Föhre hoch den Gipfel krönt

Und über stilles Farrkraut her der Schlag der blanken Axt ertönt.

 

Da sah ich die gebroch'ne Schaar der hohen Eichen hingestreckt,

Daß von den Riesenleibern rings die Bergeshaid' war überdeckt!

Da sah ich die Gewaltigen in's nied're Gras dahingestürzt,

Das grüne Heldenleben jach von kleiner Menschenhand verkürzt!

 

Ich klagte, daß so herrliche und hohe Kraft vernichtet sei;

An manchen Helden dachte ich, manch früh gebrochenen, dabei.

Mir war als sollt' das Himmelszelt den grünen Eichen stürzen nach,

Mir war, als läg' die gute Sach' nun mit den stillen Gräbern brach!

 

Da rief der ew'ge Geist mir zu, der über allem Starken thront,

die heil'ge Dryas rief mir zu, die in des Lebens Bäumen wohnt:

Was klagst du, daß das Heldenthum nicht wie gemeine Schwachheit siecht

Und daß der hohe Eichenbaum im vollen Mark des Lebens bricht

 

Das Eichenholz, die gute That, die stehn u wirken erst mit Kraft

Wenn Stamm u Mann des Todes Stahl im Blüthenalter hingerafft!

die Eiche trägt die Brücke kühn, das Meerschiff u das Gotteshaus

und bei der blüh'nden Enkelschaar zieht Heldenthat als Werber aus.

 

Die Eiche preßt als Kelterbaum das Köstliche, das Rebenblut,

manch' Leichnam preßt die reife Zeit, der längst im dunklen Grabe ruht

Und wenn die Niederträchtigkeit hinfahrt verflucht u ausgedorrt

so grünt u blüht d ein edles Herz durch alle Zeiten fort u fort.

 

O grünes Laub u Freiheitslied, die wehn u klingen erst mit Macht,

wenn einst der Sänger u der Baum verfallen sind des Winters Nacht.

das Laub rauscht in der Menschenbrust, das Lied zieht durch die weite Welt,

bis es erreicht sein schönes Ziel u sei es noch so fern gestellt!»

 

Ich wandelt' auf des Berges Grath, sah nieder auf den schönen Kranz

der Länder, die da schimmerten u flimmerten im Sonnenglanz

Und manchen Eichbaum sah ich stehn, die Krone in der Himmelsluft,

manch Plätzlein gar so still u traut gemacht für eine Heldengruft.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 110

Epilog.

 

«das ist ein Schreier u ein dummer Prahler

ein müder Drescher auf gedroschnen Halmen,

ein Räuchlein mehr in der Empörung Qualmen,

ein Vielversprecher, jedoch schlechter Zahler!»

 

Gemach, gemach' Philistertroß, du kahler!

nicht bei dir such' noch find' ich meine Palmen

säng' ich gleich David auch die hehrsten Psalmen

sie würden durch dein Lob um so viel schaaler!

 

Ich geb' es zu, ich habe arg geschrieen,

als trübes Echo von geweihtern Tönen

und nur die gute Sache mag mich tragen!

 

Doch ist's mein Herzblut, das ich ausgespieen,

der Schlachtschrei der beim Angriff muß erdröhnen

u auf ihn folgt ein scharfes stilles Schlagen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 111*

d. 26_t. April

Die Alpenrosen.

 

Die ihr auf granit'nen Bergeszinnen,

Nur von keuscher Himmelsluft berührt

Alpenrosen, liebliche Beguinen!

Eure stille Blumenwirthschaft führt:

 

Wollt ihr nicht euch freundlich zu mir neigen,

Nieder zu des Thales Gärten ziehn,

Wo in duftig' heitrem Farbenreigen

Tausend Schwestern ehrend euch umblühn?

 

Und sie schütteln ihre Blumenhäupter

In der leichten Bergluft, flüsternd leis:

«Nein, wir bleiben hier, du Weltbestäubter,

Nicht entführst du uns dem heil'gen Kreis»

 

«Wo wir für die Freiheit Messe halten,

Bethen für das arme Vaterland!

Für das Vaterland, das will veralten

Und zerfallen schier in Schutt und Sand!»

 

Wollt ihr nicht euch freundlich zu mir neigen

Nieder in das Haus im grünen Thal?

Dort will ich ein Sonnenpaar euch zeigen,

daß ihr schöner blüht am milden Strahl!

 

Röther glühen ihre Purpurwangen,

Manche lauscht gar sonderbar hervor;

Doch, verneigend sich mit stolzem Prangen,

Spricht einmüthiglich der holde Chor:

 

«Breche deinem Mädchen andre Rosen,

Wir verstehn uns nicht auf Liebeszier!

Sind geschaffen nicht zu weichem Kosen,

Geh' und grüße sie -- wir bleiben hier!»

 

So vermag denn nichts euch zu bewegen

und zu locken aus der Einsamkeit?

Nicht ein Herze, das mit bangen Schlägen

Ferne trauert, über'm Meere weit?

 

Ach, ein Herz, das selbsten sich verbannte,

Nie zu kehren hoch geschworen hat,

bis der Freiheit, für {die es} entbrannte

sei bereitet eine sichre Statt.

 

Aber das, vom Heimweh nun ergriffen,

fast die Stunde nicht erwarten kann,

wo es fröhlich wieder heimwärts schiffen

und entfliehen mag dem öden Bann!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 112

Okt. 44.

Frau Rösel.

 

Frau Rösel ist eine gute Frau, wie liebt sie ihren König!

den König u sein ganzes Haus! und ißt u trinkt so wenig!

die gute arme Frau Rösel!

 

Frau Rösel hat ihren einz'gen Sohn dem König übergeben,

er steht u gafft am Schilderhaus, sie nährt mit Spinnen ihr Leben!

die gute arme Frau Rösel!

 

Und als es hieß, der junge Prinz werd seine Braut heimführen,

da sprach der Vogt: Frau Rösel mein, ihr müßt euer Haus verzieren!

die gute arme Frau Rösel!

 

Nun hat Frau Rösel dick zu thun, wie trippelt sie, u wie lauft sie,

Baumwollenfahnen u Goldpapier u frische Rosen kauft sie

die gute arme Frau Rösel.

 

Sie geht zu Wald u sammelt Moos, beim Nachbar bettelt sie Schnüre

und alte Nägel u solchen Quark, beim Schuster Kleister u Schmiere!

die gute arme Frau Rösel.

 

Dann keucht u schafft sie den ganzen Tag u sinnt u klopft u klittert

bis daß das Häuslein um u um behangen ist u beflittert

die gute arme Frau Rösel!

 

Herr Bunzelmann, der alles kann, hilft ihr studiren u kleben

macht Wappen u Kron u Nahmenszug, sauft zehn Maß Bier daneben

die gute arme Frau Rösel.

 

Und aus dem letzten Groschen kauft sie Brot und frische Butter

Und sitzt vergnügt u harrt in Ruh auf die neue Landesmutter!

die gute arme Frau Rösel!

 

Wie wird es mir so weinerlich, wenn ich dieß Hauslein schaue

so flimmerlich und schimmerlich und drinn die alte graue,

die gute arme Frau Rösel!

 

Und eh' sie sich recht umgeschaut, sind schon vorbei die Wagen

Und wie das Pärlein ausgesehn muß sie die Nachbarn fra[n]gen

die kurzsichtige Frau Rösel!

 

So schlage doch der Teufel drein! ich kann nicht mehr spassen u narren!

Wie lange willst stettig noch in deiner Blindheit verharren?

du dummes Weib! du Frau Rösel?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 113

d. 27_st. April

Gewitterabend.

 

Es dämmert, es dämmert den See herab,

die Wasser sind gar so dunkel;

Doch, wann der Blitz über den Bergen strahlt,

was ist das für ein Gefunkel!

 

Dann thun dem Schiffer die Augen weh,

er sputet sich ängstlich zu Lande,

wo gaffend der Feierabend steht

am fahlerleuchteten Strande.

 

Die Leute freuen u fürchten sich

und wünschen ein gutes Ende,

und daß der Herr sein Schlossengericht

nicht in den Krautgarten sende!

 

Jetzt zischt der Strahl in die laue Fluth

wie eine feurige Kette,

der dumme Haufen ergreift die Flucht

und kriecht erschrocken zu Bette!

 

Wann Gott einen guten Gedanken hat,

dann sagt man: Es wetterleuchtet!

Gib Acht, du Gesindel, daß nicht ein Mal

In deine Wirthschaft er leuchtet!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 114*

d. 28_st. April

 

Schon manchen Lenz wollt ich ein Liedlein singen

von einem rothen Apfelblüthenzweige;

doch ging der Frühling immer auf die Neige

und trug den Vorsatz fort auf leichten Schwingen.

 

Ich konnte nie den rechten Stoff erringen,

der sich verschlinge schön mit meinem Zweige;

Und doch, so oft ich durch die Lenzflur streiche

hör' ich das ungesungne Lied erklingen

 

– Wie schneit es draußen – braucht es denn ein Lied?

Du bleicher Mann dort hinter Eisenstäben,

der, schuldig oder nicht, die Gruft muß hüthen:

 

Du bist wohl krank u auch recht wintersmüd!

Mag drum das bloße Wort hinüberschweben:

Denk jetzt mit mir an rothe Apfelblüthen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 115*

d. 28_st.

Ruhm u Liebe.

 

Sie theilen da drinnen Lorbeer aus,

was ist das für ein Gedränge!

O komm, mein Liebchen, o komm hinaus

ins grünere Laubgehänge!

 

Da winde mir einen Rosenkranz

und drück' mir ihn auf die Stirne!

Als Liebeskönig im Purpurglanz

Nun küß mich, schöne Dirne!

 

Nun hab' ich ja, was mein Herz begehrt,

und bin doch nimmer zufrieden!

O wäre mir so ein Lorbeer werth

noch zu den Rosen beschieden!

 

Den Lorbeer trüg' ich am Werkeltag

im Staube und im Gewühle;

die Rosen aber am Feiertag

mit frommem Hochgefühle!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 116*

d. 28_t. April

Christenthum

 

O nennt mir {eine, eine} Tugend nur,

die irgend nicht ein Heide einst besessen,

Zeigt mir nur Einer Todessünde Spur

der irgend sich ein Christ nicht hat vermessen

Beweiset mir, daß {grüner} stehn die Auen,

daß {ehrlicher}, die Staat u Acker bauen,

daß schöner sind und treuer unsre Frauen:

So will ich meinen Christenhaß vergessen

und gläubig mit euch auf zum Kreuze schauen!

 

O brüstet euch nicht mit dem festen Glauben,

denn euer Todesurtheil ist er u Gericht!

er läßt euch nichts, ihr Blinden und ihr Tauben!

als eurer Blutschuld drückendes Gewicht!

 

 

Nr. 117*

d 28 Aprill am Zürchersee.

Am Abend.

 

O Abendroth, du schönes Abendroth,

und immer wieder schönes Abendroth!

Wann trinkt ein Menschenkind aus dir sich satt?

Wann nie ein Dichter dich besungen hat!

 

Du rosenrother süßer Zauberwein

wie saugt dich gierig meine Seele ein

wie brennest du dich glühend in mein Herz,

umsonst dort ringend mit dem grauen Schmerz!

 

du Blutsee still, um den die Dämmrung schleicht,

wo Tag und Nacht die scheue Hand sich reicht

O sage mir, wie tief, wie tief bist du

Wie manchen Dichterleichnam deckst du zu?

 

Wie in den Ozean ein Tropfen fällt

vergessen und verschollen auf der Welt

Ich möchte stürzen mich in deine Gluth

nichts lassend hier als dieses Fleisch und Blut!

 

O Morgenroth, du schönes Morgenroth

und immer wieder schönes Morgenroth!

Ich möcht als bloßer Name, ungesehn,

In deiner Strahlenhelle auferstehn!

 

Als leichter Ton in deinem Sfährenklang

hinbeben so die Ewigkeit entlang!

Wie wäre das ein inniges Erbau'n,

in deinem Goldmeer still mich umzuschaun!

 

O Abendroth, du schönes Morgenroth,

O ihr mein Morgen und mein Abendbrot!

Ich schreib' dieß Lied in eure weiche Fluth

Und es erlischt mit eurer letzten Glut!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 118*

Muthlosigkeit III.

 

Eben jetzt sind wieder Zeiten,

Kampfestage nun erschienen,

Wo, der Freiheit Edelknappe,

du die Sporen kannst verdienen!

Zäume deinen stolzen Rappen

Häng' dein Motto und dein Wappen

daß es keck u weithin blitze

an die Lanzenspitze!

 

Und hinaus auf Abentheuer!

Irrend wieder sind die Ritter

Drachenblut ist wieder giftig

Und der Minnesold ist bitter!

