Eduard Vieweg (1796-1869)

Editorial


 

Verleger in Braunschweig;
Bei Vieweg & Sohn erschienen Der grüne Heinrich (1854/55), Die Leute von Seldwyla I (1856) und Neuere Gedichte (1851/54).

Anzahl registrierte Briefe: 96 an, 106 von Keller (202 ZB Zürich)


 

16. 7. 1851  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 171; GB3.2, S. 55>

Berlin d. 16t. Juli 1851.

Geehrtester Herr!
 
Nach Empfang Ihres Geehrt. v. 14t. d. möchte ich Sie wiederholt ersuchen, den Satz wieder beginnen zu lassen, indem ich dieser Tage wieder 48 geschriebene Seiten nachsenden und nachher mit noch größeren Sendungen fortfahren werde. Da man, in der Regel wenigstens, mit der Zeit vorwärts schreitet, so versteht es sich allerdings von selbst, daß ich das früher konzipirte und ausgeführte Produkt nicht nach dem späteren und besser sein sollenden erscheinen lassen und dadurch von einer natürlichen Reihenfolge meiner literarisch. Bestrebungen abgehen kann. Ich darf Sie, geehrt. Herr! daher versichern, daß ich, außer einigen Vorstudien zu dramatisch. Zwecken, welche durch die Benutzung der kön. Bibliothek geboten waren, außer einigem Notiren und peripatetischem Projektiren keine andere ernstere Arbeit der Ihnen Pflichtigen vorangesetzt und namentlich nicht an einer solchen geschrieben habe; vielmehr sehne ich mich nach der Beendigung des Roman's, um endlich weiter gehen zu können. Da Sie nun aber ohne eine vollständige Einsicht in die Natur der langen Verzögerungen und Unterbrechungen sich nicht zufrieden geben, so sehe ich mich endlich veranlaßt, Sie mit einer unumwundenen Erklärung zu behelligen, damit Sie wenigstens, wie ich hoffe, die Ueberzeugung gewinnen, daß nicht absichtliche Vernachläßigung meiner Pflichten sowie meiner Erkenntlichkeit gegenüber der gefäll. Zuvorkommenheit, welche Sie mir erwiesen, die Ursache dieses Verhältnisses ist.

     Ohnehin von Hause aus ganz mittellos und arm, wurde ich in den letzten Jahren noch durch trübe Erfahrungen in meinen ökonomischen Zuständen zurückgebracht, | so daß ich seit meiner Ankunft in Berlin alle erhältlichen Geldmittel fast immer zur Tilgung früherer Schulden verwenden mußte und dadurch in dem Augenblicke, wo ich gehofft hatte, mich mit Ruhe an die Arbeit setzen zu können, mich wieder in die prekärste Lage versetzt sah, welche mich zwang für den Augenblick allerlei kleinliche Arbeiten, wie Aufsätze u. d. gl., sogar Zeichnungen zu verfertigen, um von einem Tag zum andern kleine Geldsummen zu erwerben. Darüber vergingen Wochen, Monathe, und wenn ich mich endlich eine kurze Zeit an den Roman setzen konnte, ging die Geschichte von Neuem an oder ich war in einer so düsteren Stimmung, durch ein auch anderweitig bewegtes Leben hervorgerufen, daß ich nicht am Schreibtische sitzen konnte und mich entweder in's Freie, in die Hörsääle, in die öffentlichen Bauten, oder zu den Büchern flüchtete, um mich zu erholen. So ging ein seltsames Jahr vorüber und wenn dasselbe in den Augen eines großen Geschäftsmannes vielleicht bedenklich erscheinen möchte, so muß ich Ihnen dagegen bemerken, daß ich, abgesehen von der schiefen Stellung, in die ich dadurch zu Ihnen gerieth, dasselbe doch nicht für verloren erachte; denn ich erachte es für einen Gewinn, wenn poet. Autoren, anstatt in ihrem dreißigsten Jahre schon eine Bibliothek von 20 Bänden aufgestellt zu haben, wieder einmal vorher etwas erleben und selbst bewegt werden, ehe sie eine anhaltende Schriftstellerei beginnen. Ich weiß, was ich will, und gedenke in dem Strome erträglich mitzuschwimmen, wenn ich einmal alle Schwierigkeiten überwunden habe, und wenn Sie alsdann noch geneigt sind, meine Sachen zu verlegen, so werden Sie sehen, daß mein bisheriges Verhalten ein zufällig von äußeren Umständen bedingtes und vorübergehendes war. |

     Noch vergaß ich, zu bemerken, daß der größte Theil des 1t. Bandes, die eingeschaltete Jugendgeschichte, nicht ursprünglich in meinem Mskt. mit gebracht, sondern erst in Berlin neu geschrieben wurde, und der noch folgende Rest daher nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt. Derselbe wird nach meiner Berechnung 30 Druckbogen betragen, und frage daher an, ob er für 2 Bändchen nicht zu schwach sein wird im Verhältniß zum ersten Bande? Mit einigen Abkürzungen könnte man ihn als zweiten Band auf die Stärke des ersten reduziren, obgleich ich nicht viel zu streichen weiß u wünsche.

     Auch wäre es mir lieb zu wissen, ob Sie die Gedichte jetzt, oder erst mit dem Romane zu versenden gedenken und ob diesen erst im Herbste, auch wenn der Druck früher beendigt ist?

     Einen zweiten Roman zu schreiben, sehe ich allerdings weder Stoff noch Lust dazu; hingegen habe ich ein Bändchen heiterer Erzählungen ausgedacht, welche ich diesen Herbst zur Erholung von dieser trübseligen Berlinerzeit schreiben will.

     Indem ich Ihnen eine glückliche Reise wünsche, verbleibe ich

                                                mit größter Hochachtung und Ergebenheit
                                                Ihr
                                                Gottfr. Keller.

 


 

15. 8. 1852  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 26; GB3.2, S. 58>

Berlin d. 15t. August 52.

Hochgeehrter Herr!
 
Es befindet sich im 7t. Kapitel u Anfange des 8t. des Romans noch eine Lücke, über deren Ausfüllung ich noch nicht mit mir einig war. Ich mochte Ihnen nicht die beifolgende kleine Portion Manuskr. senden, damit Sie nicht glauben sollten, die alte Misere gehe wieder an. Da Sie aber den Satz nun beginnen müssen, so thue ich es nun auf Ihr wiederholtes Verlangen und werde das Uebrige im Laufe dieser Woche bestimmt nachsenden.

     Ihre freundliche Dispensation von meinem Worte, behufs einer dramatischen Arbeit habe ich nicht benützt, da mir für ein freies Weiterarbeiten hauptsächlich moralisches Gefühl der endlichen Befreiung von der alten Arbeit vonnöthen ist. Indessen geht es mir nun gut von der Hand mit dem Romane und ich habe ein erneutes Interesse daran gewonnen, so daß im September das Ende jedenfalls abgeliefert | sein wird.

     Meine dramatischen Arbeiten betreffend, so werde ich für den Anfang auf den Herbst ein Lustspiel bei der hiesigen Bühne einreichen und sehen, wie es damit gehen wird.

     Zu diesem Zwecke gebrauche ich nur ein geschriebenes Manuskript; und erst wenn ein Erfolg die weitere Versendung an Bühnen thunlich macht, werde ich das Manskt. drucken lassen. Wie meine Verhältnisse bis dato gewesen, wird es mir alsdann wahrscheinlich eine große Erleichterung sein, wenn Sie Ihrem gütigen Vorschlage gemäß mir das Ding drucken lassen wollen; da es vielleicht sich bei allfälligen weiteren Verlagsprodukten von mir in Rechnung bringen läßt, so werde ich Ihr Anerbieten dankbar annehmen. Als Buch herausgeben werde ich die Sachen erst, wenn sich ein Interesse dafür durch das Theater herausstellen sollte.

     Ich werde indessen gleich nach dem Schlusse des Romanes einen Band Erzählungen schreiben, die ich mir alle während der wunderlichen Zeit meines Nichtsthuns und während der Krankheit ausgeheckt habe. Mein Zweck dabei ist, mich mit einer Probe von klarem und gedrängtem Style zu versuchen, wo alles moderne Reflexionswesen ausgeschlossen und eine naive plastische Darstellung vorherrschend ist.

     Ich werde Ihnen, falls Sie es dann wünschen, das Mskt. vorlegen; Sie werden dann sehen, daß ich auch rasch und fleißig | arbeiten kann. Der Roman war für mich keine unbefangene und objektive Aufgabe, indem derselbe, wie Sie im fertigen Buche sehen werden, auf eine zu ernste Weise mit meinem eigenen Wesen verflochten ist, als daß er mir so leicht von der Hand laufen konnte, wie etwas Fremdes.

     Ich will damit mich nicht wichtig machen; doch mag der Erfolg sein, welches er will, so wird man jedenfalls sehen, daß es mir Ernst damit war und daß an seine Enstehungsweise nicht der gewöhnliche Maßstab literarischen Verkehrs gelegt werden dürfte.

     Indem ich mich Ihnen bis auf Weiteres empfehle
                                                verbleibe ich mit ergebenster Hochachtung
                                                Ihr Gottfr. Keller.

Nachschrift. Ich habe seiner Zeit den wunderlichen Brief aus Ungarn, welchen Sie mir übersandten, angemessen beantwortet und darauf einen zweiten erhalten, laut welchem ich der Geliebte einer 43jährigen Dienstmagd und der Vater ihrer zwei Töchter von 20 u 17 Jahren sein soll. Derselbe hieß wie ich, war ein Faßbinder, dann Korporal, dann Schwimmmeister in der baierischen Armee, kam nach Griechenland und erstickte alldort in einem Sumpfe, wie ein erhaltener Todtenschein besagt, schon in den 30ger Jahren. Die Person glaubte aber an dies traurige Ende nie recht, vielmehr, daß | er sie böslich verlassen. In dem Gedichtbändchen, welches Sie verlegten, glaubt Sie nun steif und fest, ihre ganze Geschichte beschrieben zu sehen und läßt sich nicht ausreden, daß der ungetreue Schwimmmeister in meiner Person noch am Leben sei. Die ältere Tochter, Fräulein Regine, ebenfalls Dienstmädchen, hat einen zärtlichen Kindesbrief beigefügt, um in abgeschriebenen Stammbuchversen mein verhärtetes Vaterherz zu rühren, nebst beigezeichneten Blümchen u. s. f. und schließlich anerbieten sie sich, nach Berlin zu kommen und mich abzuholen, falls ich nicht die Mittel besitzen sollte, die Reise zu ihnen zu machen.

 


 

18. 8. 1852  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 143; GB3.2, S. 60 z. T.>

Braunschweig,18 Aug 1852

Hochgeehrter Herr!
 
Die kleine Mst. Sendung vom 15t. habe ich erhalten und lasse den Satz sofort wieder beginnen, im festen Vertrauen zu Ihrer erneueten Zusage, daß die Fortsetzung noch im Laufe dieser Woche erfolgen solle. Was mir die meiste Hoffnung und das meiste Vertrauen auf die endliche Vollendung Ihres Romans giebt, ist Ihre Versicherung, daß Sie wieder Lust und Freude an der Arbeit gefunden hätten. Ehrlich gesagt, aber begreife ich nicht wie Ihnen diese fehlen konnte, denn nach dem was ich bis jetzt von Ihrem Buche gelesen | und was Sie mir in einem früheren Briefe als exposé über dasselbe gesagt haben, hat es mich auf das lebhafteste interessirt, und die allgemeine Beachtung die Ihre Arbeit finden würde, müßte Ihnen frischen Muth für Ihre Zukunft gewähren.

     Mein Anerbieten wegen des Drucks Ihrer literarischen Arbeit war so gemeint als Sie sie verstanden haben. Ich bot Ihnen den Druck des Mst. für die Einsendung an den Bühnen an; geben Sie ja solche dramatische Arbeiten nicht eher durch den Buchhandel in die Hand des Publikums, bis Sie Ihnen auf dem andern Wege sicheren Erfolg verschaft haben.

     Gern nehme ich Ihr Anerbieten, mir das Mst. Ihrer Erzählungen senden zu wollen, an; haben Sie die Concepte zur Hand, so senden Sie mir diese, ich lese solche Uranfänge am liebsten. |

     Der Brief aus Ungarn muß ein prachtvolles Specimen sein, was Sie gelegentlich vortrefflich benutzen können. Sie werden mir einen Spas machen, wenn Sie mir die ganze Correspondenz gelegentlich mittheilen, da ich doch der Vermittler gewesen bin.

     Mit Hochachtung und Ergebenheit
                                                Ihr
                                                Eduard Vieweg.

 


 

3. 11. 1852  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 27; GB 3.2, S. 60>

Berlin d. 3t. Nov. 52.

Hochgeehrter Herr!
 
Beiliegend sende ich Ihnen, nebst den Revisionsbogen, einige Blätter Manus'kts. Der Schluß des zweiten Bandes, welcher 26 Bogen stark wird, wird diese Woche erfolgen. Der dritte Band wird eben so stark werden. Zwei Kapitel, welche eigentlich noch für den 2t. Band bestimmt waren, schob ich in den dritten hinüber, damit alle 3 Bände gleichmäßig stark würden. Den dritten Band, welcher nun erst meine ursprüngliche Arbeit enthält, werde ich rasch und im Laufe des November beendigen. Sie haben dafür die sicherste Bürgschaft darin, daß ich den Rest des Honorares und den Ertrag neuer Arbeiten brauche, um existiren zu können; denn nachdem ich diesen Sommer noch eines nachträglichen Stipendiums von Seiten des Staates genoß, bin ich nun ganz auf obige Quellen angewiesen. Wenn Sie annehmen, daß ich durch Ehrenwort gebunden bin, nichts Anderes vor Beendigung des Romans zu beginnen, so werden Sie gewiß glauben, daß ich von selbst darauf bedacht sein werde, mir so bald als möglich aus der Klemme zu helfen. Wenn die Versendung des | Buches auch erst in der zweiten Hälfte des November möglich wird, so möchte ich Sie doch ersuchen, dieselbe darum für dies Spätjahr nicht aufzugeben; denn eines Theils ist die Verschiebung um ein halbes Jahr schon mehr als ein Mal mit ein Grund gewesen, warum ich, mich auf den hinausgerückten Termin verlassend, die Arbeit für einige Wochen zur Seite legte und dann mich doch verspätete; anderstheils ist auch ein längeres Zuwarten aus andern Gründen nicht rathsam. Es sind, seit ich das Buch schrieb, schon mehrere Arbeiten ähnlicher Art, die Jugendgeschichten von Gutzkow, Golz, König etc erschienen, so daß so schon durch eine Vorrede des 1t. Bandes die Nachricht nothwendig wird, daß meine Arbeit theilweise schon seit Jahren gedruckt sei, wenn ich nicht gewärtigen will, daß man sie als eine Nachahmung bezeichne.

