Historisch-Kritische Gottfried Keller-Ausgabe (HKKA)        HG_03

 

Schreibbuch Ms. GK 3

 

Nr. 4*
Dec 1843

1843

 

Ein Schritt zum Himmel ist ein Schritt zum Grabe,

verlorne Jahre sind ein reicher Fund!

Du nicht! Sink immer auf den dunkeln Grund,

O Jahr, das ich so wild durchsungen habe!

 

O Jahr, o Jahr, du botest schlechte Labe

und arg verhöhnte mich dein falscher Mund,

noch liegt der Menschheit großes Herz so wund,

und immer kreischt er noch, der alte Rabe!

 

Wir sehnen uns wie ungeduld'ge Kinder,

zu überflügeln die gelähmte Zeit

und achten nicht ein Jährlein mehr noch minder.

 

Indessen schafft' der Böse allbereit,

statt sehend wurden Viele nur noch blinder

O macht euch auf! noch liegt das Ziel so weit!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 5*
Zieh hin o Jahr und klag es dem Allmächt'gen,

daß du uns noch im alten Schlamm verlassen!

frag ihn, ob feste Zuversicht zu fassen

uns Arme er noch wolle nicht berecht'gen?

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 6
12 März 44.

Poesie im Volke

 

Heute, als es so recht hündisch windete und schneite,

sagte einer: «Jetzt wäre es schön, oben auf der

Manegg zu sitzen, in ein nasses Bettlacken gehüllt,

eine gefrorene Rübe im Hintern, und eine geronnene

Milch essend!»

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 7*

Die Königinn weint, die Königinn weint,

und spricht zum alten König:

Eur Liebden, war es so gemeint,

als Ihr so unterthänig

mich zum Altar geleitet habt,

mir schwörend eure Rechte gabt?

wem soll ich nun vertrauen?

 

Eu'r Pfaffe auf der Kanzel steht

mit Fluchen und mit Schwören!

Von Morgen früh zum Abend spät

muß ich die Schmach anhören

Und unsre armen Kinderlein,

die sollen nun gebrandmarkt sein

vor euren eignen Augen?

 

Er sagt ja, wenn ein Katholik

'Ne Protestantin freie,

daß dann sein Same Stück für Stück

Bastardenbrut nur seie

dieß trifft bei uns aufs Häärlein zu,

Herr König, u ihr laßt in Ruh

die Gräuelthat geschehen!

 

Mein theurer Glaube wird verhöhnt

von euren schlimmen Pfaffen;

Ihr aber noch die Schande krönt,

schleift ihnen noch die Waffen

und mich umringt des Pöbels Spott,

das klag' ich meinem lieben Gott,

dieweil ihr nicht wollt helfen!

 

Der König spricht: Frau Königin,

das thut mir wahrlich leide,

ich sende gleich zum Pfaffen hin,

daß er den Unfug meide!»

der Pfaffe kommt, mit keckem Schritt

er prahlend vor den Fürsten tritt,

erhebend seine Stimme:

 

«Nach Ueberzeugung ist's geschehn,

was donnernd ich gepredigt»

««Brav, Brav, mein Sohn, so magst du gehn,

du bist der Straf' erledigt!»»

so spricht der Herr mit sanfter Stimm',

und klopfet auf die Achsel ihm,

entlassend ihn in Gnaden!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 8*

Pfingstfest d. 15_t. Juli

1843.

 

In Frühroth's Rosenlicht erglühen schön,

Altäre Gottes, rings die Bergeszinnen,

Aus Wäldern hallt ein feierlich Getön,

wie Flötenstimmen sel'ger Sängerinnen!

Siehst du die Lerche hoch zum Aether steigen?

Im Morgenstrahl erglänzen golden ihre Schwingen

Anbethend sollst du dich, erwartend, neigen,

Sie will vom Himmel dir den hehren Pfingsttag bringen!

 

Wie heil'ger Andacht voll stehn rings umher,

im grünen Feierkleid die stillen Eichen

unhörbar fast fleußt klar ein Bächlein her

wirkt in den Blumenteppich Silberzeichen

Der Waldgesang verhallt! mit frommem Schweigen

blickt harrend alle Creatur zum hellen Osten

bald wird das Sonnenbild sich strahlend zeigen

und alles wird verklärt vom goldnen Lichte kosten.

 

Mir aber will ganz wunderbar geschehn,

in ferner Zone glaub' ich zu verweilen!

Ich sehe Marmorhallen ring's entstehn,

ein morgenländisch Dach ruht hoch auf Säulen!

In's dunkle Himmelblau schau'n schlanke Palmen,

Oliven-, Feigenbäume stehn im üpp'gen Kranze

Vom Tempel her verhallen ferne Psalmen

Die heil'ge Landschaft ruht im hohen Festtag'sglanze.

 

Im Saale aber harret ernst und mild

der ersten Christen heilige Gemeinde,

Ehrfurchtvoll seh ich manch' Apostelbild;

von heißer Lieb' gedrängt sitzt Freund' an Freunde.

Es hat das Wort des Herren sie berufen,

des Geistes Weihe offnen Herzen's zu empfangen

Nun bethen sie an seines Altar's Stufen

bis er zu stillen kommt das innige Verlangen.

 

Da fahret ein Getöse durch das Haus,

wie Windesstürm durchrauscht's die weiten Hallen

Und Alle überfährt ein heil'ger Graus

im leisen Freudenschreck sie kindlich lallen

es steiget eine Wolke strahlend nieder

ob jedem Haupt schwebt eine gold'ne Feuerzunge

der heil'ge Geist durchschauert alle Glieder

und regt allmächtig jeglich' Herz in hohem Schwunge.

 

Urplötzlich ist das Wort in ihnen klar

von dem so hehr der reine Schwan gesungen

und herrlich legen sie ihr Zeugniß dar

und reden geisterfüllt in fremden Zungen.

Dann ziehen lehrend sie durch alle Lande

und streu'n den göttlichen Gedanken aus als Samen;

er sprießt empor, zersprengt die alten Bande

und blüht in lichten Sternen um des Herren Namen.

 

Doch trübt sich jetzt das schöne Traumgebild

verschwindend in der Jahre dunkle Reihen

ich sehe dort des großen Wortes Schild

zum Werkzeug niedern Erdenthun's entweihen.

Schon schlägt der Mensch mit seinem Sündenwahne

die schweren Hände auf des Geistes Aetherblüthen

er zerrt und ordnet sie zum Hochmuth'splane,

um listig seiner Brüder Sclaventhum zu hüthen.

 

Das Menschenblut, das einst der Heid vergoß

auf seines Opferstein's geringer Fläche

und jenes, das dem harten Römer floß

versickert fast zu unsehbarer Schwäche;

wenn ich die heißen Ströme tosen höre

von gutem Christenblut, durch Christen hingeschlachtet

Gesoffen von des Wahnsinn's wildem Heere,

vom finstern Fanatismus jammervoll umnachtet.

 

Die Zeit ward milder, doch das Elend blieb

und wechselt' nur die unglücksel'gen Waffen

was früher uns zum Scheiterhaufen trieb

soll jetzt in feiger Heuchelei erschlaffen.

Das nächtliche Gezücht hängt an der Lüge,

weil es darinn allein den Rettungsbalken findet

und weil, wenn sie erliegt des Geistes Siege

für alle Zukunft seine falsche Herrschaft schwindet.

 

Befreiung sollte einst dem Erdensohn

der heil'ge Geist, von seinen Fesseln bringen,

und sich, er ward zu einem Eisenthron,

auf dem Tyrannen ihre Geißeln schwingen

das Kleid, in welchem er sich zu uns neigte

das ward als Kirchenfahne täuschend aufgehangen;

jedoch der Geist, der drinn sich strahlend zeigte,

er ward erwürgt, umstrickt von tausend gift'gen Schlangen!

 

Nun ist der Pfingsttag mir ein bitt'rer Hohn

auf Alle, die nach lautrer Wahrheit streben;

da wälzen sich in ihrem Sündenlohn,

die uns getrübt, geraubt das arme Leben

Wenn jene Helden wieder jetzt erschienen

und predigten der Zeit gemäß die reine Lehre:

man würde sie mit schlechtem Dank bedienen,

zum zweiten Mal würd' ihnen die Märtirerehre!

 

Nun ist das Morgenlicht mir rothes Blut,

die Sonn' scheint mir ein bleiches Bild der Trauer,

die Berge zürnen stumm in falber Gluth

die Eichen schütteln sich im Wehmuthschauer

Die Waldesstimmen scheinen mir zu klagen

daß sie allein vom wahren Licht nur dürfen singen

die Lerche hoch scheint sehnsuchtvoll zu fragen,

Wann uns der Herr den rechten Pfingsttag werde bringen?

 

O Herr! o Herr! Wann sendest du den Tag,

der alle Völker wird mit Feuer taufen?

den unbewölkten, morgenklaren Tag,

durch den wir uns die Geistesfreiheit kaufen?

Wann wird die dumpfe Glaubensangst sich wenden

In freudigheitres, festes, sicheres Erkennen?

Wann wird die Nacht des schwarzen Abgrund's enden,

die hämisch will das Volk vom LebensLichte trennen?

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 9*
Juli 1843.

 

Da lieg ich in meinem Fensterlein

Ganz einsam, einsam und beschaulich

im hellen, lieblichen Sonnenschein,

der scheint und flimmert um mich so traulich.

 

Der heiße, glänzende Nachmittag

mit seinem friedevollen Schweigen,

so stille, als man sich denken mag

ruht er auf Feldern, auf Gras und Zweigen.

 

Und unten in meinem Garten stehn

und flüstern leis', wie Kinderträume

die Rosen, Nelken und Lilien schön,

die still vertraulichen Apfelbäume.

 

Der Brunnen plätschert so silberklar

unter der grünen Schattenlinde

Die Rebe reicht ihre Trauben dar

daß erwärmend die Sonne sie finde

 

Es wogt ein goldenes Aehrenmeer

so weit, so weit mein Aug mag dringen;

draus schimmern die blanken Sicheln her

und fröhliche Lieder hör' ich singen.

 

Und Bächlein, die durch die Felder zieh'n,

seh' ich im Sonnenstrahle blinken

Und blaue Cyanen die dort blühn

scheinen so freundlich mir hinzuwinken.

 

Der klare Himmel, wie inniglich

so treu, so rein, und so verschwiegen

senkt tief er in meine Augen sich

und will sich an meine Seele schmiegen.

 

Und wann ein kühlendes Lüftlein zieht

wie neigt sich alles mir Verlangen –

Die Flamme doch, die mein Herz durchglüht:

sie läßt nicht erkühlen meine Wangen.

 

Und wie auch alles so friedlich ruht

den Frieden kann ich doch nicht finden

Es wallt so stürmisch mein armes Blut,

wer wird dein heißes Sehnen ergründen?

 

Es liebt der Himmel die Sonne treu,

und diese Nelken, Liljen, Rosen,

Von Bächleins Wellen will jede neu

mit jenen schönen àCyanen¨ kosen.

 

Die Quelle liebet den Lindenbaum

ergießt ihm froh ihr Silberleben;

dem Jugendfreunde, dem Apfelbaum

hat liebend sich die Rede ergeben

 

Schon lange sonnet so minniglich

das Häuslein sich im grünen Garten –

Ich lieb' euch alle! doch wer liebt mich?

Wo wird die Liebste wohl meiner warten? –

 

Am grünen Ufer, am fernen See,

da liegt ein Grab so stumm verschlossen

Brich auf, brich auf nur, du altes Weh!

Sind deine Tränen nicht all' vergossen?

 

Du schöner Stern aus der Kinderzeit

Früh in die Gruft hinabgefallen

bist nun ein Sternbild der Ewigkeit,

und hörst mein Lied nicht schaurig verhallen!

 

Du weiße Ros' aus dem Jugendland!

blüh'st lange schon in Himmelsauen

Es ist zerrissen das Lebensband

Und nimmer kannst du mein Leiden schauen

 

Du früh verblichenes Morgenroth

hast mir den schwülen Tag gelassen

Wohl ist der Kummer mein Abendbrot

und meine Ruhe kommt mit dem Erblassen.

 

Du hochaufblühender Maientag

wie bist so bleich du hingeschwunden

die Blüthe, so dir am Busen lag,

liegt nun wie ein Eisfeld auf meinen Wunden

 

O weh, mein lieblicher Myrthenbaum –

der Sturm hat wild dich ausgerissen

Du, meiner Jugend goldener Saum,

zerstäubest auf nächtlichen Moderkissen

 

Gestorben! du meiner Kindheit Braut!

gestorben an des Tempels Schwelle! –

Wo steht nun der Altar aufgebaut,

auf welchen ich meine Hoffnung stelle?

 

Das Grab verschlang mir dein süßes Ja,

nun mag ich gern darüber sinnen

bis endlich die blasse Stunde nah

die leise tröstend mich ruft von hinnen!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 10
1_t. Mai 43

Fahnenlied.

 

Die Fahne, der ich folgen muß,

ist weiß und purpurroth!

Ein Augentrost und Himmelsgruß

dem Vaterland in Noth!

 

O Liljenweiß, o Purpurroth,

du hehres Schlachtgewand!

O Liljenweiß, o Purpurroth,

du leuchtend Liebesband.

 

O flattre, flattre hoch und frei

in reiner Schweizerhand!

Wink' mahnend mir mein Volk herbei,

weck' auf das Vaterland!

 

Und ob du auch zerrissen bist:

Hoch flattre, Weiß und Roth!

Dich zieht der Schwarzen schwarze List

Doch nicht in Staub und Koth.

 

«Hoch Schweizerland!» ist Feldgeschrei,

und «Freiheit!» Loosungswort,

so fallen wir mit alter Treu

all' um des Landes Hort.

 

O Freiheit mein! o Fahne mein!

wann du mußt untergehn,

dann soll die letzte Stunde sein

und niemand auferstehn!

 

Dann treff' uns des Vergessens Fluch

und unser schlecht' Gebein,

dann sollst du unser Leichentuch

und unser Grabhemd sein!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 11*

d. 14_t. August.

die Feier der deutschen Unabhängigkeit seit 843.

 

Mit Ambrosianischem Lobgesang

und mit Kanonendonner

han jüngst sie das preußische Reich entlang

die deutsche Freiheit verhöhnt.

 

du liebe Zeit! du liebe Zeit!

was das für tolle Faxen sind!

wann wird einmal der Pupp' entwöhnt

das alte deutsche Kind?

 

Ihr segelt wohl in Ewigkeit

langsam lavirend nach dem Wind?

was schieret uns ein freies Land,

wenn, die drin wohnen, Knechte sind!

 

Den ambrosianischen Lobgesang

und den Kanonendonner

spart auf bis den fröhlichen Rhein entlang

das Pulver dem Volke gehört!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 12*

d. 31_t. Juli 43

 

Dem Blindgebor'nen müssen wir verzeihen,

wenn nach des Frühlings Blumenpracht er nichts will fragen;

und Mitleid wollen wir dem schwachen Auge weihen,

wenn es das helle Sonnenlicht nicht kann ertragen.

 

Das zarte Weib ist gerne zu entschuldigen,

das sich vor wildem Thatensturm entsetzet;

und lächelnd müssen wir dem Kinde huldigen,

wenn sich sein schuldlos Herz an Kinderträumen letzet.

 

das auch den Besten mächtig kann umstricken;

Gewohnheit ist ein süßes, liebes Band,

das graue Alter ist ein schimmernd Festgewand,

mag manchen sonst wohl hellen Geist berücken.

 

Doch wenn der Sehendwordene das Licht noch läugnet,

verstockten Sinns den Lenz zum Winter macht;

das aufgeklärte Aug', was klar sich eignet,

nicht sehen will in eigensinn'ger Nacht;

 

Wann frech das Weib der Zeit in's Richtammt greift,

im Trug erzieht des eig'nen Leibes Frucht;

und wann das Kind, zum Mann herangereift,

am Gängelband des Traum's zu fesseln sucht

 

Das arme Volk, der Wahrheit so empfänglich.

Gewohnheit, Alter, und verjährter Tand,

die hergebrachte Meinung, so vergänglich,

zum Popanz werden in Betrügerhand:

 

Dann brennt der Zorn uns heiß in allen Adern!

uns scheinet keine Geißel scharf genug!

wir möchten mit den Vätern selbst noch hadern,

daß sie so lange litten solchen Trug.

 

Man kennt dich wohl, du gleißnerisch' Gezüchte!

du Schlangenbrut und heuchlerisch' Gewürm!

Man kennet deiner Thaten faule Früchte,

Und wie du's meinst mit deinemGnadenschirm!

 

Doch ha'n wir einen Schirm, vor dem der Deine

zu Schanden gehen wird, in Ewigkeit.

O heule nur! du Nebelvolk, und weine:

uns schirmt allmächtig die erfüllte Zeit!

 

Die Zeit ist Gott! und wenn ihr seine Zeichen

nicht achten wollet im verstockten Herzen,

wenn ihr der klaren Ueberzeugung nicht wollt weichen

so grabt ihr in der eignen Brust nach bittern Schmerzen!