Schwarzes Brot und Morgensonne,

Wetternacht u Kerkerwonne

und der Freiheit Offenbarung

sind nun deine Nahrung.

 

Frage nichts nach deiner Ruhe,

nichts nach weichem Wohlbefinden!

Laß die Feigen ihrer Knechtschaft

ihrer Wollust, ihren Sünden!

An der neuen unsichtbaren

heil'gen Kirche sollst du wahren,

bauen helfen, dieß nur seie

fortan deine Weihe.

 

Trauerst du im heißen Süden,

denke, wankt dir das Vertrauen,

daß noch bleichre Kampfgefährten

fern in's rothe Nordlicht schauen!

Trauerst du am Steinestrande,

denk' in Osten's dunklem Lande

modert hinter Schloß und Gitter

manch ein bessrer Ritter!

 

Sollte auch der greise Vater

Trostlos in die Grube fahren,

Mutterherz der Schwerter sieben

blutend in sich aufbewahren,

mag das Herz der Schwester brechen,

Gott im Himmel wird es rächen

aber du durch Todesgrauen

darfst nicht rückwärts schauen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 119

d. 8_t. Mai

 

Freiheit mit den schwarzen Augen,

wachst du auf am Tiberstrande?

Freiheit mit den blauen Augen,

schläfst du noch im deutschen Lande?

Holde trikolore Dirne

schürze wieder dich zum Tanze

O du Schweizer Gletscherfirne

strahle neu im Morgenglanze

 

Und du schlanke Nereide

tauch' aus deinen grünen Wogen,

Hat dich nicht dein Sklavenfriede

Arme Hellas, arg betrogen?

War es dir auch schlecht zu Muthe

und gebrochen das Gefieder?

Weißer Aar im rothen Blute

rausche, rausche, rausche wieder!

 

Hebt den Schild, ihr Schutzpatrone,

Aller Völker nun zum Streite,

Flechtet eine Mirthenkrone,

die sich über alle breite!

Streifet ab die alten Sünden,

denn geläutert u gereinigt

sollt ihr euch zum Feste finden

das nur Würdigste[n] vereinigt!

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 120*

Auf dem Bodensee.

 

Ich schiffe über den Bodensee

und denke an das Meer;

ich denke an das ferne Meer

und an sein brausendes Weh!

 

Ich denke auch an die Länder gut,

die hüben u drüben sind;

die hüben u drüben so stille sind

mit fast gebroch'nem Muth!

 

Bei Kostnitz drück ich die Augen zu,

das ist eine böse Stadt,

wo so lichterloh gebrunnen hat

der Huß! Mein Schiff, fahr' zu!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 121

Juni
Morgenlied.

 

Fahre herauf, du kristallener Wagen,

klingender Morgen, so frisch u so klar!

Seidene Wimpel, vom Ostwind getragen:

Flattre, du rosige Wolkenschaar!

 

Unter dir fluthet u duftet die Erde,

brausende Woge von Blüthe und Staub!

Asche u Gluth auf zerfallendem Herde,

Leben u Tod unter grünendem Laub!

 

Reinigend, segnend liegt Thau auf den Landen

Weihbrunn zum heiligen Sonnengebeth!

Ach aber trocken, versengt u in Banden

liegen die Völker dazwischen gesäet!

 

Wie sich die schimmernden Kreuze bespiegeln

Hoch auf den Domen Land auf u Land ab

könntest du, blitzender Morgen, entriegeln

drunter das Alles verschlingende Grab!

 

Schwebt nicht ein Phönix dort hoch in den Lüften

tummelnd sich freudig im goldenen Saal?

Ach nur ein Rabe aus nächtlichen Klüften

sonnt sein Gefieder am feurigen Strahl!

 

Springt nicht ein Fischlein aus silberner Welle,

das sich am lieblichen Lichte erfreut?

Ja, s' ist ein Hecht, ein ergrauter Geselle,

der seinen täglichen Mord nur erneut!

 

Welches ist Lüge und welches ist Wahrheit,

ist es das Leben hier oder der Tod?

ist es die Finsterniß, ist es die Klarheit,

ewige Täuschung das Morgenroth?

 

Beides ist Wahrheit u beides ist Lüge,

je nachdem Eines das Andre bezwingt!

Hilf du dem Leben, o Morgen, zum Siege,

Und daß die Klarheit die Krone erringt

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 122

Juni 44.

Sommer 1844.

 

Das ist doch eine üppige Zeit,

wo Alles so schweigend blüht u glüht

und des Sommers stolze Herrlichkeit

still durch die grünenden Lande zieht.

 

Das Himmelblau u der Sonnenschein,

die zehren u trinken mich gänzlich auf!

Ich welke dahin in müssiger Pein

In Rosen versiegt mein Lebenslauf!

 

Die Schnitter so stumm an der Arbeit stehn,

nachdenklich u düster auf brennender Au!

Ich höre ein heimliches Dröhnen gehn

rings in der Berge dämmerndem Blau

 

Ich sehne mich nach Gewitternacht,

nach Sturm u Regen u Donnerschlag!

nach einer tüchtigen Freiheitsschlacht,

u einem entscheidenden Völkertag!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 123*

d. 15_t. Juni 1844

 

Auf die Gräber der gefallenen Jungschweizer.

Wie war die Maienzeit so schön u mild,

Wie schien so standhaft treu des Himmels Blauen!

Grün Berg u Thal, der jungen Hoffnung Bild,

und grüner war das nahe Fest zu schauen!

Die Lerche sang, die Lilje blüht' im Feld –

o warnend Zeichen alles Wandelbaren! –

ein trüber Regen {fiel} vom Himmelszelt

u {floß} wie Thränen auf blutrothe Schaaren!

Zerstäubt, vernichtet ist des Lenzes Prangen,

das Vaterland von Wetternacht umhangen!

 

So mußt' es sein! der Würfel ist gestellt.

Der Sieg sitzt höhnend auf dem Stuhl der Spötter

O Blut! du immer gültig Lösegeld,

du Kaufschilling für Menschen u für Götter!

So mußt du wieder unser Wecker sein,

vom treuen, frommen unbewachten Träumen?

So geh' voran, du rother Todesschein

beklommen folgen wir, doch ohne Säumen!

Wir glaubten mit des Geistes Schwert zu kämpfen,

u nun sollst {du} das reine Feuer dämpfen!

 

Entfaltet euer blutig Kreuzpanier,

und laßt zum Sturm entweih'te Glocken schallen!

Das Feldgeschrei sei Christus dort u hier,

u jeder wähne für das Land zu fallen;

das Land, das einst die Eintracht hat gefeit,

u dem der Freiheit grünen Baum entsprossen!

Ach! es ist mürbe worden {vor} der Zeit,

u seine Herzkraft liegt im Staub`e¿ vergossen!

So werft ihr {nach} das rost'ge Bundessiegel!

Zertrümmert unsrer Vorzeit lichten Spiegel!

 

Ich höre eine ferne Windsbraut wehn,

wie Wellenschlag vom kommenden Jahrhundert,

Schlaft wohl, schlaft selig bis zum Auferstehn,

ihr rauhen Kämpfer, schlicht u unbewundert!

doch Rosen sollen eurer Gruft entblüh'n,

zu Kränzen für die Jünglinge v. Morgen!

das Gestern mag zum grauen Lethe flieh'n,

mitnehmend unsre Klagen all' u Sorgen!

Nun brich heran, du gold'ner Frühroth'sschimmer:

«Die junge Schweiz auf ewig u für immer!»

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 124*

den 19_t. Juni 1844

Rückfall.

 

Drei Harfen und drei Becher,

drei Schwerter blau von Stahl,

dazu drei blonde Zecher:

die waren in einem Saal.

 

Die Aussicht war ganz prächtig,

ging über Land und Meer!

Die Harfen klangen mächtig

von Liedern hin u her!

 

Die Becher blinkten freudig

von purpurdunklem Wein;

die Schwerter glänzten schneidig

im rothen Abendschein.

 

Und unten lag ein Garten

voll Rosen tief in Ruh,

der fächelte drei zarten

Jungfräulein Kühlung zu!

 

Doch oben trank die Runde

tief in die Nacht hinein –

ich möcht' auf eine Stunde

bei den Gesellen sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 125*

Juni 44.

I

Nimm deinen Kranz vom Haupte

verrathnes Schweizerland!

Was soll dir der bestaubte

und längst verblich'ne Tand?

Ach, deine Alpenrosen

blüh'n über einer Gruft

und deiner Ströme Tosen

entsteigt ein Moderduft!

 

Es geht ein leises Morden

durch deine alten Gau'n!

Es lagern schwarze Horden

auf deinen grünen Au'n!

Die Heldenkinder zeugte

du Hochgepriesene,

bist nun die tief gebeugte

verlass'ne Niobe!

 

Doch nicht von Phöbus' Pfeilen

fällt deine Kinderschaar:

Aus dunkler Urnacht eilen

Giftschlangen auf sie dar!

Der Lindwurm Propaganda

wälzt sich in deinem Haus,

wo der sein Reich begann, da

geht alles Hoffen aus!

 

Im Osten Jesuiten

ein treulos Volk im West

gelenkt von Loyoliten;

Im Süd das {ganze Nest}!

Verrath am eig'nen Herde

im innersten Gemach:

Helvetia, nun werde,

weil es noch Zeit ist, wach!

 

Nur eine kleine Lücke

liegt offen längs dem Rhein;

das mag vielleicht die Brücke

zu deiner Rettung sein!

Jenseits und überm Rheine,

da steht ein grüner Wald:

o Baden, das ich meine,

o Deutschland, komme bald!

 

Ich glaub' ein ewig Leben

u an ein Aufersteh'n

O Schweiz, mein theures Leben,

laß deine Fahne wehn!

Laß deinen Schildglanz schimmern

umkränzt von jungem Laub!

Steh' auf aus deinen Trümmern,

entraffe dich dem Staub!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 126*

II

Weißt du, warum du büßen,

mein Vaterland, u leiden mußt?

Ich werf' es dir zu Füßen

aus vorwurf'svoller Brust:

 

Du hast der Freiheit Gaben

verkannt u unnütz angewandt!

Du hast dein Pfund vergraben

mit neidbefleckter Hand!

 

Anstatt voran zu gehen

Wie Sonnenlicht den Völkern all',

bliebst du verdunkelt stehen

in deinem Felsenwall!

 

Du hast dein Schwert geschwungen

weh! für des Fleisches Freiheit nur!

Der Geist, der blieb gezwungen

und öde seine Spur!

 

Du hättest können werden

ein Garten der Glückseligkeit,

das beste Land auf Erden – –

Was bist du nun zur Zeit?

 

Von Selbstsucht wild zerrissen,

von Finsterniß dicht angefüllt,

des Teufels Ruhekissen

der wieder mächtig brüllt

 

Ich weiß, mein Land verzeiht mir

das harte Wort, das Liebe spricht!

Ich weiß, mein Land verleiht mir

auch wieder Trost u Licht!

 

Ihr Brüder, helft mir klagen

den Einen Schmerz um's Vaterland,

Ihr Brüder, helft mir schlagen

zum Kampf an Schildesrand!

 

Ihr Brüder, helft mir singen,

ein Lied das durch die Seele fährt!

Ihr Brüder, helft mir schwingen

zur Sühne hoch ein Schwert!

 

Ihr Brüder, helft mir weben

dem morschen Bund ein Leichentuch,

der auf dem Bundesleben

liegt wie ein schwerer Fluch!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 127

5_t. Juli 44.

 

Willkommen, klare Sommernacht,

Die auf thautrunknen Fluren liegt!

Gegrüßt mir! hehre Sternenpracht,

die spielend sich im Weltraum wiegt!

 

Das Urgebirge um mich her

ist schweigend, wie ein Nachtgebeth!

Weit hinter ihm hör' ich das Meer

im Geist; u wie die Brandung geht!

 

Ich höre einen Flötenton

den mir der Wind von Westen bringt;

indem herauf im Osten schon

die Ahnung leis vom Tage dringt.

 

Ich sinne, wo in weiter Welt

jetzt sterben mag ein Menschenkind?

Und ob vielleicht den Einzug hält

ganz still ein lächelnd Heldenkind?

 

Doch wie nun auf dem Erdenthal,

ein absolutes Schweigen ruht!

ich fühle mich so leicht zumal,

u wie die Welt so still u gut!

 

Der letzte leise Schmerz u Spott

verschwindet aus des Herzens Grund;

mir ist, als thät' der alte Gott

mir endlich seinen Nahmen kund!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 128*

6_t. Juli 1844

Alles und Nichts

 

Nichts wissen ist ein immerwährend Leiden,

ein leerer Korb, der zentnerschwer doch drückt!

Ein Reueschwert, das immer ist gezückt,

uns jede Lebenssüße zu zerschneiden!