     Sie wünschten in Ihrem vorletzten Schreiben die Mittheilung dessen, was von meinen Novellen vorliege. Dies ist aber sehr wenig und in verschiedenen Notizenbüchern verzeichnet, so daß eine deutlichere Mittheilung, welche mich jetzt nur aufhalten würde, wohl besser bis nach Endigung der gegenwärtigen Arbeit aufgehoben bleibt.

     Mit ausgezeichneter Hochachtung
                                                empfiehlt sich
                                                Ihr ergebenster
                                                G. Keller.

Mohrenstraße 6.

 


 

12. 1. 1853  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 148; GB3.2, S. 65>

Braunschweig,12 Janr 1853

Hochgeehrter Herr!
 
Obwohl Sie unser ganzes früheres Übereinkommen auf den den Kopf stellen, da selbst das von Ihnen ursprünglich geforderte Honorar von 75 St Ld'or von gewissen Voraussetzungen abhängig gemacht wurde und von einer Erhöhung des Honorars, meines Wissens oder Erinnerns, nicht die Rede gewesen ist, so dürfen Sie doch vollkommen überzeugt sein, daß ich nie eine Unbilligkeit vertreten mögte. Daß der Roman viel stärker geworden ist als Sie angenommen haben, konnte ich natürlich nicht wissen, da Sie mir über die wahrscheinliche Stärke des Buchs | nie etwas geschrieben, sondern nur in Bausch und Bogen eine Gesammtforderung von 75 St Ld'or gestellt hatten.

     Jedenfalls werden wir uns auch wegen einer Erhöhung des Honorars einigen, wollen aber die Verabredungen darüber bis zum Schlusse des Drucks beruhen lassen, denn ich kann Sie versichern daß ich in Ihr Buch förmlich verliebt bin! Ich habe wenig Romane gelesen, die mich so wie der Ihrige erfreut hätten, wenig Schilderungen der Natur und der Entwicklung des Seelenlebens, der Kunst-Anfänge im Menschen, die mir schöner und wahrer erschienen wären, ja ich mögte keinen Roman gleichen Genres dem Ihrigen an die Seite stellen! -

     Aber Sie werden auch jetzt mit dem Raume nicht aus kommen, geehrter Herr, wenigstens verstehe ich, nach dem | Exposé, welches Sie mir früher einmal von Ihrem Buche gegeben haben, nicht wie Sie das machen wollen. Sie haben Ihren Helden sein Bündel schnüren lassen und ihn bis München geleitet, wo ich, beiläufig bemerkt, die königliche Ohrfeigen Anecdote nicht eingeflochten hätte, da ich keinen liebenswerthen Helden eines Buchs gern sich eine Ohrfeige aneignen lasse, - und beginnen dann die Einschiebung der wunderbar lieblichen und geistvollen früheren Jugendgeschichte des grünen Heinrich, von der ich nicht weiß ob sie nur mit dem 2t. Bande schließt, denn ich habe die letzte Hälfte dieses Bandes noch nicht gelesen. Nach dieser breiten Auslage, von der ich aber nicht einen Bogen wegwünschte, - nämlich als Leser -, beginnt nun erst im dritten Bande die Fortführung des Romans und ich gestehe, daß ich es fürchten und sehr bedauern würde, wenn darin | irgend eine Abkürzungshast um zum Ende zu gelangen, fühlbar würde. Ich halte Ihren Roman für ein Meisterwerk, ob ihn die Kritik dafür hält und ob ihn das Publikum kauft, werden wir sehen, und rathe Ihnen sehr, kürzen Sie jetzt, nachdem Sie einmal den Stoff so verarbeitet haben, nicht mit Hast und mit ängstlicher Rücksicht auf den Raum. Das Buch könnte sehr dadurch verlieren und das wünschte ich um Alles nicht. Geben Sie lieber noch einen vierten Band, wenn Sie nicht nach ruhiger Erwägung und nach bester Überzeugung glauben, der Raum im dritten Bande genüge Ihnen.

     Auf die Entwicklung bin ich gespannt; nach Ihrem Exposé ließen Sie Ihren Helden schließlich untergehen nachdem noch viel herbes Wehe durch den Tod der vernachlässigten Mutter über ihn gekommen. Ich mag vorläufig nicht annehmen, daß das so geblieben; in dem Jungen ist zu viel Originales und Naturwüchsiges, als daß er verkommen darf.

     Hierbei sende ich Ihnen einen Wechsel, zur demnächstigen Verrechnung, über 200 Rt, erwarte nun aber auch, daß Sie sich nicht durch anderweite Contracte fesseln oder verplempern. Ich wünsche, daß Sie sich nach dem Romane, der unbedingt große Beachtung finden muß, auch wenn nicht alle Leute so verliebt in ihn sind oder sein sollten, als ich, recht bald ein paar Bändchen Novellen folgen lassen, für die Sie ja das Material fertig haben, ja es mir schon senden wollten.

     Ich werde mich sehr freuen Sie hier zu begrüßen, wenn Sie wirklich zum Schlusse des Drucks herüber kommen wollen. Sie können hier in der alterthümlichen stillen Stadt, jedenfalls sehr ruhig arbeiten.

     Mit bestem Gruße Ihr
                                                aufrichtig ergebener
                                                Eduard Vieweg.

 


 

26. 4. 1853  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 151; unveröffentlicht>

Braunschweig, 26 April 53.

Geehrter Herr!
 
Dadurch, daß Ihre feste Zusage wegen der Vollendung des Romans nicht in Erfüllung gegangen ist, vergeht die gute Zeit für die Versendung derartiger Bücher gänzlich und wir gerathen in den Sommer hinein, wo der Absatz für Romane pp stets viel geringer ist.

     Es bleibt mir daher nichts anderes übrig als in den sauren Apfel zu beißen, die beiden jetzt fertigen ersten Bände gleich auszugeben, und zwar, nachdem der Entschluß einmal gefaßt ist, auf der Stelle um keinen Tag zu verlieren. Ich ersuche Sie daher um Titel und Vorrede, in welcher Sie sich über die Auffassung Ihres Romans aussprechen, zu senden.

     Ich gehe auf 14 Tage nach Leipzig wo | mich Ihre Briefe unter Addr. E. V. antreffen; fügen Sie Ihrer Antwort Ihre spezielle Addresse hinzu.

     Ich bitte Sie, diese Angelegenheit nur recht bald zu erledigen und mir dann auch meine früheren ausführlichen Briefe genügend zu beantworten. Ich kann immer noch nicht über die Ansicht wegkommen, daß es Ihnen kaum möglich werden wird, nach der bisherigen Entwicklung, Ihren Roman in 3 Bände zu bringen, ohne daß Sie sich und ihm Gewalt anthun.

     Auch wäre es sehr gerathen, ein Bändchen Novellen einzuschieben, wenn Sie ein solches, wie Sie mir schrieben, im Wesentlichen fertig haben, um den Eindruck welchen Ihr Roman nach meiner Ansicht machen muß, auch den Novellen bei ihrem Erscheinen rasch zuzuwenden.

            Bitte, beachten Sie das was ich | wünsche im eigenen Interesse.
            Mit aufrichtiger Hochachtung
                                                Ihr
                                                ganz ergebener
                                                Eduard Vieweg.

 


 

28. 4. 1853  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 34; GB 3.2, S. 68>

Berlin d. 28ten April 1853.

Hochgeehrter Herr!
 
Ich habe am 24t. d. Korrekturbogen und Mskrpt. an Ihr Haus gesandt und, da ich Sie schon in Leipzig glaubte, nur die vorläufige Anzeige beigefügt, daß der Roman 4 Bände enthalten werde. In Ihrem geehrt. Briefe vom 26t. schienen Sie hiervon noch Nichts erhalten zu haben; indem ich nun die verlangte Vorrede ergebenst beilege (mit der Bitte, mir dieselbe umgehend zur Verbesserung übersenden zu wollen, falls Ihnen etwas darin unzweckmäßig scheinen sollte!) erlaube ich mir, zu den schuldig gebliebenen Nachrichten über den Roman überzugehen. Wenn ich diesen mit dem 3ten Bande wirklich hätte abschließen wollen, so wäre der Band stark in die dreißig Bogen gestiegen; ich machte daher von Ihrer Erlaubniß, noch einen Band zu geben, Gebrauch, so daß nun der 3te wie der 4te Band je ungefähr 20 Bogen umfassen. Ich nahm zu diesem Ende hin etwas mehr Raum für die Jugendgeschichte, als ich sonst beabsichtigt hatte, was mir sehr zu Statten kam, da ich dieselbe so schon stark zusammendrängen mußte; ich hatte beim Beginn derselben gar nicht geglaubt, daß sie so ausgiebig | sein würde, daß ich Mühe habe, nur das für meinen Zweck Wesentliche zusammen zu fassen. Da Sie aber, hochgeehrter Herr, so freundlich sind, sich mit dem Geschreibsel zufrieden zu erklären, so darf ich annehmen, daß im Allgemeinen durch die Jugendgeschichte ein genaueres Interesse für den Helden gewonnen sei. Um so mehr mußte ich aber die ursprüngliche Absicht festhalten, von der ich überhaupt ausgegangen war, da ich nun eher darauf rechnen darf, durch einen tragischen Ausgang ein wirkliches Mitleid zu erregen. Eine der vielen Seiten des Zweckes ist die Verherrlichung der mütterlichen Pflichterfüllung und Aufopferung und diese Verherrlichung kann im größeren Style nur geschehen durch ein trauriges Ende, durch das Martyrthum der Trägerin. Dies zieht aber, vermittelst der anderen Seiten des Hauptzweckes, auch den Untergang des Helden nach sich, auf welchen es überhaupt in jedem Kapitel, fast auf jeder Seite des Buches zwischen den Zeilen abgesehen ist. Dieser Untergang ist aber so vollkommen vom Lichte der Selbsterkenntniß und der Vernunft beleuchtet und tönt so mild in der lyrischen und liebevollen Weise des Anfanges aus, daß ich glaube, die in einem guten Trauerspiele nöthige Versöhnung werde sich auch hier bemerklich machen und das Buch durchaus nicht etwa in krasser und schreiender Weise endigen.

     Die Hinzufügung oder Ausdehnung in einen vierten Band ließ mich leider meinem gegebenen Worte nicht nachkommen, das Ganze bis Ende Januar abzuliefern, und ich hielt mich für zum Theil entschuldigt durch Ihre eigene Aufforderung, einen vierten Band zu geben. Es ist mir nun selbst nicht lieb, daß Sie die zwei ersten Bände allein versenden wollen. Indessen denke ich, wenn diese einmal im | Publikum sind, stehe der sofortigen Nachlieferung des Schlusses Nichts entgegen. Der dritte Band ist soeben beinahe abgeschlossen und der vierte wird bald zusammengestellt sein.

     Ein Bändchen Novellen kann ich, nach Schluß des Romanes, in vier Wochen liefern. Ich habe einstweilen für zwei Bändchen ausreichenden Stoff, durchgehend heiterer Natur, gleichmäßiger Stimmung und ohne Aergerniß erregende Elemente. Ich denke mir auf solche Weise nach und nach eine gemüthliche Sammlung anzulegen, in welcher Alles guter Dinge ist, und die man Jedermann in die Hände geben kann. Wenn diese Sache sich gut anläßt, so habe ich im Sinn mir dadurch für die nächsten paar Jahre ein geregeltes mäßiges Auskommen zu verschaffen, um, ohne zu Hause ein Amt suchen zu müssen, dort doch einen Theil meiner Zeit dem Drama widmen zu können, da dieses, wie ich während meines hiesigen Aufenthaltes gemerkt habe, mit Besonnenheit behandelt sein will, wenn man auf nachhaltigen Erfolg rechnet.

     Ich habe mich noch gegen die Bemerkungen zu vertheidigen, welche Sie mir bei der gütigen Uebersendung der letzten 200 Thaler machten. Ich erinnere mich ganz genau, daß ich, als ich seiner Zeit 75 Stück L d'rs beanspruchte zugleich die Stärke des Buches auf 400 solcher Mskrpt. Seiten angab, wie Sie deren bereits in Händen hatten. Nun waren Sie allerdings nicht verbunden, auf eine so bedeutende Verstärkung des Buches einzugehen, und ich würde Ihnen auch nicht eine verhältnißmäßige Erhöhung des Honorars vorgeschlagen haben, wenn Sie nicht selbst schon im vergangenen Jahre auf eine beiläufige und anspruchslose Bemerkung von mir, angedeutet | hätten, dieser Umstand werde sich ausgleichen lassen, wenn die Sache nur erst beendigt sei. Die ursprüngliche Bestimmung, daß die schließliche Festsetzung und Auszahlung der Summe erst nach einer gewissen Zeit erfolgen solle, glaubte ich auf den Umstand gegründet, daß Sie damals noch gar nicht wissen konnten, ob ich überhaupt im Stande sei, ein Buch von einem beziehungsweisen Werthe zu schreiben. Indessen konnte ich in Bezug auf die Auszahlung jene Zeit nicht abwarten, wie Sie genugsam erfahren haben; hingegen in Bezug auf die Festsetzung des Honorars will ich gerne warten, bis Sie nach Ihrem Ermessen einen vollkommenen Ueberblick über die Sache haben. Ich werde hierbei nie die Rücksicht aus den Augen verlieren, welche ich dem ganzen Verhältniß schuldig bin, einem Verhältnisse, das sich vielleicht bei jedem andern Verleger übler für mich gestaltet hätte. Indessen befinde ich mich in diesem Augenblicke wieder in dringender Verlegenheit, da meine Baarschaft seit einigen Wochen ausgegangen, und wenn Sie mir, nach Ihrem Befinden und Vertrauen, noch einmal 100 bis 150, oder wenn Sie sich hierauf nicht einlassen zu können glauben, für den Augenblick wenigstens 50 Thlr pr. C. zukommen lassen wollten, so würde es mich von großer Sorge befreien.

     Die Neugriechischen Gedichte v. Schmidt Phiseldek betreffend, beziehe ich mich theilweise auf meine früher schon geäußerte Meinung, doch mit dem Unterschiede, daß mir nunmehr das Werkchen äußerlich zu dünn erscheint, um zum Kaufe zahlreich anzuregen. | Einige der Lieder sind anderweitig gelungener übertragen; schon das Gedicht Charos muß dem berühmten Liede Goethes weit nachstehen. Doch sind so schöne und originelle Sachen in dem Büchlein, von denen ich nur das Erste und "der Tod und der Hirt" nennen will, daß es unerträglich scheint, dieselben vergessen zu sehen. Wollen Sie um derselben willen nicht eine neue Auflage wagen, so wären die schönsten Sachen des Heftes am Leichtesten durch Aufnahme in eine zweckmäßige Anthologie zu retten, was gewiß schon geschehen wäre, wenn einer der vielen Fabrikanten mit der Nase auf das Opus gestoßen wäre. Damit Sie jedenfalls selbst Ihr Recht genießen, könnten Sie vielleicht Gelegenheit suchen und finden, ein Bändchen verwandten Stoffes zusammen zu bringen, in welchem die Schmidt'schen Sachen dann die erste Stelle einnähmen. Was Goethe, Daumer (in Hafis bei Hoffmann u Campe Hamburg) u Andere besser gegeben haben, würden Sie, da es einzelne Gedichte betrifft, füglich einschalten können. Die Hauptschwierigkeit wäre, ein mäßiges Gros neuer Sachen zu bekommen, welche sich an das Neugriechische oder ihm Naheliegendes knüpfen. Doch Zeit und Umsicht dürften hier Rath bringen.