 

Wer frevelnd sich dem Rad der Zeit entgegen^stemmt,

der liegt zerquetscht, zermalmet von der Riesenwucht.

Vergeblich, daß ihr sein ehr'nen Speichen hemmt!

es rollet über euch dahin in rascher Flucht.

 

Ein modervolles Grab ist die Vergangenheit!

Irrlichter seid ihr, die noch darauf kreuchen!

doch ist der lichte Morgen wahrlich nicht mehr weit,

der euch in eure Gruft zurück wird scheuchen!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 13*

fiat

d. 1_t. Aug.

 

Wenn ich ein Fläschlein, zwei, Johannisberger hätte,

So könnte ich ein Stündchen mich herrlich erlustiren!

Ich schrieb' dafür zum Dank gern eine Etikette,

womit Fürst Metternich die Flaschen könnte zieren,

 

Die er im deutschen Land an alle Potentaten

alljährlich zum Präsent liebreich versenden thäte,

Wie müßten da die Herr'n bei ihrem Schnepfenbraten

Sich fürstiglich erbau'n an meiner Etikette.

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 14*

Seht ihr es blitzen in ganzen Reihen?

Sie ziehen die Klingen, sie ziehen die Degen,

entgegen den Reitern! Ihr Reiter verwegen!

Sind ehrliche Männer und sind es werth,

zu kreuzen mit ihnen das ehrliche Schwert!

 

Voraus schickt die Kugel als biederen Gruß,

als bleiernen Handkuß der Rechten

Doch stemmet jetzt fest in den Bügel den Fuß

es gilt nun ein mannliches Fechten!

Wie bäumen die Rosse, wie zischen die Klingen,

das ist ja ein wildes gewaltiges Schwingen

Schon fallen die Rosen auf's grüne Gras

Und schminken mit Purpur manch' Wange so blaß!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 15*

d. 2_t. Aug.

 

Sei mir gegrüßt, du nächtliches Gelichter!

du Leichenschaar voll Moder, Würm' und Staub!

Wie blickt ihr hohl! ihr fahlen Grabgesichter

fühlt ihr so scharf schon der Verwesung Raub?

Wie durch die Wüste hin, giftschwanger und verderbend

der Semoum als Todeswolke zieht:

So keuchet ihr daher, im Sündenpfuhl ersterbend,

Und was lebendig ist, erschrocken vor euch flieht!

 

Ein Abgrund ist die Kirche, die ihr bautet

und er verschlang der Menschheit bestes Gut.

O weh euch! die ihr schmachvoll überthautet

des Geistes segenvolles Feld mit Blut!

Nun schreit dieß reine Blut, und schwillt in heißen Wogen,

und seine Feuerbrandung klagt euch an!

Der Sturm kommt mächtig gegen euch gezogen!

und kraftlos bricht sich euer Lügendamm daran!

 

Die Todten lasset ruh'n! sagt man gewöhnlich;

doch auf dieß milde Wort habt ihr kein Recht!

der Nachwelt Fluch verfolgt euch unversöhnlich,

die ihr Jahrtausend lang euch habt erfrecht;

der Mitwelt Seligkeit besudelnd anzutasten;

mit Asch' besäet der Erde Blüthenduft;

und Teufel, Höllengluth und euer Geißeln, Fasten,

und was ihr alles noch zu Andrer Qual erschuft:

 

Ich wünschte wahrlich, daß es Wahrheit wäre,

Und euch allein bescheert der saubre Trank!

Wie schwämmt' ihr gut im eignen Martermeere,

Und söffet eures Thun's verdienten Dank!

Die Heiligen, o Rom, an die du dich willst schmiegen,

das sind die Puppen deines Altars nicht!

Aus Philipp's Scheiterhaufen sind sie aufgestiegen

und harren deiner ernst am letzten Strafgericht!

 

Denk an Amerika und an die Seelen,

die schuldlos reinen, die du umgebracht

O denk an Peru! kannst du dir verhehlen,

wie dich der schwere Fluch graunvoll umwacht?

Weil dich der Zorn des Herr'n der Erde hat gesendet,

so glaubst du trotzend an dein falsches Glück?

bau nicht zu sehr darauf! sobald sein Ammt vollendet –

kriecht in sein düstres Nicht's der Henker scheu zurück!

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 16*

d. 9_ten. August.

An die Gelehrten.

 

Ihr habt bisher die Köpfe euch zerbrochen,

die letzte Wahrheit endlich aufzufinden;

doch ist, den man mit Nutzen könnte schinden,

kein Hund aus eurem Ofen noch gekrochen.

 

Ihr habt des Wissens Acker umgestochen

Und angesäet in seinen tiefsten Gründen,

um geizig dann die Garben aufzubinden

und ungebrochen wieder zu verlochen!

 

So schreibt ein Buch in guter deutscher Sprache!

daß sich das durst'ge Volk daran kann letzten

Und endlich einmal sieht, was an der Sache!

 

Sonst werden sie den ganzen Kram zerfetzen

und, eingetaucht in ihrer trüben Lache,

nach ihrer Art dem Volke übersetzen.

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 17*

München.

 

Ein liederliches, sittenloses Nest

Voll Fanatismus, Grobheit, Kälbertreiber,

Voll Heil'genbilder, Knödel, Radiweiber

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 18*

d. 2_t. August.

das Neue

 

«Nur Neues! immer Neues!»

so schreit man sich die Kehle matt,

«denn all des dürren Heues,

sind wir nun gänzlich einmal satt!»

 

Wie kann man Neues bringen,

wo noch der alte Unrath stinkt?

wie soll man friedlich singen,

wo noch der Geist in Ketten hinkt?

 

Wer wird nach Sternen schauen

wenn Nebel auf der Erde liegt?

wer wird ein Haus erbauen,

eh' Schutt und Unkraut er besiegt?

 

Wie kann nach neuem Lande

vergnügt und froh der Schiffer schau'n,

eh' er des Fahrzeug's Bande,

eh' er den alten Strick zerhau'n?

 

Freßt erst die alten Knochen,

wie weiland Logi sauber auf

Eh' ihr was Neu's wollt kochen,

das war von jeher so der Lauf.

 

Brechweinstein und Rhabarber,

die thun uns jetzt am meisten Noth;

ein guter Zungenschaber

macht wieder uns den Magen flott.

 

 

 Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 19*

d. 8_t. August

die gute Sache.

 

Sie haben Blei und Eisen

und gute Polizei;

wenn das nicht hilft, so ist es

mit ihrer Macht vorbei.

 

Wir ha'n das Wort, das alte,

das stets lebendig war;

wenn das uns nicht will retten,

ist's aus für manches Jahr.

 

Sie haben Blei und Eisen

und gute Polizei;

wenn das nicht hilft, so ist es

mit ihrer Macht vorbei.

 

Wir ha'n die alte Wahrheit

die stets lebendig war,

wenn die uns nicht kann helfen,

ists aus für immerdar.

 

Sie haben wohl auch Kerker

und Wächter g'nug dazu,

drinn mögen viele Blumen

verblühn in guter Ruh!

 

Wir aber ha'n die Freiheit

und ihren Todesmuth;

manch ehrlich Männerleben,

manch Herz voll gutes Blut!

 

Man sagt: «Die gute Sache.

trug stäts den Sieg davon!»

Laßt sehn, wer in dem Streite

empfängt den Sieg`es¿Lohn.

 

Ob oben bleibt das Eisen

und unten todt das Wort

und ob die helle Wahrheit

wird in den Grund gebohrt.

 

Wie's geh'n will, muß es gehen,

wir geben uns darein;

doch erst, wenn unsern Leichnam

umschließt ein Tannenschrein.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 20

d. 3_t. Aug.

Jesuitenlied.

 

Hussa! Hussa! die Hatz geht los!

es kommt geritten klein und groß;

das springt und purzelt gar behend,

das kreischt und zetert ohne End',

sie kommen, die Jesuiten.

 

Da reiten sie auf Schlängelein

und hintennach auf Drach' und Schwein;

was das für muntre Bursche sind

Wohl graut im Mutterleib dem Kind:

sie kommen die Jesuiten.

 

Huh! wie das krabbelt, kneipt und kriecht

und wie's so infernalisch riecht

Jetzt fahre hin! du gute Ruh!

Geh' Grethe, mach das Fenster zu!

sie kommen, die Jesuiten.

 

Von Kreuz und Fahne angeführt,

den Giftsack hinten aufgeschnürt,

Fanatismus ist Feldprofoß

und Lug und Trug im Lagertroß

sie kommen die Jesuiten

 

O Schweizerland, du schöne Braut!

du bist dem Teufel angetraut

ja weine nur, du armes Kind

vom Gotthard weht ein schlimmer Wind

sie kommen, die Jesuiten.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 21*

d. 8_t. August.

Herwegh

 

Ein Goldpokal, der brausend überschäumet,

Vom Feuerwein der Freiheit angefüllt:

So tönt dein Lied, verwegen, ungestillt

und wogt mit wilden Kräften, ungezäumet.

 

Was auch die dunkle Brut zusammenleimet,

und wie sie auch nach deinem Herzen zielt:

O trag es immer offen, unverhüllt!

Sie haben ihren Traum bald ausgeträumet!

 

Und sollten sie auch noch so giftig zischen,

und roh die ungerechte Macht mißbrauchen,

der helle Tag wird nimmermehr erblinden.

 

Und müßten wir mit eignem Blut erfrischen

das große Wort, so soll es warm verrauchen;

der Herr mag uns bei voller Arbeit finden!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 22*

d. 6_t. August.

Morgenlied.

 

Die Morgenwolken glimmen in düstrer Gluth

die Sonne scheint so zornig und roth wie Blut

ein helles Wetterleuchten zuckt fern heran

es hebt der Tag mit Tosen und Brausen an!

Wie rauschen hohl und klagend die dunkeln Wälder

und schütteln ihre Wipfel im wilden Sturm

wie ragt so stumm und traurig in falbe Felder

und mit zerissnem Epheu der morsche Thurm.

 

Die Lerche nur läßt klingen ihr schmetternd Lied

wenn alles Nachtgevögel in Höhlen flieht

sie schwingt sich hoch und höher im kühnen Flug

bis sie verschwindet im finstern Wolkenzug

die graue Nebeldecke liegt schwer auf Erden

und murrend ziehn darunter die Ströme hin

doch wann die Himmelsbrunnen sich öffnen werden

dann wogen sie in schwellender Fluth dahin.

 

Der Blitzstrahl stürzt schon blendend durch's Wolkendach

Erschütternd rollt ihm der dumpfe Donner nach

und alle Elemente im Todeskrampf,

se fechten schwer aufathmend den harten Kampf.

die Erde ächzt und dröhnet grundaus erbebend

die Regenbäche toben vom Berg herab

Manch hülflos Schifflein auf hohem Meere schwebend

verschlingt sammt seinen Menschen das Wellengrab.

 

Auch durch Gewitterstunden die Zeit entflieht,

mit aller Noth und Klage dahin sie zieht!

erneutes Sein und Leben quillt leuchtend auf

und Freude folgt dem Jammer in stätem Lauf.

Zu Boden liegt der mächtige Thurm in Trümmern,

verschwund'nes Denkmal aller Vergänglichkeit

doch sieh! wie rings die grünenden Haine schimmern

Und her`r¿lich blühen die Auen frei und weit!

 

Es steht ein Regenbogen gen Abend hin

und silbern wallen drunter die Ströme hin

nun ruht im Sonnenglanze der helle Tag,

der fast des Sturmes Schrecken und Nacht erlag

Nachhallend tönet der Lerchensang hernieder,

vom klaren Himmel weht frische Lebensluft;

kein Mißton schändet die reinen Liebeslieder

und allwärt's athmet Frieden aus Blütenduft.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 23*

[Ein Frack und weiße Handschuh,

ein fahler Seidenhut

ein hohles Herz von Kautschuk

und kaltes Schlangenblut

 

ein wenig Frankenhasser,

'ne Tasse matten Thee;

theologisch Zuckerwasser

und Weisheit von der Spree.

 

[...]

äesthet'schen Operndudel

[...]

 

Ein farblos, feig Geheuchel

für einen freien Mann;

für allerhöchsten Speichel

ein gutes Leckorgan!]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 24*

d. 10_t. August.

Herwegh II.

 

Die Noth ist groß, und schwer sind diese Zeiten,

wo sich das alte Chaos endlich lichtet

und vom Verworrenen das Klare sichtet;

da muß man auch mit scharfen Waffen streiten.

 

Wild mag dein Lied den wilden Sturm begleiten!

denn wo das Elend berghoch aufgeschichtet,

hat Mildigkeit nie etwas ausgerichtet

Ein kühner Arm nur kann das Steuer leiten.

 

Doch wann nach Wettergrau's die Sonne lacht

und der Dämonen dunkle Schaar bezwungen,

zurückgescheucht in ihres Ursprungs Nacht:

 

Dann wird das Lied, das jetzt so rauh geklungen,

erst recht erblüh'n in holder Frühlingspracht

nur durch den Winter wird der Lenz errungen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 25*

d. 10_t. August.

 

Es klingt ein starker Harfenton,

die alten Eichen rauschen,

die Sänger wachen auf davon

und jeder ächte Freiheitsohn

soll ihren Liedern lauschen.

 

Wer eine helle Stimme hat

und eine gute Kehle,

der werde jetzo nimmer matt

und singe sich nun einMal satt

aus seiner tiefsten Seele.

 

d. 30_sten Aug.

Von Eisen laßt die Harfen sein,

von gutem Stahl die Saiten!

Vom Morgen- bis zum Abendschein

Laßt kühn in alle Welt hinein

die Lieder für uns streiten.

 

Die Freiheit unser Grundton ist,

den wollen fest wir halten!

Er leite uns zu jeder Frist

durch Irrthum, Falschheit, Trug und List,

und finstre Wuth der Alten.

 

Wir werden unsre Harfen nicht

verzagt an Weiden hängen!

Bis unser Aug' im Tode bricht

erzittere das Nachtgezücht

vor unseren Gesängen!

 

Wann mächtig dann im weiten Land,

was kündend wir gesungen,

von Volk zu Volk wird anerkannt

und klirrend jedes Sklavenband

zu Splittern ist zersprungen;

 

Und wann der laute Ruf ergeht

und fliegt von Thal zu Thale,

die Freiheit von den Bergen weht:

Dann sehe jeder zu, der steht,

daß er nicht schmählich falle!

 

Die Sicheln blinken hell und scharf

am großen Aerndtetage!

Weh dem, den das Gericht verwarf,

Wohl dem, der dann sich stellen darf

des Volkes langer Klage!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 26*

d. 11_t. August.

Auf dem Berge

2.

 

Laß, o Dichter, solche Träume,

sie vergehen mit dem Wind.

du versteigest dich in Räume,

die dir nie erreichbar sind.

 

All die herrlichen Gefilde

dort im goldnen Sonnenlicht

sind nur leere Traumgebilde

und verwirklichen sich nicht.

 

Gramvoll würd' dein Auge schweben

ob dem weiten, schönen Rund,

wüßtest du, welch' qualvoll Leben

siecht und kümmert auf dem Grund.

 

Steig' hinunter in die Städte,

die so blendend vor dir stehn,

bald wird in dem Jammerbette

alles Träumen dir vergehn.

 

In die Dörflein steige nieder,

wo die fromme Armuth wohnt,

und wo arbeitsmüde Glieder

harte Schmach und Knechtschaft lohnt.

 

Jene reichen Fruchtgelände,

ganz vom Segen überthaut

sind durch schwielenvolle Hände

nur für Schlemmer angebaut.

 

Auf dem blauen Meere schiffen

Christen mit mordsücht'gem Sinn

Würgen kalt mit Geiersgriffen

kindlich reine Heiden hin.

 

In den Gärten spreizt der Hochmuth

ungestraft den Pfauenschwanz

ach! der Völker bestes Herzblut

duftet aus dem Rosenglanz.

 

Abwärts, abwärts sollst du streben,

folge treu des Jammers Lauf

wohl löst dann dein Dichterleben

klagend sich in Thränen auf.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 27*

d. 12_t. August.

 

So glaubt ihr denn, das Wort sei nur erschaffen

für euch zu einem weichen Ruhepfühle,

auf dem ihr, unberühret von dem Zeitgewühle

euch pflegen sollt in weichlichem Erschlaffen?

 

Braucht ihr es nur zu einem Wehr und Waffen

und Salben gen aufbrausende Gefühle,

am heißen Tag zu einer Schattenkühle

zum Küchengarten wohlgenährter Pfaffen?

 

Ihr glaubet schon zu Ende seine Reise,

und haltet es für eine Felsensäule,

an der nichts mehr zu bau'n auf keine Weise?

 

Ihr seid so ähnlich einem Färbergaule

der träg und müd' sich schleppt im engen Kreise

mit blindem Aug, den Freßsack vor dem Maule!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 28

d. 14_t. August.

Die deutschen Freiheitskämpfe.