 

Es ist so schrecklich, alles scheu zu meiden

wo froh der Nachbar reife Früchte pflückt;

mit stolzem Geist u doch vor Scham gebückt

vom brachen Lebensfelde arm zu scheiden!

 

Doch {Alles wissen} ist ein Todtenschrein,

in dem der Mensch lebendig wird begraben;

ein Vampyr, der das Herzblut will entsaugen

 

Ich weiß es wohl, es sollte Anders sein!

Doch seht die Alleswisser, die wir haben,

u der Beweis liegt jammervoll vor Augen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 129

7_t. Juli

Morgenlied

 

Was je ein Mensch empfunden hat

für dich, o Morgenstunde!

das findet eine DankesStatt

in meinem Liedermunde!

Und alle die Gebethe

die dir erklungen sind

ich eine sie zu deinem Preis

als dein vertrauend Kind!

 

So oft die Sonne aufersteht

erneuet sich mein Hoffen,

und bleibet, bis sie niedergeht

wie eine Blume offen!

dann schlummert es ermattet,

geduldig mit ihr ein;

doch wacht es fröhlich wieder auf

mit ihrem ersten Schein!

 

Das ist die Kraft, die nie erstirbt,

und immer wieder streitet!

das gute Blut, das nie verdirbt,

geheimnißvoll verbreitet

So lang noch Morgenwinde

auf Erden festlich wehn,

wird auch der Freiheit Priesterstamm

nie gänzlich untergeh'n!

 

Nimm meine Andacht strahlend hin,

o helle Morgensonne!

Du heil'ge Jungfrau, laß erblüh'n

mein Herz in Freiheitswonne!

Ich will dir all' mein Leben

u all' mein Lieben weihn,

O Mutter schön der Freiheit du

Sollst meine Göttin sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 130*

7_t. Juli 44

Morgenlied

 

Fahre wohl! Fahre wohl o Morgenzeit,

du reine Maid aus Osten

Und laß nun hinterm Meere weit

dich andre Zonen kosten!

Ich hab' genug getrunken

aus deinem klaren Born!

Jetzt schlägt in helle Funken aus

der eingesogne Zorn.

 

Die ihr mit mir getrunken habt

ihr jungen Morgensöhne!

und euch am frischen Thau erlabt

in eurer Jugendschöne:

Die Lust wird nun verschwinden,

der heiße Tag bleibt stehn,

Wann wollen wir uns finden all'

und an die Arbeit gehn?

 

Der Jüngste sei der Feldmarschall

im rothen Ordensbande!

Brich auf nun, du Lawinenfall,

durch alle Christenlande!

Wir fliegen ungehalten

den weiten Siegeslauf,

und vor uns her, da spalten sich

die alten Gräber auf!

 

Hei rüttle dich, du morsch Gebein,

hörst du die Schlachttrompeten?

der jüngste Tag muß kommen sein,

du bist zu Gast gebethen

Die hoffnungslos gestorben,

ihr Helden ohne Zahl

als Geister seid geworden ihr

zum blutgen Rächermahl!

 

Wir stehn u schlagen felsenfest

auf allen offnen Wegen

wir kommen uns von Ost u West

von Süd' u Nord entgegen

mit riesigem Umfangen

erdrücken wir zumal

den bösen Feind, die Schlangzucht

die alte Erdenqual!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 131*

7_t. Juli 44.

[An die deutschen Künstler.

 

Könnt ich doch ganz in Worte fassen klar,

wie ich euch achte, liebe u verehre,

die ihr so siegreich auf dem tiefen Meere

der Kunst schifft, wackre Argonautenschaar!

 

Und wißt ihr was zumeist euch Ruhm gebar

weit vor dem ganzen neuen Bildnerheere?

Ihr hängt an euer Thun des Herzens Schwere,

Stellt euch als Dichter u als Denker dar!

 

Nur eines muß ich leider noch vermissen,

die beste Würze in dem vollen Becher,

die goldne Fahne auf des Tempels Dache:

 

Warum habt ihr die Kette nicht zerrissen?

Emanzipirt euch von dem Gold der Schächer

u weiht euch gänzlich eures Volkes Sache!]

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 132*

Laßt fahren Mythos, Nibelungen, Bibel!

die alten Träume sind genug gedeutet,

der alte Drache ist genug gehäutet,

und ausgewachsen längst die alte Zwiebel!

 

Malt nun der Freiheit eine Bilderfibel

das sei der Stoff, den ihr vereint erbeutet!

das Bahrtuch alter Zeit liegt ausgebreitet

drauf zeichnet unsrer Zukunft BlumenGiebel!

 

Entschuldiget euch nur nicht mit dem Leben,

u daß der Kunst Protektion vonnöthen

u fette Hofluft euren glühen Farben!

 

Das eben muß sich nun ganz anders geben,

Ihr müßt die Weichlichkeit in euch `er¿tödten,

braucht ihr zu schwelgen, wo das Volk muß darben?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 133*

8_t. Juli

 

Ich möcht' als Bergmann tief im Schooß der Erde,

wo am Gestein das wilde Herz sich bricht,

bei Hammerschlag u mattem Grubenlicht,

erwarten[d] das verhängnißvolle: Werde!

 

Stumm harrend bohrt' ich mich durch Schicht und Schicht

und ging' dem harten Demant auf die Fährte,

d'ran festnend selbst mich zu gediegner Härte

Der schlimmen Nacht im stäten Angesicht.

 

Wann oben dann die Morgenwolken gingen

die Wasser unten tobten in den Nächten,

die Erze strebten nur Ein Schwert zu werden

 

Löscht' ich die Lampe unter lautem Singen,

ich stieg' herauf, den Hammer in der Rechten

und grüßte froh die letzte Schlacht auf Erden.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 134*

d 9_t. Juli

An den Klassischen.

 

Du bist ein guter Stoff für die Poeten,

bald ausgepeitscht u ausgebeutet ganz

u deines Lorbeers nimmergrüner Kranz

ward arg zerzaust von unseren Propheten.

 

Doch Eines deiner Werke zu vertreten,

wag' ich mit ihnen wohl noch einen Tanz

und stoße für Walhallas hohen Glanz

gar wacker mit in deine Blechtrompeten!

 

Doch rath ich nicht, nach deinen Erdentagen,

als bleicher Marmor selbst dort einzuziehen,

den Helden und dir selbst zum bittern Spotte.

 

Du wirst sie alle auseinanderjagen,

Sie werden schreiend aus dem Tempel fliehen

im Schutt dich lassend mit der Deinen Rotte!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 135*

Juli 44.

 

«"Wer etwas auf dem Herzen hat, der eile,

es noch bei Zeiten vor sein Volk zu bringen!"

O glühe Worte, scharfe Sonnenpfeile!

 

Ja, werde laut nun, du mein hastig' Singen,

und scheue nicht die grämlichen Gesellen

die, vom Kamaschendienste steif, die Knute schwingen! –

 

Ich war der Wolken Kenner und der Wellen,

ein kund'ger Leser in den Morgenröthen

und schöpft' mein Wissen aus des Berges Quellen.

 

Mir war nur Luft u Waldesgrün vonnöthen

und eine Handvoll Blumen von der Haide,

um träumend so den langen Tag zu tödten.

 

Ich ließ die Welt mit ihrem grauen Leide,

und machte meinen Hof den schönen Rosen,

ging bei des Feldes Liljen auf die Freite

 

Ich sann auf Mährchen mit den Herbstzeitlosen,

auf tolle Mährchen von vergangnen Tagen,

Und liebt' mit Irrwischen ein stilles Kosen.

 

Da hat dieß Wort gewaltsam eingeschlagen

in meinen liljenvollen Todtengarten

und meine Gräber jach verwüstet lagen.

 

mag nun der alte Küster ihrer warten

<u> wie ich war, lief ich vom Berg hernieder

u wählt mir eine von den Kriegstandarten!

 

Und wie ich bin, nehmt auf mich, edle Brüder,

nicht mich zu schmücken hab ich Zeit genommen

und ländlich Moos durchgrünt noch meine Lieder

 

Und wie die Flamme plötzlich mir erglommen

laß ich sie flackernd in die Lüfte wehen

und komme mit dem wilden Strom geschwommen!

 

O steiget nieder rings von Bergeshöhen

all' denen noch ein Lied im Busen schimmert,

der Dichter Landsturm muß mit Macht ergehen

 

Seht ihr, wie schwül die Morgensonne schimmert?

Hört ihr, wie dumpf des Meeres Wogen schelten

und tief im Thal die Feuerglocke wimmert?

 

Herbei herbei! weil noch die Worte gelten!

bald wird man nur mit blanken Klingen schlagen

u blut'gen Schimpf mit baarem Blut vergelten!

 

Wer noch ein Wort des Zornes hat zu sagen,

noch eine Prophezeiung zu verkünden,

der soll es länger nicht verschwiegen tragen

 

Und {was} ihr auch für Waffen möget finden,

ob zeitgemäß von neuem chem'schem Feuer,

ob aus der Waffenhalle dunklen Gründen

 

Verschollne Schwerter, gleichviel, wenn nur euer

gestählter Arm sie mutig weiß zu schwingen

im Meer des Kampfes als erprobte Steuer

 

drum wer es mahnend fühlt im Busen klingen,

wer etwas auf dem Herzen hat, mag eilen,

es noch bei Zeiten vor sein Volk zu bringen!

 

Dann aber laßt uns in die Schwerter theilen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 136*

Epilog.

 

Flieg' aus, Flieg aus du Liederschwarm,

Du leichter scheuer Schwalbenflug,

Den ich so treu und liebewarm

Im freiheitsk<r>anken Herzen trug!

 

Hin ziehet über Flur u Feld

Bis jegliches ein Hüttlein schaut,

Ein Menschenherz in weiter Welt,

drein es sich heimlich nistend baut!

 

Es steht ein Grab im Vaterland,

Worinnen eine Leiche liegt,

Die in der bleichen Todtenhand

noch eine bleich're Rose wiegt!

 

Wenn Eine jenen Kirchhof sieht,

von euch, ihr Liederschwalben mein,

Und ob dem öden Grabe zieht,

so laßt es mir gegrüßet sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 137*

Juli 44.

 

Wann ein Grauer untreu wird,

denk' ich: Alles ist vergänglich

und sein Wankelmuth gebirt

ihm Verachtung überschwenglich.

Mag er drum zu Schanden gehen;

Junges Blut wird auferstehen:

Alles ist nicht hin!

 

Wann ein Kind mit leichtem Sinn

schnöde mit der Puppe spielet

und von höherem Gewinn

nichts im kleinen Herzen fühlet:

Denk ich, Alles wächst auf Erden,

Was nicht ist, das kann noch werden

Alles ist nicht hin!

 

Wenn ein junger Feuergeist

zwischen Tag u Nacht sich windet

und von Zweifelsucht umkreist

nirgends einen Ausweg findet

denk ich: Irrthum bahnt hienieden

oft den Weg zum innern Frieden

Alles ist nicht hin!

 

Aber wenn des Jüngling's Kraft

fühllos, stumpf u weichlich modert

und, im Schlendrian erschlafft,

ihre Flamme wüst verlodert:

Dann bin ich ins Herz getroffen

u zu Ende geht mein Hoffen

Alles ist dahin!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 138*

23 Juli 44.

Nachtlied.

 

O ew'ge Nacht! o blaue klare Nacht,

und doch so schwer, so undurchdringlich dunkel!

Du reicher tiefer fabelhafter Schacht

voll Sonnenerz, Sterndiamant Gefunkel!

Bald wie Kristall, so heiter u so licht,

glaub deinen tiefsten Grund ich zu durchschaun

bis plötzlich dann mein schwaches Auge bricht

erdrückt von deinem bittern Todesgraun!

 

Dein Schweigen tönt wie Donner meinem Ohr,

dein leises Lispeln ist ein endlos Tosen

Wie Orgelklang, ein Riesenglockenchor

umwogt mich deiner Lüfte stilles Kosen!

Und ich allein in diesem Wehn u Braus,

dir tiefem Räthsel ankerlos zum Raub!

Mahnst zum Gebet du, finstres Gotteshaus?

Ich werfe schluchzend mich vor dir in Staub.

 

Ich werf' mein blutend Herz in diesen Schlund,

In's Meer der Nacht und angle nach dem Gotte!

Doch hungerig Gewürm wühlt auf dem Grund

Und schlingend Meergewächs, der Zweifel Rotte!

Und ziehe meinen Köder ich zurück,

So ist er angenagt und voller Schlamm;

Kaum bleibt mir meines Herzens bestes Stück,

der urgewesne reine Kern und Stamm!

 

[Doch schlägt er schon in neue Reiser aus,

und diese pflanz' ich in das luftig blaue

Erdreich der Nacht, wo bald ein wehend Haus

von grünen Zederkronen ich erschaue.

