Gottfried Keller

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Melancholia (Bild) Cantate bei Eröffnung einer schweizerischen Landesausstellung 1883
Ave Maria Melancholie (Text)  
Schöne Brücke, hast mich oft getragen ...    
Abendlied    

Mixed ...

 

 

Melancholia

 

Bleistiftzeichnung in einem Notizbuch Kellers (ZB: Ms. GK 67; HKKA 16.2):

Kellers sinnende Melancholie. Die einzelnen Buchstaben (P, G, L) sind als Bilderrätsel (!) arrangiert.

 

 

Melancholie

 

Es gibt auch ein Gedicht Kellers mit dem Titel Melancholie. Es wurde 1851 erstmals publiziert und später durch eine Strophe, die das Bild Dürers thematisiert, erweitert. Im folgenden werden die beiden Gedichtfassungen von 1851 und 1883 einander gegenübergestellt:

Fassung von 1851 (Neuere Gedichte)

Fassung von 1883 (Gesammelte Gedichte)


Melancholie.

Sei mir gegrüßt, Melancholie,
Die mit dem leisen Feeenschritt
Im Garten meiner Phantasie
Zu rechter Zeit an's Herz mir tritt!
Die mir den Muth, wie eine junge Weide,
Tief an den Rand des Lebens biegt,
Doch dann in meinem bittren Leide
Voll Treue mir zur Seite liegt!

Die mir der Wahrheit Spiegel hält,
Den düster blitzenden, empor,
Daß der Erkenntnis Thräne schwellt
Und bricht aus zagem Aug' hervor.
O strenge Rache nimmst du Dunkle immer,
Wenn ich dich mehr und mehr vergaß
Ob lärmendem Geräusch und Flimmer,
Die doch an meiner Wiege saß!

Es hängt mein Herz an eitler Lust
Und an der Thorheit dieser Welt;
Oft mehr, als eines Weibes Brust,
Ist es von Außenwerk umstellt!
Und selbst den Trost, daß ich aus eignem Streben,
Daß Alles nichtig ist, erkannt,
Nimmst du und hast mein stolz' Erheben
Zu Boden also bald gewandt,

Wenn du mir lächelnd zeigst das Buch
Des Königs, den ich oft verhöhnt,
Aus dem es, wie von Erz ein Fluch:
Daß Alles eitel sei! ertönt.
Und nah' und ferne hör' ich dann erklingen
Gleich Narrenschellen ein Getön -
O Göttin, laß mich dich umschlingen,
Nur du, nur du bist wahr und schön!

 


Melancholie.

Sei mir gegrüßt, Melancholie,
Die mit dem leisen Feenschritt
Im Garten meiner Phantasie
Zu rechter Zeit an's Herz mir tritt!
Die mir den Mut wie eine junge Weide
Tief an den Rand des Lebens biegt,
Doch dann in meinem bittern Leide
Voll Treue mir zur Seite liegt!

Die mir der Wahrheit Spiegelschild
Den unbezwungnen, hält empor,
Daß der Erkenntnis Träne schwillt
Und bricht aus dunklem Aug' hervor;
Wie hebst das Haupt du streng und strenger immer
Wenn ich dich mehr und mehr vergaß
Ob lärmendem Geräusch und Flimmer,
Die doch an meiner Wiege saß!

Wie hängt mein Herz an eitler Lust
Und an der Torheit dieser Welt!
Oft mehr als eines Weibes Brust
Ist es von Außenwerk umstellt,
Und selbst den Trost, daß ich aus eignem Streben,
Was leer und nichtig ist, erkannt,
Nimmst du und hast mein stolz' Erheben
Zu Boden alsobald gewandt,

Wenn du mir lächelnd zeigst das Buch
Des Königs, den ich oft verhöhnt,
Aus dem es, wie von Erz ein Fluch,
Daß alles eitel sei! ertönt.
Und nah und ferne hör' ich dann erklingen
Gleich Narrenschellen ein Getön;
O Göttin, laß mich dich umschlingen,
Nur du, nur du bist wahr und schön! -

Noch fühl' ich dich so edel nicht,
Wie Albrecht Dürer dich geschaut:
Ein sinnend Weib, von innerm Licht
Erhellt, des Fleißes schönste Braut,
Umgeben reich von aller Werke Zeichen,
Mit milder Trauer angetan;
Sie sinnt - der Dämon muß entweichen
Vor des Vollbringens reifem Plan.