 

Das deutsche Volk mit seinem Löwenzorn,

wie es Vernichtung schwur dem schlimmenFranken,

hoch^schwanger ging mit kühnlichen Gedanken,

Begeistert aus der Freiheit Feuerborn,

 

und wie es drauf mit scharfem Schrot und Korn

den Feind zurück jug über seine Schranken,

in großer Heldeneintracht, ohne Wanken

im Herzen stecken ließ den alten Dorn

 

und dann mit Jubel thät den Bund beeidigen:

es mahnet mich an jenen närr'schen Tropf –

das Gleichniß soll mit Nichten euch beleidigen

 

der, als die Laus ihn biß in seinem Schopf,

sich gegen solche Plage zu vertheidigen,

Mit Ingrimm kratzte an des Nachbar's Kopf.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 29*

d. 28_t. Aug.

Todtentanz.

I.

Mein düstrer Blick versinkt ins Meer der Zeiten

und suchet rastlos, bang den dunkeln Grund

doch endlos seh' ich Wog' auf Wog' entgleiten

und ketten sich zum unfaßbaren Rund

 

Wenn ich die Schlange haschend will umflechten,
enteilt sie meinem schwachen Arm behend.
Und in des Anfang’s unerforschten Nächten
verschwindet fern das nebelgraue End

 

Doch das Geschaffene seh ich vergehen

die Frucht der Zeit verfällt dem blassen Tod

und was davon verjüngt mag auferstehen

les ich nur ahnungsvoll im Morgenroth.

 

Jahrtausend um Jahrtausend ist entschwunden

der Erdball rollet still und müd noch fort

manch helles Sternbild wird nicht mehr gefunden,

die dunkle Nacht erfüllt den leeren Ort.

 

Was einst an Lebenskraft sich mochte laben,

deß ist der Name längst verklungen schon

und seit der letzte Mensch sich selbst begraben,

ist ein Jahrhundert öd und stumm entflohn.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 30*

d. 28_st. Novembre.

E. Fröhlich.

 

An eurer Sache ist nichts zu besingen,

an der verlornen, schlechten, unfruchtbaren!

wie ihr auch mögt eu'r totes Meer befahren –

ihr werdet keinen grünen Zweig erringen!

 

Drum ärgert euch das Singen und das Klingen,

das hell ertönt vor unsren muth'gen Schaaren

drum zielt ihr hämisch nach den jungen Aaren

und möchtet lähmen ihre freien Schwingen!

 

Jedoch daß du die gute Leier schändest,

dem Bösen sie mit feilem Sinn verpfändest,

Emanuel! das däucht uns jämmerlich!

 

Zum Glück versagt sie dir die reinen Töne,

die Muse ist gar eine keusche Schöne –

häng deine Fiedel auf und schäme dich!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 31*

d. 28_t. November.

[Lebenslust.

 

Fischlein im Rheine,

Röslein im Garten,

Vögel im Haine

vielerlei Arten

Sternlein am Himmel

glänzend Gewimmel

schwimmen und blühen,

singen und glühen

und auf den Bergen der Quellen Schatz

jegliches ist an dem besten Platz!

 

Mußt du, o Jugendzeit, denn mir verglimmen,

müßt ihr verhallen, ihr rauschenden Stimmen

ohne zu klingen und ohne zu leuchten,

ohne ein glänzendes Auge zu feuchten?

willst du verschwinden, du Liederzeit,

ungenossen und unbereut?]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 32*

den 3_t. Dezember

 

Wogen des Meeres

brausen und fluthen,

Männer des Heeres

in Schlachtengluthen

stehen wie Eichen

ohne zu weichen

und der Reiter auf feurigem Roß

tummelt sich munter durch all' den Troß.

 

Mußt du o Jugendzeit, denn mir verglimmen

müßt ihr verhallen ihr rauschenden Stimmen?

ohne zu schaden, und ohne zu nützen,

ohne zu zünden und ohne zu blitzen,

mußt du verwesen, o Freiheitslust!

in der verschwieg'nen beklomm'nen Brust?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 33*

Wie doch ein jeglich Leben

sein ganzes Sein erfüllt

und all sein durstig Streben

im vollen Becher stillt!

 

Die Rosen blühn im Garten,

wie spät der Lenz auch kommt;

drum magst du still erwarten

dein Stündlein, so dir frommt!

 

In dunkler Nacht die Sterne

glühn erst am Himmelshaus,

und sei sie noch so ferne,

die Nacht bleibt dir nicht aus!

 

Wenn keine Stürme fahren,

wie ruhig liegt die See!

dir wird sich offenbaren

zum Kämpfen manch ein Weh!

 

Kein Mann steht in die Reihen,

wo keine Feinde sind –

dein Schwert wird einst befreien

ein frischer Morgenwind.

 

zu streiten mit den Heiden

und ihrem Lug und Trug

ein Stündlein vor dem Scheiden

ist oft noch früh genug!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 34*

den 4_t. Dezember.

Eine Nacht.

III.

Es ist ein schöner Trost in banger Zeit,

daß, wenn für eines Traumes Angst und Noth

der graue Tag uns keine Lindrung beut,

im Traume selbst ein lieblich Morgenroth

uns wieder Hoffnung, neuen Muth verleiht.

als frische Blumen mitgibt auf den Weg,

versüßend unsrer Fahrt Mühseligkeit.

so ward auch ich im Traume wieder reg,

und schien es mir, ich hätte bloß geträumt

die bleichen Schrecken schwanden scheu hinweg;

Der blaue Morgenhimmel, goldbesäumt

goß in mein Herz erneute Lebensgluth,

von reinem Silber klingend überschäumt

glänzt' von den Bergen klarer Quellen Fluth

es war ein Herbsttag, heiter, frisch und rein!

Die Winzer sangen hell und wohlgemuth

von allen Hügeln in das Land hinein!

Die Wälder schimmerten von rothem Gold

weit weit umher im jungen Sonnenschein,

und die Natur hing ihren Liebessold

in reichen Fruchtgewinden labend aus.

Sie lächelte so mütterlich und hold

zu ihrer Kindlein lautem Saus und Braus.

Ich aber sprang und eilte wie ein Reh,

vom letzten Schauer noch gejagt, feldaus,

durch all den Glast, und über Thal und Höh,

bis mich ein dämmerndes Gehölz umgab.

Da lag in Waldesnacht ein tiefer See,

doch klar und still, wie ein kristallen' Grab

kein Laut ertönt', nur leise dann und wann

von welker Birken Rauschgold löst' sich ab

ein Tropfen Thau, der silbern niederrann

zum Wasserspiegel, fein, wie Elfensang!

d. 8_t. Dec.

Auch mich die tiefe Ruhe überspann;

ich setzte mich an grünen Ufers Hang

und sah hinunter auf den dunkeln Grund,

der spiegelnd mit des Himmels Bläue rang

Da schaute, wie ein zweifelhafter Fund

aus feuchtem Grab mein eigen Bild empor;

mir bebt' der Mund, dem Bilde bebt der Mund

aus unsern Augen stürzten Thränen vor,

und durch die Thränen sahen wir uns tief,

o tief ins Eine arme Herz, und ich beschwor

mein eigen Bild, laut, laut, und rief:

«Hast du nun wirklich keine Hoffnung mehr?» –

ein Seufzer jetzt das Wasser überlief

und jagt's in Zitterwellen vor sich her

daß ob dem Flimmern bald mein Bild verschwand.

So war nun der Pandora Büchse leer!

Doch schrie ich noch verzweifelnd: «Halte Stand,

du falscher Schatten, und entflieh' mir nicht!»

Und als der See die Ruhe wieder fand,

mein Aug zur Tiefe wieder war gericht',

konnt ich auch meinen Schatten wieder sehn,

und dich daneben, wunderbar Gesicht!

schien mir sein bleiches Doppelbild zu stehn

doch etwas Fremdes in dem Blicke lag,

und mich durchrieselte ein graulich Weh'n.

Ich rief: «Wie kommt mir dieß Gespenst zu Tag?

und sah empor, da ward es mir entdeckt:

an meiner Seite, wie ich selber pflag,

lag ich noch einMal ruhend ausgestreckt;

doch reiche Kleider schmückten die Gestalt.

und, was mich da am meisten noch erschreckt:

Es war ein Jüngling und doch schon so alt,

weit bleicher noch von innerlichem Gram,

als ich bislang in meinen Augen galt;

und seine Rede ich also vernahm:

Wer von uns beiden nun der Rechte sei,

der hier das größre Leid zu klagen kam,

das stell ich dir jetzt zu entscheiden frei.

Ich bin geboren in des Glückes Schoß;

mir wurden der Talente mancherlei

und tiefe Sorgfalt zog sie mit mir groß.

Ich habe jede Blume früh gepflückt.

am Lebensstrom, der heiter vor mir floß;

das Schwerste ist mir leicht und schnell geglückt,

ich grub mit Eifer in des Wissen's Schacht.

kein Tag ward mir je ungenützt entrückt.

zu eigen hab ich alles mir gemacht,

was nur der Mensch begierig lernen kann.

das hat mir frühe Früchte eingebracht,

und so ward ich, ein Knabe noch, zum Mann!

Zum Mann? – O ein verlorner Sohn bin ich,

der all' sein Sein verpraßt, eh' es begann!

in meinem übersatten Aug' verblich

des Lebens wechselvolles Farbenspiel!

d. 12_t.
und kaltes, todtes Grau umhüllet mich,

Ich hab in vollem Lauf verfehlt mein Ziel

so daß ich taumelnd und der Kraft beraubt

weit über seinen Marken niederfiel.

und ich lag da mit tief gebeugtem Haupt,

verschmachtend in des Wissen's üpp'gem Land,

an das ich Thor mit eitlem Sinn geglaubt.

Voll ernsten Spottes ich die Lehre fand:

Nicht aus der Schule strömt der Thaten Kraft

eh' wächst sie aus der Wüste heißem Sand!

und nicht von nervenschwacher Kennerschaft

strahlt aus des Schönen hoher Himmelsglanz!

Was feine, heuchlerische Sitte schafft,

o das ist nicht der Tugend Sternenkranz.

und aus dem Unglück nur entspringt das Glück,

der Irrthum erst macht unser Leben ganz –

 

d. 12_t. Dezember

Zum zweimal zwölften Mal vor meinem Blick

nun raschelt da das vorwurfsvolle Laub

enttäuscht und schaudernd schaue ich zurück

in meiner Jugend aufgewühlten Staub.

Es martert mich der Langeweile Pein;

Ich bin im Frühling schon des Winters Raub.

Ich bin zu stolz für ein behaglich Sein,

ich bin zu feige für das Ungemach!

Verwöhnt von der Erziehung Lampenschein,

ist für den Hellen Tag mein Aug' zu schwach!

Ich kann nicht handeln und kann doch nicht ruh'n,

ich flieh den Reichthum wie der Armuth Schmach;

ich kann nicht sünd'gen und nicht Gutes thun

Mich dürstet nach des Unglück's Feuerweih'

und möchte sanft in seinen Stürmen ruhn,

doch fühl' ich, daß ich schon verdorben sei

zu reiner Leiden jungfräulicher Qual

So fluch' ich nun dem ew'gen Einerlei!

So fluch' ich nun des Tages mildem Strahl!

So lock' ich fluchend mir den Tod, an's Herz

und bau von Flüchen mir ein Leichenmal!»

So sprach der Trug und schwang sich niederwärts,

und über ihm schloß sich die kalte Fluth!

mir aber war, als ob mein alter Schmerz

nun bei dem Todten auf dem Grunde ruht'.

Indessen war es rauhe Winterszeit

geworden rings umher; der Sonne Gluth

war ausgelöscht, und Dunkel weit und breit.

Doch in mir war ein heller Tag erwacht;

ich sprang empor in frischer Fröhlichkeit;

wie Morgenroth, vom Ostwind angefacht,

wie einen thaubesprengten Blüthenkranz

trug ich mein Unglück singend durch die Nacht

und reiht' mich in des Lebens wilden Tanz!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 35*

d. 4_t. Dezember.

Cornelius

 

Ich grüße dich, du König deiner Zeit

der wie ein Fels aus dem Jahrhundert ragt!

ich preise dich, der du die reine Magd,

die deutsche Kunst vom langen Schlaf befreit!

 

Du hast des Lorbeers volle Herrlichkeit

mit starker Hand errungen unverzagt

du hast das rechte Ideal erjagt

versöhnt der Kraft und Anmuth alten Streit.

 

Als deine Wunderschilde ich betrachtete

die hell erglänzen aus den Finsternissen,

aus jener Stadt voll Bier und Kirchenbanner:

 

da überkam mich fast ein neidisch Weh

daß wir auf solch' ein Gut verzichten müssen,

wir armen, hungrigen Republikaner!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 36*

d. 4_t. Dez.

Overbeck.

 

Du lieber Nazarener, sei willkommen!

Geweihter Geist in so profanen Tagen,

du hast des Himmels Saiten angeschlagen

und du gehörst zu den Verklärten, Frommen!

 

Du hast des Mythos Zauberwort vernommen

mit all' den tiefen heil'gen Liebesklagen,

des Glaubens ätherische Wundersagen

sind reinen Lichtes in dir aufgeglommen!

 

Wir Andern aber freu'n uns deiner Werke,

in denen sich das Christliche vollendet,

mit froher Lust und unverdorbnem Sinn:

 

Wie uns erfreu'n die Schönheit, Pracht und Stärke,

die sein Olymp dem Griechen einst gespendet,

Wir sehn den Proteus: Menschengeist! darinn.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 37*

d. 11_t. Dec.

Winter.

 

Die letzten Rosen sind verblüht,

die Blätter fallen fielen von den Bäumen!

Wie sich die bleiche Sonne müht,

sie kann die Nebel nicht mehr räumen!

und immer näher weht der Graus,

schier gehet mir die Hoffnung aus:

So war erlogen all' mein Träumen?

 

S'ist Winter worden über Nacht,

vergessen ist des Herbstes Segen!

was ich im Sommer ausgedacht,

muß unerfüllt zu Grab ich legen

verschollen ist die Maienzeit

und eine graue Ewigkeit

verschlang des Lenzes Blüthenregen!

 

Nun liegt das große Leichentuch

kalt, kalt auf den erstorbnen Fluren!

und zischend hat des Todes Fluch

gelöscht der Freiheit Feuerspuren

gelöscht? O nein! sie schlumern wohl,

die Zeit, die sie einst wecken soll,

schleicht fort auf der Geschichte Uhren!

 

Wir hoffen mit ergebnem Sinn

von einem Frühling zu dem andern!

und immer muß die Büßerinn

noch heimathlos auf Erden wandern

und doch, und doch muß es noch sein,

sie kehrt doch endlich bleibend ein

und schickt die Tirannei auf's Wandern!

 

Nur fürcht' ich es könnt' Abend sein

in der Europa alten Gauen,

bis endlich ihren Rosenschein

die müden Völker dürfen schauen

und daß vielleicht zu jener Frist

die Menschheit abgestorben ist,

und wir an einem Kirchhof bauen!

 

O Freiheit, Freiheit! brich hervor

aus Schnee und Eis, aus Nacht und Schmerzen!

brich' auf mit deinem Blüthenflor

wir warten dein mit offnen Herzen!

O frage nicht, ob's Frühling sei!

Sieh! das Jahrhundert geht vorbei

und wieder mußt du es verscherzen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 38*

d. 1_st. September

 

In der alten braunen Stube

sitzt ein Bursch in guter Rast

hinterm wohlgefüllten Kruge

als der Wirthschaft ältster Gast.

 

Voll gekritzelt und geschrieben

ist am Krug des Deckels Zinn

darauf schaut mit starren Blicken,

träumend, der Geselle hin.

 

Dann und wann kommt auch ein Füchslein

mit der Mappe unter'm Arm,

plaudert ihm von dem und jenem,

geht dann wieder sonder Harm.

 

Dann und wann kommt ein Philister,

mahnend an die alte Schuld,

doch der Bursche trinkt und lächelt

und der Mann geht mit Geduld.

 

So vom Morgen bis zum Abend

sitzt er da mit seinem Krug

und schon sind es zwölf Semester,

die er so zu Grabe trug.

 

Unbekümmert, selbstvergessen

und verwahrlost starrt er hin,

bleiche Bilder hohler Freuden

fahren wirr ihm durch den Sinn

 

Nur wenn er an Heimath denket

und an's gute Vaterhaus

wird es ihm ein wenig bänglich

trinkt dann rasch sein Krüglein aus.

 

Kommt ein Brieflein aus der Heimath;

doch er rühret es nicht an

«Lieschen, lies mir doch das Brieflein!»

und die Kellnerinn fängt an:

 

«"Eure Braut ist Wartens müde

hat sich einen Mann erwählt,

dieß sei Euch mit Fleiß berichtet,

daß Ihr nicht mehr auf sie zählt!"»

 

Kommt ein Brieflein von der Mutter;

doch er rühret es nicht an;

«Lieschen, lies mir doch das Brieflein!»

und die Kellnerin hebt an:

 

«Euer Vater ist gestorben

und die Pension ist aus

eure Mutter ist geborgen

und versorgt im Armenhaus!»