Aus meinen Blicken sprossen Palmen an

Ich wandle singend drunter hin u her

Mit Schild und Schwerte bin ich angethan

zu wahren mein Palladium hoch u hehr:

 

Der reine Zweifel ist mein Schatz und Hort!

Er ist das Salz von meinem Seelenleben!

Er ist die Kraft, das schöpferische Wort,

die meinem Blutschlag seinen Umschwung geben!

Und ist gelöst mein letzter Zweifel einst,

O dann ist auch mein Glaube ab u todt

die du ein unauflösbar Räthsel scheinst

urdunkle Nacht, in dir ist Morgenroth.]

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 139*

Spionen und Zensoren u schwarze Apostaten

das sind die besten Pfeiler verhaßter Potentaten!

Und sollte solch Gebäude nicht nah zu stürzen sein?

Geduld es fällt von selber mit morschem Prasseln ein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 140

24 Juli 44

 

Nun bin ich untreu worden

der Sonne und ihrem Schein

die Nacht, die Nacht soll Dame

nun meines Herzen's sein!

 

Sie hat eine düstere Schönheit

ein bleiches Nornengesicht,

und eine Sternenkrone

ihr dunkles Haupt umflicht!

 

Heut ist sie so beklommen,

unruhig, voller Pein;

Sie denkt wohl an ihre Jugend,

das muß ein Gedächtniß sein!

 

Es streicht durch alle Thäler

ein Stöhnen, klagend u bang,

wie Thränenbäche rieseln

die Quellen vom Bergeshang

 

Die schwarzen Fichten sausen

u wiegen sich her u hin

und über die feuchte Haide

verlorene Lichter flieh'n!

 

Den Sternen bringt ein Ständchen

das dumpf erbrausende Meer

und über mir zieht ein Gewitter

mit klingendem Spiele daher!

 

Es will vielleicht betäuben

die Nacht den ewigen Schmerz?

Vielleicht an alte Sünden

denkt sie mit reuigem Herz?

 

Ich möchte gern mit ihr plaudern,

wie man mit dem Liebchen spricht,

umsonst, in ihrem Grame,

sie sieht u höret mich nicht.

 

Sie ist eine alte Sibille

und kennt sich selber kaum!

Sie, ich u der Tod u wir Alle

sind Träume von einem Traum!

 

Ich will mich schlafen legen

ein Morgenwind schon zieht

Ihr weißen Rosen im Kirchhof

singt mir ein Wiegenlied!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 141

Juli 44.

 

Die Nacht wiegt sich mit sternbesäeten Schwingen

auf stillen Weltmeer's blauen Wassergärten;

daraus zurück, wie Silberglöcklein klingen

die Sterne, die in feuchter Fluth verklärten!

 

wie ein entschlummert Kind an Mutterbrüsten

ruht eine Insel selig in den Wogen

So weich u weiß ist um die grünen Küsten,

der <Mutter>arm, die Brandung rings gezogen!

 

Die Insel schläft, doch Träume auf ihr gaukeln,

wie blüht, wie leuchtet, flüstert es so minnig,

wie lustig die Lianenkränze schaukeln,

wie duftet der Orangenhain so innig

 

Ich wollt', mein Herze wär' so dicht umflossen

von einem Meer der Ruhe u der Klarheit,

und drüber hin ein Himmel ausgegossen,

deß' einz'ge Sonne nur das Licht der Wahrheit!

 

Was mag denn wohl der alte Urwald träumen?

Er ist ja selbst ein üpp'ger Traum der Zeiten,

wenn, grüßend nach des Meeres Silberschäumen

hoch auf ihm hin sich Blumengärten breiten.

 

Das ist das Paradies im Mondenschimmer,

ein Geisterabglanz des so schnöd verlornen

vom Erdenglück ein abgesprungner Flimmer,

ein Blüthenblatt vom Sarg des todtgebornen!

 

Und schöne Menschen schlafen in den Büschen,

wie Bildwerk in ein Blumentuch gewoben

wie Engel in der Waldkapelle Nischen,

wie Götterspielzeug sorglich aufgehoben.

 

Und über Allem wallt ein frohes Ahnen,

sich unbewußt, u doch so alldurchdrungen!

der Blutlauf, der in unsichtbaren Bahnen

dieß reine Leben in den Gang geschwungen!

 

– Ein Blitz ein Schlag, die Meeresfläche zittert,

braun wälzt der Rauch sich auf dem krausen Spiegel,

Als hätt' ein Drache seinen Raub gewittert,

naht es sich pfeilschnell mit gespreiztem Flügel

[…]

 

Die Anker rasseln u die Segel sinken –

wohl fallen auch des Himmels schöne Sterne –

und hundert Bleigesichter lüstern blinken

im fahlen Schein der trüben Schiffslaterne.

 

Zu^vorderst aus des Schiffes schwarzen Wänden

ragt schwärzlich aus der giererfüllten Rotte

der Christenpfaffe, schwingend in den Händen

das blut'ge Kreuz mit dem gequälten Gotte!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 142*

Juli 44.

Lied

 

Ich singe oft vom wilden Meer,

u hab' es nie geschaut,

u hab ihm doch so lange her

mein kleines Leid vertraut.

das macht, ich kenn es besser

als mancher Seemann wohl,

wie man in seine Tiefe

mit Andacht schauen soll!

 

Manch' Dichterherz auf Erden schlägt,

von gold'nem Lorbeer schwer,

das wogend mir das Herz bewegt

noch tiefer als das Meer!

und doch so fern wie dieses,

so unerreichbar weit.

und ich so fest gekettet

an meine Einsamkeit!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 143*

Juli 44

 

«Was dich nicht brennt, das blase nicht!»

Wie elend und wie matt!

Das war ein miserabler Wicht,

der das erfunden hat!

 

Wenn Gott der Herr im Himmelszelt,

dieß Sprüchlein hätt' bedacht,

so läge unsre schöne Welt

noch in des Chaos Nacht!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 144*

Juli 44.

Polenlied.

 

Es liegt ein weißer Adler

in seinem rothen Blut,

sein Fittich ist zerbrochen

gebrochen ist sein Muth

sein Röcheln wird schon matter

u kürzer jeden Tag;

die Völker stehn u weinen

um seinen Sarkophag!

 

Das Weinen wird verbothen,

und man verbeißt den Schmerz!

Millionen Thränen brennen

sich nieder in das Herz.

Das wird ein Saatfeld werden,

wenndieser Same keimt!

das wird ein Trinken geben

wenn dieser Becher schäumt!

 

Rund ist die Welt; die Sonne

kehrt jeden Tag zurück!

rund ist das Rad am Wagen,

und runder noch das Glück!

der schwarze Aar kann sinken,

der weiße auferstehn –

laßt harren uns und bethen

und auf die Sterne sehn.

 

Des Unglücks Feuer läutert

oft das verdorbne Blut

ein neues Sein u Leben

thut manchem Volke gut!

An allen deinen Gliedern

verjüngt vom Morgenglanz,

wie wirst du, Polen, grünen

im neuen Völkerkranz

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 145*

Juli 44

 

Wenn der kalte Winter nicht wäre,

könnte uns nicht der Lenz beglücken!

Wenn es keine Tyrannen gäbe,

Hätten wir keine Republiken!

 

Alles muß keimen, reifen hienieden,

und die Zeit, die Zeit ist der Bauer,

der der Zukunft heiligen Samen

lockt aus dem dunklen Acker der Trauer.

 

Wie bedaur' ich die engen Herzen,

die da mit kindisch trotz'gem Schmollen

zweifeln an Gottes Macht u Treue

Alles selbsten erleben wollen!

 

Wie verlach ich die schnöden Thoren,

die, die grimmige Macht in Händen,

glauben, das werde ewig währen –

wo sich täglich die Sonnen wenden!

 

Ja, die Vergänglichkeit ist mein Tröster,

bildende Weihe, von Gott gegeben!

Endlich wird doch Vollendung werden,

Einzig Ziel von Sterben u Leben!

 

Lasset uns stehn u lasset uns streiten,

jeder mit bestem Willen u Wissen,

und die Frucht in köstlicher Reife

wird ein Jeder zum Voraus geniessen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 146

Juli 44

die Spinnerinn

 

Rinne sanft, du weiche Welle,

schöner Flachs durch meine Hände,

daß ich dich mit stiller Schnelle

fein zum goldnen Faden wende

du Begleiter meiner Tage,

wirst nun bald zum Tuch erhoben,

dem ich all' mein Lust u Klage,

singend, bethend eingewoben!

 

wie so schwer bist du von Thränen

schwer von Sagen u von Träumen,

schwer von jungfräulichem Sehnen

und durchblüht von Myrthenbäumen!

Ahnt er wohl, du traute Linne,

welch' geheimnißvolle Dinge

einen Schatz urtiefster Minne

ich mit dir in's Haus ihm bringe?

 

Kühler Schnee auf seine Wunden

sollst du werden, mein Gewebe!

Wohl ihm, daß er mich gefunden

unter dieses Gartens Rebe!

Wie durchdringt mich das Bewußtsein,

daß so ganz sein Glück ich werde,

und das Kleinod seiner Brust sein

u sein Himmel auf der Erde!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 147

II.

Nur diesen letzten Rocken

noch spinnt mein reger Fleiß

dann schmiegt euch, blonde Locken

dem grünen Myrthenreis

Ich habe lang gesponnen

u lange mich gefreut,

zum Bleichen an der Sonnen

liegt meine Jugendzeit!

 

Hat er wohl auch das Seine

mit treuem Muth gethan?

Betreten schon die Eine

u lichte Ehrenbahn?

Hat innig er begriffen

die Arbeit seiner Zeit?

Hat er sein Schwert geschliffen

und ist Kampf bereit?

 

Weh ihm, wenn er nicht rechten

für unsre Freiheit will!

Weh ihm wenn er nicht fechten

für unsre Ehre will!

dann mag mein Liebster minnen

wohl auf u ab im Land

und dieß mein bräutlich' Linnen

wird dann ein Grabgewand!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 148

Juli 44.

 

Ermattet von des Tages roher Pein,

die nur aufs Wiedersehen von mir schied,

saß ich und schrieb bei meiner Lampe Schein

und schrieb ein wildes, gotteslästernd' Lied!

Doch draußen lag die klare Sommernacht,

mild grüßt mein armes Licht der Mondenstrahl

und aller Sterne vollste Silberpracht

sah auf mich nieder hoch vom blauen Saal

Am offnen Fenster blühten dunkle Nelken

vielleicht die letzte Nacht vor ihrem Welken.

 

Und wie ich schrieb an meinem Höllenpsalter,

die süße Nacht im Zorne von mir weisend,

da schwebt' zu mir herein ein grauer Falter,

mit blinder Hast um meine Lampe kreisend

Wohl wie ein Schicksal flackerte das Licht

mit spitzer Flamme still u hell empor

Und lockt mit schwer magnetischem Gewicht

den leichten Vogel in sein Todesthor!

 

Ich schaute lange mit beklommner Ruh

mit wunderlich neugierigen Gedanken

des Falters unglückselgem Treiben zu.

doch als, zu nahe an der Flamme, sanken

beinah' die Flügel, faßt ihn meine Hand,

zu retten ihn gar sonderbar gezwungen,

und scheucht ihn fort. Hinaus in's dunkle Land

hat' er mit leichtem Fittig sich geschwungen!

 

Ich aber hemmte meines Liedes Lauf

Und hob den Anfang bis auf Weitres auf!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 149

August 44.

 

Im Glase blüht ein frischer Rosenstrauß

daneben webt ein JünglingsLeben aus

In's Zimmer bricht der volle Abendglanz

welch' schönes Bild für einen Todtentanz!

 

von rothem Golde trieft das Sommerland

die Reb' am Fenster u die Kammerwand

der Todeskranke u sein Leinentuch

roth blüht das Pfäfflein bethend aus dem Buch.

 

du armer Schwarzer, sag' was willst du hier?

Sieh! nicht einmal die Blumen horchen dir

nach Westen neigt sich alles insgesammt

die Sonne übt das heilge Todtenamt.

 

Wie abendschön das Haupt des Kranken glüht

daß kaum man ahnt, wie weiß der Tod drauf blüht

Sein Nachtmahlkelch ist lautres Sonnengold

wie schlürft er durstig diesen Liebessold!

 

Und scheidend winkt der letzte Lebensstrahl

erkaltet u verglüht sind Berg u Thal

die Rosen sind geblieben frisch u roth

jedoch das Menschenkind ist bleich u todt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 150*

Wanderlied

 

Wie meine Seele jubelt

ob dieser schönen Welt!

wie eine Lerche schwebt sie

hoch über Wald u Feld.

