Georg Brandes (1842-1927) |
Dänischer Literarhistoriker, Essayist, Übersetzer von Kellers Novellen
Anzahl registrierte Briefe: 4 an, 6 von Keller (4 ZB Zürich)
<ZB: Ms. GK 79 Nr. 253; unveröffentlicht>
Kopenhagen 30 Juni 1875.
Hochverehrter Herr!
Deutsche Freunn mir, Herr Paul Heyse und Herr Prof. Lazarus haben mich mit Ihren hier im Norden noch nicht gekannten
Dichtungen bekannt gemacht. Es ist meine Absicht Ihre Erzählungen, die so sehr ausgebreitet und allgemein
anerkannt zu werden verdienen in die dänisch-norwegische Sprache zu übersetzen, und ich denke jetzt mit
"Romeo und Julia" und "das Fahnlein der Aufrechten" den Anfang zu machen. Ich möchte dies doch nicht thun
ohne Ihre Erlaubniss dazu eingeholt zu haben. Ich bin sonst nicht Uebersetzer, ich bin Schriftsteller im litteraturhistorischen
Fache, aber da ich meine Sprache beherrsche, meine ich, dass Sie mir getrost die Erlaubniss geben können.
Wenn Sie dies wollen, bitte ich Sie zugleich, wenn später irgend ein anderer Däne | sich an Sie in derselben
Angelegenheit wenden sollte, ihn abzuweisen; man ahmt hier oft auf eine mich störende Weise was ich anfange
nach. Es thut mir leid Ihnen nicht Honorar für die Erzählungen anerbieten zu können; ich bekomme
selbst nicht mehr dafür als dass meine Zeit mir bezahlt wird, und dies ist ja ein erster Versuch. -
Erst wenn man Ihre Sachen übersetzt, sieht man recht ein, wie sie es verdienen Zeile für Zeile studirt zu werden.
Mit Hochachtung
Georg Brandes.
Meine Adresse ist einfach Dr. G. B. Kopenhagen.
<ZB: Ms. GK 78q Nr. 27 (1); GB 4, S. 160>
Zürich 8 Juli 1875
Hochgeehrter Herr!
Wenn Sie meinen Erzählungen die Ehre der Uebersetzung durch Ihre eigene Feder erweisen wollen, so gebe ich
gerne meine Einwilligung dazu, soweit Sie einer solchen bedürfen u werde allfällig anderweitige aus Dänemark
Norwegen kommende Anfragen ablehnend beantworten.
Indem ich mit diesen Zeilen Ihr verehrl. Schreiben vom 30 Juni zu beantworten die Ehre habe, freut es mich, bei diesem Anlaße wenigstens brieflich Ihre Bekanntschaft | gemacht zu haben
Ihr achtungsvoll ergeb.
G. Keller.
<SNM: B:G.Keller 68.49; unveröffentlicht>
Zürich 9 Juli 1875
Hochverehrter Herr!
Nachträglich zu meinem gestrigen Briefe glaube ich Sie noch darauf aufmerksam machen zu sollen, daß
die Erzählung "das Fähnlein der 7 Aufrechten" im nächsten Winter in einem Bande neuerer Novellen
neu gedruckt werden wird und daß hiebei eine Durchsicht u Correctur stattfinden muß. Auch werden ein
par Passus, welche beim ersten Erscheinen in Auerbachs Kalender weggelaßen wurden als fur den Tenor des Kalenders
nicht geeignet, wieder aufgenommen, so daß das Ganze mit jener ersten Ausgabe nicht mehr ganz übereinstimmen
| wird.
Ich stelle Ihnen daher anheim, hierauf Rücksicht zu nehmen u diesen Gegenstand bis zum Erscheinen des Buches zurück zu legen, oder aber die Geschichte in ihrer alten Gestalt zu übersetzen. Wichtig ist die Sache nicht.
Mit Hochachtung ergeben
G. Keller.
<ZB: Ms. GK 79 Nr. 254; GB 4, S. 161 z. T.>
Kopenhagen 13 Dec. 75.
Verehrter Herr!
Ich erlaube mir Ihnen hiermit ein Exemplar der 2 Novellen, die ich von Ihnen übersetzt habe, zu senden und
werde Ihnen gleichzeitig die Geschichte dieses kleinen Buches - denn es hat schon eine - erzählen. Ich übersetzte
"das Fähnlein" in seiner jetzigen Gestalt, weil ich keine harmlosere Geschichte unter den ihrigen finden konnte
und weil ich mein Publikum gut genug kannte um viel Vorsicht anzuwenden. Es hat mich aber wenig genützt. Einige
unserer bigotten Presscoryphäen haben sich mit einem Geschrei über die "Unsittlichkeit" der ersten Erzählung
Romeo u. Julia über das Buch geworfen und den Verkauf fast vernichtet. Hätte ich | nicht das Buch
übersetzt, dann hätte man vielleicht nicht jene Unsittlichkeit gefunden; jetzt fand man sie und machte
einen Höllenlärm. Sie seien "wie Paul Heyse" "Prediger des Evangeliums des Genusses" u. s. w. Endlich
hatte man in Vapereau nach Ihrem Namen, den man nicht kannte, gesucht und da man da zu finden glaubte, dass sie
am 9ten September 1860 gestorben
seien, fing erst ein Blatt an mich der Lüge zu ziehen, weil ich gesagt hatte, Sie hätten mir das
Übersetzungsrecht übertragen. Ich war eben im Auslande und sah nicht gleich den Artikel; darum nahm ein
anderes einflussreiches Blatt die Beschuldigung der | Lüge gegen mich auf mit dem witzigen Zusatz, Sie hätten
mir wohl pr. Testament jenes Recht übertragen, bis ich alles dies endlich widerlegen konnte. Es thut mir sehr
leid, dass der Hass unserer Frommen gegen mich so auf Sie überführt geworden ist; nun sie sind hier zu Lande allmächtig und der Kampf gegen sie muss sehr
hartnäckig und zähe geführt werden. Der Bischof Seelands hat eben in diesen Tagen persönlich
verhindert, dass ich eine Professur bekäme, wozu ich vom Minister empfohlen war; aber der Bischof hat des
Königs Ohr. Die Beruhigung können Sie aber wegen der Novellen haben, dass selbst die Blätter, die
| Sie am gehässigsten getadelt, haben gestehen müssen dass die Ubersetzung "sehr gut" gerathen sei, ja
einige haben sie selbst in viel stärkeren Ausdrücken gelobt.
Gegen Neujahr wird in deutscher Ubersetzung der 4te Band meiner Vorlesungen hier an der Universität "Der Naturalismus in England" in Berlin erscheinen; es würde mir eine Freude und Ehre sein, wenn ich Sie zu meinen Lesern rechnen dürfte. Vergeben Sie mein schlechtes Deutsch.
Hochachtungsvollst
Georg Brandes.
Sollten Sie hiermit kein Buch bekommen, bitte ich mir's zu schreiben; die Sachen werden nur allzu oft hier auf der Post weggestohlen.