 

Kommt ein Brieflein vom Senate;

doch er rühret es nicht an;

«Lieschen, lies mir doch das Brieflein!»

und sie kündiget ihm an:

 

«Binnen vierundzwanzig Stunden

sollt verlassen ihr die Stadt,

weil ihr seid ein Taugenichtse,

der nichts mehr zu zahlen hat!»

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 39*

Schindangerblumen duften nicht minder,

als alle andern Frühlingskinder:

darum mag auch aus pfäffischem Wesen

manchmal ein wahres Sprüchlein genesen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 40*

d. 2_t. Sept.

Eine Nacht.

I.

 

Aus wilder Fieberträume wirrem Treiben

war ich erschöpft, beklommen aufgewacht;

ausruhend mußt ich auf dem Lager bleiben,

mich zu erholen von so banger Nacht.

Und wie mir leichter ward, sandt ich mein Denken

zurücke in des Schlafes dunklen Schacht,

und suchte sinnend an das Licht zu lenken,

was die entbund'ne Seele so erschreckt,

in Todesangst vermochte zu versenken.

Doch formlos, schattenhaft, was ich entdeckt,

und nur verworren ist es mir geblieben:

Entschlafne Kinderjahre, aufgeweckt

und weinend in des Traumes Sturm getrieben,

sah ich in scheuer Flucht vorüberflieh'n.

Ich sah sie alle, jene guten, lieben,

verschollnen Tage, sah dahin sie ziehn

mit ihren kleinen Freuden, kleinen Sünden –

Ach! warum mußtet ihr so schnell verglühn

ihr bleichen Sternlein, nimmer zu entzünden –

Mir schienen jene Jahre bang und leis

Und kaum venehmbar also zu verkünden:

«O weh dir, wehe! Deines Lebens Kreis,

er hat sein Mittel und sein Maß verloren!

Du bist ein wurzellos', zerknicktes Reis,

dem Wintersturm zum leichten Spiel erkoren!

Der seines Lebens Grundstein nicht gelegt,

dir wäre besser, wenn du nie geboren!

Der seine Jugendzeit nicht zart gepflegt,

wirst nimmermehr die Zeit der That genießen!

Wie kann dem Baum, der keine Blüthen trägt,

dereinst die segensvolle Frucht entsprießen?

Und, dessen Quell verschüttet ist im Sand,

kann frisch der Strom durch die Gefilde fließen?

Die einst dein rauher Lenz zum Opfer fand,

Wir sind die Blüthen, deine Kinderjahre!

Der klare Quell, versiegt am öden Strand,

es ist die Jugend dein, die unfruchtbare!

Was schaust uns nach bethränten Angesicht's?

Stürzt schon von deines Herzens Hochaltare

der Hoffnung Bild? In Staub und Koth zerbricht's!

Drum reiß den vollen Kranz aus deinen Locken

und folg uns nach in's leere graue Nichts!»

 

d. 4_t. November.

Das Blut in meinen Adern wollte stocken,

als ich die Lieben mir entfliehen sah;

und meine Augen, sonst so starr und trocken,

sie füllten sich mit heißen Thränen da,

wie ich so hoffnungslos zum zweiten Male

verlieren sollt', die mir so deutlich nah!

Sie schienen in des Traumes Zauberstrahle

wie eine führerlose, wilde Kinderschaar,

die, kaum entronnen aus des Lehrers Saale,

ins Feld sich warf, der Zucht und Ordnung bar.

Auf weiter Heide nun sie sich zerstreuten,

und ich sah ihnen nach und war gewahr,

wie diese unfruchtbaren, Heißbereuten,

die Kinderjahre mein, im wilden Sumpf –

der mochte meinen Lebenslauf bedeuten –

versanken. Ein Gewimmer, fern und dumpf,

klang hilferufend noch zu mir herüber.

Ich horchte schmerzzerissen, starr und stumpf,

gepackt von der Verzweiflung eis'gem Fieber.

Erbleichend fiel die Sonne nun hinab,

das Dämmergrau umfloss mich trüb und trüber;

ein matter Stern vom Himmel schoß herab,

ein leis Gelächter überstrich die Haide,

ein Irrlicht tanzt' auf meiner Jugend Grab –

bewußtlos sank' ich hin mit meinem Leide.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 41*

d. 8_t. Nov.

II.

Und wieder däuchte mir, daß alt und krank,

gefurchter Stirn', gebeugt, mit grauem Haar,

der Letzte auf der allerletzten Bank

ich in der längst vergessnen Schule war,

So saß ich da, ein abgelebter Greis

inmitten einer frischen Knabenschaar;

ein scheuer Fremdling in dem fremden Kreis,

den um mich her ein neu' Geschlecht nun zog.

Der alte Lehrer aber streng und weis,

doch milden Sinn's, der ernsten Lehre pflog.

Ich hochte auf, gar sorglich, still und bang,

worum verfehltes Leben mich betrog,

wornach ich später oft vergeblich rang,

zu lernen jetzt. O es war wohl zu spät!

In meinem Ohr des Lehrers Wort verklang,

wie wirkungslos ein Hauch vorüberweht!

und, was der Frühling rings ergriff mit Lust,

war mir, dem Winter auf das Eis gesäet!

Wie sollten auch in meiner kalten Brust

die zarten Pflanzen wieder duftend blühn,

die mir erfroren längst schon unbewußt?

Vergeblich war und blieb mein angstvoll Mühn.

Des Lehrers Nachsicht ging nun endlich aus,

auf mich begann sein Aug voll Zorn zu sprühn:

Was willst du Alter in der Jugend Haus,

verpestend meinen schönen Maienflor?

Du grauer Junge, mache dich hinaus!

Hinaus mit dir, du unbrauchbarer Thor!

Und, wie man einen bösen Geist verbannt, d. 3_t. Dec.

so stimmt' er an der Jugend zarten Chor;

ein altes Kirchenlied, mir wohlbekannt

schlug seine frommen Töne an mein Herz!

Da hab' ich zitternd mich hinausgewandt

und schlich gebückt mit meinem heißen Schmerz

davon; und zu entrinnen dem Gesang

strebt ich mit schwanken Schritten feldauswärts.

doch wie ich auch ihm zu entfliehen rang,

die schwachen Füße widersetzten sich,

in meinen Ohren stets das Lied noch klang

und jeder Ton traf wie ein blut'ger Stich

mein Innerstes. denn einem Urtheilsspruch

das friedenvolle, heil'ge Lied ja glich,

und einem lächelnden Verbannungsfluch

aus dieser Erde zu der Todten Ruh!

Es deckten, wie ein blumig' Leichentuch

die holden Kinderstimmen fest mich zu!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 42*

d. 2_t. Sept.

Die Jahrszeiten.

 

Wie sehnt' ich mich zur Winterszeit

So alles hoffend nach dem Maien!

Der, Liebe hauchend, weit und breit

vom starren Schlafe würd' befreien

die Gotteskindlein ohne Zahl

so viele Wesen allzumal

mit lautrem Sonnengolde tränkend,

das Leid zur alten Nacht versenkend!

 

Wie wollt' ich in der Gärten Duft,

am Auengrün mein Herze laben!

und schwelgend in die Blumengruft

die heißen Wangen tief begraben!

Nach süßem Schlag der Nachtigall

und nach der jungen Lerchen Schall

frohlockend meine Leier stimmen,

im Lebenslichte hochaufglimmen!

 

Der Frühling kam mit Sang und Klang;

mit allen seinen Liebesblüthen

zog er das heitre Thal entlang.

Des Himmels golde Sterne glühten

zurück vom blauen Meeresgrund;

die Lieb' erneute ihren Bund

befruchtend mit der grünen Erde,

die Schwalbe mit dem trauten Herde.

 

Ich zog hinaus mit leichtem Sinn

und hab der Blumen viel gefunden;

fuhr singend auf dem Strome hin

und glaubte wieder zu gesunden.

Doch wie mein Lied, so sehnsuchtsvoll,

doch klanglos, ungehört verscholl,

aus keinem Herzen widertönend,

Mich liebend mit der Welt versöhnend:

 

Da faßte mich ein tiefes Weh

da fand ich mich erst recht verlassen.

Nun reute mich des Winters Schnee

und mich ergriff ein bittres Hassen

Was soll ich um der Menschen Gunst,

um hohler Freundschaft eiteln Dunst,

ein Ausgestoßner, kriechend flehen,

und scheu vor allen Thüren stehen?

 

Der Sommer soll mein Freund nun sein

mit seinen wilden Sonnengluthen

mit seiner Ungewitter Fluthen

Da will in tiefer Waldesnacht,

Im schwarzen feuchten Felsenschacht

auf ödem Berg ich einsam ziehen,

allein, allein durchs Leben fliehen!

 

d. 6_t.

Und wenn der dumpfe Menschentroß

geschäftig in der Erde wühlet,

aufreißend ihren harten Schoß,

des Wuchers gier'ge Schlünde füllet

Des Irrwahns giftgeschwollne Macht

im Finstern schleichend, höhnisch lacht,

die Thoren all' ihr sorglich Pflegen

der Tirannei zu Füßen legen:

 

Dann werd' zu Stein, du warmes Herz,

und Spott erfülle deine Kammern

laß winseln den zerknirschten Schmerz

und hülflos sich an Felsen klammern

Laß armer Waisen Klaggeschrei

verhallen in den Lüften frei

und lachend laß in Todeskrämpfen

das Elend mit der Hölle kämpfen.

 

Entflieh! Entflieh dem blut'gen Qualm

umpanzre deine Brust mit Eisen;

und könntest du mit schwachem Halm

die Menschheit vom Verderben reißen:

Laß zappeln, was im Wasser schwimmt!

laß brennen, was im Feuer glimmt!

Und laß auf grimmen Hasses Schwingen

dein Spottlied durch die Wildniß klingen! –

 

Der Sommer kommt mit Glanz und Kraft,

ein siegestrunkner Held, gezogen,

und, was er allgewaltig schafft,

will üppig, jauchzend überwogen

Die Sonne ist sein Demantschild,

er wetzt an grauen Bergeswänden

als Schwert den Blitz in starken Händen.

 

Und aus des Lenzes Brautgemach

tritt, hocherröthend, ihm entgegen

die holde Erde, zart und schwach

sucht, liebentglüht, des Starken Segen:

«du schöner Held, o sei gegrüßt!

«und heiß von deiner Magd geküßt!

«Sieh meine Kindlein all', die zarten,

«so sehnlich auf den Vater warten

 

d. 7_t. Sept.

Der Winter war ein strenger Mann

und ließ die Lieben kärglich darben,

fast, daß in seinem harten Bann

die zarten Sprößling' alle starben;

da gab ich mich dem Frühling hin

doch hat er bald mit flücht'gem Sinn

verlassen die getäuschten Armen;

willst du dich ihrer mild erbarmen?»

 

Bereitend nun dem Sonnensohn

ein duftend Bett von jungen Rosen

von Liljen einen Liebesthron,

mag hochentglüht sie mit ihm kosen

der Himmel, klar und dunkelblau,

rückspiegelnd aus dem Morgenthau,

wie eine Decke weich von Seiden

liegt er auf den verklärten Beiden.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 43*

d. 4_t. Sept.

 

Saget mir, ihr Sterne Gottes,

die ihr dort im Weltenraume

wunderbare Wege wandelt,

uranfänglich, ewiglich!

 

Könnt ihr meine Stimme hören,

die aus dieser Erde Qualen

klagend ich zu euch erhebe,

durch das stille Grau'n der Nacht?

 

Kennt ihr auch nicht Menschenworte,

kennt ihr doch den Schmerz des Todes,

der in so viel bangen Nächten

aufgestiegen ist zu euch!

 

Wollet ihr in meiner Frage

trostlos Dunkel Antwort schimmern,

wie ihr dem verirrten Wandrer

hell erleuchtet seinen Pfad?

 

Züngelt wohl die alte Schlange

auch hinauf zu euren Sphären?

Wuchert auch die blasse Sünde

über eure Fluren hin?

 

Herrschsucht, Geiz und schwarze Lüge,

frech Verspotten seines Nächsten,

frech Verdreh'n des ew'gen Rechtes,

kennt ihr diese Worte auch?

 

Habt ihr auch bemalte Gräber,

rings mit Flittergold umhangen,

die, was freudig lebt und athmet,

grünt und blüht in reiner Lust,

 

unersättlich, roh verschlingen,

und mit Moder überspinnen,

deren Schutz und Wehr der Tod ist,

die man zitternd Throne nennt?

 

Und die Sonnen, die ihr jubelnd,

harmonieenvoll umk`re¿iset,

werden sie euch auch verdunkelt

und geschwärzt vom falschen Neid?

 

Und die in den Sonnen wohnet,

strahlen werfend, unverkennbar:

sagt, wird euch die lichte Wahrheit

vorenthalten und verfälscht?

 

Sagt, lobpreist ihr euren Schöpfer

auch als einen Gott der Rache?

durch Verrath und Blut erkaufet,

und versöhnet nur durch Blut?

 

Habt ihr auch in schnöder Formen

schnöde Ketten ihn geschlagen?

den man nur aus eines Kerkers

dumpfer Luft begreifen kann?

 

Ist er auch ein Fürst der Heuchler?

jeglichen Verrathes Mantel

Eine Löhnung der beraubten

Armuth, die nach Nahrung schreit?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 44

d. 11_t. Dec.

Parteigänger [1. Fassung]

 

Ich bin ein armer Schlucker
und tölpischer Gesell
und gegen feine Mucker
ein wenig rauh und grell
doch auf den groben Keil und Klotz
ist frischer, grober Baurentrotz
oft an der rechten Stell'!

Ich bin als wilder Zecher

auf einen Trunk erpicht

doch füllet meinen Becher

Lacrymä Christi nicht

Ich lasse nur in saurem Wein

die Freiheit meine Göttinn sein

die Göttinn derb und schlicht!

 

Ich bin ein guter Streiter

mit ungewasch'nem Maul,

ich bin ein guter Reiter

ob auch <auf> magrem Gaul!

und ob mein Schild auch rostig ist,

und ob mein Schwert auch schartig ist

ich schlage drein nicht faul!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 45*

d. 5_t.

 

Es zieht ein Spielmann über die Haide,

die Wangen bleich vom langen Harm;

ein Röcklein von zerrissener Seide

trägt er, die Geige unterm Arm.

Am Hute zittert,

blaß und verwittert

ein Federlein, fast zu vergleichen

verschollner Jugendtage Zeichen.

 

Der strenge Winter liegt kalt erstarret

in stummer Öde auf der Flur

ein dunkler Rabe nur einsam scharret

im Schnee nach eines Thierleins Spur

aus fernen Feldern

Hinter den Wäldern

ertönt der Füchse hungrig Bellen

her zu dem wandernden Gesellen

 

Doch dieser zieht in lautloser Stille

verlassen, krank und schlotternd hin

ihm blieb von blühender Lebensfülle

nur grauer Schatten zum Gewinn.

Zur Heimatherde,

zum Vatterherde

möcht er am liebsten wieder kehren,

doch niemand kann den Weg ihn lehren.

 

In früher Jugendzeit, lang^entschwunden

aus der Erinnerung Bereich

ward er, ein weinendes Kind, gefunden

im fernen Land, am tiefen Teich.

wer ihn geboren

und dort verloren

konnt forschend er niemals ergründen,

nie warm`e¿ Mutterliebe finden!

 

Ein fahrender Sänger hatt' ihn erzogen

und eingeweiht in seine Kunst,

und was empfänglich er eingesogen

erwarb ihm schnell der Menschen Gunst.

allmächtiger Klänge,

zaubrischer Sänge

ward er ein allgewalt'ger Meister,

lenkend der Töne zarte Geister.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 46*

12. Februar 44.

Horace Vernet.

 

Du spielst in Farben, wie der Regenbogen,

und perlst in tausend hellen Wechseltönen.

Du schaukelst auf des Lebens Silberwogen,

ein leichtes Schiff, voll schwerer Fracht des Schönen!

 

du reitest mit der Wüste schnellen Söhnen,

bist mit dem Korsen kühn zu Feld gezogen!

vor allem möchtest du dein Frankreich krönen

und hast ihm huldigend dein Knie gebogen!

 

Du bist ein guter Streiter in der Schlacht

und schwingst dein Schwert mit fröhlichem Gesichte

und athmest leicht, wenn dumpf die Mine kracht,

 

Und bringst die Zeit in farbige Gedichte!

Nur Eines ward dir leider nicht vermacht:

Der Dichterschmerz der blutenden Geschichte!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 48*

d. 24 Febr. 44

Paul de la Roche

 

Du aber, Meister, bist von anderm Schrot,

du hast den Grundton wahrer Kunst empfunden,

bist als Poet von guter Art erfunden,

der stets dem Herzen seine Zölle both.

 

Als deinen ersten Karl von rohem Spott

umringt ich sah und von fühllosen Hunden,

da hatt' ich, ich bekenn' es unumwunden

zwei Thränen zu erdrücken große Noth.

 

Auch rückwärts einen milden Blick zu richten,

wenn auf dem hohen Meer der Zeit man schifft,

heißt einen unausweichbar'n Zoll entrichten!