 

Bald wiegt sie sich auf Liljen

die still in Gärten stehn

dann wieder plötzlich stürzt sie

sich in die fernsten See'n

 

Nun ruht sie auf des letzten

u blausten Bergen Rand

und schaut mit trunknen Augen

hinüber in's fremde Land.

 

Doch kann sie nicht entrinnen

wie sie auch flieht allwärts,

denn sie ist fest gebunden,

fest an ein schweres Herz!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 151

Aug. 44.

[1. Fassung]

 

Nun will ich gehn u wandern

früh bis zum Abend spät

so weit auf dieser Erde

die Sonne mit mir geht!

 

Ich nehme nichts mit, als den Becher,

mein leichtes Saitengetön,

ich wundre mich über die Maßen

wie's überall so schön!

 

Die Ebne ist oft schöner

als meine Berge noch

und wo kein blauer Himmel,

giebts rothe Wolken doch.

 

wo keine schmachtenden Lotos

wächst blühendes Haidekraut

wo keine phantastischen Dome

sind dorische Tempel gebaut

 

und bin ich des Griechischen müde

mich lockt die luft'ge Moschee

und ich klage den maurischen Blumen

mein europäisches Weh

 

Hallo du muntrer Jäger

Sag' an du Fischer traut

hast du, o stiller Fischer

mein Liebchen nicht geschaut?

 

mein Liebchen ist die Freiheit

ich suche sie kreuz u quer

sie ist doch nicht ertrunken

im alten falschen Meer?

 

O wenn ich dieses wüßte,

mich faßt ein kalter Graus

ich stieße meinem Schifflein

den morschen Boden aus!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 152*

August 44.

Soldatentod.

 

Soldatentod, ein schöner Tod

der schönste Tod vor Allen

das Herz gesund, die Wangen roth

auf grüner Au zu fallen.

Beim Klange der Trompeten

bei heilger Fahnen Wehn

frisch ohne Beichten u Beten

in's Himmelreich zu gehn

 

Die offne Rose auf der Brust

das Schwert noch in der Rechten

mit froh verwegner Kriegerlust

die Seligkeit erfechten!

«Das ich mir hab' erworben

hier ist mein Unterpfand!

Ich bin als Mann gestorben

frei für mein Vaterland

 

Soldatentod, ein Hundetod,

Der schlechteste von Allen

das Herz gesund, die Wange roth

in's grüne Gras zu fallen

für Diplomatenränke!

Die brave Brust durchbohrt

für Kammerherrenschwänke

u auf Despotenwort!

 

O Gott, gib mir ein reines Blut,

das frisch und roth mag fließen!

wenn ich es für das höchste Gut

dereinsten muß vergießen!

Doch soll ich schmächlich sterben

u wie ein verkaufter Hund,

dann laß mein Blut verderben

so geht nicht viel zu Grund!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 153*

August 44

Lied

 

Ein junger Theologe

muß haben einen frischen Muth

Tabak u eine Bibel

und Haberstroh im Hut.

Ho ja ho ju^vallera

und Haberstroh im Hut.

 

In meinem Herzen wuchsen

viel Röslein roth u manigfalt

doch sind sie all' erfroren,

seit es so öd' u kalt.

Ho ja ho ju vallera

seit es so öd u kalt.

 

Ich habe meinen Leichnam

genossen bis zum letzten Rest

Nun bin ich für die Kanzel

wohl hieb u kugelfest!

ho jaho ju vallera

wohl hieb u kugelfest!

 

Hei^da! besoffner Küster,

komm, binde mir den Kragen um!

In ein par Jährlein sitz ich

im Konstistorium!

ho jaho ju^vallera

im Konsistorium

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 154

August 44.

Jugendfreundschaft

 

An's Fenster schlägt der graue, trübe Regen

und bringt die Mitternacht auf feuchten Schwingen;

der Docht muß flackernd mit dem Dunkel ringen;

wie bin ich müd', ich will zu Bett mich legen!

 

Was sinn' ich noch zu meinem Abendsegen? –

In meinen Ohren summt ein heimlich' Klingen,

in meiner Brust tönt ein verschollen Singen –

es denkt jemand an mich auf fernen Wegen!

 

Bist du's, o Freund? O ich auch denke dein!

Sei mir gegrüßt im unsichtbaren Raume,

Nach Jahren voll Vergessenheit u Leiden!

 

Bei unsrer Jugend bleichem Sternenschein

sehn wir uns flüchtig lächelnd an im Traume,

um wieder, ach! auf lang, auf lang zu scheiden!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 155

August 44.

 

Es sind vier Länder gelegen

um einen urtiefen See,

die mir das Herze bewegen

mit noch viel tieferem Weh!

 

Sie sind der Stolz gewesen

die Zierde vom Schweizerland

Nun kehrt man kaum mit Besen

hinaus die blutige Schand

 

Sie nähren sich noch zur Stunde

vom alten Ruhme mit List,

der doch auf des Sees Grunde

schon lange versunken ist!

 

Noch leuchtet in der Sonnen

der Berge silberner Dom –

die Thäler hat übersponnen

die alte Spinne von Rom!

 

Wie soll der Leib bestehen,

wenn das Herz, das Herz ist todt?

Helvetia warum muß ich sehen

deine Augen, deine Augen so roth?

 

Wer fischt mir die Edelsteine,

Die vier aus dem Sand u Schlamm?

Wer pfropft mir die Reiser feine

auf einen neuen Stam?

 

Es sind vier Länder gelegen

um einen urtiefen See,

die mir das Herze bewegen

mit noch viel tieferm Weh –

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 156*

August. 44.

Die Mazze.

 

Wo der Rohodan, eisgeboren, wogend durch die Thale zieht,

Grauen Burgen, grauen Kirchen, armem Volk vorüberflieht

In dem wilden Lande Wallis eine stürm'sche Mitternacht

haben braune Freiheitsmänner seltsam schaffend durchgewacht.

 

Rissen eine junge Esche mit der Wurzel aus dem Grund,

Schnitten sie zu einem Kolben, rauh u schwer, zur selben Stund',

Und ein rohes Menschenantlitz, weinend u von Schmerz bewegt,

ward dem zähen Eschenholze viel bedeutend eingeprägt.

 

D'rauf von scharfen Dorngeflechten u von Reisig aus dem Wald,

Ward von oben an bis unten dicht umwunden die Gestalt

Endlich ist die Mazze fertig, Töchterlein uralter Zeit,

Sagt, wo ist das Unglückskind nun, das um solche Braut gefreit?

 

Als von rothen Bergeszinnen rings der Morgen niederstieg,

stand die Mazze aufgerichtet drohend auf dem Markt zu Brieg

Rauschend zog des Rhodans Welle, rauschender doch zog heran

Murrend Volk von allen Enden, Weib u Kinder, Greis u Mann!

 

Einer rief nun zu dem Bilde: Mazze, warum trauerst du?

Welcher Frevler wagt zu wecken dich aus deiner langen Ruh!

Ists der Sillinen, der Raron oder ists der Asperling

Der sich an des Landes Freiheit, deinem Heiligthum, verging?

 

Und bei dem verhaßten Nahmen: Raron! neigte sich das Bild

Und: Geklagt ist's euch, ihr Männer! rief der Frager laut u wild

Wer nun will der Mazze helfen, gebe ihr sein Unterpfand,

schlagend einen Eisennagel in ihr dorniges Gewand!

 

O wie fuhren da die Hämmer sausend auf die Esche ein

und wie drängten sich die Männer dicht im jungen Sonnenschein!

Um und um von Nägeln schwarz ward bald das grause Marterholz

Jeder Nagel drang noch tiefer in des Freiherrn frechen Stolz!

 

Durch das Rhonethal ergoß sich nun das Volk auf breiter Bahn

Statt der Fahne hoch erhoben schwankt das schlimme Bild voran!

Fahret wohl, ihr schönen Burgen, die so böse Brut gehegt –

Abendsonne fand das Land von Freiheitsfeinden rein gefegt!

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 157*

Viermal hundert Jahre sind verflossen seit derselben Zeit,

Ist das Volk von Oberwallis nun erstarkt u eingeweiht

in der Freiheit, in der Tugend, in dem Rechte, in dem Licht?

Es geht eine andre Sage, die von argen Dingen spricht!

 

Wieder mahnt ein Bild des Schreckens – nun durchs ganze Schweizerland,

stürmisch schlagen tausend Herzen, krampfhaft zuckt ans Schwert die Hand.

Mazze ist das Unterwallis, dornumwunden u durchbohrt

Schreiend, klagend durch die Gauen gar ein blutig schweres Wort!

 

Glaubtest du wohl, unvernommen bleibe uns dein Hochverrath

thöricht Volk von Oberwallis, deine nachtgeborne That?

Nahe an der Rhone Quelle quillt die Reuß, die Aar, der Rhein

Deiner Schand' durch alle Thäler mußten sie die Boten sein!

 

Ja gemazzet bist du worden vor dem zorn'gen Vaterland!

Jeder Mann des Recht's, der Ehre hat erhoben seine Hand

Hat geschworen, daß es nimmer also soll und dürfe sein!

Langsam, langsam geht die Strafe doch noch traf sie immer ein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 158*

August 44.

 

Hätt' ich das Blut, das Alles mußte fließen

für Freiheit, Wahrheit u Gerechtigkeit

Von Alters her bis auf die neuste Zeit

Libation des Abgrunds Finsternissen

 

Das Blut, das heiß in schwelgendem Vergießen

auf Scheiterhaufen, Schlachtfeld weit u breit

der Knechtschaft alten Zauber hat gefeit,

daß doppelt hoch ihr Unkraut mochte sprießen:

 

Hätt ich dieß Blut auf Ein Mal alles wieder

in einem Riesenkessel! Ich ließ draus

das Eisen sondern u ein Schwert draus schmieden

 

Mit Einem Streiche blies der alten Hyder

solch' Zauberklinge wohl die Seele aus!

und ewig, ewig wäre Ruh' u Frieden!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 159*

August 44.

Ein alter kranker Bund!

 

O du chinesisch' Schattenspiel,

du ewig ungetroffen Ziel

du müde Danaïde!

das Feld wird leer, das Laub fällt ab,

der Dachs gräbt sich ein Wintergrab –

Schlaf' auch in Ruh und Friede!

 

Geendet ist das falsche Mahl,

das Haus ist still, leer ist der Saal,

der Föhn zieht durch die Fenster

da schleichen in das dunkle Haus

verrätherisch in Nacht u Graus

unheimliche Gespenster!

 

Und manchen, den der Tag gesehn

durch die entweihten Hallen gehn

erkennt die Nacht nun wieder!

Sie reihen sich in Glied u Rund

inmitten liegt der sieche Bund

verhöhnt u wund darnieder!

 

Das raunt u zischt nun hin u her,

das webt u spinnt nun kreuz u quer!

Gott wolle gnädig walten!

Ein jeder bringt den längsten Pfeil!

Ein jeder schleppt den dicksten Keil

das Vaterland zu spalten!

 

Doch wieder wird es öd' im Saal,

Im Ost erwacht ein heller Strahl

und es beginnt zu tagen!

das rothe Banner weht mit Macht,

das Alphorn tönt, der Stutzer kracht:

Das Volk, das Volk will tagen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 160

August 44.

Abendlied.

 

In Gold und Purpur eingehüllt,

o Sonne! willst du scheiden?

Und ich, von Freuden überfüllt

soll plötzlich dich nun meiden?

du hast mein Herz mit Lust entzündet

du allerschönste Königin

wenn mir dein strahlend Antlitz schwindet

ist nicht das Feuer todt und hin?

 

O reiche mir noch einen Strahl,

der bindend, helfend auf mich falle,

daß ich aus diesem Dämmerthal

an deiner Hand hinüber walle!

ich will dein treuer Page bleiben,

dein Spiegel, wie das klare Meer

als Schäfer deine Lämmer treiben

die Morgenwolken vor dir her!

 

Als leichte, leichte Wolke nur

laß mich an deinem Hofe weilen,

als deines Glanzes schwächste Spur

vor deinem Zuge kündend eilen

Ich präg' als Lehrer neue Lieder

den Lerchen, deinen Kindern, ein!

Du willst mich nicht? du tauchest nieder?

Ich bin im Schatten u allein!

 

Ich wende mich verlassen ab,

die Welt ist eine todte Kohle!

Was sonst die Klarheit widergab

stäubt, Asche, unter meiner Sohle!

Doch wie ich mich gen Osten kehre

steigt mir ein Wunder zaubrisch auf

In einem weichen Rosenmeere

beginnt der Mond den Elfenlauf.

 

Groß, magisch, wie ein Riesenstern

seh ich ihn überm Grünen hangen,

er ist nicht kalt, er ist nicht fern,

nein! warm u nah, wie zum Erlangen!

Ist er der Sonne Aehrenleser,

der nach verlornen Strahlen jagt?

