Kaethe Kroeker-Freiligrath (1845-1905) |
Tochter von Ida und Ferdinand Freiligrath, in London lebend
Briefwechsel mit Keller seit 1884
<ZB: Ms. GK 79d Nr. 127>
Cedar Lodge. - Forest
Hill. London. 15/8/87
Lieber verehrter Herr Keller!
Ihr lieber hochwillkommner Brief nebst den zwei Bänden "Martin Salander" u. "Gesammelte Gedichte" kamen zum
10ten richtig an, u. bezeuge
ich hiermit feierlichst daß die "Schnürchenbinderei" sich in einem so vollkommnen Zustand befand, daß
solche der höchsten u. gerührtesten Anerkennung werth ist! - Aber, lieber Herr Keller, wirklich, Sie
haben mich durch Ihre Sendung auf das tiefste beglückt u. zugleich beschämt, denn wie habe ich solches
verdient? Aber ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Beides u. bemerke vorläufig nur daß
ich Beide | Bände aufgeschnitten habe, und mein Mann schon ganz im Salander vertieft ist u. sich daran erquickt,
dessen tiefe Bedeutung wohl erkennend! - Ob er sich zum Uebersetzen eignet, ist freilich eine Frage die ich, mit
Ihnen, bezweifeln möchte! Eigentlich dachte ich, (als ich in meinen letzten Zeilen die Sache erwähnte)
mehr an Ihre Seldwyler Geschichten, Züricher Novellen, ja Heiligen Legenden, welche, geschickt übersetzt,
sicherlich dem hiesigen Publico munden würden! Da hapert's freilich, u. würde ich, ehe ich so ein schwieriges
Wagestück unternehme, wohl zusehen vorerst, ob es sich auch machen ließe! Sie dürfen bei mir aber
vollkommen ueberzeugt sein, daß wenn es mir nicht gelänge, ich sofort davon abstehen würde,
sintemalen (wie meine liebe | Tante Melos zu sagen pflegt!) mein Pietätsgefühl viel zu stark entwickelt
ist, als daß ich einem so geliebten u. hochverehrten Autor ein Uebersetzer-Leid anthun würde und könnte!
- Sodann sage ich Ihnen herzlichen Dank für Ihr Bild, welches ich in Bälde einrahmen u. der deutschen
Literatur Gallerie von meinem theuren Vater einverleiben werde! - Ueber das Brentano Bild will meine liebe Mutter
Ihnen des Näheren schreiben u. ob des merkwürdigen Zufalls der uns eben vorher von dem Bild (das ich
seit einem Jahr suche!) nicht Ihrem Exemplar, sondern eins von Clemens Brentano überhaupt!) Kunde gab!
- Im Falle Sie meiner freundlich mit dem Bilde gedenken sollten, so will ich nur sagen daß dasselbe | mir
dreifach lieb u. theuer sein wird! Erstens als Portrait von Brentano, (dessen Märchen, Zweiter
Band von mir übersetzt, im Herbst gleichzeitig in London und New York erscheinen werden); zweitens
weil das Bild dem theuren Vater vom Dichter geschenkt wurde; u. drittens, weil der Vater es Ihnen geschenkt hat
u. dasselbe so viele Jahre friedlich in Ihrer Arbeitsstube gehangen hat (trotz Ihres Sonnett's). - Schicken
Sie es also einmal nach England, so seien Sie überzeugt daß es in den Händen der "lyrischen Stammhalterin"
wohl empfangen u. aufgehoben sein wird! - Hoffentlich wird die (ohne Maharadjas) beabsichtigte Kur Ihnen
gewünschte Linderung Ihres Leidens bringen! Und nun nochmals, herzinnigsten | Dank für Ihre lieben Worte,
Ihre geschätzten Werke! Mein Mann trägt mir seine besten u. wärmsten Grüße an Sie
auf; Mama schreibt Ihnen selber! Sie verläßt uns leider schon am 19ten! In aufricht<<ig>>ster
aber wohlbekannter Verehrung
Ihre ergebenste|
Käthe Kroeker Freiligrath