 

Lacht nicht, ihr schlimmen Spötter, denn mich trifft

der Hohn aus eurem losen Aug' mit Nichten!

Nur allzu nah lag mir das Gegengift!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 49

d. 12_t. Sept.

 

«Ist wohl ein Volk, so frei von allen Plagen –

die andrer Nationen Erbtheil sind, –

ein blühender, glückselig Heldenkind,

als unser Schweizervölklein zu erfragen?

 

«Und doch so fiebrisch seine Pulse schlagen!

Für seiner Freiheit reichen Segen blind

hascht übermüthig es nach eitlem Wind.

Wann enden seine undankbaren Klagen?»

 

So sprechen, die mit tückischem Verlangen,

im Trümmerschutt der alten Babel schleichen,

gehüllt in der Vernichtung Leichentuch!

 

Wir aber sprechen: Ja ihr falschen Schlangen,

nur euch, nur euch gilt es noch zu erreichen

und aufgehoben ist der letzte Fluch!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 50*

d. 13_t.

 

Wir aber sprechen: Ja, ihr falschen Schlangen!

Die Freiheit wiegt uns hoch in ihrem Schoße,

zu eurer Sipp' unendlichem Verdrusse,

die uns so gern möcht' dort herunterlangen

 

Doch lagert sich aus eurem düstern Troße

noch mancher Gifthauch auf der Freiheit Wangen,

und eben euch gilt es mit Spieß und Stangen

zu scheuchen fern aus ihrem Felsenschlosse!

 

O Schweizervolk! du bist ein Blumengarten,

in dem sich Blüth' an Blüthe duftend reiht;

doch Disteln auch und Schierling wuchern weit.

 

Such dir den Gärtner, der, durch Kraft geweiht,

von solchem Gift und Unkraut dich befreit,

und deine Knospen schützt, die noch so zarten.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 51

d. 13_t.

 

Ja du bist frei, mein Volk, von Eisenketten,

und von des Vorrechts unerhörter Schande

kein Adel schmiedet dich in schnöde Bande

und fröhlich magst du dir im Wohlstand betten

 

Doch dieß kann nicht dich vor der Knechtschaft retten,

der schwarzen, die im weißen Schafsgewande

an allen Thüren horcht im weiten Lande

wie Unkraut sich an jedes Herz will kletten

 

Wenn du nicht kühnlich magst den Geist entbinden

von allem Wust und tödtender Umhüllung,

nicht sorglich deiner eignen Einsicht pflegen:

 

Wird stets dein Feind die Thore offen finden;

all' deiner Hoffnung raubend die Erfüllung,

dein schön begonnen Werk in Asche legen.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 52*

«Weß ist dieß Haus?» «"Des Königs meines Herren,

Eu'r Lehen und das mein', so's euch gefällt!"»

«Was braucht der Bau'r solch' Haus auf dieser Welt?

zu missen diesen Prunk, wird man ihn lehren!»

 

So ward in alter Zeit das Netz gestellt

dem Volk das freie Athmen zu erschweren

So will man wieder dich, o Volk bethören

verhängen dir das lichte Himmelszelt

 

Ein geist'ger Dom beginnt die weiten Hallen

auf deiner Berge Felsengrund zu thürmen,

die Guten bauen d'ran im ganzen Land:

 

Und wieder regt die blasse Todtenhand

der Schlechten sich, den schönen Bau zu stürmen,

soll schmählich er in wüste Trümmer fallen?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 53

d. 13_t.

An mein Vaterland. [1. Fassung]

 

O mein Heimathland! O mein Vaterland!

Wie so innig, feurig lieb ich dich!

Heller Stern, wenn jeder mir verblich

leuchtest mir noch Trost und Hoffnung zu

 

Als ich arm, doch froh, in die Fremde zog

Königsglanz mit deinen Bergen maß,

Thronenflitter bald ob dir vergaß:

da war'st du des Bettlers größter Stolz

 

Als ich wandern ging, und dir ferne war

faßte manchmal mich ein tiefes Leid;

doch wie kehrte schnell es sich in Freud',

wenn ich einen deiner Söhne sah!

 

Lodert Fiebergluth dir im heißen Blut
Sengt der Zwietracht Flamme deinen Flor:
O wie schlägt so bang mein Herz empor

und es fühlet deine Schmerzen mit.

 

Wenn ich leider auch rüstig kämpfen muß

in der streitenden Partheien Reih'n,

werd' ich stets dem Gegner Liebe weih'n

vor dem Fremdling läugn' ich allen Zwist.

 

O mein Schweizerland! du mein Vaterland!

Wann dereinst mein banges Stündlein kommt –

ob ich Schwacher dir auch nichts gefrommt –

nicht versage mir ein stilles Grab!

 

Wann aus Grabesnacht ich einst aufersteh',

bethen will ich dann zu Gott dem Herrn,

daß er segnend seinen schönsten Stern

strahlen lasse auf mein Vaterland!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 54*

d. 14t.

1.

 

Man hörte oft in diesen letzten Jahren

bekritteln unsre Nationalität

doch was man klüglich mit bezwecken thät

ich konnt es nie so gründlich klar erfahren

 

Auch haben jene Forscher arg verdreht

bei ihrem tiefen Studium den wahren

Gesichtspunkt, den so einfachen und klaren

wie er auf jeder Stirn geschrieben steht.

 

Wenn jedes Volk nach seinen Elementen

aus denen in der Urzeit es entstand

sich eines Tages wieder scheiden müßte:

 

Fürwahr! ich kaum ein Erdenvölklein wüßte,

das nicht zerstöbe, wie der Wüste Sand,

wie Schaum vom Meer, den wilde Stürme trennten.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 55*

d. 16_t.

 

Der Schweizer aber baut auf festern Grund

die Schildburg sich und starke Landesmauer,

so lang wie seiner Urgebirge Dauer

wird sich bewähren auch sein starker Bund.

 

[…]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 56*

d. 24_t.

 

Was ist das für ein hell Getön

und Klingen aller Enden?

ein frisch, gewaltig Morgenwehn

und funkelnd Sonnenblenden?
Wie Meereswogen, sturmgetragen,

des Ufers Dünen überwellen,

viel tausend Herzen muthig schlagen

in starker Hoffnung schwellen.

 

Was brechen alle Knospen auf

und glühn so feuerfarben?

Was sprüht und leuchtet ihr zu Hauf'

All' ihr geliebten Narben?

Was soll der Sang und Klang bedeuten

Das Rüsten, Schmücken mit dem Besten,

Wie ahnungvolles Glockenläuten

vor Auferstehungsfesten?

 

So schmücket euch, sie naht, die Braut,

die wir uns liebend eignen

Schon längst der Menschheit angetraut

wer will sie noch verläugnen?

O rüstet euch! nicht zu verkennen

sind des Jahrhundert's große Zeichen

Vor der Signale hellem Brennen

muß jeder Zweifel weichen.

 

Die Freiheit, einzig, rein und wahr,

im Anfang schon beschlossen,

sie stellt sich endlich prangend dar

von Siegesglanz umflossen.

Ihr, die sonst unter Todesgrauen

verhöhnt und flüchtig mußte werden

laßt uns den letzten Altar bauen

der stehen wird auf Erden!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 57*

d. 26_st. Septembre

 

Und wie die alte schwarze Nacht

noch zuckt und sich will bäumen –

sie ist schon längst zu Fall gebracht

mit all' den wüsten Träumen!

Ihr Tosen und ihr gellend Schreien

erhöht nur unsre jungen Lieder

und all' ihr Unglücksprophezeien

fällt auf sie selbst darnieder

 

Sei mir gegrüßt, du goldnes Licht!

du Sonne alles Leben's,

die siegend durch die Wolken bricht

des todten Widerstrebens

Wie leuchten nun in deinem Strahle

die Gräber all' der Starken, Guten,

die dir zum theuren Opfermahle

sich mußten einst verbluten.

 

Heil dem, der ehrlich sagen kann:

«Auch ich hab' mitgestritten

und zwiefach Heil dem freien Mann

der für das Wort gelitten!

Umkränzet euch, ihr muntren Jungen!

zu fechten für den hehren Namen

und bis die letzte Kling' gesprungen

ertön kein friedlich: Amen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 58*

den 26_st. Sept. Abends.

 

Jetzt, o Kugel, blank und neu,

laß in's Eisen dich begraben!

meine Aeuglein zu erlaben

besser ist dein schlechtes Blei,

als gediegen Gold!

 

Fliege, Kugel, fest und treu!

Einen Gruß mir zu verkünden

sollst den rechten Weg du finden

und ein Plätzlein nebenbei,

gar so weich und warm!

 

Wüßtest du, wie wohl sich's ruht

hinter eines Feindes Rippen,

und zu küssen seine Lippen,

wie's so lieblich munden tut –

fehltest nie dein Ziel!

 

Drum so pfeife frank und frei!

Such' dir aus den größten Schergen

unter allen, die sich bergen

hinter schnöder Tirannei,

herzlos, feig und dumm!

 

Fahre wohl, mein Kügelein!

sollst mir keinen Schuft verfehlen,

der, die Freiheit uns zu stehlen

schlich ins freie Land hinein,

mach ihn weidlich kalt.

 

Bohr dich tief in's matte Herz

daß die Feinde selbst bekennen:

Rühmlich sei dein Schütz zu nennen,

und ein gar zu herber Scherz

komm von seiner Hand.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 59

d. 27_t.

 

Ihr nennt uns Träumer, Schwindler, junge Thoren,

die wir nach Licht und Wahrheit muthig streben!

Halb wahr, halb falsch ist dieses Wort gegeben,

so merket auf, und öffnet eure Ohren!

 

Wir haben uns bescheidentlich erkoren

dem Volk zu lichten nur dieß arme Leben:

Ihr laßt verhungernd es gen Himmel schweben,

wer sind die Schwindler? O ihr alten Thoren!

 

Das Eine Ziel von allem unserm Wagen,

es ist, die Handvoll Erde zu verfechten

die Gott dem Menschenkinde hat zugedacht

 

Ihr aber wollt es von der Erde jagen

und ihm dafür die Himmelskrone flechten,

die an den Sternen hängt in ferner Nacht.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 60*

d. 29_t.

 

Und wenn die Sterne schimmernd uns erzählen

von ew'gem Frühling und Unsterblichkeit

was geht es denn euch an zu dieser Zeit,

braucht ihr uns drum der Erde Glück zu stehlen?

Ach dieses kleine Rund ist reich und weit

genug für all' die kleinen Menschenseelen ränkevoll

und doch wollt ihr dieß stets verhehlen

und macht derweilen euch bequem euch und breit!

In unbegriff'nen, wirren Träumereien

liegt, alpgedrückt, der Völker Geist gefangen

indeß ihr eure tolle Wirthschaft treibt!

Wir aber ruhen nicht, «Wacht auf!» zu schreien,

wacht auf! wacht auf! Die Köcher umgehangen!

Wir wollen sehn, wer auf dem Platze bleibt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 61*

d. 30_t.

 

Daß Träumer wir gewesen, läugn' ich nicht;

Die Nacht war lang, wie konnt es anders sein?

Wir träumten all' vom rothen Morgenschein,

und unsre Träume logen wahrlich nicht!

 

Denn groß und golden strömt das volle Licht

nun aller Enden in die Welt herein;

uns freuet bas eu'r Heulen, Droh'n und Schrei'n,

es kündet laut, daß eure Stütze bricht!

 

Wohl mancher Träumer ist hinabgegangen

zu früh von euch versargt ins enge Haus,

weil er sich sehnte nach des Tages Prangen!

 

Doch viel sind, Gott sei Dank, noch frisch, lebendig,

und legen euch die alten Träume aus

O seht euch vor, nie war's euch so nothwendig!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 62*

d. 2_t. October.

Betrachtung.

 

Schön Betrachten jener Weisen, Klugen,

Milden, Allgerechten,

so aus rauher Zeiten Sturmesnächten

heiter und getrost ihr Lebensflämmlein trugen!

Die die grauen Locken warm bedecken

mit gestickter Wollen

und den Lorbeer, den erinnrungsvollen,

in den dunkeln, schmutz'gen Speiseschrank verstecken.

Wo ein einzig Wort aus ihrem Munde

siegend helfen würde

werfen sie von sich des Kampfes Bürde

geben wohlbezahlt dem Dränger falsche Kunde!

Wenn die Jugend in den heißen Tagen

Rath und Trost begehret

und vertrauend sich zu ihnen kehret

schütteln sie bedenklich ihren Kopf und sagen:

«Eitel ist, und längst wie Rauch verflogen

unser bübisch Trachten;

seht! Auch wir einst muntre Lieder machten,

waren gute Zecher, Schläger – Demagogen!

Doch so wir nun schon bei reifern Jahren,

lachen wir der Possen,

und uns reut die Jugendzeit, so toll verflossen,

werdet's aber, liebe Kinder, selbst erfahren!»

Herr, mein Gott! Wollst gnädig mich behüthen,

daß ich also wandle,

und verrätherisch an meiner Jugend handle,

feig zertretend ihre reinsten Blüthen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 63*

II

Schöner Anblick jener Schmachgesellen,

die mit Rasen ihre Lanzen fällen,

wild sich tummeln in der Freiheit Tempeln,

sie zu ihres Dünkels Reitbahn stempeln!

 

Schön Gelichter jener bunten Schlangen,

die sich an die gute Sach' gehangen,

um in ihrem reinen Wiederscheinen

Trug mit Wahrheit fälschlich zu vereinen.

 

Die geschickt im Trüben fischen wollen

heuchlerisch verlarvt in Heldenrollen;

Aller Schwachen Laster zu erwecken,

sie mit falscher Lehre Trugschluß decken!

 

Und, wenn sie den schnöden Raub geborgen,

leis vom Schlachtfeld schwindend sich versorgen;

Schande auf die guten Kämpen werfen

und mit Spott des Feindes Waffen schärfen

 

Sollen wir für Licht und Freiheit rechten,

laß allein, o Herr, den Kampf uns fechten!

Wollen gründlich wir uns einst befreien,

muß die Ehr' erleuchten unsre Reihen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 64*

d. 3_t. Oct.

III.

Unsre Jugendzeit gleicht einem grünen Walde

der da üppig steht an hoher Bergeshalde.

Tausend Bäume streben auf in freier Luft,

wie die Hoffnungen in einer Jünglingsbrust!

 

Doch die Zeit, der Nordwind, schwarze Wetternächte

üben unbarmherzig ihre rauhen Rechte

und nach Jahren steht die Bergwand öd' und kahl

Alles Wandelbaren melancholisch Mahl!

 

Zarte Bäumchen haben längst ihr Haupt gebogen,

weil sie liebend keines Gärtners Hand gezogen,

hohe Tannen stürzten ebenso geschwind,

als empor sie schoßen, haltlos vor dem Wind.

 

Nur die Eiche noch, von Aesten breit und kräftig

ragt zum finstern Himmel, kühn und felsenschäftig

kündet frei und stolz, wie der Orkan auch weht,

daß ihr hoher Stamm auf fester Wurzel steht!

 

Und du bist die Eiche, Freiheitsliebe stark

Grün von Blättern, herrlich, mit gesundem Mark

grünst und blühst und wachsest mit des Mannes Leben,

dem Bedrängten Hoffnung, Licht und Trost zu geben.

 

Wer besingt das Schauspiel eines greisen Helden,

den die Bosheit nicht, nicht Hohn und Undank fällten,

der verjüngt hervortritt aus der Kerkernacht,

den kein Schmeicheln und kein Locken kirre macht?

 

Ungebeugt und streng wacht er mit Adlerblicken,

wie die Herrscher und die Völker sich beschicken

Und so er Verrath und Hinterlist entdeckt

Läßt den Nothruf er erschallen unerschreckt!

 

Seng', Venetias Bleidach, seine Silberlocken!

laß, Sibiriens Kälte, all' sein Herzblut stocken!

Mordet, Fürsten, ihn, nach altem Henkerbrauch:

Freiheit, Freiheit, Freiheit ist sein letzter Hauch!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 65

d. 4_t. [1. Fassung]

 

Du willst dich freventlich emancipiren

und aufstehn wider mich mit keckem Sinn?

Auf's eigne Fäustchen deine Wirthschaft führen

du schöne kleine Jakobinerin?

 

Zur Politik nun auch dein Wörtlein sagen,

Als Rose schön im Parlamente blühn?

Wohl gar dereinst den muth'gen Feldzug wagen

Wenn gen die Könige dereinst wir ziehn?

 

Berufest dich auf meine eignen Lehren

von Freiheit, Gleichheit und von Menschenrecht?

o laß mein Kind, mit Küssen dich bekehren

dieß eine Mal erriethest du mich schlecht!

 

Die Völker sollen frei sein, frei und ledig,

sich selbst beherrschend mit bewußter Kraft!

Ein Hochverräther ist, wer denn noch «gnädig»

zu nennen wagt, was nackte Pflicht nur schafft.

 

Das Haupt bedeckt, tritt ein Mann zu dem andern,

und spricht: verwalte du dieß schwere Ammt!

Doch mußt, woher du kamst, die wieder wandern,

gibst Rechenschaft du nicht uns insgesammt!