Ist er der Sonne Reichsverweser

bis wieder sie im Osten tagt?

 

Es webt von Silber und Kristall

ein Netz sich über alle Räume

Wie feiner Elfenglöcklein Schall

erklingt das spröde Laub der Bäume!

Das sind des Mondes Zitterstrahlen,

die schlagen an die Blätter an. –

Auf all' dem Meer von Schein u Strahlen

mein Auge schifft als leichter Kahn!

 

Und weil mein Herz am Westen noch

am Abendrothe hängt mit Sehnen

fühl ich ein neues süßes Joch

von Osten über mich sich dehnen

Ich schwebe zwischen todten Wonnen

und neuem Hoffen wunderbar

wie eine Knospe eingesponnen,

die erst noch am Ersterben war!

 

Es ist auf Erden keine Nacht,

die nicht noch ihren Schimmer hätte!

So groß ist keines Unglücks Macht,

Ein Blümlein hängt in seiner Kette

Und ist das Herz vom rechten Schlage

so baut es sich ein Sternenhaus

und macht die Nacht zum hellen Tage

wo sonst nur Asche, Schutt u Graus!

 

Der du im Unsichtbaren schwebst

Doch immer in mir widerklingend!

der du die goldnen Brücken webst

von Welten sie zu Welten schwingend

du hast ein Liebesband gewoben

mir um das Herz so alt u krank!

du hast mich aus dem Staub erhoben

du großer Weber, habe Dank!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 161*

August 44.

Zwingli.

 

Wende dich in deinem Grabe um,

Großer Meister, du gewappnet Herz

das an Reinheit, Licht und edlem Sinn

noch den großen Luther übertraf!

 

Dein gediegner Silberschilde hängt dunkel

und verlassen in der Enkel Halle

Deine Fahne haben sie veräußert

und die Distel wächst in deinem Hause!

 

Könnten sie, wie ihrer Füße Staub,

dreimal hundert Jahr von sich thun,

O wie schüttelten sie froh dich ab

zögen jubelnd in die Nacht zurück!

 

Aber eine Schaar hat fest geschworen

sich um dein Palladium zu schaaren!

Will das Wort mit Macht erklingen lassen,

Wortes Klang mit Schwertes Klang vermählen

 

Wieder in den Tod mit Freuden geh'n

Wie einst du mit deiner Treuen Zahl:

denn schon brechen rothe Knospen auf

und die Feinde noch dieselben sind!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 162

II.

 

In der Pyramide Eingeweid

In der Mumie faltigem Gewand

fand man Waizenkörner alter Zeit,

die Jahrtausende im Grab geruht!

 

Prüfend säet man sie in frische Erde:

ob des Wachsthums Kraft noch inne wohne?

Und der nächste Lenz bringt wunderthätig

Graues Alterthum in jungen Halmen

 

Und die warme Sommersonne reift

Sie zu Aehren hundertfach an Korn

Also ißt das Enkelkind das Brot,

das einst mit dem Ahn' zu Grabe ging!

 

Ist dein Wort nicht auch ein edler Same,

der geschlafen hat durch lange Jahre

in der Todtenhand erstarrter Leichen

in dem faltigen Gewand der Kirche?

 

Wer will hindern, daß man nun

es in gutes, frisches Erdreich legt

und daraus ein grünes Saatfeld zieht,

das uns wieder neue Körner bringt?

 

Denn das Wort kann nimmer, nimmer sterben,

es muß ewig sich verjüngt gebären

und ist es Jahrtausend' still gestanden

muß es plötzlich wieder vorwärts schreiten!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 163*

August.

Als sie uns Jakobiner nannten.

 

Sie wackeln! sie wackeln, die ränkevollen Köpfe!

Sie schwabbeln, sie zappeln, die langgedrehten Zöpfe!

Es ist ihnen bange, daß sie um ihren Ruhm

Als Henker möchten kommen, um's Privilegium!

 

Ihr Bleichen, ihr Grauen, ist euch so schlecht zu Muthe?

Uns dürstet mit nichten nach so verdorbnem Blute

Und sollten wir siegen mit Jubel u mit Macht,

Ist euch die beste Pfründe im Spittel zugedacht!

 

Wir schreien u singen von Blut in eure Ohren,

doch ist unser eig'nes gemeint, ihr blöden Thoren!

Mit {ihm nur} erkaufen wir eine bessre Zeit

Nicht mit dem Ueberwund'nen, wie {ihr} gewöhnet seid!

 

Doch seid ihr nun besser u aus der Art geschlagen,

und muß euch nicht Holzstoß u Folterbank mehr tragen?

Nehmt an eine Wette, wenn's euch von Herzen geht,

so werdet ihr sie halten, wenn einst der Würfel steht:

 

Dem sein einst im Siege des Andern Herz zu eigen

der mildesten Sinn u Mäßigung wird zeigen!

Sich übt im Vergessen u liebendem Verzeih'n! –

S' wird nicht des Volkes Schade, {der Euere nicht sein}!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 164*

1. Sept. 44.

Gott.

 

Gott ist ein großes, stilles Haus,

das offen steht zu jeder Stunde!

Kein Ton geht weder ein noch aus

und dunkel scheint's in seinem Grunde.

Und willst du einen Nahmen rufen

in seine unermess'nen Hallen,

dann wanken unter dir die Stufen

und seine Thore niederfallen!

 

Und wer hineingeht, sieht das Licht,

er sieht die Wahrheit und das Leben!

Doch wer hinausgeht, sagt es nicht

dem Wandrer, der ihn frägt, daneben

Hinein muß selbst ein Jeder dringen,

und Jeder wird es Anders sehen

und in der Seele engsten Schlingen

verwahrend es von dannen gehen!

 

Gott ist ein großes, stilles Haus,

das offen steht zu jeder Stunde

Und Mancher zieht mit Saus und Braus

vorüber und nimmt keine Kunde!

Er muß die Anker fröhlich lichten

aufs hohe Meer, das er erkoren!

Ist glücklich! – Und weiß doch mit Nichten

daß er in diesem Haus geboren!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 165*

1 Sept.

 

Das Vaterland, die Freiheit, die Liebe u die Sonne,

die Hoffnung u die Rosen, des Waldes Lust u Wonne,

Die Wellen u die Sterne, Meer u das Menschenherz

das eigne laute Sehnen, der eigne leise Schmerz

 

Das sind die Siebensachen, die uns die Lieder geben,

das ist der arme Bettel, woraus wir Dichter leben

und wenn sie abgedroschen und ausgesungen sind,

dann laßt uns gehn u betteln, verstummt u taub u blind!

 

Könnt ich das Herz im Vaterland begraben,

so wollt' ich gerne wandern gehn [...]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 166*

Könnt' ich das Herz im Vaterland begraben,

so wollt' ich gerne wandern gehn

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 167

Sept 44.

Lied.

 

Der Lenz ist da, die Lauine fällt,

sie fällt mit Tosen u Brausen in's Thal!

Ich habe mein Hüttlein daneben gestellt

auf grünende Matte am sonnigen Strahl!

 

Und wenn die Lauwine mein Hüttchen trifft

und niederreißet mit donnerndem Lauf

So bald wieder trocken die Alpentrift

bau ich ein neues mir singend auf!

 

Doch wenn einst in meines Landes Bann

erstarrend die Laue der Knechtschaft fällt,

so zünd' ich die hölzerne Hütte an

u ziehe hinaus in die weite Welt!

 

Denn lieber gepeitscht in Sibirien sein,

als Herrendiener im Vaterland!

und lieber mich fremden Tirannen weihn

als meiner eigener Heimath Schand!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 168

Sept. 44.

Einem Gestorbnen.

 

Er war geboren durch das All' zu schweifen,

mit lautren Augen u gestählten Sinnen;
er war geschaffen, durch die Welt zu streifen
u zu ergründen ihre tiefsten Minnen!

Es zog' ihn mächtig jeden Lenz von hinnen
hinaus, hinüber, wo die Palmen reifen
Und von des Himmelaja Felsenzinnen
das göttliche Geheimniß zu begreifen! –

Er war gefesselt an ein sumpfig Moor:

Theologie, wo Licht u Leben scheiden,

Im Nacken hart der Armuth grimme Rüden

 

Da öffnet ihm der Herr sein Sonnenthor
nach einem kurzen stillen Erdenleiden;
ihm ward der beßre Theil – er ruh' in Frieden!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 169*

Sept.

 

Wen klag ich an, daß sich die Lust,

die Freude in ein schneidig Schwert,

des Lenzes Duft in meiner Brust

in Eitel Gift und Galle kehrt?

 

Daß ich aus diesem zarten Grün

nichts ärnte als den grauen Zorn,

der Frühlingssterne mildes Glühn

mir nur ein heißer Racheborn?

 

Daß in des Maien Rosenschrein

verschlossen sich die Menschheit härmt

und seiner Sonne klarer Schein

so üppig quillt u doch nicht wärmt?

 

Wen klag' ich an, wenn alles blüht

u alles knospet u gedeiht,

wenn man die Halme reifen sieht

u doch sich auf die Frucht nicht freut?

 

Doch gibt es {eine} bittre Frucht,

die unablässig reift u schwillt,

bis ihres Kernes RiesenWucht

einst allvergeltend überquillt!

 

Das ist die Klag' in diesem Lied,

die Nacht u Tag, Jahr ein, Jahr aus –

Würgengel – mit den Wolken zieht

und finster ruht ob manchem Haus!

 

Laß warnen dich, du alte Nacht,

die frech sich vor die Sonne stellt!

o beuge dich, du dunkle Macht,

die jeden Erdenlenz vergällt!

 

Du mußt bezahlen einst den Schmerz,

den Zorn, auf den du nicht gehört,

und das geringste Menschenherz,

das du gebrochen u zerstört!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 170*

September 44.

Zeit bringt Rosen.

 

Geduld, ihr Hoffnungslosen,

die ihr glaubt zu erliegen!

Die Zeit, die Zeit bringt Rosen,

sie wird auch für uns siegen!

Die kühnlichsten Gedanken,

die höchsten Berg' u Schranken

allendlich überfliegen!

 

Sie wird die rauhsten Schmerzen

einst heilend noch bezwingen!

sie wird die zäh'sten Herzen

Euch noch entgegenbringen!

Sie muß mit süßer Minne,

das haltet fest im Sinne

Uns Alle einst umschlingen!

 

Laßt nur das Gift zerstäuben,

die Spreuer laßt verwehen!

wie sich die Welt mag sträuben,

sie muß noch zu uns stehen!

Und keines Mannes Seele,

nicht Eine Kinderseele

soll uns verloren gehen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 171*

Sempt. 44. am Bethtage.

 

Herr der Völker, dem des Himmels Sterne brennen,

den allein als Gott u König wir erkennen

Öffne deines Herzens Gründe diesem Land.

Wo ein bethend Volk zu dir erhebt die Hand!

 

Sieh ich ging hinaus hinaus auf öde Haide

Sah mein Vaterland im reinen Sonnenkleide

Hört' sein flehend Wimmern in dem Glockenklang,

der von Bergen und aus Thälern zahllos drang!

 

In dem Kirchlein ferne ließ ich die Propheten,

Wahre, Falsche, mit dem armen Volke bethen,

denn ich weiß u glaub' o Herr, in meinem Sinn:

Du lenkst jeden Seufzer liebend zu dir hin!

 

Und dich rührt dies unbewußte, blinde Stammeln,

läßest deine Engel die Gebete sammeln

Schenkest uns unwandelbar das {rechte} Gut!

Nur um dieß, um dieß fleht mein bewegtes Blut!

 

Send' uns gnädig einen Meister, stark u lichte,

der dir einen neuen Bund u Tempel richte!

von Rubinen, purpurstrahlend himmelwärts,

jeder ein lebendig schlagend Schweizerherz

 

Jeder gleich, u jeder spiegelnd scharf geschliffen,

Jeder aus des Volkes tiefstem Schacht gegriffen!

Also wölbe sich empor der feste Saal,

drin du wohnst, o Gott, als Einer Demantstrahl!

 

Herr! du weißt, daß ohne Freiheit wir nicht leben,

ist es möglich, laß den Kelch vorüberschweben,

der die Schlange u die Kette in sich schließt,

u den Todesthau schon auf die Fluren gießt!

 

Segne unsre Fahne, segne unsre Lieder,

segne unsre Freiheit, laß sie blühen wieder,

segne du mein Schweizerland, das mit dir stritt.

siehe, seine Berge bethen für mich mit!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 172

Sept.

 

Es gehet eine schöne Sage

wie Märchenduft auf Erden um,

wie eine süße Sehnsuchtsklage

in lauer Frühlingsnacht herum!

 

Das ist das Lied vom Völkerfrieden

und von dem letzten Menschenglück

von goldner Zeit, die einst hienieden

mit Glanz u Reinheit kehrt zurück!