     Wie ich aus einem Ihrer geehrt. Briefe ersehe, ärgerte Sie die Ohrfeige, welche der grüne H. vom alten Könige Ludwig bekommt. Ich glaube, daß zwischen einem 19jährigen grünen Bürschchen und einem alten König, von denen der eine fremd und wehrlos, der andere allmächtig ist, nicht vom point d'honneur, noch von der gewöhnlichen Unantastbarkeit des Mannes die Rede | sein kann. Die Szene ist mehr marottenhafter Natur und ich brauchte sie, als Steigerung des schon auf der Reise in jenem Wirthshause Vorgefallenen, um den ersten prosaischen Eindruck zusammenzufassen, welchen das autoritätsmäßige Deutschland auf einen jungen Idealisten machte, welcher das Land des Geistes und der Poesie gesucht hatte.

     Doch da Sie, hochgeehrter Herr, in Leipzig sich nicht mit so langen Briefen werden abgeben können, so schließe ich, indem ich mich Ihrem Wohlwollen ferner

                                                hochachtungsvoll und ergebenst empfehle
                                                Ihr
                                                Gottfr. Keller.

Ich bitte, mir gefälligst anzuzeigen, wie viel Exemplare des Romans Sie für Rezensenten, Freunde und Autoritäten bestimmen können. Ich habe mich um die Gedichte, welche Sie von mir druckten, damals gar keine Mühe gegeben und mich Nichts darum bekümmert, da ich krank war. Mit dem Roman hingegen muß ich schon ein Bischen operiren, da es einmal nicht darohne geht. Adresse: Mohrenstraße No 6. in Berlin.

 


 

6. 5. 1853  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 152; unveröffentlicht>

Braunschweig, 6. May 1853

Geehrter Herr!
 
Ihre Vorrede zum grünen Heinrich habe ich empfangen und werde sie Ihnen samt dem Titel zur Revision zugehen lassen.

     Da Sie es jedoch ungern zu sehen scheinen daß die beiden ersten Bände des Romans allein ausgegeben werden, und da Sie mir aufs Neue die rasche Vollendung des Ganzen zusagen, so will ich vorläufig davon abstrahiren. Haben Sie von den Novellen irgend Etwas so weit fertig um es mir mittheilen zu können, so würden Sie mich dadurch verbinden, da ich gespannt bin zu sehen, wie Sie kürzere | Novellen behandelt haben. Sie haben in Ihrem grünen Heinrich in der Jugendgeschichte mich so wundersam ansprechende Bilder geliefert, daß ich Sie gradezu auffordern mögte einen Cyclus von Schweizernovellen, aus dem Leben und Treiben des Theiles der Schweiz, welches Sie so reizend schildern, heraus zu gegeben. Es kann Ihnen damit nicht schwer werden sich die Existenz einiger Jahre zu sichern und sich auf das Drama vorzubereiten.

     Ich bin augenblicklich nur wenige Tage hier, wohin mich die plötzliche Krankheit einer Schwester zurückrief und gehe nochmahls nach Leipzig zurück. Daher kann ich jetzt unsere Correspondenz wegen des Honorars für den Roman nicht weiter nachsehen, doch bitte ich Sie, es nicht aus dem Auge zu verlieren, daß der erste | Roman eines Autors sich Bahn zu brechen hat und kein bereites Bett findet. Ihre Dichtungen haben sicher vielfach angesprochen und es sind vortreffliche Sachen darunter, aber sie haben dennoch nur einen sehr kleinen Kreis gefunden und insofern die Erscheinung des Romans nicht vorbereitet.

     Ich wünsche daher daß Sie sich auch wegen des Honorars für die Novellen zeitig aussprechen, damit alle diese Dinge eine geregelte Gestaltung zwischen uns annehmen.

     Ihrem Wunsche nach einer abermaligen Vorschußzahlung von Rt 100- entspreche ich nochmahls, bitte Sie nun aber auch recht angelegentlich mein Vertrauen zu vergelten.

     Was Sie mir über die von Schmidt-Phieseldeck gesammelten neugriechischen | Volkspoesien sagen, mag wohl begründet sein. Ich bitte Sie die Idee einer weiteren Ausdehnung einer verwandten Sammlung zu verfolgen und mir demnächst das Resultat nicht vorzuenthalten.

     Mit aufrichtiger Hochachtung
                                                Ihr
                                                ganz ergebener
                                                Eduard Vieweg

Hierbei ein Wechsel über Rt 100.- auf Berlin.

N. S. Einliegende Wechsel betragen nur rt 98.26 gr 10 p. Wir konnten augenblicklich kein andres Papier auf dort bekommen.

                                                Fr V u Sohn.

 


 

13. 6. 1853  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 154; unveröffentlicht>

Braunschweig, 13 Juny 53.

Geehrter Herr!
 
Es ist jetzt absolut nöthig, daß Sie sich wegen des Romans entschließen, ob Sie die Novellen in seinen Bereich hineinziehen und ihm eine Ausdehnung von 5 Bänden geben wollen, oder nicht. Ich muß Titel und Umschläge zu den ersten 3 Bänden drucken lassen und da muß die Gesammtzahl der Bände genannt werden. Auch haben Sie mir fest zugesagt, daß der sofortigen Vollendung und Versendung der 3 ersten Bände nichts im Wege stände, daher ich Sie denn aufs dringendste | bitte, mir sowohl die noch in Ihren Händen befindlichen Correcturen bald zu remittiren, als auch den Schluß des Msts zum 3t. Bande zu senden. Wenn aber davon die Rede sein soll die 3 ersten Bände sofort zu versenden, so setzt das positiv voraus, daß die beiden letzten spätestens bis Ende August vollendet sein können. Sonst würde das ganze Unternehmen Fiasco machen und mein Verlust sehr groß sein. Denn bei einem Romane verträgt das Publikum und mit ihm das Buch, kein verspätetes Erscheinen der Schlußbände. Der Eindruck des Kunstwerkes darf nicht zerrissen werden durch lange Unterbrechung. Erklären Sie sich hierüber gefälligst nach gewissenhafter Prüfung.

     Hochachtungsvoll Ihr
                                                ganz ergebener
                                                Eduard Vieweg.


 

16. 6. 1853  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 35; GB 3.2, S. 72>

Berlin d 16t. Juni 1853.

Hochgeehrter Herr!
 
Auf Ihr geehrt. Schreiben v. 13t. d. habe ich mich entschlossen, es beim Alten zu lassen, da dies in mehr als einer Hinsicht besser und rathsamer ist, und werde den vierten Band im July abliefern. Der Rest des dritten Bandes wird nächste Woche unfehlbar folgen.

            Ich bitte Sie, mir gelegentlich zu berichten, ob Sie, wie es seiner Zeit verabredet wurde, auf Weihnacht oder Ostern eine zweite Auflage der Gedichte vermittelst Cartons und Hinzufügung weiterer Bogenzahl veranstalten wollen? Ich habe seither manches gemacht und würde darauf denken, das Büchlein auf zwanzig Bogen zu bringen durch Einverleibung | mehr stofflicher und reiferer Sachen, sodaß bei Beibehaltung des alten Preises das Ding mehr Werth bekäme und Aussicht auf größeren Absatz. Ich müßte dann auch wissen, ob man einzelne Gedichte herausnehmen und andere an deren Stelle setzen kann.

     Indem ich mich, geehrtester Herr, bestens empfehle
                                                verbleibe ich hochachtungsvoll und ergebenst
                                                Ihr
                                                Gottfr. Keller.

 


 

22. 6. 1853  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 155; GB 3.2, S. 73 z. T.>

Braunschweig, 22 Juny 1853

Ew Wohlgeboren
 
haben mir in kürzest möglicher Form angezeigt, daß Sie es nun, trotz der bei meiner persönlichen Anwesenheit in Berlin gefaßten Beschlüsse, wegen des Romans beim ersten Plane bewenden lassen wollten. Ich muß mich dem natürlich fügen, da Sie die Interessen Ihres Buches selbst vertreten, das aber halte ich mich verpflichtet und berechtigt zu erklären, daß mich dieses Abspringen von einem Plane zum andern beunruhigt und befremdet. Der Erfolg des Buches muß für Ihre künftige literarische Stellung eine entscheidende sein, und deshalb empfehle ich Ihnen jedenfalls in der Wahl Ihres definitiven Entschlusses die höchste Vorsicht.

     Bei | der Theilnahme welche mir Ihr Buch einflößt und die ich Ihnen in, wie ich glaube, freundlicher Weise, ausgesprochen habe, bei der Bereitwilligkeit Ihren Wünschen, so viel ich vermogte, zu begegnen, bei den Nachtheilen welche Sie mir durch die unbegreifliche Verschleppung in der Vollendung des Buches zugefügt, hätte ich vielleicht das Recht gehabt eine rücksichtsvollere Behandlung von Ihnen zu erwarten; indessen werde ich mich auch der von Ihnen beliebten, wenig ansprechenden, Form fügen.

     Jedenfalls erwarte ich nun die Vollendung des Romans in kürzester Frist, Ihrer Zusage auf Ehrenwort entsprechend.

     Wenn von den Gedichten eine neue Ausgabe in der verabredeten Weise veranstaltet werden soll, so muß das um Michaelis geschehen. Einzelne Gedichte | können entfernt und durch neue ersetzt werden, wenn genau der Raum der ersten eingehalten wird. Doch ist diese Prozedur so schwierig, daß sie auf das Nothwendigste beschränkt werden muß.

     Da Sie die Novellen nun nicht für den Roman verwenden wollen um diesem einen heitern Ausgang zu geben, so bitte ich Sie um Ihre weitern Mittheilungen wegen des Drucks derselben. Ich halte es für wichtig, daß der Druck baldthunlichst geschehe, damit sie gleich nach dem Roman zur Versendung kommen können, so daß ihnen der Eindruck, den der erste macht, direkt zu Gute kommt.

            Beiliegend Titel und Vorrede zur Revision.

            Mit größter Hochachtung und
                                                ganz ergebenst
                                                Eduard Vieweg

 


 

12. 9. 1853  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 157; GB 3.2, S. 74 z. T.>

Braunschweig, 12 Septbr 53

Geehrter Herr!
 
Sie scheinen meine Geduld bis zum Äußersten erschöpfen zu wollen; doch mögte ich Sie bitten eines alten Sprüchwortes eingedenk zu sein: der Krug pp. Daß Sie auf meinen Brief vom 22 Juny abermahls nicht geantwortet haben, ist eine der vielen Rücksichtslosigkeiten an die ich bei Ihnen schon gewohnt bin. Wenn Sie vorschußweise Geld von mir erbaten, blieben Ihre Briefe nicht aus. -

     Ich werde jetzt allerdings lernen müssen die Dinge von einem andern Standpunkte bei Ihnen anzusehen, als ich es so gern gethan hätte, und stelle demnach jetzt die peremtorische | Forderung nach Vollendung des Msts. Ich beziehe mich für diese Forderung auf Ihr bei mir verpfändetes Ehrenwort.

     Desgleichen erwarte ich die Mittheilung des Msts der mehr besprochenen Novellen, welche jetzt nicht in den Roman übergehen.

     Endlich erwarte ich des Nächsten diejenigen neuen Gedichte, welche in Ihrer Sammlung als Cartons eingeschaltet werden sollen.

     Allen vorbezeichneten Sendungen sehe ich in kürzester Frist entgegen und zeichne inzwischen
                                                ergebenst
                                                Eduard Vieweg.

 


 

13. 9. 1853  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 36; GB 3.2, S. 75>

Berlin d. 13t.Sept. 1853.

Geehrter Herr!
 
Sie scheinen es einmal darauf abgesehen zu haben, nach dem Schein zu urtheilen und mir eher alle möglichen schlimmen Eigenschaften beizulegen, als zu denken, ich befinde mich selbst am allerunglücklichsten bei dem unseligen Gang unserer Sache. Sie werfen mir fortwährend Rücksichtslosigkeiten vor, während Sie wissen, daß ich als ganz mittelloser Mann durchaus keine Ursache habe, einem wohlhabenden und unternehmenden Verleger gegenüber absichtlich nachläßig und rücksichtslos zu sein, und daß von der Beendigung dieses Buches für mich selber eine bessere Wendung meiner Lage abhängt.

     Warum ich Ihr Geehrt. v. 22t. Juni nicht sogleich beantwortete, geschah, weil mich die Grundlosigkeit der darin enthaltenen Vorwürfe in Verlegenheit setzte. Außer dem unverdienten Vorwurfe eines rücksichtslosen Benehmens (weil ich nur mit wenig Worten das Beharren beim alten Plane anzeigte) hielten Sie mir ein bedenkliches und leichtsinniges Abspringen von einem Plan zum andern vor. Dies würde der Fall gewesen | sein, wenn ich dem momentanen Einfall, welchen ich Ihnen bei Ihrer Anwesenheit in Berlin mündlich mittheilte, Folge gegeben hätte; nicht aber, da ich fest bei dem ursprünglichen Plan und Zwecke blieb, um dessetwillen ich das Ganze angefangen und seit Jahren so und nicht anders ausgeführt habe. Wenn Sie den vierten Band kennen, so werden Sie mir vielleicht Recht geben.

     Später schrieb ich nicht, weil ich inzwischen wieder in Rückstand mit dem Mskt. gerathen war, so sicher ich auch geglaubt hatte, daß dieses nun nicht mehr vorkommen würde, und weil ich desnahen erst den Schluß mit übersenden wollte.

     Ihr heutiger Brief veranlaßt mich nun allerdings, umgehend zu antworten.

     Das Ende des dritten Bandes wird diese Woche noch erfolgen. Sie können dann, was mir wünschbar wäre, die drei ersten Bände sogleich versenden, und den vierten mit einem Bande Novellen (im Falle Sie diese verlegen) etwas später. Daß letzterer bald nachfolgt können Sie versichert sein; denn da ich allerdings durch Ehrenwort gebunden bin, vor dieser Beendigung auf nichts Anderes einzugehen, während Sie, wie Sie mir andeuten oder wenigstens zwischen den Zeilen lesen lassen, von einem weiteren Verkehr absehen, so gebietet es mir die Selbsterhaltung, so bald als möglich fertig zu werden. Trotz aller Verzögerung haben Sie gesehen, daß das Buch doch allmälig vorwärts schreitet. Sie haben | allerdings durch Ihre gefälligen Vorschüsse und durch die Druckkosten eine beträchtliche Summe während 2 bis 3 Jahren unverzinst ausgegeben. Sie haben aber dadurch einem jungen Schriftsteller, welcher eine Zukunft haben wird, einige schwere aber folgenreiche Jahre seines Lebens besser ertragen helfen, und ich schmeichelte mir, daß Sie selbst einst sagen würden Ende gut Alles gut! Wenn Sie aber jene Zinsen so sehr anschlagen (und einen andern Nachtheil werden Sie wohl nicht haben), wie Sie als Geschäftsmann allerdings müssen, so thut mir dies aufrichtig leid. Indessen setzt mich dies dann in den Fall, mein Interesse ebenfalls deutlich zu wahren.