 

Doch Dich, mein Kind, bekümmre dieß mitnichten!

dein Liebster und dein Herr ist für dich frei,

auf ihn sollst du die blauen Augen richten,

daß er dein einz'ger Pol und Leitstern sei!

 

Die Ketten all', von denen ich entbinden

die Völker möchte, o Geliebte mein!

als Blumenketten eng dir umzuwinden,

soll einzig nur mein Thun und Trachten sein!

 

Ein fest Gefängniß will ich dir erbauen

von Rosen, Liljen, Myrthen, duftend, weich!

Draus sollst du nur des Himmels Sterne schauen

und mich, den Kerkermeister, froh und reich!

 

Ich will zur Kurzweil süße Lieder singen,

darinnen du dich lachend spiegeln magst!

In Liedern dir die Welt zu Füßen bringen,

wenn über Einsamkeit du dich beklagst!

 

Doch, wann die lieben Nachtigallen schlagen,

und wann das Abendroth verglommen ist

Dann will ich dir den letzten Grund noch sagen,

Warum du dienstbar und leibeigen bist!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 66*

«Sie wissen nicht, was sie wollen,

und jagen nach Schatten und Wind,

dieweil sie eben verbrannt

unruhige Köpfe sind.

 

«Sie läugnen den Herrn und sagen,

er sei ein erträumter Mann,

und rufen ihn doch beständig

zu ihrem Befreier an!

 

«Sie läugnen das ewige Leben

und einer Vergeltung Bestehn,

und möchten uns doch verfluchen

und tief in der Hölle sehn.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 67*

Nov 43

Vorabendlich.

 

÷Und wenn die Noth am größten, ist Gott am Nächsten.¨

 

Es zieht ein Spielmann über die Haide,

Die Wangen bleich vom langen Harm;

ein Röcklein von zerrissner Seide

trägt[e] er, die Geige unter'm Arm.

 

Am Hute zittert,

blaß und verwittert

ein Federlein, fast zu vergleichen

verscholl'ner Jugendtage Zeichen.

 

Es sitzt ein Dichter in seiner Kammer

und schaut ins blut'ge Abendroth

Zerreißt die Saiten mit stummem Jammer,

sein Liederbaum ist ab u todt.

 

auf grauen Schwingen

entfloh sein Singen,

die Zeit ist aus dem Ton gefallen

sein Herz will nichts mehr widerhallen

 

Sept. 44.

Es gähnt ein Maler vor seinem Bilde,

und reibt die müden Augen aus,

er streicht und pinselt an seinem Schilde,

und bringt nichts Neues mehr heraus

 

Ach, seine Farben

schon lange erstarben

des Himmels Sterne sind erloschen

u seine Götter abgedroschen!

 

Es weint ein Säugling in seiner Wiegen

u sehnt sich schon nach seiner Ruh!

er möcht zurück in die Puppe fliegen

u schließt die jungen Aeuglein zu!

 

ihn friert u grauet,

das Leben schauet

ihm gar so kalt u feucht entgegen,

wie ein mit Schnee vermischter Regen!

 

O alte Zeit, voll Sorgen u Plage

Schneeschichte auf gefallnem Laub!

O graue Noth der ergrauten Tage,

wie manche Blüthe wird dein Raub

 

Wann wirst du wenden

an allen Enden

und fliehen vor den Frühlingszeichen,

Wann werden Tag und Nacht sich gleichen?

 

Dann wird der Spielmann wiederum geigen,

daß Berg u Land u Meer erklingt!

Der Dichter brechen sein langes Schweigen,

wenn er mit jungen Lerchen singt!

 

In lichten Strahlen

die Gottheit malen

der Maler mit erfrischten Augen,

der Säugling Lust zum Leben saugen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 68*

d. 8_t. Nov.

Kugelgießen

 

Wie glimmen doch die Kohlen

so düster und so roth!

Gott, dir sei anbefohlen

all' unsre schwere Sorg' und Noth!

 

Wie gleißet in der Kelle

das Blei mit hellem Schein!

Du heiße Todesquelle

sollst unsre letzte Hülfe sein!

 

Und haben wir getragen den langen Tag,

gelitten und getragen die alte Plag' –

so lassen wir's am Abend uns nicht verdrießen,

und wollen flink und rüstig noch Kugeln gießen!

 

Einhundert blanke Kugeln auf jede Nacht,

daß es am Einen Tage viel Tausend macht!

An jenem Tag 'nen tüchtigen Kugelregen

woll'n wir als gute Aussaat in's Brachfeld legen!

 

Auf jede Kugel kommt ein Despotenherz,

zu rächen all' den verbissnen Todesschmerz!

Du theure Freiheit! Wirst uns nimmer gesunden,

bis deine Wunden bezahlst mit rothen Wunden!

 

Wie glimmen doch die Kohlen

so düster und so roth!

Gott, dir sei anbefohlen

all' unsre schwere Sorg und Noth!

 

Wie gleißet in der Kelle

das Blei mit blassem Schein!

Du heiße Todesquelle

sollst unsre letzte Hülfe sein!

 

Und ist kein Blei mehr da, so reiche dein Zinn!

die Kannen, Schüsseln, Teller, Frau Hauswirthin!

Auch schlagt die Fensterlein ein die alten, blinden!

Die Sonne wird nur besser den Eingang finden!

 

Was soll der Silberpokale eitler Tand?

Im Felde trinkt man besser aus hohler Hand;

Das Silber schmelzen wir ein, den Fluch der Erden,

es soll ein Nothpfennig uns in Kugeln werden!

 

Und die von Silber spiesen so lange Zeit,

die harten Dränger finden uns dann bereit

Wann einst das große Festgelage erschienen<,>

Zum letzten Gang mit Silber sie zu bedienen<!>

 

Wie glimmen doch die Kohlen

so düster und so roth!

Gott, dir sei anbefohlen

all' unsre schwere Sorg und Noth!

 

Wie gleißet in der Kelle

das Blei mit blassem Schein!

Du heiße Todesquelle

Sollst unsre letzte Hilfe sein!

 

Den er von seiner Herzgeliebten empfing,

nun nehme ein jeder den Verlobungsring,

und werf' ihn reulos in die glühenden Kohlen,

um ihn als glänzende Kugel hervorzuhohlen!

 

Und wenn am Tage der Schlacht es müßte sein,

daß über uns käm' der Niederlage Pein,

so tragen weinend wir des Geschickes Bande

und sagen ade dem armen Vaterlande!

 

Wir wollen gerne in die Verbannung gehn,

doch unsre Liebchen sollen den Tag nicht sehn!

Und keine Knechte sollen sie je gebären:

das soll das Gold der letzten Kugel verwehren!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 69*

d. 10 Nov.

 

Kühlt euch ab, entflammte Dichter!

Zähme dich, du edle Jugend!

Hin ist nun die Zeit der Thaten

und verhöhnt wird Römertugend.

Wollt ihr euer blühend' Leben

So im rauhen Sturm verwittern?

euer jugendkräftig Streben

wirkungslos zersplittern?

 

Seht, o seht, wie sie gemächlich

und bequem im Rathe sitzen!

wie die feinen Sekretäre

lächelnd ihre Federn spitzen!

Glaubet ihr, sie gehen müssig,

und, des Spasses überdrüssig,

werden sie auf euer Singen

von der Bühne springen?

 

Ach! derweil von allen Bergen

ihr von Recht und Freiheit singet

kühn mit euren Ketten raßelt

und zur Schlacht die Panner schwinget –

fliegen gar behend und munter,

Land hinauf und Land hinunter,

unsichtbar wie Spinnefaden,

Brieflein ihrer Gnaden

 

Die Dekrete und Depeschen

folgen euch, wie böse Geister;

wo ihr euren Tritt hinwendet,

findet ihr auch euren Meister!

und die großen Potentaten

können sich gar gut berathen

mit den kleinen Galgenstricken

in den Republiken.

 

Baut ihr auf den Zorn des Volkes,

der sich endlich werd' erheben?

Ach, das Volk hat, matt geschlagen,

sich dem Elend still ergeben

Und nur leise, leise jammernd

sich an's nackte Dasein klammernd,

schützt mit tausend Bajonetten

es die rost'gen Ketten!

 

Seht ihr nicht wie von den Euren

einer nach dem Andern weichet,

wie die Noth, wie die Verführung

sie mit scheuem Tritt umschleichet?

Ach, vielleicht in wenig Jahren

sind die letzten hingefahren,

wie im Winter Waldesstimmen

mählig all' verglimmen!

 

Schon beginnt man euch zu scheuchen

schnell von einem Ort zum andern;

mit der theuren, schweren Bürde:

Freiheit! müßt ihr ruhlos wandern

flieget, schöne Adler, flieget,

ihr zuletzt doch noch erlieget!

und zuerst in Republiken

wird man euch ersticken!

 

Stellt ihr etwa eure Hoffnung

auf die Hülfe hoch von oben?

und ich muß sie wahrlich loben

wenn nur nicht das Sprüchwort wäre,

s'kommt mir so von ungefähre:

Hilf dir selbst, so hilft auch Gott dir!

s' klingt fast wie ein Spott mir!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 70*

II.

Habet ihr des Gälenbarden

schöne Lieder nie gelesen,

Wie einst Morvens Heldenkönig

Hoch auf Loda's Berg gewesen?

Wie bei nächtlich bleichem Strahle

er mit seinem guten Stahle

mit den Geistern angebunden

und sie überwunden?

 

Waren sie nicht eitle Wolken?

schattenhafte Truggestalten,

die sich vor der blanken Wahrheit

seines Schwerts nicht mochten halten?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 71*

Dec. 1843.

 

Ein brausend Gähren und ein wildes Wogen

ein zagend Rathen und ein hülflos Irren,

ein geistig banges schweres Kettenklirren –

sind mir die rauhen Tage hingezogen!

 

Und stündlich neue Träume mich umflogen,

das war ein Leuchten, Blühen, Klingen, Schwirren,

das war ein stet Entwickeln und Verwirren,

Und alles hatt' am Ende mir gelogen!

 

Nun aber ist der Kirchhof zugeschlossen,

der Kirchhof meiner heiß durchkämpften Jugend,

und stille ruh'n die Träum' in ihren Särgen!

 

Draus aber ist ein hoher Baum entsprossen,

den pfleg' ich nun in fester Treu und Tugend

und schützend soll er einst mich Müden bergen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 72*

Der grüne Baum, er ist die gute Sache,

zu der ich nun vor aller Welt geschworen,

die theure Freiheit, die ich mir erkoren,

und zum Simbole meines Schildes mache

 

Nun drauf und dran! spring auf, du alter Drache,

aus gift'gem Moor und Sumpf, die dich geboren!

Schon ziehn die Ritter fröhlich aus den Thoren

und tausend gute Lanzen schimmern: Rache!»

 

Wohl dem, der in verhängnißvollen Zeiten

sich lehnen kann an eine feste Meinung,

die treu ihn stützt, wenn alle Schranken zittern!

 

Und dreimal Wehe! dem, der jetzt zu streiten

sich weigert mit bedächtiger Verneinung,

ihm wird der Sturm das schwache Herz zersplittern!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 73*

d. 20 Dec.

 

Ihr Jungfraun, stellt bei Seite nun den Rocken,

und laßt die Mütterlein den Herd beschicken!

Die heil'gen Fahnen sollet ihr jetzt sticken

und Kränze winden um der Streiter Locken!

 

Wann dumpf erdröhnen einst zum Sturm die Glocken,

und banger Zweifel will den Muth umstricken,

dann sollt ihr uns mit stolzen Liebesblicken

kühn in des Kampfes Staub und Wirbel locken!

 

Und wann wir Sieg vom heißen Felde bringen,

dann wollen wir mit fröhlich heitrem Minnen,

Ihr Mädchen, euch zu Tanz und Spielen führen!

 

Jetzt aber laßt uns Schlachtenlieder singen,

Jetzt aber woll'n wir keine Schäferinnen,

wir wollen starke, feurige Walküren!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 74*

Weihnachten 43.

 

[In sternenheller Christnacht schaute ich

nach Wahrheit ringend, auf zum Himmelszelt.

da sproßt' an Scheiben eis'ge Blumenwelt,

daß hinter ihr mir jeder Stern verblich.

 

Zu Ostern, als der weiße Winter wich,

hat forschend wieder sich mein Blick erhellt;

Doch war ihm schon ein neues Netz gestellt,

In Blumenkelchen tief verlor er sich.

 

Wie Blumen selbst die alten Berge wankten

und stürzten blendend sich auf meine Bahn;

Aus Lenzduft bald, und bald aus Eis gewoben

 

Nur Blüthen meine Schritte eng umrankten!

Ich schlug ein höhnisches Gelächter an,

da ist der Plunder alsobald zerstoben!]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 75*

In sternenheller Christnacht schaute ich

nach Wahrheit ringend auf zum Himmelszelt.

da sproßt' an Scheiben eis'ge Blumenwelt,

daß hinter ihr mir jeder Stern verblich!

 

Zu Ostern, als der dunkle Winter wich,

hat forschend wieder sich mein Blick erhellt.

Doch war ihm schon ein neues Netz gestellt,

in Tulpenkelchen tief verlor er sich!

 

Als Liljen selbst die alten Berge wankten

und stürzten blendend sich auf meine Bahn,

In Blumenkränze ward ich ganz verwoben

 

Und Blüthen mich erstickend eng umrankten –

ich schlug ein höhnisches Gelächter an,

da ist der Plunder alsobald zerstoben!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 76*

d.

 

Wann zur Maizeit alle Felder lachen

und vom Himmel Rosenwolken thau'n;

wann die Sänger wieder all' erwachen

und die alte Hoffnung weiter bau'n;

wann die Liebe jubelnd zu den Sternen singt,

um die ganze, um die ganze Welt den Reihen schlingt:

Ihr Tirannen, grauet euch dann nicht,

daß ihr so gefürchtet,

daß ihr so gehaßt, wie Schlangen über Blumen kriecht?

 

Goldmeer woget hell im Strahl der Sonnen,

und der Sommer ruht auf heißem Feld;

glühend hat er seine Braut gewonnen,

und die reife Erde küßt der Held!

Und in Wetter'n feiert er sein Hochzeitmal,

und es flammet und es toset über Berg und Thal:

Ihr Tirannen, zittert ihr dann nicht,

daß euch könnte treffen

und zermalmen eines Rächers Zorn und Strafgericht?

 

Wie so lieblich stehn die reichen Gärten!

Was die Herbstzeit doch so freudig ist!

Seht, die Bäume all', die fruchtbeschwerten,

winken uns, soweit das Auge mißt!

Jeder sammelt, lobt und preist das gute Jahr,

jeder Strauch und jeder Zweig bringt uns sein Schärflein dar:

Ihr Tirannen, schämt ihr euch dann nicht,

daß ihr so verachtet,

dürre und verflucht seid in der Schöpfung Angesicht?

 

Und wann dann der Winter niedersteiget,

kühlend, auf die müde, welke Flur;

sich zum heil'gen Schlaf die Erde neiget,

träumt und schlummert alle Creatur;

kaum ein Rabe noch auf öder Haide fliegt,

und die weiße, stille Decke wie auf Gräbern liegt:

Ihr Tirannen, weinet ihr dann nicht,

daß euch Schuldbelad'nen

auch die letzte Hoffnung noch, die süße Ruh, gebricht?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 77

d. 30_t. Dec. 1843.

 

[Ja, das ist der alte Kirchhof,

der in blauer Fluth sich spiegelt,

und in seiner feuchten Erde

liegt mein Heiligstes versiegelt!

Schläfst du, schläfst du noch mein Liebchen?

Zuckt kein Strahl durch deine Leiche

wenn auf deinem stillen Grabe

nun dein Buhle irrt, der bleiche?

 

Fährt kein Stern in deine Augen,

hebt dein Herz nicht an zu schlagen?]

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 78

d. 31_st. XII. 43

 

Ja, das ist der alte Kirchhof

der in blauer Fluth sich spiegelt,

und in seiner feuchten Erde

liegt mein Heiligstes versiegelt.

Und ein Beet voll rother Rosen

dicht und üppig aufgesprossen

drunter liegt die weiße Lilje

eng im Blumenschrein verschlossen.

 

Durch die Rosen, durch die Erde,

durch die Bretter dringt mein Sehnen.

dort, wie eben erst gestorben

will mein Herz Sie schlummernd wähnen

Schläfst du, schläfst du noch mein Liebchen?

Zuckt kein Strahl durch deine Leiche,

weil auf deinem stillen Grabe

nun dein Buhle irrt, der bleiche?

 

Fährt kein Stern in deine Augen?

hebt dein Herz nicht an zu schlagen?

Quellen nicht von deinen Lippen

frische, süße Liebesklagen?

Zieht kein rother Morgenschimmer

über die marmornen Wangen,

weil daran die Lebensgluthen

meiner heißen Blicke hangen?

 

Eitler Traum! um eine Leiche,

um den Tod hab' ich geworben!

Nun, so sei auch meine Liebe

ewig todt und abgestorben!