 

Wo einig alle Völker bethen

zum Einen König, Gott u Hirt, –

von jenem Tag, wo den Propheten

ihr ehern Recht gesprochen wird!

 

Nur Eine Schmach wirds fürder geben,

nur Eine Sünde auf der Welt,

das ist das eitle Widerstreben,

das es für Traum u Wahnsinn hält!

 

Wer diese Hoffnung hat verloren

und böslich sie verloren gab,

der wäre besser ungeboren,

und ihm gebührt kein Menschengrab!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 173

Oktober 44.

Göthe.

 

«Nur Anmuth! Ordnung!» tönt es immerdar!

Wer spricht von Ordnung, wo die Berge wanken?

Wer spricht von Anmuth, während die Gedanken

Noch schutzlos irren mit zerrauftem Haar?

 

Noch kämpfen wir durchringend Jahr um Jahr!

Noch thut uns Noth ein scharf u unschön Zanken,

Und durch des Zeitenwaldes wirre Ranken

Glänzt noch der Zukunft Au nicht gar zu klar!

 

Und Göthe ist ein Kleinod, das im Kriege

man scheu begräbt im untersten Gewölbe

es bergend vor der rohen Feindeshand.

 

Doch wenn der Feind verjagt, nach heißem Siege

Hohlt man mit Jubelsang herauf dasselbe

Und läßt es strahlen von des Altars Rand.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 174*

September.

Die Conferenzler.

 

Wach' auf, mein Volk! die Philister wollen

die Bundeslade stehlen!

Steh' auf, jag nach den Vertrakten, Tollen,

eh' sie den Raub verhehlen!

 

[...]

 

Drum auf u nach ihnen ohne Rasten,

Laßt keinen mir entrinnen!

Es ist mir nicht um den alten Kasten,

nur um das Kleinod drinnen!

 

Das Kleinod ist uns von Gott gegeben,

wir müssen es wahren und wehren!

Dieß Kleinod ist unser Schweizerleben

und niemand soll's entehren!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 175*

Sept. 44.

In einem schweizerischen Zeughause.

 

Schwert an Schwert u Lanz' an Lanze,

Schild an Schild mit dunklem Glanze,

Banner, schwarz vom Schlachtenwetter

rascheln da wie Herbstesblätter!

 

Angenagelt ist zu schauen

mancher Aar aus Oestreichs Gauen,

und die Ehre der Burgunder

rostet unter anderm Plunder!

 

Eisenhüllen, dunkel schimmernd

in verblich'nen Sonnen flimmernd

die ihr einst so stolz umzogen:

Sind die Falter ausgeflogen?

 

Tief in Feldern eingeschachtet,

hat sie längst der Tod umnachtet;

scharfer Frost hat sie verdorben

u die Brut ist ausgestorben.

 

Strahlend einst mit hellstem Kerne,

Grüß ich tausend Morgensterne!

Wenn sie nur Kometen wären,

die nach Jahren wiederkehren!

 

Aber all' die alten Scharten,

Flammberg, Spieß u Hellebarten

dieser Waffen Blüthenschimmer

ist erloschen wohl auf immer!

 

Möcht ein ander Zeughaus sehen,

mit ganz anderen Trophäen

wunderlichen Siegeszeichen

von erworbnen Feindesleichen:

 

Wie die Wände seltsam prangen,

Kutt' an Kutte seh' ich hangen!

Schwarze, braune u dazwischen

sich gesprenkelte vermischen!

 

Tausend drolligen Kaputzen

steife Amtsperrücken trutzen

Lange Klosterfahnen tragen

faltige Pastorenkragen!

 

Und wie sich die Pfeiler kleiden,

wie es rauscht von Gold u Seiden,

Meßgewanden, Gnadenbildern,

wunderthät'gen Herbergsschildern!

 

Pyramiden von Folianten

die einst als Geschütze brannten

und Traktätlein, Bettelsäcke,

thürmen sich bis an die Decke

 

Diese aber, schwarzer Himmel!

welch' ein knurriges Gewimmel!

welch' ein dunkler Baum voll Blüthen,

voll von dreigespitzen Hüthen!

 

Und in wüsten unzählbaren

dichten Staub u Mottenschaaren

nagt die Zeit behend u munter

an d em wüsten Spuck u Plunder!

 

Wenn die Nacht am Fenster lauert,

u der Wind das Haus durchschauert,

wirds dem Enkel unbeschaulich

und er flieht beklemmt u graulich!

 

Schlägt die Thür zu u verriegelt

dreimal fest sie u versiegelt

sie mit seinem derbsten Fluche,

daß kein Mensch sie fürder suche!

 

Lebe wohl, du Haus des Ruhmes,

Grabmal todten Heldenthumes!

Seid und uns Sporn, ihr theuren Waffen,

daß wir auch das Unsre schaffen

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 176

Sept. 44.

 

Es ist ein stiller Regentag,

so weich, so ernst – u doch so klar,

wo durch den Dämmer brechen mag

die Sonne weiß u sonderbar.

 

Ein wunderliches Zwielicht spielt

beschaulich über Berg u Thal

und die Natur, lind abgekühlt,

sie weint u lächelt allzumal!

 

Wie ein Kristall, von Flor umhängt,

erglänzt geheimnißvoll die Luft,

der Tag glimmt spärlich u bedrängt,

wie Lampenschein in einer Gruft.

 

Die Hoffnung, das Verlorensein

sind gleicher Stärke in mir wach;

das Leben u die Todespein,

sie ziehn auf meinem Herzen Schach!

 

Ich aber schaue innerlich

still lächelnd zu in guter Ruh,

und meine Seele rüstet sich

ergebend ihrem Schicksal zu!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 177*

Sept. 44

Abgedroschenes.

 

Eisern an's Schicksal der Menschheit gekettet,

hart in das Joch des Gesetzes gebettet,

jeder ein Hüter vom heiligen Schatz,

fest in die Bande des Staates geschlagen

helfe der Körper das Vaterland tragen,

jeder ein Felsen an seinem Platz!

 

Aber der Geist, der soll fessellos schweben,

frei, wie der Raum, in's Unendliche weben,

jeglichem schnöden Ergreifen zum Spott

Erde und Himmel im Spiele umfangen,

leicht, wie ein Hauch, an dem Weltende hangen

nichts anerkennend als sich nur und Gott!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 178*

Sept. 44.

Motive.

1.

 

Es war ein stiller Nachmittag, die Mutter saß u spann im Haus

Und unsre Schwalbe flog von Zeit zu Zeit mit Schwirren ein u aus;

Ein schüchtern Kind saß ich am Weg u schaute in bescheidner Ruh

dem stolzen und verschlossnen Spiel ein par geherrscher Knaben zu!

 

Da trat der Kleinste zu mir her; warum? weiß ich zur Stunde nicht,

Und schlug mir die geballte Faust urplötzlich in das Angesicht!

Und gar ein blutig scharfer Stich ging tief, tief in mein Kindesherz,

doch staunend und mir unbewußt fühlt ich damals wohl keinen Schmerz

 

Und jetzt nach langer, langer Zeit, heimkehrend aus dem fremden Land,

rollt jählings aus dem Innersten das lang verborgne Unterpfand,

Und erst jetzt löst die Thräne sich, die damals schwoll dem armen Kind,

Ich glaube, daß die Lieder mein, aus jenem Schlag entsprungen sind.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 179*

3

 

«Wer jetzt noch einen Zweifel hat an Christi Gottesherrlichkeit

So sprach zu uns der schlimme Pfaff, als er zum Nachtmahl uns geweiht,

«der frage mich bei Zeiten noch vertrauensvoll u ohne Scheu,

auf daß sein Glaube unerschütterlich u sonder Schlacken sei.

Entließ drauf aus dem dumpfen Pferch mit segnend ausgestrecktem Arm

gedankenlos u angstbefreit den tollen Confirmandenschwarm.

Auch ich nahm meinen Weg davon, das Herz bewegt in Fiebergluth

Doch als die Nacht hernieder stieg, faßt ich mir einen frischen Muth

Die letzte u entscheidungsvolle Frage kühnlich darzuthun

schlich wieder ich zum Pfarrhaus hin u wollte vorher nimmer ruhn

Ich trug mein Herz ganz in der Hand, ergebend u schon halb besiegt,

doch wie ich nun dem Hause nah, ganz breit der Pfaff im Fenster liegt

Ich aber wandte stracks mich um u floh vor seinem Vollgesicht,

ich glaub, aus jener Schüchternheit erwacht erst jetzt nun mein Gedicht.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 180*

2.

 

Die Wolke zog durchs Abendroth an einem späten Sommertag

als ich, ein träumend Schülerkind im abendstillen Felde lag.

Ein Falter streifte meine Stirn, und vor mir eine Lilje stand

ich aber schaute drüber hin in's tiefe blaue Dämmerland!

Ich schaute bis die Sternennacht ihr dunkelklares Licht ergoß,

u bis die Haide u der Wald, der breite See zusammenfloß.

Es ist wohl manches Jahr seither, u jene Stunden mögen nun

mit so manch' andrer stillen Nacht vergessen u verschollen ruhn

Nur Eines hat sich eingeprägt in meinem Herzen wunderbar,

Es ist die weiße Lilje, ganz deutlich nun kristallenklar

die ich da träumend übersah u die sich doch mir unbewußt

in ihrer ganzen Schöne hat gespiegelt in der jungen Brust!

Wohl schlich ich vor der Dämmerung hinaus in's rothe Abendland,

wo noch der Berge blauer Kranz, doch nicht die weiße Lilie stand.

Am Himmel nur ein ferner Stern schien fast mir von verwandtem Schein

Und manches meiner Lieder muß aus dieser Reu geflossen sein.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 181*

Sept.

Der größte Schmerz.

 

Das herbste Leid zu tragen wohl ist für ein reines Herz

Um ein zerrissen Vaterland der brennend heiße Schmerz

Um ein gebeugtes Heimathland die vorwurfsvolle Pein,

Um den verspielten Ahnenruhm muß es die Reue sein!

 

Wenn man sein klingend Harfenspiel weihn möcht' dem Vaterland

Und nichts, und nichts zu singen findt, als Schand u aber Schand

Wenn man der Welt mit stolzem Mund die Heimath preisen will,

und höhnend jeder Scherge ruft: Du Prahler, schweige still!

 

Und wenn man doch trotz Allem weiß, das Vaterland ist gut,

u besser als ein andres Land, u man mit seinem Blut

es zeugen möcht! u doch nicht kann vor l`a¿uter Aergerniß!

Das macht wohl in ein treues Herz den allertiefsten Riß!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 182*

Sept. 44

Der Flüchtling.

 

Kühle Nachtluft flüstert auf der Bergeshaide,

fächelt eine heiße Stirn voll Gram u Leide

fächelt ein gehetztes Herz, kühlt eine Wunde,

Nun des Berges reinste Blüthe wohl zur Stunde!

 

Fern von Menschenliebe, fern vom warmen Herde

todmüd sinkt das Edelwild der grünen Erde

an die Mutterbrust; des Berges wilde Rosen

nehmen den Gequälten auf mit lindem Kosen!

 

Und daß er an ihrem Liebeshauch erwarme

legt sein eigen Kind, die Freiheit, in die Arme

ihm der Herr, sein Gott, u deckt ihn schützend

zu mit seinem Sternenschilde, nächtig blitzend!

 

Läßt ihn träumend trinken von der Kraft u Tugend,

von der ewig frucht u blüthenvollen Jugend

die die Hölle wundert u die Teufel peinigt

und von ihnen mählig, sacht, die Erde reinigt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 183

Sept.

Am Vorderrhein.

 

Wie ist er rauschend ausgezogen,

der junge Held, aus Kluft u Stein

wie hat er gierig eingesogen

die Milch der Freiheit, frisch und rein!

Nun wallt der Glückliche hinnieder

hin in mein zweites Heimathland

O grüß mir alle deutschen Brüder

die herrlichen, längs deinem Strand!

 

Und grüß mir alle deutschen Frauen,

mit deinem besten Ritterbrauch

und wenn du wirst die Dome schauen,

die lieben Käuze, grüß sie auch!

sonst wüßt ich niemand mehr zu grüßen,

als etwa noch die Loreley

u deiner Reben freudig Sprießen! –

den Dreißig ströme stolz vorbei!

 

Es taucht ein Aar in's Wolkenlose

hoch über mir im Sonnenschein!

Ich werfe eine Alpenrose

tief unten in den wilden Rhein!

führ nieder sie, führ' sie zu Thale,

du schöner Strom bis an das Meer

und weis' dem Volk im Eichensaale

dem Harrenden, dieß Zeichen schwer!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 184*

Sept.