     Da Sie das Manuskript der Novellen peremtorisch von mir fordern, so scheinen Sie mich für dessen Herausgabe für verpflichtet zu halten wegen der mir geleisteten Vorschüsse (wofür Sie übrigens bereits drei Bände in Händen haben). Wie ich aber wiederholt Ihnen bemerkte, daß das Buch doppelt so stark werde, als ich ursprünglich berechnet hatte, und wie Sie selbst wiederholt äußerten, daß Sie sich zu einer billigen Ausgleichung bereit finden würden, so muß ich Ihnen nun den Vorschlag machen, das Honorar für den Roman bogenweise zu berechnen und mir für den Bogen ein und einhalb Stück Louisd'or zu bezahlen. Das Ganze wird gegen hundert Bogen betragen. Ich glaube | diese Forderung dem Urtheile jedes Sachkundigen anheim stellen zu dürfen. Ich habe bis jetzt, wo ich mich augenblicklich nicht irre, siebenhundert Thaler von Ihnen erhalten, also würden Sie noch etwas nachzuzahlen haben.

     Jedenfalls will ich die Novellen aus freier Hand geben, indem mir ein Zwangsverhältniß unerträglich wäre und auf das Buch selbst nur schädlich einwirken würde.

     Ich verlange nichts Besseres, als Ihren Verlag auch für die Zukunft genießen zu dürfen, allein eben so sehr muß ich darauf sehen, so viel zu verdienen, als mir ohne Unbescheidenheit zukommt. Ich schlage also für die Novellen zwei Louis d'or pr. Bogen vor und werde dann für die nächsten Jahre jedenfalls bei diesem Satze bleiben. Doch müßte die Größe der Auflage zugleich festgestellt werden. Ich werde die Novellen in 18-25 Bogen starken Bändchen schreiben.

     Ich kann, falls Sie es verlangen, bis nächste Woche einige Bruchstücke in's Reine schreiben (so weit sie redigirt sind) und sie Ihnen senden, oder Sie können mit Ihrer Entscheidung warten, bis das Ganze Ihnen vorliegt. Mir wäre es am liebsten und förderlichsten, wenn sie zugleich mit dem 4t. | Bande des Romanes gedruckt würden, und zwar so, daß <ich> immer von beiden Manuskript schickte; denn es würden auf diese Weise beide schneller beendigt sein. Es ist eine nicht geringe Pein für mich, immer an ein u derselben Arbeit schreiben zu müssen u Alles andere liegen zu lassen.

     Was die Gedichte betrifft, so kann ich Ihnen sogleich einige schicken zu den nöthigen Karton's. Ich hatte gewünscht, hinten noch etwa 8 Bogen neue Gedichte anzuhängen, damit das Büchlein mehr Werth bekäme. Die Redaktion derselben würde aber sich bis Anfangs Oktober hinziehen, und da Sie selbst nicht darauf zu sehen scheinen, so will ich ebenfalls davon absehen.

     Schließlich erlaube ich noch einmal, Sie zu versichern, geehrter Herr! daß Sie mich durchaus unrichtig beurtheilen und unrecht thun, gerade vor dem Schluß dieser allerdings widerwärtigen Periode in so hartem Ton an mich zu schreiben. Dieser arme Roman ist nur ein kleinster Partikel Ihrer umfangreichen Thätigkeit, während er für mich das Ein u Alles ist, um welches ich nicht hinum kann, ohne es abgethan zu haben. Wie können Sie also glauben, daß meinem Verfahren Absichtlichkeit | und unbescheidene Rücksichtslosigkeit zu Grunde liege?

     Indem ich mich einstweilen auf eine bessere Wendung der Dinge berufe, verbleibe ich
                                                hochachtungsvollst
                                                Ihr ergebenster
                                                Gottfr. Keller.

Mohrenstraße No 6.

 


 

21. 10. 1853  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 38; GB 3.2, S. 78>

Berlin d. 21 Okt. 1853.

Hochgeehrter Herr!
 
Beifolgend übersende ich Ihnen endlich den Schluß des dritten Bandes. Ich werde Ihnen nächstens auch den Plan und einige Bruchstücke der Novellen schicken, damit Sie gefälligst Ihren Entschluß fassen mögen. Im Falle Sie den Verlag derselben in dem von mir angedeuteten Sinne übernehmen wollen, so würde ich dieselben dann gleichzeitig mit dem vierten Bande des Romanes fertig machen. Eine Versäumung dieses würde dadurch nicht verursacht, im Gegentheile durch eine wohlthätige Abwechslung, welche mir schon lange gemangelt hat, der Schluß des Romans erleichtert werden. Jedoch würde Ihr Befinden jedenfalls entscheidend sein.

     Daß der vierte Band etwas später versandt wird (spätestens bis Weihnacht) halte ich für durchaus vortheilhaft. Er ist das eigentliche Buch, das ich ursprünglich intendirt, und genießt so einer besondern Aufmerksamkeit, nachdem dieselbe durch die übrigen Bände geweckt ist. |

     Diese aber sind, wie ich glaube, nicht von der Klasse von Büchern, wo es auf die Spannungen und Verwickelungen ankommt, sondern sie gehören zu den Erzeugnissen, wo das Stoffliche gleichmäßig vertheilt ist und wo es mehr auf den Geist u die Schreibart des Autors abgesehen ist, mit welchen er die Sache behandelt.

     Die Gedichte betreffend, war es mir nicht möglich in meiner jetzigen Stimmung und in der kurzen Zeit, die nothwendigen Ersatzstücke im Inneren des Bändchens auszuarbeiten. Vorzüglich die Sonnette sind zu verbessern, was eine ruhige Arbeit erfordert. Theilweise ging es gar nicht an. Ich habe sie daher einstweilen alle gestrichen und lege dafür einen neuen Cyklus "aus Berlin" bei, welcher in die betreffende Seitenzahl paßt. Ich wünschte sehr, daß die Einschaltung der betreffenden Gedichte möglich wird, ansonsten mir die neue Ausgabe nur Verdruß machen würde. Dadurch wird aber auch ein neuer Titel der darauf folgenden Gaselen nöthig, damit die Jahrszahl weggelassen werden kann; sonst würde die Einschaltung zu sehr in die Augen fallen.

     Ich hoffe mich endlich binnen kurzer Zeit aus allen Mißverhältnissen herauszuwickeln. Inzwischen ist es nicht nur für mich, sondern auch für das Buch, sowie für die Gedichte wünschbar, wenn wir, geehrter Herr! wenigstens die | demnächstige Versendung derselben in gutem Einvernehmen bewerkstelligen, da eine üble Stimmung wie Mehlthau auf die so schon langsam gewachsene Pflanze wirken würde. Ich ersuche Sie, Hrn Prof. Hettner sogleich ein ganzes Exemplar zukommen zu lassen, da er kräftig für das Buch wirken wird. Fräulein Fanny Lewald muß schon seit längerer Zeit Aushängebogen besitzen; denn sie äußert sich übelwollend und wegwerfend über meine Arbeit. Ich wünsche, daß sie vor der Hand kein Exemplar erhält, wenn nicht ihr Freund Stahr eine übelsinnige Kritik drucken lassen soll; denn dies Paar duldet einmal durchaus keinen andern Romanschreiber dies- wie jenseits des Rheines. Ich bitte, mir diese Mittheilung nicht übel auslegen zu wollen, indem ich sonst beide Personen achte und respektire.

     Inzwischen verbleibe ich
                                                mit vollkommener Hochachtung
                                                Ihr ergebenster
                                                Gottfr. Keller.

 


 

5. 11. 1853  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 39; GB 3.2, S. 80>

Berlin d. 5t. Nov. 1853.

Hochgeehrter Herr!
 
Ich übersende Ihnen, nebst den vorliegenden Correkturbogen, die Anfänge einiger Novellen, welche für den 1t. Band der projektirten Sammlung bestimmt sind. Die Novelle: Galatea ist die Hauptnovelle und geht durch den ganzen Band, wogegen die übrigen in jene eingeschaltet werden. Der Band wird daher den Titel: Galatea, Erzählungen v. G. K. erhalten. Für einen folgenden Band ließe sich eine ähnliche Einrichtung treffen, und wenn die Sammlung gedeihen sollte, so kann man nachträglich, sobald sich die Arbeit geltend gemacht, immerhin das Ganze unter dem einfachen Titel Novellen od. Erzählungen zusammen fassen. Jede der vorliegenden Erzählungen wird 5-6 Bogen stark, der Band also jedenfalls 20-25 Bogen. Für einen 2t. Band habe ich auch schon hinlänglichen Stoff, mochte denselben aber einstweilen nicht zusammen stellen, um nicht zu lange am Roman auszusetzen.

     Ich wiederhole hier meine Ihnen, geehrter Herr! jüngst schon mitgetheilten Bedingungen, daß ich nämlich zwei Louis d'ors pr. Bogen, vom nämlichen Druck wie der Roman, beanspruche und füge hinzu, daß die Auflage nicht über 1000 betragen soll.

     Ebenso wünsche ich, daß Sie sich nun gefälligst entschließen möchten, ob Sie mir den Roman per Bogen und zwar zu 1½ Louis d'ors honoriren wollen; damit Sie jedoch etwas Bestimmtes zu ermessen haben, sollen 1. die Bogen welche über die Anzahl v. 100 hinausgehen sollten, nicht gerechnet werden und 2t. wenn der Schluß bis Neujahr wider Erwarten nicht abgeliefert sein sollte, die ganze Bestimmung wegfallen und die Sache Ihrem Gutdünken überbleiben | soll. Ich wünschte aber jetzt eine Bestimmung festgesetzt, um meine Verhältnisse bereinigen und regeln zu können. Ich muß mich meiner Haut wehren und habe es satt, länger auf dem bisherigen Fuße zu leben.

     Es hängt von Ihnen ab, ob ich die Novellen und den Roman gleichzeitig betreiben soll. Halte ich mich allein an den 4t. Band d. gr. Heinr. so wird derselbe in 3 Wochen fertig sein; mache ich beide Sachen zugleich, so erfordert es die doppelte Zeit.

     Sie haben mir in Ihrem letzten Schreiben vorgehalten, daß meine Briefe nie ausbleiben, wenn ich Geld haben wolle. Trotzdem bin ich jetzt wieder im Falle und indem ich meine Anfrage stelle, muß ich es unberücksichtigt lassen, was Sie sich, geehrter Herr, darunter denken.

     Wenn Sie also den Verlag der Novellen übernehmen und in meinen Vorschlag betreffend den Roman eingehen wollen, so bitte ich, mir 200 Thlr. zu senden, welche ich nothwendig brauche, da ich Schulden zu bezahlen habe. Glauben Sie aber auf alle diese Vorschläge nicht eingehen zu können, so bitte ich alsdann mir das Mans'krpt. d. Novellen zurückzusenden, welches <ich> indessen so wie so zur Fortsetzung brauche.

     Noch lege ich die erste Hälfte eines literarisch-satyrischen Gedichtes bei, welches ich herauszugeben gedenke, sobald die andern Sachen abgewickelt sind: Der Apotheker v. Chamouny oder der kleine Romanzero. Es ist gegen Heine und die ganze betreffende Richtung gedacht, welche bei ganz harmlosem und sentimentalem Gemüth, Frivolität und Bösartigkeit affektirt und dem gemachten Witze jedes Bewußtsein aufopfert. Diese komische Heuchelei, welche in schwachen Köpfen Unheil anrichtet, ist der eigentliche Angriffspunkt; viele Anspielungen auf heutige literarische Mißbräuche kommen dazu, und das Ganze hat die wunderliche Form der Heine'sch romantischen Willkühr | und ist dazu eine Anekdote gewählt, welche in neuerer Zeit in Chamony passirte. Uebrigens wird das Werkchen fern von aller Roheit sein und besonders Heine als Dichter anerkennen. Die zweite Hälfte ist meistens fertig und in kurzer Zeit abgeschlossen. Ich habe das Ding vor zwei Jahren während längerer Krankheit im Bette gemacht. Es wird ungefähr 6 Bogen stark sein. Ich lege es bei, um zu erfahren, ob Sie allfällig geneigt wären, dergleichen zu verlegen. Doch bitt ich, die Sache einstweilen geheim zu halten, daß nicht etwa in Zeitungen davon verlautet.

     Wie Sie sich auch in allen diesen Dingen verhalten mögen, so wünsche ich jedenfalls die Roman-Affaire in guter Manier zu beendigen, da mir viel davon abhängt. Ich wünschte des nahen vor Allem zu wissen, wie viel Exemplare Sie zur Gratisversendung bestimmen wollen. Es darf diesmal nicht damit gegeizt werden, wenn eine durchschlagende Besprechung in der Presse stattfinden soll. Für die Zukunft kann dann um so mehr unterlassen werden in dieser Hinsicht.

     Inzwischen bleibe ich, hochgeehrter Herr!
                                                mit Hochachtung und Ergebenheit
                                                Ihr
                                                Gottfr. Keller.

 


 

10. 11. 1853  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 40; GB 3.2, S. 82>

Berlin d. 10t. Nov. 1853.

Hochgeehrter Herr!
 
Ich habe Ihnen am 5t. d. etwas Manuskript d. Novellen übersendet und mit den mitgetheilten Bedingungen zugleich eine Bitte um eine weitere Geldsendung verbunden. Ich habe mich seither überzeugt, daß dies nicht der Weg ist, aus dem schiefen Verhältnisse herauszugelangen, und bitte Sie daher, meinen Brief vom 5t. dies nicht weiter zu berücksichtigen und mir gelegentlich das Manuskript (in Prosa u in Versen) zurückzusenden. Ich will nun vor Allem den vierten Band des Romanes in kürzester Zeit beendigen und dann sehen, endlich nach der Schweiz zurückzukehren und den dramatischen Arbeiten zu leben. Wenn ich die Novellen | überhaupt fertig mache, so werde ich Ihnen dieselben alsdann von Neuem anbieten.

     Dagegen bitte ich Sie angelegentlich, so bald als möglich einige Exemplare des Romanes und der Gedichte (gebunden) nach Zürich zu senden, da hievon die Erlangung anderweitiger Subsistenzmittel abhängt. Und zwar:

     An den Regierungspräsidenten Dr. Alfred Escher je 1 Exemplar.