Zitternd reiß ich aus dem Busen

noch die letzten zarten Blüthen

gebe sie dem todten Liebchen

bis zum jüngsten Tag zu hüthen!

 

Schwarzer Gärtner, Todtengräber!

Laß, o laß das Grab verwildern!

seine wermuthbittern Schauer

soll kein Lenz mehr freundlich mildern!

Binde nicht mehr diese Zweige,

pflege nicht mehr diese Rosen!

Und mit den verdorrten Blättern

mag der kalte Nordwind kosen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 79

d. 2_t. Januar 1844.

 

Fahret wohl, ihr schönen Gräber,

klirre zu, du morsches Gitter!

Lachend kehr' ich euch den Rücken,

Liljenstolz und Rosenflitter!

Abgethan ist nun die Liebe –

Hei! wie bin ich nun so munter,

und in dem befreiten Herzen

geht es lustig drauf und drunter!

 

Gegen Morgen, gegen Morgen!

schau' ich trotzig in die Sonne;

wie scheint sie so wild und feurig,

lächelnd in Gewitterwonne

Sich gewappnet um die Heldin

kühne Wetterwolken schaaren,

wie auf stolzem Oceane

drohende Armaden fahren!

 

Dezember 44

Vor mir liegt das reiche Leben,

Schlägt die Zeit die hohen Wogen,

Kreis't die Welt mit ihren Sternen,

fröhlich bin ich ausgezogen,

Biethe Stirn und Herz den Stürmen,

Lasse meine Wimpel wehen,

Und beim wilden Kreuzen denk ich

kaum noch an ein Wiedersehen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 80*

d. 9_t. Januar 1844.

Tod.

 

Fürchtest du den Tod, mein banges Herz?

Oder schaust du hoffend himmelwärts,

Lohn dort suchend für den Erdenschmerz?

Lebe nur getrost dein kleines Leben,

und das Andre wird sich herrlich geben

nur mußt frisch du durch die Wolken streben,

daß der Tod dir keine Sandbank sei:

lebe frei!

 

Zwar mag er dir wohl ein Pharus sein,

dem du manchen ernsten Blick sollst weih'n,

Landungsboot ist einst der schwarze Schrein:

Lebe recht – und fürchte nicht das Ende!

Lebe frei – und wasche deine Hände!

Und nach ihm die hellen Augen wende,

daß er Stappelplatz, nicht Hafen sei!

Lebe frei!

 

Nicht ein Schuldenzahler ist der Tod!

Nicht erkaufen mußt du dir den Tod

feige durch freiwill'ge Angst und Noth!

Denke dir den Tod auch nicht als Henker,

nicht als grimmen Rachefackelschwenker! –

Nein, nur daß ein neuer Wagenlenker

dir der Tod auf der Arena sei,

lebe frei!

 

Knicke keine Rose, die da blüht!

Lösche keinen Stern, der schimmernd glüht!

Dämpfe keinen Blick, der Leben sprüht!

Laß mir alle Blumen liebend spießen!

Laß mir alle Quellen freudig fließen,

daß du magst dein Dasein rein genießen,

kurze Ruhzeit nur der Tod dir sei:

lebe frei!

 

Welt ist groß, die Ewigkeit gar lang,

und dieß Leben nur ein schwacher Klang

in des großen Wirbels Sturm und Drang!

Daher glaube nicht, daß ausgelitten,

glaube auch nicht, daß dann ausgestritten,

und noch weniger, daß abgeschnitten

mit dem Tod die große Frage sei:

lebe frei!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 81

d. 10_t. Jan. 44.

 

Sitzt man mit geschlossnen Augen

einsam in dem dunkeln Zimmer

blitzt oft durch die zarten Lider

plötzlich rother Kerzenschimmer.

Weiß ich doch, daß Sonnenstrahlen

durch die Augendeckel dringen

und in flimmernden Gebilden

sich um unsre Seele schlingen.

 

Also saß ich in der Dämmrung

schlummernd in der grünen Laube,

eingelullt vom Abendrothe,

müd' von Erdenlärm und Staube
Da begann von Licht und Blumen

gar ein seltsam schimmernd Weben

und ein Ranken um die Augen

wie von goldnen Zauberreben.

 

Rothe Rosen, weiße Rosen,

Primeln, Tulpen und Narzissen,

Dahlien von hundert Farben

sah ich durcheinander sprießen!

Purpur, Gold, Azur und Silber

flimmerten in Wechseltönen,

Lila, Rosa, heitres Meergrün

mußten mild den Glanz versöhnen!

 

O das war ein prächt'ger Reigen,

wie die Farben all' ihn tanzten,

wie die Blüthenstern und Glocken

ringelnd sich in Beete pflanzten

Aber in den Wundergarten

Senkte eine Jakobsleiter

von zwei Strahlen schön sich nieder

aus zwei Sternen, selig, heiter!

 

Kleine, blonde Liebesengel

Schwebten daran auf u nieder

Stiegen in den Sternenhimmel,

kehrten in mein Herze wieder

Wekten andre hübsche Knaben,

Die darinen ruhig schliefen

Und darauf mit holdem Necken

Spielend durch die Blumen liefen.

 

Und die aus dem Himmel kamen

Wollten meines Herzens Kinder

Ringend mit sich aufwärts ziehen;

Aber diese auch nicht minder

Hielten Stand u kämpften wacker

als sie jene dicht umschlangen!

Hielten sie in meines Herzens

Ird'schem Grunde bald gefangen.

 

Oben an der Himmelsleiter

Eine klare Seele schwebte,

Die halb zornig, halb mit Lachen

Sie zurückzurufen strebte!

Doch es schien mir im Gefängniß

Ihnen leidlich zu gefallen;

Denn ich sah, der Herrin trotzend,

bunt sie durcheinander wallen!

 

Und sie mußte sich bequemen

Endlich selbst herabzusteigen.

Sah sich plötzlich dann gefangen

Mitten in dem frohen Reigen.

Doch für all' den Liebesjubel

Ward mein Herz zu eng u nieder

Klingend sprangen auf die Pforten,

Sprangen auf die Augenlider

 

Sieh! da standest Du, auf meine

Schläferaugen sicher schauend

Vorgebogen, unbefangen

Und auf meinen Schlaf vertrauend

Wurdest roth u flohst vorüber

Ungeschikt ein Liedlein summend

Und vergeblich dein Geheimniß

In der Dämmerung vermummend!

 

Fliehe nur, verrathne Seele

trostlos durch des Gartens Blüthen

Such' dir bessre Zauberdrachen,

Deines Busens Schatz zu hüthen!

Thöricht Kind nun magst du immer

Dreifach mir dein Herz verschließen

Unerbittlich seh ich innen

für mich rothe Rosen sprießen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 82*

d. 11_t. Jan. 44.

 

War ein heimathloser Wandrer

auf des Leben's dunkler Haide;

suchte eine Liebesheimath,

die mich von der Welt abscheide

und verirrt in düstern Gründen

sah ich endlich in der Ferne

wie zwei Irrwisch', schwebend, leuchtend,

deine beiden Augensterne.

 

Und vertrauend folgt' ich ihnen

ruhlos über Feld und Hügel;

und die Hoffnung lieh' den Stab mir,

und die Sehnsucht gab mir Flügel

Bald an klaren Silberströmen,

bald im stillen Rosengarten

schienen mich die blauen Lichter

Liebe^leuchtend zu erwarten.

 

Aber war ich an der Stelle

müd' und durstig angekommen –

waren auch die falschen Sterne

in den Rosen schon verglommen

bis sie wieder in der Weite,

in der Weite freundlich lachten

und mich schmachtenden Gesellen

wieder auf die Beine brachten.

 

Schwebten sie im luft'gen Reigen

über blaue Fluth des Seees,

sprang ich in den leichten Nachen,

Schiffer meines schweren Wehes

An dem Ufer stand ein Kirchlein,

das war mir ein gutes Zeichen,

weil ich dort am Hochaltare

sie noch hoffte zu erreichen!

 

Aber da war auch ein Kirchhof,

nach der alten, schlimmen Sitte

und da glänzten die zwei Lichter,

mild in stiller Gräber Mitte.

Haben noch mit süßen Strahlen,

scheidend noch mir zugewunken,

sind darauf, nach Irrlichtweise

in ein Blumengrab versunken!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 83

Januar 1844

Der Apostaten-Marsch.

 

Bum! bum! bum, bum, bum!

Schnürt den Sack und kehrt links um!

Abgefressen ist die Matte,

spute dich, du Wanderratte!

Hungern ist kein Gaudium!

Gott sei uns Sündern gnädig!

 

Sind wir nicht ein schöner Zug,

galgenfroher Rabenflug?

Haben neues Aas gewittert,

wie der Magen freudig zittert!

Denn wir spähen fein und klug,

Gott sei uns Sündern gnädig!

 

Hohn und schriller Pfeiffenklang

tönet unsern Weg entlang;

doch das soll uns nicht verdrießen,

laßt die Scham uns nun durchspießen,

mit der Tugend an den Strang!

Gott sei uns Sündern gnädig!

 

Nieder mit dem Jungfernkranz!

Ausgelöscht der Ehre Glanz!

Ausgespiee'n der Sonne Klarheit,

abgeläugnet jede Wahrheit!

Hure! reich die Hand zum Tanz,

Gott sei uns Sündern gnädig!

 

Aus dem Busen reißt das Herz,

werft es fluchend hinterwärt's!

Fauler Schlamm, o kühle, spühle

weg die heißen Hochgefühle!

Ach, es war ein Bubenscherz,

Gott sei uns Sündern gnädig!

 

Ficht euch das Gewissen an

mit dem spitzen Vipernzahn?

Weist ihm einen rothen Lappen,

daß es lustig darnach schnappen,

und sich drein verbeißen kann!

Gott sei uns Sündern gnädig!

 

Pereat das Vaterland,

deckt es zu mit Spott und Schand.

Führt das arme Lamm zum Schlächter

und verkuppelt seine Töchter

an die erste, beste Hand.

Gott sei uns Sündern gnädig!

 

Auf! bei fahlem Irrlichtschein

tanzen wir zum Rabenstein!

Macht den Galgen dort zum Kreuze,

daß d'ran ehrenvoll sich spreize

unser ausgedorrt Gebein

Gott sei uns Sündern gnädig

 

Gleite, Gleite hin mein Hohn,

kalt, wie du dem Herz entflohn,

treffe sie auf ihren Wegen!

wie vom Blatt ein Tropfen Regen,

fällst du ab, ich weiß es schon:

Gott sei den Sündern gnädig!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 84*

d. 23_t. Januar 44.

Muthlosigkeit

II.

Habet ihr des Gälenbarden

schöne Lieder nie gelesen,

wie einst Morvens Heldenkönig

hoch auf Loda's Berg gewesen?

Wie bei nächtlich bleichem Strahle

er mit seinem guten Stahle

mit den Geistern angebunden

und sie überwunden?

 

Waren sie nicht eitle Wolken,

schattenhafte Truggestalten,

die sich vor der blanken Wahrheit

seines Schwert's nicht mochten halten?

Prahlerische Nebelspücke,

die vor seinem hellen Blicke

alsoballd die Flucht gewannen

und in Luft zerrannen?

 

Auf! Wohlauf! mit frischem Muthe

wappnet euch, ihr zagen Recken!

wollt ihr vor dem Rauchgesindel

schüchtern eure Waffen strecken?

In die Nebel, in die Dünste,

in die trüben Wasserkünste

sendet eure Flammenpfeile,

daß der Qualm sich theile!

 

Eben, wo der Rauch am dicksten,

wo die größten Wolkenriesen,

wo die schwersten Nebelmassen,

sollt den Angriff ihr erkiesen!

Muß der Leichnam in den Grüften,

angeweht von frischen Lüften,

Läg' er auch seit tausend Jahren,

nicht in Staub zerfahren?

 

Seien es auch Rosenwolken,

gleißnerische Frühlingsdüfte,

sumpfentstieg'ne, gift'ge Schwaden

oder schwarze Wetterlüfte:

Mit der Sonne um die Wette

sengt und schmelzt die Nebelkette

daß Èd¥er Tag sich rein ergieße,

jeglich Herz erschließe!

 

Daß der Kern der nackten Wahrheit

uns kristallenklar erglänze

und des Rechtes goldne Krone

jede Stirne frei umkränze

daß sich das Gewürm, das blinde,

sterbend an der Sonne winde;

keine Blume mehr auf Erden

kann vergiftet werden.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 85*

Jan. 1844 Zum Morgentraum.

Erste Harfnerinn.

 

Es wächst ein Baum am Meeresgrund

tief und geheimnißvoll;

die Welle thut's nicht kräuselnd kund,

die sich ihm öffnen soll!

 

Doch wächst er immer fort und fort

im dunkeln Wasserhaus,

und, ist ein Zweiglein abgedorrt,

zwei Neue schlagen aus.

 

Die Wurzeln graben emsiglich,

tief in des Grundes Weh;

doch tausendästig weitet sich

die Krone in die Höh'.

 

Viel Nachtigallen, stumm und bang,

erharren drinn den Tag,

wo frei und fröhlich ihr Gesang

zum Himmel steigen mag.

 

Es hangen eh'rne Glocken viel

im grünen Aestehain;

was wird das für ein Glockenspiel

an jenem Morgen sein!

 

An jenem Morgen, wo entzückt

das Wellendach zerspringt,

den Baum der finstern Nacht entrückt,

ans helle Taglicht bringt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 86*

Die zweite Harfnerinn.

 

Das Meerschiff zieht so stolz dahin,

so stolz dahin und schwer;

und alle Meerbewohner flieh'n

vor seinem Hochmuth her.

 

Es gräbt nun schon so lang dem Meer

die tiefen Furchen ein;

es wühlt nocht immer kreuz und quer –

wird denn kein Ende sein?

 

Ein Morgen graut, ein Morgen tagt,

wie keiner noch gegraut!

Ein Garten aus dem Meere ragt,

wie keiner noch gebaut!

 

Das ist des Baumes Riesenkron',

voll Blüthenglanz und Duft,

der alten Mutter schönster Sohn

entstiegen seiner Gruft.

 

O Maienlust, o Freiheitsbaum,

so jugendlich und grün!

Wie wirst du, alter Menschentraum,

nun ewig, ewig blühn!

 

Nun fahre her, du stolzes Schiff,

Es harret dein ein Blumenriff,

mit deiner Eisenbrust!

daran du scheitern mußt.

 

Schon schlingt das grüne Laubgeflecht

Sich fest um dich herum!

Dich überspinnt das Lenzgeschlecht

mit Liebe um und um!

 

Noch aus dem Blumenknäuel blitzt

die letzte Flaggenstang',

darauf ein leichtes Vöglein sitzt

mit seinem leichten Sang!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 87*

die 3_te Harfnerinn.

 

«In hundert Jahren kommt ein Schwan –»

O lodre auf, du heiße Gluth! –

«Den wird man müssen singen lan!»

Und trink das reine Heldenblut,

und trink den rothen Morgenthau!

Der Himmel lacht so lustig blau

und lacht ob unserm Jammer –

Singe, schöner Schwan!

 

«In hundert Jahren kommt ein Schwan» –

er trägt ein Krönlein von Papier, –

«den wird man müssen singen lan!»

Bemahlt mit manchem Teufel schier;

das flackert hell und wohlgemuth,

daß es die Teufel wärmen thut,

die Teufel in den Kutten –

Singe, schöner Schwan!

 

Die hundert Jahre sind vorbei,

und sind zum vierten Mal entfloh'n,

Es sang wohl mancher Vogel frei:

noch immer fehlt der letzte Ton,

der schönste Ton am Schwanenlied!

Die Schwalbe kommt, die Schwalbe zieht,

Sie lacht ob unserm Jammer –

Singe, schöner Schwan!

 

Und Constanz blieb am Bodensee,

das Feuer zog durch alle Welt!

Es zieht noch über Land und See,

und unsre Saat ist gut bestellt!

Schon schwingt sich auf der weiße Schwan,

den man wird endlich singen lan!

Auf, Phönix-Auferstehen,

singe, schöner Schwan!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 88*

Mein Lied an das deutsche Volk!

 

Vernimm den Gruß von meiner Berge Schoß,

geliebtes Nachbarvolk, o deutsches Volk!

O deutsches Volk, so kindlich, doch so groß!

Ein Maienhimmel, eine Donnerwolk'!

O möchte mir ein einfach' Lied gelingen[!],

es klingt so rauh im hohen Felsensaal!

Doch, send' ich's dir auf leichten Lenzesschwingen,

Vielleicht steigt milder es zu dir in's Thal!

 

Wie oft, wenn ich am jungen Rheine saß,

und mit der Seelefolgte seinem Lauf,

geschah's, daß ich die Heimath schier vergaß,

und ihrer Urgebirge Riesenknauf

schmolz hin vor meines Herzens heißem Sehnen:

Ich sah entzückt in's eb'ne Land hinaus,

in's Land der Sagen und der Liebesthränen,

ins hohe weite deutsche Dichterhaus!

 

Dann sprach ich wohl: Du schöner grüner Rhein!