Die größte Sünde

 

Den Wittwen u den Waisen den letzten Pfenning stehlen,

als eingefleischter Wucherer den armen Schlucker quälen

Mord, Diebstahl, Ehebruch, ein falsches Zeugniß künden

sind alles hübsche Sachen u nicht geringe Sünden.

Der kalte Gottesläugner aus bloßem Herzensdrang

nur hat, wenn's möglich ist, noch einen schlechtern Klang.

 

Jedoch das größte Laster, merkt auf, ich wills euch nennen

Daß ihr der Erde Auswurf auch leichtlich mögt erkennen:

das ist die nüchtre Schmach, versauert u verteufelt,

die an Vervollkommnung der Menschheit stätig zweifelt

und die allein die Ursach war bis zu dieser Frist,

daß jener Lebensbaum noch nicht ersproßen ist.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 185

Herwegh

 

Schäum' brausend auf! wir haben lang gedürstet

du Goldpokal, nach einem jungen Wein!

Da traf mit dir ein guter Jahrgang ein

wir haben bas getrunken u gebürstet!

 

Noch ist das Land vom Schergenzaun umhürstet,

noch ist es nur ein schmucker Todtenschrein

der schweigend harrt auf seinen Osterschein,

zum Wecker bist vor Allen du gefürstet!

 

Doch wenn nach Wettergraun die Sonne lacht

u der Dämonen dunkle Schaar bezwungen,

zurückgescheucht in ihres Ursprungs Nacht:

 

Dann wird dein Lied, das uns jetzt so stark geklungen,

erst recht erblühn in holder Frühlingspracht,

nur durch den Winter wird der Lenz errungen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 186

Sept. 44

Trinklied.

 

Die grünen Römer blinken,

wir trinken draus mit Lust,

das ist ein fröhlich Leben,

das hebt die junge Brust!

 

Die Sonne spielet lieblich

durch all' den klaren Wein,

die spiegelt hin u wieder

von unsern Aeugelein!

 

Was liegt denn an der Schwelle

dort für ein bleiches Weib?

geschlagen und gebunden

den wunderschönen Leib?

 

Wie kommt so kranke Dirne

denn unserm Jubel nah? –

O schleudert weg die Becher!

das ist Germania!

 

Wir nehmen still die Hüthe

und schleichen aus dem Schank

wie einer, der ein Räuschchen

sich am Charfreitag trank.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 187

Sept.

Im Winter.

 

Verschlossen und dunkel ist um u um,

mein winterlich Herze zu schauen,

doch innen, da ist es erleuchtet und hell,

da dehnen sich grünende Auen.

 

Da stell' ich den Frühling im Kleinen auf

mit Rosengärten und Bronnen

da spann ich ein liebliches Himmelblau aus

mit Regenbogen und Sonnen!

 

Da zünd' ich Morgen u Abendroth an

und lasse die Nachtigall schlagen,

da lasse ich singende Jungfräulein gehn,

die meergrüne Kleider tragen!

 

Dann ändr' ich die Sceene u lasse mit Macht

den blitzenden Sommer erglühen,

ich lasse die Schnitter auf Garben ruhn

u bluthrothe Mohnfelder blühen.

 

Und dann durchschneid ich mit mit Wetterschein

mein Herz und füll' es mit Stürmen

lass' Schiffe u Mannschaft zu Grunde gehn,

dann Feuer von Bergen u Thürmen!

 

Hei Revolutionen u Mordgeschrei,

mit Galgen u Guillotinen,

geköpfte Könige, wahnsinnig Volk,

Convente u Höllenmaschinen

 

Nun ist mein Herze der Grêveplatz

voll Pöbel u blutige Leichen

ich sehe mich selber im dicksten Troß

erschrocken u todtenblaß schleichen.

 

Der Draht ist gebrochen an meiner Figur

ich kann mich nicht mehr entziehen

es wird mir bang u ich lasse das Bild

mit all' seinen Schrecken entfliehen.

 

Ich schüttle die Tannen wie Besenreis

und fege das Laub von den Wäldern,

ich lösche am Himmel die Sterne aus

u senge das Gras auf den Feldern

 

Wenn alles erstorben u stille ist,

dann trag ich mich selber zu Grabe

u stecke ein schwarzes Kreuzlein darauf,

das ich selbsten geschnitzelt habe!

 

So spiel ich den langen Winter hindurch,

doch wenn die Maiblumen sproßen,

zerbrech' ich das gläserne Puppenspiel

u mache den Dichter im Großen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 188

Sept. 44

Schweizerische Nationalität.

1

 

Die Sprache ist das theure Jugendland,

darin die Völker wachsen u gedeihen,

das Mutterhaus, wonach sie sehnend schreien

wenn sie verschüttet sind auf fremdem Sand!

 

Sie ist ein glänzend, stahlgeschmiedet Band

wovonTyrannenheere nicht befreien

Dem sich die tiefsten, reinsten Kräfte weihen,

die eine Nation je in sich fand!

 

Nur Eines, Eines ist noch mächtiger,

das ist die Freiheit, der polit'sche Glaube

hier springt zum Theil die harte Völkerkette!

 

Hier trennen sich die Ströme kreuz u quer,

versiegend schwindet der im alten Staube

und jener bricht sich kühn ein neues Bette!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 189*

Sept. 44

2.

 

Von seinem Volk verachtet u verbannt,

wohnt einst ein Mann bei einem Nachbarstamme

von andern Sitten, andrer Geistesflamme,

doch mit der Zeit ihm inniglich verwandt!

 

Er hat sich eingebürgert u bekannt,

wie ihn beglück' sein neuer Stand u Name,

und daß er nimmer woll' zum alten Stamme

zurück, wie oft sie Bothen ihm gesandt!

 

Doch trug er immer noch ein Bild im Sinne

von seinem Jugendland, ließ auch zu Zeiten

gar freundlich traute Grüße überbringen!

 

Dieß das Geheimniß unsrer Schweizerminne!

Da hilft kein neidisch Disputirn u Streiten,

sie wird sich inniger u fester nu`r¿ verschlingen.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 190

Oktober

3

 

Wie ist denn wohl der Diamant entstanden

zu seiner unvergänglich festgeschlossnen Einheit,

zu seiner ungetrübten, strahlenhellen Reinheit,

verknüpft von so viel unsichtbaren Banden?

 

Wenn aus der Völker Schwellen u Versanden

Ein Neues sich zu einem Ganzen einreiht,

Lieb' u Bedürfniß es zum Volke einweiht,

wo Gleichgesinnte eine Heimath fanden:

 

Wer will denn da noch rütteln gar u feilen?

Zu spät! zu spät! schon ist's ein Diamant,

der nicht mehr ist zu trüben u zu theilen!

 

Und wenn, wie man im Edelstein erkannt,

darin noch kleine, fremde Körper weilen,

so sind sie fest umgossen u gebannt.

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 191*

Nicht daß ich das Entsagen nicht begriffe

mit seiner ganzen tiefen Herrlichkeit,

mit all' dem Drang, der nach dem Himmel schreit

von manchem nassen kalten Felsenrisse!

 

Ich, der ich einsam mit dem Zweifel schiffe,

ich brauche nicht den Moder dieser Zeit

ich habe längst mit Asche mich bestreut

und hasse dieses Lebens feige Kniffe!

 

Nur duld' ich nimmer, daß mir das Entsagen

befohlen werde von der schlechten Seite,

die selbst es flieht u niemahls hat erkannt

 

Und wenn es Einzelne im Herzen tragen,

so bleibe die Gesammtheit aus dem Streite,

ihr sei das reiche Leben zugewandt!

 

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 192*

[Ein junger Theologe

muß¿ haben¿ einen¿ frischen¿ Muth¿

u einen zähen Magen,

im Herzen gar kein Blut!

[...]

im Herzen gar kein Blut.

Ein junger Theologe]

[...]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 193*

Sept. 44.

Spaziergängliches Gefühl.

 

Sie haben mich verhöhnt, geschlagen,

und boshaft lächelnd ausgejagt

ich aber hab' die Schmach getragen

u habe [es] niemand angeklagt.

 

Ich schlendre pfeifend auf den Bergen,

die schon die Nacht umdunkelt hat

durchkrabbelt von den krummen Zwergen

qualmt tief die sündengraue Stadt

 

Der Regen rauscht mit Macht hernieder

u kühlt mein brennendes Gesicht,

Der Donner rüttelt meine Glieder

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 194

Oktober 44.

Disteli.

 

Sie haben Ruh', die Kutten braun u schwarz,

die Flettermäuse, Eulen, blauen Kröpfe,

die Spieße, die Philister u die Zöpfe

all' das verbrannte, zähe Pech u Harz!

 

Er hat sie scharf gepeitscht u arg gegeißelt

die faulen Bäuche u die krummen Rücken

Er hat aus tausend giftgeschwollnen Mücken

sich gar ein seltsam Monument gemeißelt!

 

Schaut her ihr draußen, denen im Genick

geharnischte Tirannen tödtlich lasten

Schaut dieß Gewimmel ohne Ruh u Rasten,

den Bodensatz in einer Republick!

 

Solch einen Abschaum wohlgemuth zu zeichnen

braucht es fürwahr ein gutes, starkes Herz

ihm lohnt es auch des Vaterlandes Schmerz,

und seinen Nahmen wird es dankbar eignen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 195*

Oktober 44.

 

Schiller, Jean Paul, Herder, Börne,

Heine, Laube Herwegh.

 

Wenn ich die Streiter schaue mit den nackten Klingen,

entschlossen, bleich, in dichtgedrängten Schaaren,

verzweifelnd das Palladium bewahren

und herzzerschneidend schöne Lieder singen!

 

Wie in des Scheusal's Herz die Schwerter dringen,

und tödtlich in sein Eingeweide fahren,

und doch nicht tödten! – Und nach so vielen Jahren

noch immer dieses qualmerstickte Ringen!

 

Und wenn genüber ich von zähen Schlangen

den unvertilgbar'n Knäuel muß erblicken,

die Welt versteint u unverbesserlich

 

Dann packt mich jach ein ungeheures Bangen

und unnennbare Wuth will mich umstricken

und Marat ist ein Lamm dann gegen mich!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 196

Okt. 44.

Pietistenwalzer

 

Nun stimmet die Harfen u salbet die Geigen,

und gebt euch die Händlein zum himmlischen Reigen,

ein Weiblein, ein Männlein,

ein Hühnlein, ein Hähnlein,

je zwei u zwei, wie sich's am besten schickt,

und man sich am frömmsten zu Herzen drückt.

 

Sind alle da? Ey, so verschließet den Himmel,

laßt draußen das sündige Pack u Gewimmel

verberget die Kniffe,

die lüsternen Griffe,

wir haben den Geist uns zu Fleische gemacht

und feiern subtil die urewige Nacht!

 

Zu wecken die schlaffen, wollüstigen Gluthen,

bestreicht uns der Satan den Hintern mit Ruthen

die heilige Völle

durchwürze die Hölle!

Nun löschet die Lichter von Ungefähr,

das Töchterlein tanzt mit dem Missionär!

 

O süßliches Grunzen, o seliges Dunkel,

begehrliches Suchen u tappend Gemunkel!

mich fasset ein Schwindel!

bachantisch Gesindel
[…]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 4

Nr. 197

Kronprinzen.

Hoffnungsblumen, Morgenröthen,

die am dunkeln Himmel blühn!

Und das Volk in seinen Nöthen

schaut erwartend ihr Erglühn.

Harrt ergeben auf die Sonne,

die da auferstehen soll,

u von bessrer Zeiten Wonne

wird sein Wermuthbecher voll!

 

Horch! was flüstert in den Gaßen

und was zischelt im Palast?

Herolde durchziehn die Straßen

rufend mit gedämpfter Hast!

Hei, der König ist gestorben!

hei, der alte Kauz ist todt

ist gestorben u verdorben

u zu End ist unsre Noth!

 

Bald verhallt der dumpfe Klang von

Trauerglocken durch das Land,

Festtrompeten harren lang schon

zu erschallen durch das Land

Heil ihm, er hat sich gebildet

lang mit Männern weis u alt!

Heil uns, nun sind wir geschildet

gegen Willkür u Gewalt!

 

Morgenjubel ist verklungen

Wetter hielt sich leidlich gut

Und die Alten u die Jungen

Schlendern heimwärts wohlgemuth.

Doch schon tropft es auf die Nase,

Spute sich, wer laufen mag!

S' kommt nach all' dem frohen Spaße

gar ein langer Regentag.

 

Schlagt zu Scherben eure Töpfe

und die Krönungsbraten drin

werft den Hunden vor die Köpfe,

denn der Traum ist schon dahin!

Schütte fluchend in die Gosse,

Armuth! dein geborgtes Bier!

Bleibt doch von der tollen Posse

nur ein schlimmes Kopfweh dir!

 

  


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