     An den Staatsanwalt Dubs je 1 Exemplar.

     Ich bitte diese Pakete auf meine Rechnung durch die Post franko zu senden, wenn nicht in nächster Zeit der Buchhändlerweg disponibel sein sollte.

 Inzwischen interessirte es mich immerhin, was Sie von jenen Novellenanfängen halten, geehrter Herr, und wünschte, daß Sie sich gelegentlich hierüber äußern wollten.

     Mit vollkommener Hochachtung
                                                Ihr ergebenster G. Keller.

 


 

30. 11. 1853  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 41; GB 3.2, S. 83>

Berlin d. 30t. Nov. 53.

Hochgeehrter Herr!
 
Da die drei fertigen Bände des Romanes so lange ausbleiben, scheint es mir wahrscheinlich, daß Sie am Ende doch den 4t. Band abwarten wollen. Sollte dies der Fall sein, so bitte ich angelegentlich, mir dies umgehend berichten zu wollen, da solche Ungewißheiten durchaus nicht förderlich sind. Es sind mir von Zürich aus Geldmittel, zu leichterer Beendigung meines Berliner Aufenthaltes und dessen Zwecken, zugesagt, und zwar seit vielen Wochen. Ich kann mir das Ausbleiben derselben nur dadurch erklären, daß die 3 Bände, deren nächstes Erscheinen ich angekündigt, ausbleiben. Da ich früher schon vielfach das unglückliche Buch angekündigt, so dürfte man jetzt meine sichere Zusage wieder für erfolglos halten und am Ende am Ganzen zweifeln, was ich nicht verdenken könnte. Die augenblicklichen Folgen aber würden mir sehr fatal sein und die Beendigung des 4t. Theiles durchaus nicht fördern, da ich in sorgenvoller Verfassung nichts thun kann und nichts thue.

     Ich ersuche Sie daher, hochgeehrter Herr, mir gefälligst sogleich einige Exemplare in albo zukommen zu lassen, | damit ich dieselben hier binden lassen und fortschicken kann. Wenn die Gedichte fertig sein sollten, so bitte ich, desgleichen einige beizulegen. Die Gedichte müssen diesmal etwas betrieben werden, um das vor zwei Jahren versäumte nachzuholen.

     Ich bitte Sie auch, Ihre Meinung wegen des "Apothekers v. Chamouny" äußern zu wollen, da ich diese Arbeit jedenfalls diesen Winter beenden werde. Wegen der Novellen kann jede Besprechung ausbleiben, bis sie fertig sind.

     Sollten Sie, geehrter Herr, absichtlich meine Mittheilungen nicht berücksichtigen oder glauben, ein gewisses Verfahren gegen mich beobachten zu müssen, so muß ich des Bestimmtesten erklären, daß solches, wenn auch nicht schädlich, doch auch nicht nützlich wirken würde; denn mein Verhalten hängt weder von freundlicher noch von unfreundlicher Begegnung ab, sondern einzig und allein von der Nothwendigkeit und Wechselwirkung innerer und äußerer Umstände.

     Ich bleibe mit ausgezeichneter Hochachtung
                                                Ihr ergebenster
                                                G. Keller.

 


 

11. 02. 1854  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 43; GB 3.2, S. 85>

Berlin d. 11/2 1854.

Geehrtester Herr.
 
Ich habe neulich die mir übersandten 6 Exemplare des Romanes u der Gedichte empfangen, muß aber nach abgeliefertem und gedrucktem Schlusse alsdann noch einige Exemplare verlangen, indem ich so nicht auskomme. Ebenso werden dann hinreichende Rezensionsexemplare zu versenden sein, indem wir sonst einen ruinirten Erfolg des Buches uns selbst zuzuschreiben hätten.

     Den vierten Band werden Sie anfangs März erhalten. Durch Nichteintreffen erwarteter Subsidien bin ich abermals in die schlimmste Lage gerathen, wo ich nichts thun konnte. Es ist die alte Geschichte welche erst mit Beendigung des letzten Bogens dieses unseligen Buches ein Ende nehmen wird. | Vorläufig sehe ich mich zu einer kleinen Auseinandersetzung genöthigt. Sie haben ein Ehrenwort von mir erhalten in zwiefachem Sinne. Erst gab ich es zur Versicherung, daß ich neben dem Romane keine andere Arbeit betreibe, und dann zu Neujahr 1853, daß ich den Schluß des Buches mit Ende Januar 1853 abliefern wolle in 3 Bänden. Während des Januar 1853 forderten Sie mich aber auf, einen 4t. Band zu geben, weshalb ich mir im 3t. Bande mehr Raum ließ u jene Bestimmung überhaupt wegfiel. Es blieb also allein das alte Wort übrig, infolge dessen ich keine andern Arbeiten unternehmen durfte. Dies habe ich bis jetzt streng gehalten und muß Sie daher ersuchen, die Sache so anzusehen, bis Sie den Beweis vom Gegentheile haben. -

     Ueberhaupt erlaube ich mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß ein Schmierant und Böswilliger sich gar nicht auf diese Weise gebunden hätte. Die Novellenanfänge, welche Sie in Händen haben, habe ich auf Ihre spezielle Aufforderung in's Reine | geschrieben und abgesandt, können also nicht als ein Wortbruch angesehen werden; über dies habe ich sie in früherer Zeit entworfen. Ebenso stammt das Gedicht aus früherer Zeit.

     Inzwischen bitte ich Sie, mir zu berichten, ob Sie nach Beendigung der Roman-Affaire in Betreff der Novellen etc. ferner meinen Verkehr beibehalten wollen oder nicht. Wenn Sie, geehrter Herr, annehmen, daß eine verneinende Erklärung einen nachtheiligen Einfluß auf die Ablieferung des 4t. Bandes ausüben würde, so beurtheilen Sie meine Person durchaus unrichtig.

     Hochachtungsvoll
                                                Eur Wohlgeboren
                                                ergebenster G. Keller

Meine Wohnung ist jetzt: Mohrenstraße 58 / 2 Treppen.

 


 

31. 7. 1854  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 45; GB 3.2, S. 86>

Herrn Fr. Vieweg u Sohn, Wohlgeboren

Berlin d 31/7 1854.

Geehrtester Herr!
 
Ich übersende Ihnen endlich etwas Manuskript für den 4t. Band. Ende dieses Monates werde ich von Berlin abreisen und bis dahin den Rest des Mskrts. abgeliefert haben. Es wäre mir lieb, wenn ich die Revisionsbogen noch hier durchsehen könnte, also der Druck bald begonnen würde.

     Sodann bitte ich Sie, geehrter Herr! angelegentlich, mir umgehend das seit langer Zeit in Händen habende Manuskript der Novellenanfänge, sowie des Gedichtes "der Apotheker v. Chamouny" zurücksenden zu wollen. Ein Verleger, welcher mir seinen Verlag anbot, wünscht jene Novellen, von denen er gehört, zu haben; ich setzte ihm mein Verhältniß mit Ihnen auseinander, daß ich erstens den 4t. Band abgeliefert haben müsse, ehe ich die Novellen beenden könne, und daß ich zweitens nicht wisse, was Sie eigentlich vor hätten und jenes Mkrt. noch in Ihren Händen sei. | Da derselbe jedoch das Buch erst auf Ostern braucht, so würde er es sogleich übernehmen und mir das Honorar auszahlen, wenn ich ihm das Manuskript einsende, zum Zeichen, daß ich es von Ihnen herauszubekommen und Sie nicht etwa Ansprüche daran erheben würden. Ich habe auf den 15t. August einen Wechsel zu bezahlen und kann daher keinen Tag länger anstehen, diese Sache in's Reine zu bringen. Ich könnte zwar jene Novellen, welche einen Band von 25 Bogen ausmachen werden, ganz bei Seite liegen lassen und andere Sachen dafür nehmen; aber nach dem Gange meiner Produktionsentwiklung wünsche ich durchaus gerade diese Novellen zuerst zu machen. Ich sehe nun keinen Grund ein, warum Sie mir die Sachen nicht schicken sollten, es müßte denn sein, daß Sie mich mit Gewalt in die übelste Lage versetzen und ruiniren wollten.

     Wenn Sie, nach allem Vorgefallenen und nach Ihrem Verhalten wider mein Vermuthen, die Novellen dennoch selbst übernehmen wollten, so würden | Sie natürlich die Vorhand haben unter den gleichen Bedingungen, welche der neue Verleger mir zugesteht, nämlich für den Band runde 300 Thaler und sofortiger Vorschuß des Honorars für den 1t. Band. Bis zum November würde derselbe fertig sein. Ich füge dieses Angebot aus dem einzigen Grunde hinzu, um nicht von meiner Seite ein besseres und günstigeres Verhältniß, das mit meiner Abreise aus Berlin unmittelbar eintreten wird, für die Zukunft in Bezug auf Ihren Verkehr mit mir unmöglich zu machen. Wenn ich eine schlechte Zeit überstanden habe, so vergesse ich alles damit verknüpfte, ausgenommen offenbare Gewalt und Ungerechtigkeit, was eine Verweigerung des Manuskripts oder eine gänzliche Nichtbeantwortung sein würde in den obwaltenden Verhältnissen.

     In Bezug auf den Fall, daß Sie wider Erwarten die Novellen übernähmen, setze ich noch Voraus und damit in Verbindung, daß Sie das Honorar für den Roman schließlich verhältnißmäßig nach meinen früheren Forderungen festsetzen wollen; ohne dieses würde ich mir lieber die Hände abschneiden, als noch eine Zeile weiter zu schreiben; es ist dies | eine Ehrensache; denn wenn an diesem Buche der Bogen nicht 1½ Louis d'or werth ist, während Sachen, die tausendmal schlechter sind, mit 4 und 6 Louis d'or bezahlt werden, so heißt das meine Arbeit herunter setzen und unter die Füße treten.

     Sie haben zwar, geehrter Herr, mir wiederholt eine Ausgleichung in diesem Punkte zugesichert; allein ebensowohl haben Sie, auf Grund der mir gethanen Vorschüsse, die sich auf 700 Thaler belaufen, seiner Zeit die Novellen in Gebieterischen Ausdrücken verlangt, was ich zwar damals redressirte, und vielleicht auch seither zurückbehalten. Deswegen berühre ich diese Sache jetzt wieder und noch vor dem Schlusse des betreffenden verwünschten Buches, obgleich ich mir vorgenommen hatte, Ihnen einfach das fertige Manuskript zuzusenden und Ihr weiteres Verhalten ruhig abzuwarten. Aber die Sachlage zwingt mich dazu, und werde höchstens 8 Tage auf Ihre gefällige Antwort warten können, womit ich

                                                mit ausgezeichneter Hochachtung verbleibe
                                                Ihr ergebenster
                                                G. Keller.

Bauhof No 2 in Berlin.

 


 

6. 8. 1854  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 46; GB 3.2, S. 88>

Herrn F. Vieweg u Sohn, Wohlgeboren

Berlin d. 6t./8 1854.

Geehrtester Herr!
 
Da ich befürchte, daß Sie meine Mittheilung vom 31t. Juli in keiner Weise berücksichtigen, mich aber die Gefahr sehr unangenehmer, mich weit zurück werfender Vorfälle bedroht, so muß ich mir erlauben, Sie mit einer abermaligen und letzten Auseinandersetzung zu behelligen, um Sie zu vermögen, mir die Novellenfragmente zurückzusenden, und zugleich, um Ihnen deutlich meine Auffassung dieser Sache und mit mehr Unbefangenheit, als in meinem letzten durch [durch] die Sorge diktirten Briefe geschehen ist.

     Zuerst muß ich Ihnen noch erklären, daß ich durchaus nicht Willens war noch bin, weitere Vorschüsse durch meine Mittheilungen von Ihnen zu erzielen, daß dagegen die Sache einfach so liegt, daß ich durch Einsendung des Msprt's jener Fragmente umgehend Hülfe empfange, daß ich ferner zum Beweise die darauf bezüglichen Briefe und Anerbietungen Ihnen nur aus dem Grunde nicht beilegte, um keine Indiskretion zu begehen; daß ich einstweilen nur für einen einzelnen Band mich verpflichten werde, und endlich, wenn | Sie in kürzerer oder längerer Zeit eine andere Einsicht von mir gewonnen haben und es wünschbar finden sollten, meine Sachen zu verlegen, ich dann jederzeit wieder zu Ihrer Verfügung stehen würde.

     Als Sie vor nunmehr vier Jahren mir die Uebernahme meines Romanes unter den gestellten Bedingungen erklärten, war ich der Meinung, daß derselbe einen starken Band betragen sollte und hatte Ihnen die Stärke desselben auf ungefähr 400 geschriebene Seiten angesagt. Daß Sie selbst auf diese Stärke rechneten, beweis't, daß Sie mir am 7t. Mai 1850 anriethen, das Buch in 3 Bändchen abzutheilen. Mit dem Schluß des 4t. Bandes werden es nun ungefähr 800 geschriebene Seiten sein, der Roman ist 4 ordentliche Bände stark, Sie erklärten sich sowohl mit dem Inhalte als mit der Ausdehnung zufrieden und sagten mir eine verhältnißmäßige Erhöhung des Honorares zu. Ich wiederhole diese Umstände hier nicht, um abermals auf eine bestimmte Erklärung zu dringen, indem ich jedenfalls diese Sache auf sich beruhen zu lassen schuldig bin, so lange ich das Buch nicht fertig abgeliefert habe.

     Ich führe diese Umstände aber an, um Ihnen darzuthun, daß, als ich Ihnen die Novellen übersandte, durchaus nicht der Meinung sein konnte, etwa, wie Sie anzunehmen scheinen, dieselben als schon verkauft oder gar bezahlt anzusehen, wie Sie denn auch nie mit einer Silbe über allfällige Bedingungen sich ausgesprochen haben.

     Ich ließ das betreffende Mt. bis jetzt bei Ihnen liegen, | weil ich von Monath zu Monath der Hoffnung war, Ihnen den fertigen Roman senden zu können und an einer daran sich knüpfenden Fortsetzung eines geregelteren Verkehres unter besseren Auspizien nicht verzweifelte. Wenn ich aber jetzt die par Bogen mir zurück erbitte, so geschieht es in loyaler und offen ausgesprochener Absicht, gedrängt durch eine unabwendbare Sachlage. Ich würde dennoch mit dem Mkrpt. nicht etwa herumhausirt haben; da sich aber ein Verleger von selbst darbietet, der mir aus der Noth hilft, so sehe ich wahrhaftig und ernsthaft gesagt, nicht ein, warum durch die kleine Mühe, mir jene armseligen Bogen zu senden, mir nicht geholfen werden soll!

     Ich könnte mit leichter Mühe das betreffende M. in zwei Tagen neu herstellen und darüber verfügen, da es mein Eigenthum ist (gezwungen würde ich unter keinen Umständen daran weiter schreiben!); aber Sie wissen, daß Sie eine solche, wenn auch beiläufige Beschäftigung als einen Bruch meines gegebenen Ehrenwortes auslegen können, und daß ich also durch meine eigene Loyalität, mit welcher ich jenes Wort gab, behindert und gehemmt bin.