O könnt ich mit dir in die Fremde gehn!

könnt ich ein Schiffer deiner Wellen sein,

mit dir das liebe, fromme Deutschland sehn!

Wie wollt ich fröhlich seine Frauen grüßen,

vor Allen würdevoll, so stark und zart!

mit Andacht seine A grauen Dome küssen

und mich erfreu'n an seiner Kunst und Art!

 

Der Erde Wünsche reifen all' zur Zeit;

so sah ich mich mit leichtem Wanderstab

bewundern deine milde Herrlichkeit,

ein reich geschmücktes, rosenduftend – Grab!

Und auf dem Grabe standen vierzig Throne,

als vierzig Leichensteine, schwer von Erz!

Auf jeglichem lag eine goldne Krone,

die drückte ihre Zacken in dein Herz!

 

Doch bang, wie wenn am Allerseelentag

verwaiste Söhne an den Gräbern knie'n,

doch bang und bebend eine Todtenklag'

sah ich empor zum blauen Himmel flieh'n!

Das waren deine Sänger, deine Weisen,

o deutsches Volk, die um dich trauerten!

Die klirrend da mit ihrer Ketten Eisen

dein altes, großes Grab umschauerten!

 

Da fragt' ich laut: Erscheint kein Ostertag,

der dieses Grabes Hülle sprengen kann?

Der diesen Riesenleichnam wecken mag

aus seines Todes schwerem Schlaf und Bann?

Und mir erwiederte ein süßes Flüstern,

das säuselt aus dem Blumenduft hervor;

verborg'ner Flamme schlug ein heißes Knistern

zu mir herauf und an mein lauschend Ohr!

 

Und ich erkannte: Ja du bist ein Grab,!

jedoch ein Grab voll Auferstehungsdrang!

O deutsches Volk, ich ruf' es dir hinab,

und mische mich in deiner Seher Sang!

Dir werden noch die Osterglocken schallen

wie keinem Volke sie erklungen sind!

Dein still' Ergeben hat dem Herr'n gefallen,

und hoch erheben wird er dich, sein Kind!

 

Hier oben wird's der Freiheit bald zu eng,

sie sucht zu sprengen ihren Felsensarg!

der reifen Jungfrau wird der Gurt zu eng

des Rheins, der ihren Reiz dir, Deutschland, barg!

Sind keine Alpenrosen zugeschwommen

euch dort, ihr Jünglinge am Niederrhein?

Habt ihr noch nie des Alphorn's Klang vernommen

in stiller Nacht beim hellen Sternenschein?

 

Wir haben euch das Mägdlein treu gepflegt

durch manch Jahrhundert, und oft kummervoll!

Auch Eure Die deutsche Freiheit haben wir gehegt

die einst von unsern Bergen steigen soll?

Wir greifen todeskühn zu Schild und Degen

wenn unserm Wappen deutsche Knechtschaft droht:

Wie gerne woll'n wir auf den Altar legen

der Einen Freiheit unser Weiß und Roth!

 

Ich grüße dich, o Deutschland lieb und traut,

ein Weilchen schlummre noch in guter Ruh'

wenn meine Hoffnung auf den Franken baut,

so wendet dir sich meine Liebe zu!

Und muß dieß Lied nicht deutschen Klang's erklingen?

Ist nicht mein innerst' Denken deutsches Wort?

O Hoffnung, Hoffnung nur vor allen Dingen,

Die Form vergeht, die Zeit, die Zeit eilt fort!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 89

d. 10_ten Februar 1844.

 

Auf der Lüneburger Haiden

da steht ein alter Stein,

dabei eine alte Eiche,

die mag wohl tausendjährig sein!

 

Es zieh'n vorüber Gesellen

zwei oder drei mit Sang

die singen von deutscher Freiheit,

auf weiter Haid' verhallt der Klang!

 

Da spricht der Stein zur Eiche,

als wie erwacht vom Traum:

Ging nicht die Freiheit vorüber?

Wach auf! wach auf du deutscher Baum!

 

Und durch die Krone fahret

ein lauter Saus und Braus

es schlagen die moosigen Zweige

in tausend grüne Blätter aus.

 

Die Gesellen sind gezogen

schon fern durch's Haidekraut!

und die Eiche hat ihnen

gar bang und traurig nachgeschaut!

 

Es kreischen ein paar Möven

verdächtig hin und her,

die machen der grauen Eichen

das Herz so düster und so schwer!

 

nun will ich wiederum schlafen,

spricht sie zum alten Stein.

Du wunderlicher Träumer

sollst mir nun einmal ruhig sein!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 90*

d. 12_t. Febr.

Aus der französ. Revolution.

 

Von Fluchen und von wildem Singen hallt die Halle wieder,

der alte Royalist ergeht sich brütend auf und nieder!

 

Er ruft den jüngsten Sohn herbei: Zu Hofe mußt du reiten

und diesen todesschwangern Brief zum rechten Ort geleiten!

 

Doch rath ich dir zu wahren sicher, treulich dein Geheimniß,

an deinem Kopfe möcht sich sonst rächen jede Säumniß!

 

Und wenn du auf der Straße siehst und hörst den Freiheitsschwindel,

so reite zu, bis hinter dir das lumpige Gesindel!

 

So reite zu, und spucke aus mit innerlichem Fluchen,

doch äußerlich laß ja an dir den Royalist nicht suchen!

 

Der Junker zieht vom Schloß herab durch Dörfer und durch Auen

Was muß er da für Frühlingspracht und für ein Leben schauen!

 

Wie grünen da die Bäume all', die Menschen doch nicht minder!

Wie duften da die Blumen und wie jubeln da die Kinder!

 

Es perlt wie hundertjähr'ger Wein verjüngtes Blut der Greise,

Die Alten singen zitternd nach der Jungen frische Weise!

 

Die freien Männer aber steh'n gar trotzig an den Wegen –

Der Junker reitet scheu vorbei, gar schamroth und verlegen!

 

Die Mägdlein stehn so schön am Weg mit morgenrothem Prangen

der Junker reitet scheu vorbei mit schamentglühten Wangen.

 

Die Freiheit hat ihn angelacht, er kann sich nicht erwehren

sein royalistisch Herz will sich im tiefsten Busen kehren!

 

Wie brennt der Brief ihn auf der Brust, wie drückt ihn seine Sendung!

Wie sehnt er sich mit Ungedult nach seines Ammts Vollendung!

 

So kommt er an am Sündenhof, legt seine Bothschaft nieder:

Der alte Royalist sieht seinen jüngsten Sohn nicht wieder!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 91*

d. 19_t. Febr. 44

 

«Berlin, d. 30_st. Januar. Vor einigen Tagen ist vom Ministerium

des Innern an alle Polizeibehörden des Königreich's der Befehl ergangen

auf den Dichter Herwegh zu fahnden, wenn er sich in dem dießseitigen

Lande betreten läßt. Der Verhaftsbefehl soll durch den zweiten Theil

seiner Gedichte veranlaßt worden sein.» A. Augsb. Zeit. N_o 42.

 

Nun magst du tapfer springen,

Herwegh, du schlanker Hirsch!

Dein unerschrocken Singen

Hat aufgeweckt die Birsch!

Und von den grünen Bergen

und Burgen längs dem Rhein

da späh'n des Königs Schergen

die wollen jetzt dich fangen ein!

 

Sie wollen auf dich fahnden,

der schon in Bann und Acht!

Es wollte längst mir ahnden

doch zürnt' ich dem Verdacht!

Nun zeigt der Leu die Klaue,

woran man ihn erkennt –

Nun, deutsches Volk, nun schaue,

was man heut Deutsche Freiheit nennt!

Ein Stahlhemd gegen Wahrheit,
ein fester Eisenhut,
das wäre keine Narrheit,
ihr Fürsten, wäre gut?
Doch weil ihr nicht könnt haben
solch’ herrlich Panzerstück
So wollt ihr sie vergraben,
umschlingt mit Ketten ihr Genick!

Das ist der alte Jammer,

der eure Nothwehr ist:

Verließ und Folterkammer –

o abgedroschne List!

Doch kann das Blatt sich wenden

einst plötzlich über Nacht;

Es ist aus Kerkerwänden

schon manches Frühroth aufgewacht.

 

Ein Lied aus Grabesmauern

hat doppelt starken Klang

der Sänger bleiches Trauern

erst adelt ihren Sang.

Ihr selbst müßt noch besiegeln

mit eurer Wuth das Wort!

mit Ketten selbst entriegeln

den fabelhaften Freiheitshort.

 

Und wollet ihr uns binden

mit eurer Schergenkunst,

so werdet ihr entzünden

noch zehnmal heißre Brunst.

Auch wir verstehn das Fahnden

ja wahrlich aus dem Grund!

Wir wollen auf euch fahnden

mit zweigeschliff'nem Schwert im Mund!

 

Wir wollen auf euch fahnden

mit wilder Liederlust!

Wir wollen euch verfahnden

aus jeder guten Brust!

Wir wollen auf euch fahnden

mit glühend heißem Wort

nicht ruhen wir, zu fahnden

bis euer letzter Zweig verdorrt.

 

Nun laß dein Lieb kredenzen,

Herwegh, du junger Aar!

dein Lied kann sich ergänzen

vielleicht vor Tag und Jahr!

Doch wird dein Haar nicht grauen,

ergrauen nicht im Thurm,

bevor dein Aug' wird schauen

den Blüthenschwangern Maiensturm!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 92*

d. 21_st. Febr. 44.

Vorübergehend.

 

Ich sank auf einem hohen Berg

am Mittag in den Schlummer;

ich träumte lang, ich träumte viel

von Freuden und von Kummer.

 

Ich träumte aus der Kinderzeit

und von der dunklen Schule;

ich träumte aus der Knabenzeit

von der gestorbnen Buhle.

 

Ich träumte auch vom fremden Land

und von dem bangen Wandern,

und wie ich rauh geschleudert ward

von einem Herz zum andern.

 

Ich träumte von der Lebensnoth

und von den schweren Sorgen;

ich träumte von erfülltem Wunsch,

sah Armen mich, geborgen!

 

Ich träumte auch von diesem Lied

und von den Liedern allen

und fühlte ihren bittern Ton

durch meine Nerven wallen.

 

Als hinter einem rothen Berg

die Sonn' hinabgesunken,

da bin ich wieder aufgewacht,

vom Schlafe wirr und trunken.

 

Ich wußte nicht, ob's Abend sei,

ich wußte nicht, ob Morgen;

ich wußte nicht, ob ich befreit,

ob neu gedrückt von Sorgen!

 

Ich wußte nicht, ob ich ein Kind,

ob ich ein Jüngling wäre!

Ich wußte nicht, ob mir das Haupt

von Alter sei so schwere.

 

Bald war es mir, als sei ich todt,

bald schien ich mir lebendig;

es war mir in der Brust ums Herz

so kältlich und elendig!

 

So wankte ich vom Berg herab,

die Nacht war angebrochen,

und, weil mich fror, so bin ich drauf

still in mein Bett gekrochen!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 93*

d. 24 Febr. 44.

Reiterangriff.

 

Gottlob, daß der düstere Wald nun vergeht

und frei auf der Haide wir reiten

Wie unsre Standarte so feierlich weht

Wie schmuck die Trompeter dort reiten!

Und unsre Regimenter von vielerlei Arten,

die thäten mit Sehnsucht schon lang auf uns warten!

Auf gründender Aue im Sonnenglanz

wir Reiter, wir Reiter eröffnen den Tanz!

 

Ob wohl dort die Feinde im sonnigen Strahl

sich auch so herzinniglich freuen?

Hört ihr in der Ferne ihr munt'res Signal?

was flimmert so hell durch die Reihen?

Sie ziehen die Klingen, sie ziehen die Degen!

Entgegen den Reitern ihr Reiter verwegen!

Sind ehrliche Männer und sind es werth,

zu kreuzen mit ihnen das ehrliche Schwert!

 

Voraus schickt die Kugel als biederen Gruß,

als bleiernen Handschlag der Rechten!

Doch stemmet jetzt fest in die Bügel den Fuß,

Nun gilt es ein mannliches Fechten!

Wie bäumen die Rosse, wie zischen die Klingen –

Das ist ja ein wildes gewaltiges Schwingen!

Schon fallen die Rosen so blutig naß

Und schminken mit Purpur manch' Wange so blaß!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 94

d. 28 Februar 1844

Was ist es an der Zeit?

I.

 

Im Mittag'sglast, auf des Gebirges Grat

Schlief unter alten Fichten müd' ich ein;

Ich schlief und träumte bis zum Abendschein

Von leerem Hoffen und verlorner That.

 

Schlaftrunken und verwirrt erwacht' ich spat.

Geröthet war des Urberg's hart' Gebein,

Geröthet seiner Lenden Busch und Stein,

der Himmel war, wie eine blut'ge Saat!

 

Mir aber schien der Tag nun aufzugeh'n;

Ich hielt die Gluth für lichtes Morgenroth

Und harrte auf der Sonne Aufersteh'n.

 

Doch Berg um Berg versank in Schlaf und Tod,

Die Nacht stieg auf mit graulich stillemWeh'n.

Und mir im Herzen war es kalt und todt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 95

II.

 

So werd' ich manchmal irre an der Stunde,

An Tag und Jahr, ach! an der ganzen Zeit!

Sie gährt, sie tost, doch mitten auf dem Grunde

ist es so still, so kalt und zugeschneit!

 

Habt ihr euch auf ein neues Jahr gefreut,

Die Zukunft preisend mit beredtem Munde?

Es rollt heran und schleudert weit, o weit!

Zurück euch, ihr versinkt im alten Schlunde!

 

O hätt' den Hammer ich des starken Thor,

Auf das Jahrhundert einen Schlag zu führen;

Ich schlüg' sein morsches Zeigerblatt zu Trümmern!

 

Tritt denn kein Uhrenmacher kühn hervor,

Die irre Zeit mit Macht zu reguliren?

Soll sie denn ganz in Staub und Rost verkümmern?

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 96*

Februar 44.

Hoffmann von Fallersleben.

Beim Anblick seines Bildes.

 

Wer läßt denn da im dunklen Tann

Solch' Liederbrünnlein fließen?

Glück auf! du heller Wandersmann,

Die Freiheit läßt dich grüßen!

Du sollest lassen klingen

frisch deines Glöckleins Klang!

Sie werde lassen springen

die Löwin über kurz und lang!

 

Ich möcht' mit dir im grünen Wald,

auf freier Haide weilen;

entlang dem klaren Rheine bald,

bald über die Berge eilen

Möcht' unter Rebenlauben

vertraulich mit dir ruh'n,

Mit neu gestähltem Glauben

an deinem starken Herzen ruh'n!

 

Möcht' unterm weiten Himmelblau

Vor dir mein Herz entleeren,

In reiner Luft, auf frischer Au

mich gern vor dir bewähren!

Ich möcht' an deiner Seite

die Harfe schlagen kühn!

In's Weite und zum Streite

Und gen' die grimmsten Feinde zieh'n!

 

Du schöpfest aus dem Götterquell

in blanker Eisenschale;

kredenzest ihn so klar und hell

dem durst'gen Volk im Thale!

Bist einer von den Alten

die treu erfunden sind,

und die aufrecht halten

die Fahne hoch im Wirbelwind!

 

Gott lohn' es dir, Gott segne dich!

Er segne deine Lieder!

Du Geist, so frei und ritterlich!

Du Herz so treu und bieder!

Gott lasse dich noch schauen

dein Sehnen schön erfüllt!

Er lasse dich vertrauen,

wie auch die schlimme Hölle brüllt!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 97*

März 1844

Frühlingsanfang.

 

Erscheine nun, du Dichterzeit,

erfüll' mein gläubig Hoffen!

O Blumenlust, o Herrlichkeit

dir steht die Seele offen!

Und meines Herzens Pforten

Sind vor dir aufgethan!

Es klingt in hellen Worten

Manch' neues Lied schon an!

 

O ziehe ein, du Maienglanz;

zieht ein, ihr Frühlingsklänge!

Zieh' ein, zieh' ein im leichten Tanz

du zarte Blütenmenge!

O walle mir zu Herzen

du blaue Aetherfluth!

Und meines Lebens Kerzen

entzünde, Rosengluth!

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 98

Unverhofft nach trüben Tagen

ist der heitre Lenz erschienen

und die aufgewachte Erde

überhaucht ein zartes Grünen.

Und mit leichten Seidenschirmen

Mädchen in den Gärten gehen,

Wanderer vorüberziehend

nach den schönen Blumen spähen.

 

 

  Schreibbuch Ms. GK 3

Nr. 99*

Gott schlägt den Tabernakel auf

in allen jungen Wäldern

Der Weihrauch steigt zum Himmel auf

rings aus Gebirg u Feldern

 

An alle armen Seelen

ein Ablaßbrief ergeht

ich will mein Theil erwählen,

bevor der Lenz verweht!

 

Ich will mein Theil zu Nutze ziehn

und mich mit Liebe füllen!

ich will, solang die Liljen blühn

die alte Sehnsucht stillen!

 

Wie bald ist's um das Singen

von Lust u Lenz gethan

u nachher geht das Ringen

u Hassen wieder an!

 

 


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