     Mich dünkt, daß in unserm ganzen Verkehr die Hauptsache die ist, daß ich Ihnen ein anständiges und verhältnißmäßig gutes Buch geliefert habe, wie ich es vorausgesagt, und nicht etwa ein verkommenes | und nichtssagendes Produkt. Wäre dies der Fall, so hätten Sie alle Ursache sich für getäuscht und mißbraucht zu halten; da es aber nicht der Fall ist, da ich meiner Hauptpflicht, derjenigen gegen meinen Beruf und mein inneres Urtheil nachgekommen bin, so liegt darin für Sie die Bürgschaft, daß ich schließlich, wenn auch langsam, den äußeren Pflichten nachkommen werde. Wer das größere und wesentlichere thut, thut auch das andere. So gut, wie ich meine vorgesetzte Aufgabe in Betreff dieses Buches nun bald erfüllt haben werde, wird sich auch erfüllen, was ich schon oft gesagt, daß es nämlich unmittelbar nachher rascher und glücklicher mit meinen Arbeiten gehen werde. Doch Ihnen, als Verleger, zuzumuthen, daß Sie die gewohnte Geschäfts- und Berechnungsart einmal versuchsweise übergehen und auf das Ganze, auf die Gesammtentwickelung einer Individualität, die nicht auf der Heerstraße der Tagesgrößen geht, eingehen sollten, steht mir nicht an, da kein Mensch den andern sicher durchschauen kann und sich an die gewohnten und bekannten Thatsachen und Handlungsweisen halten muß.

     In diesem ganz bestimmten und konkreten Falle aber erlaube ich mir, Ihnen zu bedenken zu geben, was es eigentlich auf sich habe und welcher Verantwortung sie sich aussetzen, wenn Sie auf willkürliche Weise die kümmerlichen Bogen, die mir Rettung bringen, zurückhalten, | statt dieselben mit einem Umschlag versehen und an mich addressiren zu lassen, und ich bitte Sie demgemäß, mein dringendes Gesuch zu berücksichtigen und werde es für eine eben so große Gefälligkeit halten, als wenn Sie das Buch sogleich selbst unter günstigen Bedingungen übernähmen.

     Mit dem Schlusse des Romanes haben diese Novellenbogen nichts zu thun; hieraus erwächst kein Grund für Sie, dieselben zurückzuhalten; denn wenn ich schlecht genug wäre, mein Wort zu brechen und mich vor Lösung desselben mit andern Dingen zu beschäftigen, so würde ich es längst gethan haben und mich überhaupt nicht in gegenwärtiger Calamität befinden.

     Da es mir einstweilen noch wünschenswerth, daß Sie keine unheimliche und nachtheilige Vorstellung davon haben, was und wie ich eigentlich seit dem letzten Jahre gelebt, so will ich, zugleich zur Erklärung, warum der Roman noch nicht in Ihren Händen ist, darüber zwei Worte beifügen. Als ich den 3t. Band fertig hatte, war mir aus Zürich eine ausreichende Geldhülfe zugesagt von 500 Thalern, mittelst welcher ich den 4t. Band zu vollenden und meine Abreise aus Berlin zu bewerkstelligen gedachte. Diese Summe, obgleich sie mir von Woche zu Woche in Aussicht gestellt war, erhielt ich erst im Juni dieses Jahres, so daß | ich erstens bis dahin die schlechteste Zeit erlebt habe, die ich überhaupt erlebt, und zweitens meine Angelegenheiten nichts weniger als ordnen, noch auch einer ruhigen und besonnenen Arbeit obliegen konnte. Da ich gänzlich mittellos und dabei nicht industriell bin und überdies noch solche Dummheiten begehe, wie das Ihnen gegebene Ehrenwort eine ist, so wird es mir eben so gehen, bis ich durch irgend ein glückliches Produkt einen durchgreifenden Erfolg und eine unabhängige Lage erreicht habe, da alles andere halb und unzureichend ist.

     Mit einem weitern Briefe von mir werden Sie nun nicht mehr behelligt werden und verbleibe ich somit
                                                geehrtester Herr
                                               hochachtungsvoll und ergebenst
                                                Gottfried Keller
                                                Bauhof No 2.

 


 

23. 10. 1854  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 160; GB 3.2, S. 92 z. T.>

Braunschweig, 23 Oct. 1854

Hochgeehrter Herr!
 
Ich sende Ihnen hierbei die mir von Ihnen mitgetheilten Anfänge des Manuscripts der Novellen und der Dichtung zurück. Es ist mir unmöglich, mich über den Verlag zu entscheiden, bis die Manuscripte ganz in meiner Hand sein werden, zweifle jedoch keinen Augenblick, daß wir uns sodann einigen werden.

     In Betreff des 4t. Bandes des grünen Heinrich muß ich mir noch einmal erlauben, ebenso ernst als dringend an Ihr Ehr- und Rechtsgefühl zu appelliren. Sie haben mich durch Ihre feste Zusage, daß der 4t. Band schon zu Weihnachten v. J. versendet werden könne, zur Ausgabe der drei ersten Bände veranlaßt und durch die NichtErfüllung Ihrer festgegebenen und so oft wiederholten Zusage den Verlag als buchhändlerisches Unternehmen total ruinirt, da die Leihbibliotheken sich nicht auf Anschaffung eines unfertigen Romans einlassen. Der Nachtheil, der dadurch herbeigeführt wurde, ist so entsetzlich eingreifend, daß der Absatz bisher noch nicht die Höhe von 150 Expl. erlangt hat.

     Drängen | Sie mich nicht zu der mir selbst so schmerzlichen u. unangenehmen Alternative, Sie für die Folgen Ihres nicht zu entschuldigenden Verhaltens verantwortlich zu machen;  es bliebe mir nichts übrig, als Sie [zu] auf Rückzahlung der Ihnen geleisteten Zahlungen zu verklagen, desgleichen auf Erstattung der Herstellungskosten der ersten drei Bände nach Absatz des Ertrages der bisher verkauften Exemplare und Ihnen dann den Debit des Buches selbst zu übergeben. Prüfen Sie unsere bisher gepflogene Correspondenz u. beantworten Sie sich u. mir auf Pflicht u. Gewissen die Frage, ob Sie es vor Gott u. Menschen, vor Ihrem eigenen Ehrgefühle, verantworten können, mich so zu behandeln, wie Sie es gethan haben. In Ihrem Briefe vom 31t. Juli dJ. schrieben Sie mir, daß Sie in Bälde Berlin verlassen würden; Sie werden es daher in der Ordnung finden, wenn ich jetzt auf die eine oder andere Weise die Sache zum Schlusse oder Bruche bringe.

     Sie drängen mich fortwährend, Ihnen Zusicherung wegen der Erhöhung des Honorars zu geben u. dennoch ist es mir, bevor Sie Ihre Verpflichtungen gegen mich erfüllt haben, geradezu unmöglich, auf Ihren Wunsch einzugehen. |

     Ich widerhole Ihnen meine Zusage, daß ich das ursprünglich verabredete Honorar nach Maßgabe der Verstärkung des Buches gleichmäßig erhöhen will, wenn Sie mir das Manuscript des 4t. Bandes bis Weihnachten d. J. vollständig liefern und mit der Einsendung des Manuscripts regelmäßig fortfahren. Thun Sie das nicht, so werden Sie sich die Folgen selbst zuzuschreiben haben. Ich beweise Ihnen aufs Neue Vertrauen, indem ich Ihnen den Anfang der Novellen u. des Gedichts zurücksende u damit ein Pfand aus der Hand gebe, was ich bisher besaß.

     Hochachtungsvoll und
                                                ergebenst
                                                Eduard Vieweg.

P. S.

Um Ihrem Gedächtnisse zu Hülfe zu kommen, will ich Ihnen die maßgebende Stelle aus Ihrem Briefe vom 5t Nov. 1853 wiederholen:

     Sie wünschen meine Zusage, daß ich den Bogen des Romans mit 1½ Ldor honorire unter der Bedingung, daß diejenige Bogenzahl, welche über 100 Bogen hinausgeht, nicht honorirt werde und unter der ferneren | Bedingung, daß diese Erhöhung wegfalle u. die Bestimmung des Honorars meinem Ermessen überlassen bleibe, wenn Sie mir nicht das vollständige Manuscript bis Ende des Jahres 1853 lieferten. Auch war die erste Bestimmung der Stärke des Buchs nicht wie Sie annehmen, zu 400 Seiten, sondern zu 430 bis 440 Seiten, nach Maßgabe des Manuscripts des 1t. Theils bestimmt.

                                                Eduard Vieweg

 


 

2. 4. 1855  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 49; GB 3.2, S. 95>

Berlin d. 2t. April 1855.

Hochgeehrter Herr!
 
Ich habe gestern endlich den Schluß meines Buches an Sie abgesandt und will mir nun noch einen Brief an Sie erlauben über diese Sache, gewärtigend ob noch ein besseres Auskommen zwischen uns möglich ist oder nicht. Ich hatte Ihnen mein Ehrenwort gegeben, vor Vollendung dieser Arbeit nichts anderes zu arbeiten und habe dies, wie es meine Sache war, gehalten, so daß dies Wort wenigstens besteht. Mit diesem gleichen Ehrenwort versichere ich Sie, hochgeehrter Herr, daß ich selbst nur unter den größten Leiden aller Art das Buch fertig gebracht habe und durch dasselbe, das ich zugleich erlebte indem ich es schrieb, in jeder Weise gebannt war. Doch das ist nun vorbei und mit dem heutigen Tage beginnt eine neue Zeit bei mir.

     Ueber die pekuniären Verhältnisse dieses Buches muß ich mir folgende Aeußerungen erlauben. Es ist keine Rede davon, daß dasselbe sich nicht verkaufen werde; ich weiß daß es jetzt schon gern gelesen wird und es wird nicht lange dauern, so werden die Leihbibliothekare die Anschaffung des Romanes nicht länger vermeiden können. Das Buch ist aber nicht der Art, daß es mit einem einmaligen Putsche vergessen wird, vielmehr wird mit der Zeit eine neue Auflage möglich werden, und wenn man alsdann diese Gelegenheit zweckmäßig benutzt, die Längen und unerfreulichen Sachen wegstreicht, Ausstattung und Preis für eine weitere Verbreitung und zum Privatbesitze berechnet, etwa in 6 Bändchen oder in 2 größeren Bänden, so kann man hierdurch den Anstoß zu einer erneuten Aufnahme des Buches machen und es wird auch in geschäftlicher Beziehung nicht die schlechteste Unternehmung sein; denn der Grundstoff des Buches ist gut, ursprünglich und zeitgenössisch, und ich bin kein Schmierer, der nicht weiß was er will, sondern bei mir kommt Alles, wenn auch langsam, an die Reihe, und wenn ich gesund bleibe, so werde ich Eins um's Andere abmachen, was ich mir vornahm. |

     Auf Ihre wiederholten Anklagen, daß Sie durch mich in Schaden gekommen seien, erwiedere ich daher nun dies: Ich schlage Ihnen vor und ersuche Sie, unser ganzes etwas unbestimmtes, in verschiedenen Briefen zerstreutes Abkommen zu revidiren, mir ein anständiges Honorar von zwei Louis d'ors per Bogen zuzugestehen und mir die Stärke der gedruckten Auflage gefälligst mitzutheilen.

     Es versteht sich von selbst, daß dies vollkommen von Ihrem freien Ermessen abhängt; ich meinerseits würde es nur als eine Anerkennung betrachten, daß Sie Ihre Ansicht über den Risiko der Unternehmung und über meine Person geändert haben, und mich darnach verhalten. Ich würde mich dagegen für verpflichtet halten, ungeachtet mehrseitiger Anträge, Ihnen dennoch meine künftigen Sachen zur Einsicht vorzulegen und zum Verlage anzubieten, freie Entschließung auf beiden Seiten vorbehalten.

     Hier muß ich Ihnen nun mittheilen, daß ich im letzten Sommer durch Schuldverhältnisse gezwungen war, einen Kontrakt abzuschließen mit Herren Hugo Scheube in Gotha über ein Bändchen Erzählungen oder Lebensbilder. Dies Bändchen werde ich Morgen beginnen und bis zum 1ten. Mai spätestens abliefern. Bis zum 1ten Juni aber werde ich die Novellen unter dem Titel Galathea schreiben und, da ich dieselben absichtlich aufbehalten habe, Ihnen alsdann mittheilen, im Falle Sie länger mit mir zu verkehren wünschen. Sonst habe ich keinerlei Verpflichtungen eingegangen. Die Sachen, die ich von nun an mache, werde ich nur fertig veräußern und jedesmal Zug um Zug.

     Wenn Sie, auf Grundlage obigen Vorschlages, eine erneute wohlwollende Stellung zu mir einnehmen mögen, so ersuche ich Sie, das ganze Sachverhältniß zu berechnen und mir sogleich den Rest des Honorares oder einen Theil desselben zugehen lassen zu wollen. Im verneinenden Falle aber es mir mit einigen Worten gefälligst anzuzeigen.

     Dies ist es, hochgeehrter Herr, was ich noch zu sagen habe und glaube, daß Sie | auch als Buchhändler schließlich nicht übel fahren würden, wenn Sie diese Sache aus einem etwas freieren Standpunkte betrachten.

     Mit hochachtungsvoller Ergebenheit
                                                empfiehlt sich
                                                Ihr
                                                Gottfried Keller.

 


 

16. 4. 1855  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78u Nr. 50; GB 3.2, S. 98>

Berlin d. 16t. Aprill 1855.

Hochgeehrter Herr!
 
Ich bin jetzt nicht in der Lage, Ihre etwaigen Bestrafungen und Maßnahmen abwarten zu können, sonst komme ich wieder in's alte Unwesen hinein. Wenn das Unglück unpünktlich und unzuverlässig macht, so sollen Die, welche es in der Hand haben, umso rücksichtsvoller ihm entgegenkommen, wenn es unverdient ist.

     Durch Gewährung eines mittelmäßigen wohlverdienten Honorares und durch eine rasche Entscheidung, sowie durch die Beschleunigung des 4t. Bandes hätten Sie mich vor der Nothwendigkeit bewahren können, abermals ein Buch vor dessen Beendigung zu verhandeln. |

     Ich muß dies nun thun und werde auch die Novellen dem Herrn Scheube in Gotha geben, wenn Sie mir nicht im Lauf dieser Woche Ihren Entschluß bekannt machen wollen.

     In jedem Falle bitte ich Sie, hochgeehrter Herr! sich nicht darüber zu verwundern, daß auch ich nicht von der Luft leben kann und daß auch mir der Spruch bekannt ist: ein jeder Arbeiter ist seines Lohnes werth.

     Indessen sind mir die Gesetze der wahren menschlichen Ehre und Gerechtigkeit wohl bekannt und ich werde sicherlich noch in den Stand kommen, sie jedermann auszulegen, der es verlangt.

 Indem ich alles dies Ihrer wohlwollenden Erwägung empfehle, und mich im abschlägigen Falle zugleich von Ihnen für immer verabschiede, verbleibe ich

                                                hochachtungsvoll
                                                Ihr ergebenster
                                                G. Keller.

P. S. Es dürfte für Sie selbst von Nutzen sein, wenn Sie den 4t. Band jetzt versenden, da Hr. Scheube ein Buch von mir auch bald folgen lassen wird, und der 4t. Band durchaus keine Ablenkung und Theilung der Aufmerksamkeit erleiden sollte.

            Ich werde jetzt jeden Monat einen Band schreiben bis ich von Berlin fort kann.

                                                G. K.

 


 

5. 9. 1855  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78v Nr. 59; GB 3.2, S. 112>

Berlin den 5ten Sept. 1855.

Geehrter Herr!
  
Nächster Tage werde ich den Schluß der Erzählungen an Sie absenden. Ich bin leider nicht pünktlich damit fertig geworden, doch haben Sie die kontraktliche Conventional-Entschädigung in der Hand. Indessen, da ich veranlaßt bin, sogleich ein neues Abkommen zu treffen und die Novellen anzubieten, welche ich zu beendigen beabsichtige, so erlaube ich mir keine Zeit mehr zu verlieren und Ihnen die betreffende Anfrage vorzulegen. Sie haben die Anfänge derselben bereits vor einem Jahre in Händen gehabt. Sie sollen den Titel: Die Galathea erhalten und bestehen in einer Hauptnovelle, in welche die andern erzählungsweise eingeschoben sind. Das Buch wird einen durchgängig heitern und eleganteren Charakter bekommen, so daß es eine erfrischende Lektüre bieten dürfte. Es wird, nach dem Maßstabe wie sich das jetzige Buch druckt, dreißig Bogen stark werden, so daß Sie, da sie die kleineren Bände vorziehen, zwei Bändchen von je 15 Bogen daraus machen könnten. Nach meiner Meinung wäre indessen vielleicht der Versuch zu machen, eine solche Arbeit einmal in Taschenformat mit kleinerem Druck auszustatten, um ein bequemes und zierliches Hausbuch daraus zu machen.

     Das Honorar für die dreißig Bogen müßte in vierhundert Thalern bestehen, wovon die Hälfte abermals bei Abschluß des Uebereinkommens, und die andere Hälfte nach Lieferung des Manuskriptes | auszuzahlen wäre. Der letzte Termin für die Ablieferung der Arbeit wäre Ende Oktober, und die übrigen Bedingungen in Betreff Ihrer Sicherstellung blieben die gleichen, wie bei dem gegenwärtig vorliegenden Buche.

     Es ist mir selbst unangenehm, auf diese drängende Weise verfahren zu müssen, allein es ist, so lange ich noch in Berlin lebe, einmal nicht zu ändern. Ich habe bis zum 15t. eine Verpflichtung zu erfüllen, welche noch von der Scheube'schen Contraktaufhebung herrührt und muß daher bis spätestens am 14ten im Besitze der erforderlichen Mittel sein. Ich würde früher geschrieben haben, wenn ich nicht die Marotte gehabt hätte, erst die andere Arbeit vollständig abzuthun.

     Im Falle Sie daher nicht auf diese Sache einzugehen gesonnen sind, geehrter Herr! so ersuche ich Sie, mir es beförderlich anzuzeigen, damit ich noch Zeit habe, mich zu rangiren; wollen Sie aber darauf eingehen, so hat eine gefäll. Antwort Zeit, bis ich das fehlende Mskrpt. der "Leute v. Seldw.<"> einsende, und müßte ich dann nur ergebenst bitten, die Angelegenheit im Laufe der nächsten Woche befördern zu wollen.

     Was den Stoff des Buches betrifft, so ist derselbe vollständig durchgearbeitet und ausgebildet, so daß keine Stegreifarbeit zu befürchten ist. Nachher bin ich freilich fertig mit dergleichen und brauche erst eine Luft- und Ortsveränderung und hoffe in dieser Hinsicht von meiner Rückkehr nach der Schweiz einen guten Erfolg.

     Ich habe dem Herrn Franz Dunker in Berlin auf sein Begehren für dessen Volkszeitung, welche sehr verbreitet ist, die | Revisionsbogen von einer der Erzählungen zum Abdruck mitgetheilt. Da dies nur dem Buche nützlich sein dürfte und es sich um keinen anderweitigen Nutzen handelt, so werden Sie wohl nichts dagegen haben. Natürlich wird er die nöthige Angabe über das Buch selbst und wo es erscheint, beifügen.

     Mit Hochachtung und Ergebenheit
                                                Ihr
                                                Gottfr. Keller.

 


 

7. 9. 1855  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78v Nr. 60; GB 3.2, S. 114>


Herrn F. Vieweg & Sohn Wohlgeboren in Braunschweig

Berlin d. 7t. Sept. 1855.

Ew. Wohlgeboren
 
Ueberraschen mich mit Ihrem geehrt. Schreiben vom 6t. d. auf eine sehr unangenehme Weise, da es sich in Betreff der Bogenzahl um ein arges Mißverständniß zu handeln scheint. Ich habe, wenn es sich um ein Uebereinkommen handelte, immer den einfachen Begriff von einem Druckbogen zu 16 Seiten im Auge gehabt und nie eine Ahnung, daß es eine andere Seitenzahl gebe. Besonders als es sich um das vorliegende Buch handelte, war ich der Meinung, daß es 25 Bogen von dem Format und der Ausstattung des Romanes, welchen Sie verlegten, stark werden sollte, und zwar wie sie in demselben bezeichnet sind von 1-16 Seiten. So brauchte ich stets in meinen Briefen den einfachen Ausdruck: Bogen, und hatte, wie gesagt, Bogen von 16 Seiten im Auge, genau von der Art wie ich sie im Romane und nicht anders gesehen habe.

     In dem Contraktsentwurf sah ich zwar das Wort Duodezbogen wohl, glaubte aber dasselbe beziehe sich lediglich auf das Format des Buches, da ich in den technischen Ausdrücken nicht bewandert bin, und nicht auf die Zahl der Seiten. Ich habe auch bei dem Ansatze des Honorares, für meine Person, ausdrücklich immer 16 Seiten per Bogen im Sinne gehabt und kann bei einer anderen | Eintheilung nicht bestehen. Doch abgesehen hievon und daß, da einmal geschrieben und unterschrieben ist, eine friedliche Behandlung und Aufhellung leicht sein wird, ist die nächste Sache der Lage nach nun die, daß mein Manuskript nur auf 25 Bogen zu 16 Seiten berechnet ist und eine etwaige Vermehrung schon deswegen nicht stattfinden kann, weil ich keine Erzählungen vor der Hand mehr zur Disposition habe, welche zum Charakter und Titel des Buches passen, und daß es also vor der Hand jedenfalls abgeschlossen werden muß. Die Bedenken wegen der Stärke der Bände fallen also weg und mag sich das Uebrige gestalten wie es will, so liegt von meiner Seite kein Grund vor, den Druck des Buches aufzuschieben.

     Sobald Herr Vieweg zurück ist, wünsche ich die Sache genauer auseinandersetzen zu können.

     In meinen neuerlichen Anträgen betreffend die Novellen ist natürlich unter einem Bogen auch nur ein solcher von 16 Seiten gemeint.

     Indessen bitte ich Sie, mir umgehend berichten zu wollen, ob Herr Vieweg nächste Woche zurückerwartet wird, oder noch länger wegbleibt?

     Mit hochachtungsvollster Ergebenheit
                                                Ihr
                                                Gottfr. Keller.

 


 

12. 9. 1855  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78v Nr. 61; GB 3.2, S. 115>


Herrn F. Vieweg & Sohn Wohlgeboren in Braunschweig

Berlin d. 12t. Sept 1855.

Ew. Wohlgeboren
 
übersende die anliegenden Revisionsbogen nebst einem Bogen Manuskript. Es fehlen nun noch 2 solcher Mskpt. Bogen, die noch in der Arbeit sind und ehestens erfolgen werden. Vor der Hand kann keine Rede sein, das Buch auf 38 Oktavbogen zu bringen, da der Stoff sich nicht in der Schnelligkeit erzwingen läßt. Da das mir sehr unerwartete und fatale Mißverständniß einmal da ist, so lassen sich nur zwei Auswege finden: Entweder schließt man das Buch ein für allemal ab und berechnet das Honorar bogenweise, wobei zugleich ein fester Satz anzunehmen wäre gleich für die nächsten Sachen; dies scheint mir das einfachste zu sein. Oder man fügt etwas später noch ein drittes Bändchen von 12-13 Oktavbogen hinzu, das man nachträglich herausgibt, aber nicht ankündigt. Die Käufer der 2 ersten Bändchen würden das 3t. wohl auch anschaffen. In diesem Falle müßte aber die kontraktliche Bedingung wegen eines letzten Termines wegfallen, jedenfalls die Zeit bis Ostern hinausgeschoben, die 2 ersten Bändchen dagegen jetzt gleich herausgegeben werden. |

     Ich gerathe indessen durch diese sehr widerwärtige Affaire in die unangenehmste Lage, da mir nicht nur die Summe von 150 Thalern auf die ich gerechnet, vor der Hand ausbleibt, sondern auch ein beförderliches Abkommen wegen der Novellen nicht statt finden kann.

     Um anderweitige Anknüpfungen und Auswege noch hinauszuschieben, muß ich Ew. Wohlgeboren ersuchen, wenn irgend möglich und sobald als immer thunlich, mir die Summe von 250 Thalern auf Rechnung zugehen zu lassen, gegen die Verpflichtung mich über den Verlag der Novellen jedenfalls mit Ihnen zu einigen, am liebsten mittelst eines Honorars per Bogen. Die Novell werden bequem 30 solcher sogenannten Duodezbogen geben und diese müßten bis spätestens Mitte November abgeliefert werden unter Garantie einer Conventional-Strafe. Kann dies nicht stattfinden, so muß ich Hals über Kopf einen Verleger suchen. Der Umstand, daß die gegenwärtig in Druck befindlichen Erzählungen schon einmal an einen andern Verleger verkauft waren und ich für 25 Oktavbogen schon 300 Thaler in Händen gehabt habe, also jetzt verliere durch den Wechsel des Verlegers und durch das eingeschlichene Mißverständniß, wird mir bei Ew. Wohlgeboren wohl einige Berücksichtigung verschaffen.

     Mit Hochachtung
                                                Ew. Wohlgeboren
                                                ergebenster
                                                G. Keller.

 


 

18. 9. 1855  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr. 187; GB 3.2, S. 116 z. T.>

Braunschweig, 18 Septbr 1855.

Geehrter Herr!
 
Es bleibt unter den obwaltenden Umständen nur übrig, die Erzählungen in einem Bande (von 25 Octav-Bogen) erscheinen zu lassen und das Honorar pro rata zu berechnen; solches betrug für 25 Duodezbogen Rt: 350, was für 25 Octav Bogen = Rt: 233 1/3- sein würde.

     Es kann bei dem zwischen uns getroffenen Übereinkommen nicht der geringste Zweifel über den festgesetzten Umfang obwalten; sehen Sie in dieser Beziehung die zwischen Ihnen und unserm Chef gepflogene Correspondenz sowie den Contract nach. Wie konnte es uns in den Sinn | kommen, daß Sie unter Duodezbogen, Octavbogen verstehen!

     Außerdem sind wir von unserm Chef beauftragt, Ihnen mitzutheilen, daß er entschieden gegen die Aufnahme der Erzählungen in d. Volkszeitung protestire und den Fall geradezu als Nachdruck und Verletzung des Eigenthums-Rechts behandeln würde. Über Ihren neuen Verlags-Antrag kann derselbe erst nach seiner Rückkehr, die schwerlich vor Ende October dJs. erfolgen wird, entscheiden.

     Wir empfehlen uns Ew. Wohlgeboren mit größter
                                                Hochachtung u Ergebenheit
                                                Frd Vieweg u Sohn

 


 

10. 11. 1855  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78v Nr. 67; GB 3.2, S. 123>

Berlin d. 10t. Nov. 1855.

Geehrter Herr!
 
Ich habe zwar keine Ursache, anzunehmen, daß Sie noch ein besonderes Augenmerk auf meine Produktion richten oder ein günstigeres Verständniß in meine Person besitzen, da ich weder etwas von Ihnen vernehme, noch das Erscheinen des neuen Buches befördert wird, obgleich Sie mich früher immer versicherten, daß ein solches im Oktober oder spätestens im November erscheinen müsse. Ich habe die Novellen nothgedrungen hier an Herrn Franz Dunker verkaufen müssen, der mir für 40 Oktavbogen 500 Thaler giebt.

     Dennoch will ich mir erlauben, mich noch^einmal mit diesem Briefe an Sie zu wenden, da ich die Hoffnung nicht aufgebe, eine erfolgreichere und zusammenhängende literar. Thätigkeit zu erreichen und für dieselbe eine wohlbegründete größere Verlagshandlung als Basis wünschen muß.

     Der Grund aller meiner Unregelmäßigkeiten und Mißgeschicke ist mein endloser Aufenthalt in Berlin. Ich befinde mich hier schlecht und bin nicht an meinem Platze, stets von Schulden gequält, | muß ich immer von einem Nagel zum andern hängen und alles, was ich einnehme, vorweg weggeben, so daß ich nie zu einer längeren ruhigen Muße komme. Dies rührt hauptsächlich von der langen Romangeschichte her, und wie ich dieses Buch, trotz der Langsamkeit, doch nicht für einen größeren Erfolg durcharbeiten und was hauptsächlich nöthig gewesen wäre, am Schlusse nocheinmal durchsehen konnte, so geht es mir mit jeder Arbeit, die ich hier noch beginne. Ich habe mich daher entschlossen, der Geschichte ein Ende zu machen, meine Schulden auf Ein Mal zu bezahlen und auf den 1sten Dezember nach der Schweiz zu reisen. Dort werde ich bei meiner Mutter wohnen und meine frühere Ruhe wieder finden, eine leichte Stelle in der Staatsverwaltung, die nicht viel Zeit wegnimmt, ist mir längst zugesagt, damit ich eine äußere gesicherte Existenz habe. Um dies auszuführen bedarf ich aber wenigstens 600 Thaler, die ich auf einmal haben muß.

     Im Falle Sie nun, geehrt. Herr, noch irgend auf meine Thätigkeit reflektiren, so frage ich Sie hiemit an, ob Sie sich dazu verstehen mögen, mir eine größere Summe von etweder 600 oder 1000 Thalern vorzuschießen gegen entsprechende Verpflichtungen und zwar so, daß ich einen Vorschuß von 600 direkt bis zu einer gewissen Zeit abzuarbeiten hätte, einen von 1000 aber so abtrüge, daß ich mich Ihrem Verlage für eine bestimmte Zeit verpflichtete, mit jeder Manuskriptlieferung mir ein Theil des resp. Honorares ausgezahlt würde, damit ich inzwischen doch was einnähme, der andere Theil aber an dem Vorschuß gutgeschrieben, dieser selbst aber auf eine angemessene Weise von mir verzins't und | die Zinsen ebenfalls abgezogen würden.

     Dabei würde für die Dauer dieses ganzen Verhältnisses ein fester Honorarsatz per Bogen angenommen, so daß keinerlei Differenzen entstehen könnten, und ich schlüge als solchen 3 Louis dors für den Duodezbogen vor; ich kann bestimmt erklären, daß ich dieses Honorar von verschiedenen Verlegern bekommen kann und wenn ich ein fertiges Buch vorlegen könnte, das ich mit Ruhe geschrieben, noch mehr. Die Auflage wäre stets 1000 stark und bei nöthig werdenden weiteren Auflagen irgend eines aus diesem Verhältniß hervorgegangenen Bücher die gleichen Bedingungen zugesichert.

     Die Arbeiten, mittelst welcher ich zunächst eine solche Summe zu decken gedenke, bestehen in mehreren Bänden solcher Erzählungen, wie die von Ihnen jetzt gedruckten. Einen Band werde ich noch als zweiten Band der Leute von Seldwyla folgen lassen, doch diese sämmtlichen Geschichten auf Grund reellen Stoffes und einiger Studien in meiner Heimath ausarbeiten, und ich habe besonders vor, die Stadtbibliothek in Zürich zu benutzen, sowie das Archiv, an welchem ich möglicher Weise angestellt werde. Sodann gehe ich schon längere Zeit mit dem Plane eines Buches um, das verschiedene ethische u kritische Versuche enthält und endlich werde ich mit nächstem Jahr bestimmt an die Ausführung meiner dramatischen Arbeiten gehen.

     Die von Ihnen ausgelegte Summe würde ich jedenfalls im Laufe des Jahres 1856 decken. Der Hauptgegenstand wären indessen die erzählenden Sachen, für welche ich große Neigung bekommen habe, sodaß ich eine ordentliche Sammlung derselben anzulegen hoffe. Leider sind | die Novellen, welche Hr. Dunker übernommen, bereits davon ausgeschlossen, da ihm alle künftigen Auflagen und Ausgaben zugesichert sind.

     Dies ist ungefähr, was ich Ihnen mitzutheilen wünschte; es ist damit nochmals in Ihre Hand gegeben, geehrter Herr, sich an dem Geschick eines Schriftstellers einflußreich zu betheiligen. Glauben Sie aber von vornherein nicht darauf eingehen zu müssen, so bitte ich, mir es sogleich anzeigen zu wollen, da ich auf den 1sten Dezember unter allen Umständen Berlin verlassen will und dann an meine Mutter schreiben müßte, welche sich erboten hat, von ihrem kleinen Vermögen einen Theil aufzubrechen, um meiner Absicht behülflich zu sein. Nur weil ich dies ungern thue, habe ich vorher diesen andern Weg versuchen und Ihnen vorlegen wollen.

     Einer gefälligen Antwort hierüber entgegen sehend verbleibe
                                                ich mit Hochachtung und Ergebenheit
                                                Ihr Gottfried Keller.

 


 

8. 3. 1856  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78v Nr. 75; GB 3.2, S. 131>

Herren F. Vieweg & Sohn, Wohlgeboren

in Braunschweig

Zürich d. 8t./3 1856.

 Ich habe an Ew. Wohlgeboren vor bereits drei Wochen ein Schreiben gerichtet, worin ich Ihnen Anträge wegen der folgenden Bände der "Leute v. Seldw." zu machen so frei war, habe aber bis jetzt keine Antwort erhalten. Ich würde Ew. Wohlgeboren vielleicht nicht damit belästigt haben, wenn Sie nicht schon den vorhandenen Band in Ihrem Verlage besäßen. Da ich aber theils gerade diesen Band durch die nachfolgenden Bände oben zu halten hoffe und andrerseits für diese auch jenen ersten Band nothwendig brauche, so mußte ich in erster Linie wünschen, für das Ganze nur Einen | Verleger zu haben wegen eines zweckmäßigeren Betriebes; denn ich muß durch umsichtige Arbeit und Fortführung dieser Sammlung anstreben, endlich eine weitere Verbreitung und nachhaltigere Vortheile zu gewinnen.

     Ich ersuche Ew. Wohlgeboren, mir beförderlich Ihren gefäll. Entschluß mittheilen zu wollen, damit ich, im Fall Sie nicht darauf eingehen mögen, nicht verhindert bin, in der Sache weiter zu handeln.

     Mich Ew. Wohlgeboren hochachtungsvoll empfehlend
                                                Ihr ergebenster
                                                Gottfr. Keller.

 


 

17. 12. 1856  Vertrag zwischen Vieweg und Keller über die Fortsetzung der Leute von Seldwyla

<ZB: Ms. GK 79f3 Nr.197>

Verlags-Contract
Zwischen Herrn Gottfried Keller in Zürich und
Herrn Eduard Vieweg in Braunschweig ist folgender
Verlags-Vertrag abgeschlossen worden.

§1.

Es übernimmt Herr Ed: Vieweg den Verlag einer Sammlung
von Erzählungen, welche die Fortsetzung zu den früher unter
dem Titel: "die Leute von Seldwylla" erschienenen Erzählungen
bildet.

§2.

Als Stärke dieser neuen Erzählungen ist die der ersten
Sammlung angenommen, nämlich ca 33 Bogen 8° im Format
und in der typographischen Räumlichkeit derselben.

§3.

Herr G: Keller empfängt dafür ein Gesammthonorar von
Rt 400 - Courant, und zwar Rt 200 - bei Abschluß
dieses Contractes und Rt 200 - nach vollendetem Druck.

§4.

Sollte die Bogenzahl um einige Bogen schwächer oder
stärker ausfallen, so wird der Honorarsatz im Verhältniß
zur angenommenen Stärke von 33 Bogen reducirt oder erweitert.
Falls es wünschenswerth erschiene, daß aus dem einen Bande |
zwei Bändchen formirt würden, so übernimmt Herr G. Keller
die Verpflichtung, das Material für 40-45 Bogen zu liefern.

§5.

Die Stärke der Auflage ist auf 1000 verkäufliche Exemplare
festgestellt und behält sich Herr Ed: Vieweg das Recht vor,
die Erzählungen als Feuilleton Artikel für die deutsche Reichs-
Zeitung, vor dem Abdruck als Buch, zu benutzen.

§6.

Für die Ablieferung des letzten Manuscripts ist als äußer-
ster Termin der 1te April 1857 festgesetzt. Sollte dieser
Termin wider Erwarten nicht eingehalten werden, so ver-
pflichtet sich Herr G. Keller dem Herrn E. Vieweg eine
Conventionalstrafe von rt 25 - für einen jeden Monat, welchen
die Verzögerung dauern könnte, zu zahlen.
Braunschweig, den 17ten December 1856.
Eduard Vieweg.
Gottfried Keller.

   


 

20. 2. 1861  Keller an Eduard Vieweg

<ZB: Ms. GK 78v Nr.88; GB 3.2, S. 144>
 
Geehrter Herr!
 
Ich habe auf Ihr letztes Schreiben vom 17 Juni v. J. ohne Empfindlichkeit nicht antworten können, weil Sie erstens darin ohne allen Grund den Verdacht aussprachen, daß ich eine in die Ihnen kontraktlich zukommende Fortsetzung der Leute v. Seld. gehörende Erzählung in Auerbachs Kalender gegeben habe. Weder mein Rechtsgefühl, noch das künstlerische Prinzip hätten mir das erlaubt, da die Erzählungen der Leut. v. Seldw. ihren eigenen inneren Charakter haben und nicht willkürlich versetzt werden können. Ich schrieb jene Erzählung extra für Auerbach, weil ich angelegentlich von ihm angegangen und gut dazu aufgelegt war, weil die Sache im Allgemeinen mir nützte und ich endlich auch das Honorar von 50 Thalern pr. Bogen sehr wohl brauchen konnte und bald verdiente. Die Art, wie Sie mir eventuell das freie Arbeiten für einen andern Zweck, als den der Vollendung des Ihnen schuldenden | Buches verbieten wollten, erinnerte mich, offen gestanden, an die Art, mit der man einen Fabrikarbeiter behandelt.

     Ihre jetzigen Bemerkungen über die rechtliche Seite unserer Geschäftsangelegenheit treffen mich nicht, denn es ist mir keinen Augenblick eingefallen, Ihre Ansprüche zu bestreiten. Ich weiß, daß Sie für Ihr ausgelegtes Geld schließlich ein gutes Buch erhalten werden, und damit ist mein Gewissen beruhigt. Dem Ehrenpunkt, an den Sie mich erinnern, erlaube ich mir, eine natürliche Billigkeit gegenüber zu setzen und anzurufen, indem ich Sie darauf aufmerksam mache, daß seit Abschließung des Kontraktes mir von verschiedener Seite bedeutend höhere Honorare fortwährend angeboten werden. Ich habe also durch das Zwangsverhältniß, in welches ich mich freilich selbst begeben, Schaden zu leiden und glaube deshalb Ihre Nachsicht in Bezug  auf die Verzögerung, wohl | etwas anstrengen zu dürfen. Ich selbst leide durch diese Verzögerung am meisten und kann die Verhältnisse doch nicht anders machen.

     Wollen Sie es nun darauf ankommen lassen, ob ich in nicht zu langer Zeit die Manuskripte von selbst einsenden werde, oder wollen Sie einen gänzlich unnützen Prozeß anstrengen, da Niemand Ihr Recht bestreiten wird, muß ich Ihrem Ermessen und Ihrer Neigung anheim stellen. Nur mache ich in letzterm Falle Sie darauf aufmerksam, daß es außer der Gerichtsstube noch ein anderes Forum gibt, wo die Dinge nach einem höheren Rechte beurtheilt werden.

     Es fehlen mir nur wenige Bogen für den Anfang des 2t. Bandes, zu denen ich die freie Muße und Stimmung bis jetzt nicht finden konnte; sobald sie geschrieben sind, werde ich das Mskrpt. absenden.

                                                Ihr hochachtungsvoll ergebenster
                                                Gottfr. Keller.
Zürich d. 20 Febr. 1861.

  


 

30. 6. 1861  Eduard Vieweg an Keller

<ZB: Ms. GK 78v Beilage; unveröffentlicht>
 
[...] des zweiten Bandes, für welche Sie die freie Muße und Stimmung noch nicht finden könnten. Sobald sie gefunden wären, würden Sie das Mst. absenden. -

     Um diesen Ihren Brief vom 20. Febr. d. J. richtig beantworten zu können, d. h. Ihnen und eventuell Andern ein klares, ungeschminktes Bild unserer Verhältnisse zu verschaffen, da ich anzunehmen geneigt bin, es müsse Ihnen selbst unklar geworden sein, habe ich mir die widerwärtige Arbeit auferlegt, unsere Correspondenz durchzusehen und zu excerpiren.

     Ich will so milde und gerecht gegen Sie sein, anzunehmen, Sie hätten nicht recht überlegt, was Sie geschrieben und es würde Ihnen jetzt, nach näherer u wiederholter Kenntnißnahme unserer Correspondenz selbst leid sein, so ungerecht gegen mich geworden zu sein, und sich selbst Blößen gegeben zu haben. Bis ich dies von Ihnen erfahre, will ich keine weitere Kritik der vorstehenden Correspondenz üben; täusche ich mich aber, so werde ich von diesem meinem heutigen Briefe im ganzen Umfange, zunächst den geeigneten Gebrauch durch Mittheilung an bestimmte Persönlichkeiten in < FACE="Arial">Zürich machen und die Drohung, mit dem Forum außer der Gerichtsstube, welche Sie sich mir gegenüber erlaubten, durch Veröffentlichung des Thatbestandes meinerseits erwidern. Nur auf ein Paar Punkte will ich mir erlauben Sie noch aufmerksam zu machen, weil sie zum Verständniß der Correspondenz gehören:

     1, daß seit dem Abschluß unseres Contractes, oder besser, seit dem Zeitpunkte, wo das Mst. geliefert werden sollte, 4¼ Jahr verflossen sind; |

     2, daß ich während dieser langen Zeit stets in der freundlichsten Weise erinnert und gebeten habe, ohne Ihnen je mit der Anstellung eines Processes zu drohen;

     3, daß Sie mir, Sie ersehen aus der Correspondenz wie oft, nicht nur Versprechungen für baldige Beendigung der Arbeit gemacht, sondern mir dieselbe mehrfach schriftlich, ja sogar mündlich als so gut wie fertig bezeichnet haben;

     4, daß Sie unrecht thun, über die Erfolglosigkeit Ihrer schriftstellerischen Thätigkeit zu klagen; um Erfolge zu erzielen muß man, in jeder Sphäre des Lebens, arbeiten. Mir sind die literarischen Arbeiten unbekannt geblieben, welche Sie seit Erscheinung des ersten Bändchens der Leute von Seldwyla publicirt hätten, vielleicht einzelne kleine Erzählungen in einem Kalender pp. abgerechnet.

     5, daß ich diese Ihre Stimmung, welche Sie an Erfolgen hindert, tief beklage, für Sie selbst und das Publikum, welchem der Genuß an Ihren schönen Schöpfungen entzogen wird;

     6, daß ich keine Silbe, keinen Gedanken, meines Briefes vom 17. Febr. d. J. zurücknehme, sondern bei meiner Ansicht beharre, um so mehr an den Ehrenpunkt appelliren zu dürfen, als Jedermann einsehen muß, wie verschieden die Rechtsstellung des Autors u. Verlegers im Rechtswege ist. Zahlt der Verleger nicht, so ist die Klage des Autors einfach; zwinge man aber einen Autor durch Proceß zum Schreiben, so wird man den Unterschied der Stellung kennen lernen! -

     7, daß ich heute noch wie damals der Ansicht bin, Ihre vortreffliche | Erzählung im Auerbachschen Volkskalender habe recht eigentlich für die Leute von Seldwyla gepaßt; Jedermann wird darin wie ich empfinden.

     Lassen Sie mich für heute schließen und Sie bitten, recht angelegentlich bitten, geehrter Herr, mir wahrheitsgetreu sagen zu wollen, wie die Dinge eigentlich liegen. Sie werden und müssen begreifen, daß das nicht wie bisher in infinitum fortgehen kann.

     Ich trage Ihnen Nichts nach und ich werde die Conventionalstrafe ausdrücklich fallen lassen, wenn Sie in einer fest zu bestimmenden Frist mir das Mst. liefern, aber bona fide mit Lust und Liebe an der Sache arbeiten.

                                                Hochachtungsvoll
                                                Ihr ergebener
                                                Eduard Vieweg

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